Walchner, Franz 

Geburtsdatum/-ort: 03.09.1881;  Wangen im Allgäu
Sterbedatum/-ort: 28.02.1964;  Wangen im Allgäu
Beruf/Funktion:
  • Verleger und Kommunalpolitiker-Z, dann CDU
Kurzbiografie: 1895 Abschluss d. Wangener Lateinschule
1896/99 Ausbildung in d. väterlichen Druckerei
1899–1900 Höhere Handelsschule in Stuttgart, zugleich Volontariat bei einer Stuttgarter Zeitung
1900–1902 Tätigkeit im väterlichen Betrieb
1902–1903 Technikum für Buchdrucker u. Akademie für graphische Künste in Leipzig
1912 Dt. Meister beim Bundesschießen in Frankfurt
1919–1933 Stadtrat-Z in Wangen im Allgäu
1910 Herausgeber des „Argenboten“
1922ff. Begründer des Verbandes oberschwäb. Zeitungsverleger, VERBO
1945ff. Mitbegründer und Mitherausgeber der „Schwäbischen Zeitung“
2005 Franz-Walchner-Straße in Wangen
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Auszeichnungen: Ehrungen: Päpstliches Ehrenkreuz Pro ecclesia et pontifice in Gold (1928); Bundesverdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland am Bande 1. Klasse (1953); Ehrenbürger der Stadt Wangen (1956); Ehrennadel des dt. Genossenschaftsverbandes (1961); Ehrenvorsitzender des Aufsichtsrates der Volksbank Wangen (1962)
Verheiratet: 1906 (Wangen) Maria, geb. Brunner (gestorben 1973)
Eltern: Vater: Josef (1850–1925), Buchdrucker u. Verleger
Mutter: Kreszentia, geb. Friker, verh. Schnitzer (1847–1927)
Geschwister: 4; Anna (geboren 1878), Josef (geboren 1879), Adolf (geboren 1884) u. Karl (geboren 1885)
Kinder: 2;
Siegfried (1910–1994),
Herlinde (1914–2001)
GND-ID: GND/1047562421

Biografie: Michael Kitzing (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 5 (2013), 453-456

Walchner, Sohn einer alteingesessenen Wangener Drucker- und Verlegerfamilie, absolvierte seine Schullaufbahn an der örtlichen Lateinschule. 1896 erlernte er beim Vater die Anfangsgründe von dessen Beruf als Drucker und besuchte im Jahr darauf die Höhere Handelsschule in Stuttgart; gleichzeitig absolvierte er bis 1899 ein Volontariat bei einer Stuttgarter Zeitung. 1899 kehrte Walchner für weitere zwei Jahre in den väterlichen Betrieb zurück, bevor er 1901/1902 das Technikum für Buchdrucker in Leipzig absolvierte. Danach kehrte er wieder in den väterlichen Betrieb zurück, den er Anfang der 1920er-Jahre übernahm. Bereits in jungen Jahren gewann Walchner den Ruf eines erfolgreichen Geschäftsmanns. 1912 erschien erstmals ein von ihm geschriebenes Lehrwerk zur Buchführung, das in den kommenden Jahrzehnten wiederholt überarbeitet und neu aufgelegt wurde. Bekannt geworden ist Walchner aber vor allem 1922 durch die von ihm initiierte Gründung des „Verbandes oberschwäbischer Zeitungsverleger“, VERBO, die einen wichtigen Schritt zur Überwindung der strukturellen Probleme der katholischen Provinzpresse darstellte.
