Herrmann, Albert Gustav Adolf 

Geburtsdatum/-ort: 28.02.1892; Straßburg
Sterbedatum/-ort: 23.04.1977;  Karlsruhe
Beruf/Funktion:
  • Oberbürgermeister
Kurzbiografie: 1901–1910 Protestantisches Gymnasium in Straßburg
1910–1911 Einjährig-Freiwilliger beim Niedersächsischen Fußartillerie-Regiment Nr. 10
ab 1911 Studium d. Rechts- u. Staatswissenschaften in Straßburg, Berlin u. Kiel
1914–1918 Kriegsteilnahme, zuerst Leutnant d. Res. d. Artillerie, dann Offizier bei d. Fliegertruppe
1918 Erwerb d. bad. Staatsangehörigkeit
1921 II. jurist. Staatsexamen
1922–1931 Rechtsrat d. Stadt Karlsruhe
1932 kommissarischer Bürgermeister von Durlach
1933 VI. 1 Eintritt in die NSDAP, Mitgliedsnr. 3080406
1933–1945 Oberbürgermeister von Konstanz
1939–1945 Kriegsteilnahme als Reserveoffizier, zuletzt Major
1945 I.–III. kommissarischer Bürgermeister von Pforzheim
1950 Zulassung als Rechtsanwalt beim Landgericht Karlsruhe
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Ehrungen: Eisernes Kreuz I. u. II. Klasse, Fliegerbeobachterabzeichen, Frontkämpferkreuz, Goldenes Sportabzeichen, Silberne Ehrennadel des NS-Reichsbundes für Leibesübungen (1939), Treudienst-Ehrenzeichen (1941)
Verheiratet: 1925 (Karlsruhe) Herta, geb. Herrmann (sic!) (1900–1987)
Eltern: Vater: Robert (1855–1918), Verwaltungsoberinspektor
Mutter: Maria, geb. Längy (1863–1933)
Kinder: 2; Herta (geboren 1926) u. Harald (geboren 1928)
GND-ID: GND/1047265915

Biografie: Jürgen Klöckler (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 5 (2013), 159-161

