Gunst, Konrad 

Geburtsdatum/-ort: 20.01.1896;  Mittishaus, Eberhardszell-Obersessendorf, Lkr. Biberach
Sterbedatum/-ort: 09.05.1975;  Radolfzell
Beruf/Funktion:
  • kath. Publizist u. Journalist
Kurzbiografie: 1914–1918 Kriegsfreiwilliger, bis 1916 beim Württ. Res. Inf. Reg. Nr. 247; bis März 1916 Stellungskämpfe in belg. Flandern u. Juni bis Oktober 1916 in franz. Flandern, Somme; ab 1917 bei d. 2. (Württ.) Komp. Bayer. Sturmbataillon Nr. 15; Einsätze in Lothringen 1917 u. den Vogesen 1918; zuletzt Unteroffizier
1918–1919 Redakteur in Ulm u. Schramberg
1919–1925 Redakteur in Pfullingen
1925–1936 Chefredakteur d. kath. Tagblatts „Freie Stimme“ in Radolfzell bis 1933, dann Lokalredakteur
1936–1941 Lokalredakteur bei d. „Deutschen Bodensee-Ztg.“, DBZ, ab 1939 stellvertr. Chefredakteur
1941–1945 Wehrmachtsbeamter in Freudenstadt u. Konstanz
1945–1946 Aufbau d. Heimatteile für den „Südkurier“
1946–1962 politischer Redakteur des „Südkurier“
1962–1970 Chefredakteur d. kath. Wochenschrift „Suso-Blatt“
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Auszeichnungen: Ehrungen: EK II. Klasse (1915); Württ. goldene Militär-Verdienstmedaille (1917); Bundesverdienstkreuz I. Klasse (1962); Päpstl. Ehrenzeichen Pro Ecclesia et Pontifice (1970)
Verheiratet: 1921 (Ulm) Anne, geb. Lechner (1902–1983)
Eltern: Vater: Anton (1868–1949), Landwirt
Mutter: Kreszentia, geb. Koch (1868–1952)
Geschwister: Josefine (1905–1963)
Kinder: 2; Werner (1924–2011) u. Annemarie, verh. Kohler (1928–2008)
GND-ID: GND/1047730006

Biografie: Markus Eisen (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 5 (2013), 126-128

Nach dem Besuch des Progymnasiums war Gunst als Lehrling in eine Ulmer Verlagsdruckerei eingetreten. Als der I. Weltkrieg ausbrach, meldete er sich als Freiwilliger und kam nach einer verkürzten Ausbildung in Ulm und Münsingen zum Württ. Res.-Infanterieregiment Nr. 247, einem der Anfang September neu aufgestellten „jungen Regimenter“, die gleich danach in der deutschen Offensive in belgisch Flandern zum Einsatz kamen. Beim ersten Gefechtstag seines Regiments am 21. Oktober wurde Gunst durch einen Streifschuss verletzt, was ihm die Teilnahme an den bis November dauernden verlustreichen Kampfeinsätzen ersparte.
Vom Januar 1915 bis zum April 1916 machte Gunst die Stellungskämpfe seines Regiments an der Yser in Belgien mit. Sein Kriegstagebuch, das den Elan des bald zum Unteroffizier beförderten Gruppenführers erkennen lässt, aber auch die Hinwendung zur Religion im zermürbenden Alltag des Stellungskriegs, geriet zur beachtlichen historischen Quelle. Nach dem Abwehr-Einsatz seines Regiments bei der alliierten Somme-Offensive wurde Gunst beim Jahresende 1916 zum Bayer. Sturmbataillon Nr. 15 versetzt und als Führer eines Stoßtrupps am 4.August 1917 schwer verwundet.
1918 begannen die „journalistischen Lehr- und Wanderjahre“ Gunsts (Oexle, „Südkurier“, 10.5.1975) mit der Tätigkeit als Redakteur in Ulm und Schramberg. Seit Dezember 1919 war Gunst in Pfullingen Redakteur bei der Firma G. Knapp&Cie., u.a. bei deren „Deutsch-italienischer Wirtschaftszeitung“, bis er 1925 Chefredakteur der „Freien Stimme“ in Radolfzell wurde. Dieses 1865 dort gegründete Blatt war die älteste katholische Tageszeitung im Seekreis. Sein ehemaliger Lehrherr Huggle, der in Ulm den „Schwäbischen Volksboten“ herausgab und zu dem Gunst unverändert enge Beziehungen unterhielt, hatte dieses Druck- und Verlagsunternehmen 1911 erworben.