Die katholische Presse des Kaiserreichs und der Weimarer Zeit litt vor allem unter ihrer starken Zersplitterung. In fast jeder Oberamtsstadt erschien ein Blättchen, das meist kaum 2000 bis 5000 Leser fand. Manche Zeitungen brachten es sogar nur auf einige hundert Abonnenten. Dazu standen diese Landzeitungen oft in einem überaus scharfen Konkurrenzkampf untereinander, nicht nur zu Blättern in Großstädten, die ja einen weitaus breiteren Leser- und Inserentenkreis fanden. Hinzu trat der massive Auflagenrückgang der katholischen Provinzpresse nach dem I. Weltkrieg und seinen Folgen, bis hin zur 1923 einsetzenden Inflation. Auf Anregung Walchners schlossen sich 1922 neunzehn oberschwäbische Zeitungsverleger zusammen und errichteten eine Zentralredaktion und einen zentralen, leistungsfähigen technischen Betrieb. Die dort erscheinenden 16 Zeitungen waren identisch im Mantel mit den Sparten Politik, Wirtschaft und Feuilleton. So schuf sich die VERBO-Gruppe die gleichen Möglichkeiten wie Organe in Großstädten. Alle Zeitungen behielten freilich ihren eigenen Lokalteil, für den die jeweiligen Verleger und Redakteure vor Ort verantwortlich waren. Auch wenn die VERBO-Gruppe im ersten Jahr nach dem Zusammenschluss noch mit den Folgen der Inflation zu kämpfen hatte, erwies sich die Neugründung als durchschlagender Erfolg und fand eine ganze Reihe von Nachahmern. Selbst in Nordwestdeutschland schlossen sich zehn Provinzblätter zur sogenannten ZENO–Gruppe zusammen, in Bayern entstand der Augustinusverein für die katholische Presse nach dem gleichen Muster. In Baden erfolgte ein Zusammenschluss unter dem Dach der „Deutschen Bodenseezeitung“, die in Konkurrenz zur VERBO–Gruppe trat, umso mehr, als diese über das württembergische Oberschwaben hinausgriff und badische Zeitungen sich ihr anschlossen. In Württemberg pries man VERBO als „schwäbische Pionierleistung“ Walchners, „die aus dem deutschen Zeitungs- und Pressewesen nicht mehr wegzudenken“ sei, ja das „System Walchner“ wurde als „verlegerische Tat gefeiert, die in die Geschichte des Pressewesens bereits eingegangen ist“ (Schwäb. Zeitung, 29.2.1964). Richtig daran ist, dass diese Konzentration den zentrumsnahen katholischen Provinzblättern Oberschwabens das wirtschaftliche Überleben sicherte. Walchner wurde 1928 mit dem Orden „Pro ecclesia et pontifice“ ausgezeichnet.
Umso heftiger gingen dann in den 1930er-Jahren die Nationalsozialisten gegen ihn vor und verdrängten ihn systematisch aus dem öffentlichen Leben. Er verlor sein Mandat im Gemeinderat von Wangen und musste die Schriftleitung des „Argenboten“ niederlegen. Auch als Geschäftsführer der Oberschwäbischen Zeitungsdruckerei musste er zurücktreten. Als bekannter Regimegegner kam er im Rahmen der „Aktion Gewitter“ nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 für zwei Tage in Polizeihaft.
Entsprechend schnell eröffneten sich nach der Besetzung Oberschwabens auch für Walchner neue Wirkungsmöglichkeiten. Zunächst übernahm er die Redaktion des von den Franzosen herausgegebenen „Mitteilungsblattes für den Kreis Wangen“. Ein ähnliches Blatt erschien im Kreis Biberach, wo der schon 1947 verstorbene Wendelin Hecht, der letzte Verlagsleiter der „Frankfurter Zeitung“, wie in Freiburg bei der BZ wirkte. Unzufrieden mit dem ganz von den Franzosen bestimmten Inhalt strebte Hecht letztlich die Neugründung einer unabhängigen deutschen Tageszeitung an. Aus diesem Grund nahm er Kontakt mit dem Biberacher Verleger Max Diederich (1903–1975) auf, der wiederum die Verbindung zu Walchner, Othmar Gessler (1889–1974) in Friedrichshafen und Max Drexler (1894–1968) in Leutkirch wirkte. Gessler, Drexler, Diederich