Ein gezieltes und energisches Streben nach Verwendung in der öffentlichen Verwaltung durchzieht Herrmanns Leben, dessen Vater und Großvater bereits im Staatsdienst gestanden hatten, und auch das Studium der Rechts- und Staatswissenschaften qualifizierten den im Reichsland Elsass-Lothringen aufgewachsenen Beamtenspross für seine spätere Tätigkeit, unterbrochen allerdings durch den I. Weltkrieg, an dem Herrmann als Reserveoffizier teilnahm. Im Dezember 1918 wurde er als Justizreferendar im französisch besetzten Kehl in den badischen Staat aufgenommen, wo er eine klassische Verwaltungsvorbereitung bis zum II. Staatsexamen durchlief und im Dezember 1921 in den höheren Verwaltungsdienst übernommen wurde.
Seine Karriere im öffentlichen Dienst begann Herrmann als Rechtsrat der Stadt Karlsruhe. Ganz in der Tradition der badischen Beamtenschaft trat der im Grunde Unpolitische 1929/30 kurzzeitig der DVP bei. Seine Fähigkeiten qualifizierten ihn für höhere Aufgaben, so dass ihn das badische Innenministerium im Januar 1932 als kommissarischen Bürgermeister von Durlach einsetzte. Dort war das kommunalpolitische Klima am Ende der Weimarer Republik restlos vergiftet. Durch sein selbstbewusstes und energisches Auftreten kam der neue Bürgermeister sofort in Konflikt mit der lokalen, zur Macht strebenden NSDAP, die ihn schließlich Ende März 1933 gewaltsam aus dem Rathaus entfernen sollte. Damit konnte und wollte sich der gestandene Verwaltungsjurist nicht abfinden, weshalb er umgehend in Karlsruhe an höchster Stelle, beim neuernannten Reichskommissar Robert Wagner, vorstellig wurde. Die Sicherung seiner weiteren Verwaltungskarriere hatte für den selbstbewussten Herrmann oberste Priorität, auch um den Preis einer Anpassung an die neuen Verhältnisse. Durch das entschlossene Auftreten ins Blickfeld für höhere Aufgaben geraten, beauftragte Wagner ihn Anfang Mai 1933, als neuer Oberbürgermeister schnellstmöglichst nach Konstanz zu fahren, um der eigenmächtigen Selbsternennung eines „alten Kämpfers“ zuvorzukommen. An der Grenze zur Schweiz benötigte Wagner einen erfahrenen, diplomatisch agierenden Verwaltungsfachmann. Bei seiner Ankunft in Konstanz hat Herrmann das Mitgliedsabzeichen der NSDAP genauso wie bei seinen ersten öffentlichen Auftritten getragen, obwohl er erst nach seinem Parteibeitritt zum 1. Juni 1933 – den er ohne innere Überzeugung wohl aus reinen Nützlichkeitserwägungen vollzog – dazu berechtigt gewesen wäre.
Am 5. Mai 1933 trat Herrmann seinen Dienst in Konstanz an und bestand darauf, sich am 26. Mai vom Bürgerausschuss auf neun Jahre zum Oberbürgermeister wählen zu lassen. Die geographische Lage der Stadt entsprach dem Geschmack des begeisterten Sportlers und Alpinisten. Hier konnte er dienstliche Pflichten mit privaten Ambitionen verbinden. Seine Mitgliedschaft im Alpenverein und einige Bergurlaube in der nahen Schweiz zeugen davon. Die sportlichen Vorlieben Herrmanns schlugen sich auch in der Baupolitik der Stadt nieder: 1934 in der Eröffnung des modernen Strandbads Jakob, 1935 in der Fertigstellung der „Bodensee-Kampfbahn“, des heutigen Bodensee-Stadions, 1937 in der Einweihung des Kur- und Hallenbads. In politischer Hinsicht hielt er sich auffallend zurück, er engagierte sich nicht in der Partei, zeigte sich in der Öffentlichkeit fast immer im zivilen Anzug, wurde lediglich zum „Ehrensturmführer“ des NS-Kraftfahrkorps ernannt und auch die NSKK-Uniform trug er nach eigenen Angaben ab 1937 nur fünf Mal.
In seinen öffentlichen Auftritten passte sich Herrmann der Sprachregelung der NSDAP dagegen perfekt an, ohne freilich ideologiegetränkte Äußerungen von sich zu geben – das war in den jährlich stattfindenden kommunalpolitischen Kundgebungen im Konzil die Aufgabe seines Stellvertreters, des Bürgermeisters Leopold Mager (1896–1966). Weder pflegte Herrmann privaten Umgang mit regionalen Größen der Partei, selbst in seinem Dienstzimmer hingen keine Bilder des „Führers“ oder des Gauleiters, noch war er deren Wünschen willenlos ergeben – im Gegenteil mühte er sich, um nur nicht als Mann der Partei zu gelten. Der Konstanzer Oberbürgermeister sah sich vielmehr als „pflichttreuer Beamter“ und Verteidiger städtischer Interessen, was zu zahllosen Konflikten führte, auch mit seinem Stellvertreter Mager, einem „alten Kämpfer“.
Die Auseinandersetzungen mit der Partei ermüdeten Herrmann zusehends. Als ganz persönliche Flucht aus den Verhältnissen kann daher seine Freiwilligenmeldung zur Wehrmacht interpretiert werden, wo er als Hauptmann bzw. Major beim Luftgaukommando VII in München Bearbeiter für Luftschutzangelegenheiten war; denn problemlos hätte er sich „unabkömmlich“ stellen lassen können.
Im Januar 1945 wurde Herrmann ohne eigenes Zutun zum kommissarischen Bürgermeister von Pforzheim ernannt. Im badischen Innenministerium galt er als eines der „besten Pferde im Stall“: korrekt, objektiv und entschlussfreudig. Bei einem der schwersten Luftangriffe des II. Weltkriegs wurde Pforzheim am 23. Februar 1945 zerstört. Herrmann scheint bald darauf die Stadt vor den anrückenden französischen Truppen verlassen zu haben und nach Konstanz zurückgekehrt zu sein. Am 12. Mai 1945 wurde er von der französischen Besatzungsmacht seines Amtes enthoben und ins Konstanzer Gefängnis eingeliefert, aus dem er am 14. Juli entlassen werden sollte.
Wirtschaftlich und psychisch schwierige Jahre folgten. Aus dem Entnazifizierungsverfahren ging Herrmann im November 1948 als Minderbelasteter unter „Zurruhesetzung ohne Pension – nicht in Staats- oder Kommunalverwaltung zu verwenden“ (Entnazifizierungsakte, StA Freiburg) hervor. Er wehrte sich gegen die Entscheidung und erhielt 1952 als Gnadenerweis die Wählbarkeit zurück. Um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, begann er Anfang der 1950er-Jahre als Rechtsanwalt in Karlsruhe tätig zu werden. Bis an sein Lebensende fühlte sich der überzeugte Verwaltungsbeamte aufgrund seiner Nichtwiederverwendung im öffentlichen Dienst ungerecht behandelt und haderte mit seinem Schicksal, das bei einer Nichtanpassung an das NS-Regime nach seinem Sturz als Durlacher Bürgermeister im Frühjahr 1933 sicherlich nach 1945 eine andere Wendung genommen hätte.
Quellen: StadtA Konstanz S II 2042, Personalakte; KreisA Konstanz Spezialia Konstanz VI/2; StA Freiburg D 180/2 Nr. 188728, Entnazifizierungsakte; Bodensee-Rundschau vom 27.5.1933; Durlacher Tagblatt vom 27.11.1931 u. vom 20.3.1933.
Werke: Div. Zeitungsartikel zu kommunalen Themen in d. Konstanzer „Bodensee-Rundschau. NS-Kampfblatt für das Deutsche Bodensee-Gebiet“.
Nachweis: Bildnachweise: Jürgen Klöckler, Vom Kaiserreich zur Bundesrepublik. Aus dem polit. Leben d. Stadt Konstanz von 1918 bis 1960, in: Mager u. knapp. Alltagswelten in d. Grenzstadt Konstanz 1920–1960, 2002, 32.

Literatur: Lothar Burchardt/Dieter Schott/Werner Trapp, Konstanz im 20. Jh. Die Jahre 1914 bis 1945, Geschichte d. Stadt Konstanz 5, 1990, passim; Harald Herrmann, Gedanken im Gedenken. Erinnerungen an meinen Vater Gustav Adolf Albert Herrmann (1891–1977), Band I bis III (Manuskripte), Wangen 2004 u. 2006; Jürgen Klöckler, Selbstbehauptung durch Selbstgleichschaltung. Die Konstanzer Stadtverwaltung im Nationalsozialismus, 2012.
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