Wie überall war auch die Zeitungslandschaft Oberbadens damals sehr vielfältig; noch in den späten Weimarer Jahren erschienen dort 32 Lokalzeitungen, wovon alleine 16 dieser „Landschaftsblätter“ zur Zentrumspartei gehörten und meist auf die Kulturkampfzeit zurückgingen. Der 1923 erfolgte Zusammenschluss von fünf dieser Blätter zur in Konstanz erscheinenden „Deutschen Bodensee-Zeitung“, DBZ, blieb eines der wenigen gelungenen Beispiele der damals angestrebten Konzentration katholischer Presseorgane. Trotz der in ihrer Erweiterung um Nachrichtenteil und Feuilleton sichtbaren „Spätblüte“ (Zimmermann, 1962, 340) der „Freien Stimme“, die Gunst als Chefredakteur in der letzten Dekade dieses Blattes erreichte, konnte auch er eine insgesamt rückläufige Auflagenentwicklung – 1921: 6500, 1932: 4000, 1934: 2050 – nicht aufhalten. Ein Übriges bewirkte dann die NS-„Machtübernahme“ und der Kampf des neuen Regimes um Beseitigung der konfessionell orientierten Presse im Zuge der Pressegleichschaltung.
Gunst, der in der späteren Weimarer Zeit Bezirks- und Ortsvorsitzender der Zentrumspartei war und für diese Partei im Gemeinderat von Radolfzell saß, sah sich 1933 auch persönlich Angriffen ausgesetzt und wurde am 15.August 1933 vom Radolfzeller Bürgermeister zum Niederlegen seines Mandats gedrängt. Bald nach Inkrafttreten des „Schriftleitergesetzes“ vom Oktober 1933 wurde sein Name aus der Schriftleiterliste gestrichen. Er verlor seine leitende Funktion und konnte fortan für die „Freie Stimme“ nur noch als Lokalredakteur schreiben. Als diese Zeitung im September 1936 in der DBZ aufging, war Gunst im größeren Blatt zunächst Lokalredakteur für Stadt und Bezirk Radolfzell und ab April 1939 stellvertretender Chefredakteur in der vierköpfigen Redaktion, bis die DBZ auf Anordnung der Reichspressekammer im Juni 1941 eingestellt werden musste.
Nachdem Gunst schon ab August 1939 für kurze Zeit in die Wehrmacht eingezogen war, dann aber von der DBZ als unabkömmlich hatte zurückgeholt werden können, meldete er sich nach Auflösung der Zeitung im August 1941 zur Wehrmacht, um nicht für eine der NS-Zeitungen verpflichtet zu werden. Bis Kriegsende war er als Zahlmeister in Lazaretten tätig, anfangs in Freudenstadt, seit Oktober 1942 in Konstanz.
Beim Aufbau der neuen Tageszeitung „Südkurier“ im Spätjahr 1945, den Johannes Weyl prägte, wurden vor allem frühere Redakteure der liberalen „Konstanzer Zeitung“ und der DBZ herangezogen. So kam auch Gunst zum „Südkurier“ und betreute ab 1945 den Aufbau des Heimatteils, dem in der neuen Heimatzeitung zentrale Bedeutung zukam. Anknüpfend an die alte Vielfalt der Zeitungen im Seekreis richtete Gunst verschiedene Bezirksausgaben mit eigenem Lokalteil ein, wobei in deren Titeln z.T. die Namen der traditionellen Heimatblätter weitergeführt wurden. Mit Alfred Gerigk als Chefredakteur verfasste Gunst als politischer Redakteur seit 1946 auch regelmäßig Leitartikel und Kommentare, in denen er den Lesern den „raschen Wandel“ und den „Zug zur Einheit“ als kennzeichnende Zeittendenzen zu vermitteln suchte. Seine politische Grundeinstellung wird deutlich, wenn er es als „das eigentliche deutsche Wunder“ wertete, dass es Bundeskanzler Adenauer gelungen sei, international Vertrauen zurückzugewinnen und Deutschland „zu einem vollwertigen Mitglied der freien Nationen zu machen, nach allem, was vorausgegangen war“. Auch in der Aussöhnung mit Frankreich im deutsch-französischen Vertrag von 1963 sah Gunst ein „säkulares Ereignis“, betonte aber, dass die Wiedervereinigung „das zentrale Problem der deutschen Außenpolitik“ (alle Zitate: „Suso-Blatt“, 13.10.1963) bleibe.