und Walchner knüpften an ihre Zusammenarbeit aus den Jahren der VERBO-Gruppe an. Gemeinsam mit Hecht schufen sie die „Schwäbische Zeitung“, die am 4. Dezember 1945 erstmals erschien. Zwar hätten die Voraussetzungen dafür schon seit September 1945 bestanden, allein Spannungen innerhalb von Organen der französischen Besatzung verzögerten das Erscheinen. Die bürgerlich geprägte französische Militärverwaltung in Baden-Baden verfolgte einen anderen Kurs als das Zivilgouvernement in Tübingen, in dem die politische Linke dominierte. Die „Schwäbische Zeitung“ also hatte zwei Wurzeln: zum Einen die Herausgeber, die sich bereits von VERBO her kannten. Sie stellten den technischen Apparat zur Verfügung, gedruckt wurde zunächst in Leutkirch, wohin eine Rotationsmaschine des ehemaligen „Seeblattes“ in Friedrichshafen ausgelagert gewesen war. Eine zweite, ältere Rotationsmaschine, die im Federseegebiet ausgelagert gewesen war, musste im Zuge der Demontage den Franzosen überlassen werden. Die zweite Wurzel waren wie bei der „Badischen Zeitung“ in Freiburg ehemalige Mitarbeiter der „Frankfurter Zeitung“, die von Hecht nach Oberschwaben geholt worden waren. Hecht verpflichtete Ernst Trip als ersten und anfänglich auch einzigen Redakteur der neuen Zeitung. Bezeichnenderweise erinnert auch der Schriftzug des neuen Blattes an das Frankfurter Vorbild. Dem Engagement Hechts war auch zu verdanken, dass wie an der BZ an der „Schwäbischen Zeitung“ in den ersten Nachkriegsjahren eine ganze Reihe prominenter Journalisten mitarbeitete, darunter Walter Gerteis, Johannes Schmid und Rudolf Heizler. Auch Karl Korn (1908–1991) und Paul Sethe (1901–1967), die 1954 zu den Gründungsherausgebern der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ gehören sollten, und der spätere Bundespräsident Theodor Heuss schrieben immer wieder in diesem Blatt, und nicht ohne Stolz konnte man sich in der Redaktion noch nach Jahren erinnern, dass 1946 der Berliner „Tagesspiegel“ und der „Kurier“ immer wieder Artikel der „Schwäbischen Zeitung“ nachdruckten und dem Blatt so ein Echo weit über die Zonengrenze hinaus bescherten.
Bei ihrer Gründung war der Zeitung von der Besatzungsmacht ein weitgehendes Maß an Pressefreiheit zugesichert worden – ein Versprechen, das dann beileibe so nicht gehalten wurde. Das wurde schon im Herbst 1946 deutlich, als die Redaktion sich weigerte, dem Wunsch der Besatzungsmacht gemäß eine Rede von Carlo Schmid auf der Titelseite wörtlich abzudrucken, dafür aber deutliche Kritik übte an der Deportation Deutscher durch die Russen. Diese Auseinandersetzung ging als „La rebellion de Leutkirch“ in die südwestdeutsche Pressegeschichte ein. Die gesamte Redaktion wurde von den Franzosen entlassen. Chefredakteur Trip kam für drei Monate ins Straflager nach Balingen, die anderen Redaktionsmitglieder mussten aus der Zone flüchten. Mitherausgeber Hecht erhielt Hausverbot in der von ihm mitgegründeten Zeitung.
1947 wünschte die Besatzungsmacht erneut Umstellungen. Bis dahin war die Zeitung ausdrücklich als überparteiliches Organ erschienen, jetzt forderten die Franzosen ein klares politisches Bekenntnis. Im ganzen Land Südwürttemberg-Hohenzollern durfte nur noch eine einzige Zeitung überparteilich bleiben, die „Schwäbische Zeitung“ erschien von 1947 bis 1949 ausdrücklich als „Organ der CDU“, erst nach dem Wegfall der entsprechenden Bestimmungen wieder als „unabhängige Heimatzeitung für christliche Kultur und Politik“. Auch das ursprüngliche Kollegialsystem nach Frankfurter Muster wurde beseitigt. Ab Frühjahr 1949 leitete Albert Komma, nachmals Chefredakteur der Zeitung „Die Welt“, die Redaktion des Blattes.
Ursprünglich war die „Schwäbische Zeitung“ wie fast alle nur zweimal wöchentlich erschienen, vom 1.August 1948 an dann dreimal pro Woche. Es dauerte bis an das Jahresende 1952 – endlich war das Problem des Papiermangels überwunden – bis das Blatt jeden Werktag erscheinen konnte. Unterdessen war die Auflagenzahl von ca. 98 000 bei der Gründung auf 134 000 im Jahr 1964 gestiegen. 1964, beim Tode Walchners, der als Mitherausgeber die Entwicklung des Blattes fast zwei Jahrzehnte maßgeblich mitverantwortet hatte, war die „Schwäbische Zeitung“ die unbestritten führende Regionalzeitung in Oberschwaben.
Auch in Wangen war Walchner all die Zeit über immer aktiv geblieben, zuweilen als Stellvertreter des Bürgermeisters. Er hatte Anteil am Ausbau der Wasserversorgung, der Einrichtung eines Altersheimes und schließlich der Ansiedlung eines bedeutenden Industriewerks. Wie viele seiner Kollegen füllte er auch viele gesellschaftliche Ehrenämter aus. Jahrzehntelang gehörte er der Freiwilligen Feuerwehr an. Vor allem aber nahm er, wie vor der NS-Herrschaft, wieder den Vorsitz im Aufsichtsrat der Volksbank Wangen ein und bewies auch darin großes Geschick, wie er schon 1930 während der Bankenkrise, als er das Geldinstitut vor dem Zusammenbruch bewahrt hatte. Fachbezogen war Walchner u.a. Vorsitzender der Bezirksvereinigung Ravensburg des Verbandes der grafischen Betriebe in Württemberg und des Meisterprüfungsausschusses für das grafische Gewerbe bei der IHK Ravensburg. Privat war er auch noch ein ausgezeichneter Schütze, der schon 1912 in Frankfurt das deutsche Bundesschießen gewonnen hatte.
Neben Oskar Farny mag in Walchner die bedeutendste Persönlichkeit der Stadt Wangen im 20. Jahrhundert gesehen werden, deren Ehrenbürger er auch war.
Werke: Einfachste, geordnete Buchführung für Gewerbetreibende u. Handwerker, 1912; Gewerbliche Buchführung: Einführung u. Musterlehrgang, 1951.
Nachweis: Bildnachweise: „Schwäb. Ztg.“ vom 29.2.1964.

Literatur: „Argenbote“, Jgge. 1910–1933; „Schwäb. Ztg.“, Jgge 1945–1964; „Schwäb. Ztg.“ vom 8.7.1961, Kreisstadt Wangen, Franz Walchner wurde geehrt; ebd. vom 2.9.1961, Glückwünsche für Franz Walchner zum 80. Geburtstag; ebd. vom 29.2.1964, Zeitungsverleger Franz Walchner gestorben; ebd., Zum Gedenken an Franz Walchner; ebd., Ausgabe Wangen, vom 6.3.1964, Volksbank ehrt den Ehrenaufsichtsratsvorsitzenden; Chrysostomos Zodel, 25 Jahre „Schwäb. Ztg.“, 1970; Fred-Ludwig Sepaintner, Die Bad. Presse im Kaiserreich: Spiegelbild d. Parteienverhältnisse vor dem I. Weltkrieg, in: ZGO 128, 1980, 403-413; Klaus Dreher, Von d. Preßfreiheit zur Pressefreiheit: südwestdt. Zeitungsgesch. von den Anfängen bis zur Gegenwart, 1983; Martin Walchner, Entwicklung u. Struktur d. Tagespresse in Südbaden u. Südwürtt.-Hohenzollern, 1986; Michael Geiges, Die Dt. Bodenseeztg., 1986; Fritz Maier, 150 Jahre Zeitung in Friedrichshafen: 1844–1994, 1994; Joachim Rogosch, 50 Jahre Zeitungsgeschichte: 1945–1995, Schwäb. Ztg., 1995; Birgit Locher-Dodge, Verdrängte Jahre? Wangen im Allgäu 1933–1945, 1996; www.schwaebisch-media.de/unternehmen/unternehmen-gründungsgeschichte.html (Stand Februar 2013).
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