Die Orientierung des „Südkurier“ als einer Zeitung mit christlicher Grundhaltung wurde von Gunst durch regelmäßige Beiträge zu Glaubensfragen und religiösem Zeitgeschehen untermauert. Darin ging er auf aktuelle Werke namhafter Theologen wie Romano Guardini, Karl Adam oder Hans Küng ein. Zu Beginn der 1960er-Jahre stand Gunsts religiöse Publizistik unter dem Eindruck des Aufbruchs beim II. Vatikanischen Konzil und der Persönlichkeit Johannes XXIII., dem er im Mai 1961 begegnet war und über den er in seinem Nachruf schrieb: „Wer das Glück hatte, ihn persönlich erleben zu dürfen, war beeindruckt von der reinen Menschlichkeit, seiner alles und alle umfassenden Liebe und Freundlichkeit. […] Er blieb auch als Papst immer der einfache, demütige Mensch aus dem Bauernhaus in Sotto il Monte bei Bergamo“ („Südkurier“, 4.6.1963). Anlass des Rombesuchs von Gunst war der 80. Geburtstag des Landsmannes Augustin Kardinal Bea gewesen, der gerade zum Leiter des Sekretariats für die Einheit der Christen ernannt worden war. In den von ihm für den „Südkurier“ bis 1970 redigierten Sonderseiten zu kirchlichen Feiertagen war Gunsts Leitthema die neue Tendenz zu größeren Zusammenschlüssen, im Politischen wie Geistigen. Zum Pfingstfest 1964 schrieb er: „Die Menschheit kommt erstmals […] zum Bewusstsein ihrer Einheit. […]Die christlichen Kirchen suchen heute das gemeinsame Gespräch, sie pflegen das gemeinsame Gebet“. Die verschiedenartigen Einheitsbestrebungen der damaligen Zeit begrüßte Gunst als gottgewollte Entwicklung.
Nach dem Eintritt in den Ruhestand übernahm Gunst 1962 die Redaktion der 1945 für das Bodenseegebiet gegründeten kath. Sonntagszeitung „Suso-Blatt“ und behielt sie bis zu dessen Angliederung 1970 an das „Konradsblatt“, das offizielle Bistumsblatt der Erzdiözese. In seinem Abschiedswort thematisierte Gunst noch einmal den in Gang gesetzten Wandel im kirchlichen Bereich, eines seiner Leitthemen: „Alles ist in Bewegung, alles fließt. Da war das große Konzil, das zweite Vatikanum, das einen gewaltigen Einschnitt brachte, der sich noch nicht geschlossen hat […] Dieser gewaltige Umformungsprozess wird noch lange andauern. In ihn ist die Kirche hineingestellt.“ („Suso-Blatt“, 20./27.12.1970)
Quellen: GemeindeA Eberhardszell, Standesamt; StadtA Pfullingen, Einwohnermeldekartei; StadtA Radolfzell, Melderegister; StAF D 180/2–63593; Familiendokumente Gunst-Mayer bei Enkelin Daniela Mayer, Freiburg.
Werke: Beiträge in: „Freie Stimme“, Radolfzell, 1925–1936, „Deutsche Bodensee-Zeitung“ Konstanz, 1936–1941; „Südkurier“ 1946–1968 u. „Suso-Blatt“ 1962– 1970; Das Konstanzer Konzil von 1414–1418, in: Hegau, H. 18, 1964, 397-400; Politisches Leben Nachkriegszeit, in: Staatl. Archivverwaltung B-W (Hg.), Der Landkreis Konstanz, Amtl. Kreisbeschreibung, 4 Bde., 1968–1984, Bd. II 1970, 298-305; Kriegstagebuch 1914–1916, 2012 (Selbstverlag Daniela Mayer).
Nachweis: Bildnachweise: Zeitbilder. Momentaufnahmen aus 50 Jahren. Das Südkurier-Jubiläumsbuch 1995, 181 u. 184.

Literatur: Georg Bräunig [Würdigung Gunsts], in: „Südkurier“ vom 20.1.1961; Josef Zimmermann, 75 Jahre „Freie Stimme“ Radolfzell, in: Hegau H. 14, 1962, 339-344; Georg Bräunig, 300 Jahre Zeitung in Oberbaden, 1966; Herbert Steinert [Würdigung Gunsts], in: Hegau H. 21, 1966, 215-16; Franz Oexle, Nachruf auf Gunst, in: „Südkurier“ vom 10.5.1975; Georges Ferber, Neubeginn d. Presse in Konstanz nach dem Zweiten Weltkrieg, in: J. Vaillant (Hg.), Französische Kulturpolitik in Deutschland 1945–1949, 1984, 71-107; Michael Geigges, Die Deutsche Bodensee-Zeitung, 1986.
Suche
Durchschnitt (0 Stimmen)