Erbacher, Hermann 

Geburtsdatum/-ort: 16.03.1909;  Schillingstadt
Sterbedatum/-ort: 04.09.1999;  Karlsruhe
Beruf/Funktion:
  • Kirchenarchivar und badischer Landeskirchenhistoriker
Kurzbiografie: 1930 Abitur am Humboldt-Realgymnasium in Karlsruhe
1930–1936 Studium d. Ev. Theologie in Bethel, Halle, Tübingen u. Heidelberg
1934–1936 I. u. II. theol. Examen in Karlsruhe; Nichtaufnahme unter die Pfarrkandidaten wegen angeborener Sprachbehinderung, Angestellter im Ev. Oberkirchenrat Karlsruhe
1939 archivar. Praktikum im GLA Karlsruhe; Lehrgang für kirchl. Archivare an d. staatl. Archivschule in Marburg
1940 Archivar im Ev. Oberkirchenrat Karlsruhe
1941–1945 Sanitäter im Russlandfeldzug
1945 Leiter von Archiv, Bibliothek u. zeitweise Registratur im Ev. Oberkirchenrat Karlsruhe
1955 Kirchenarchivrat
1960 Kirchenoberarchivrat
1974 I. 1 Kirchenarchivdirektor
1974 III. 31 Pensionierung
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Ehrungen: Bundesverdienstkreuz am Bande des Verdienstordens d. Bundesrepublik Deutschland (1980); Unionsmedaille d. Landeskirche in Silber u. Kronenkreuz d. badischen Diakonie in Gold (1989)
Verheiratet: 1939 (Karlsruhe) Adelheid, geb. Wieber (1909–1982)
Eltern: Vater: Hermann (1878–1953), Pfarrer
Mutter: Maria Ida, geb. Wilckens (1884–1917)
Geschwister: Maria, verh. Wieber (1907–2003)
Kinder: Walter (geboren 1940)
GND-ID: GND/105466832

Biografie: Gerhard Schwinge (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 5 (2013), 94-96

Erbacher musste 36 Jahre alt werden, bis er trotz seiner Behinderung und nach vierjährigem Militärdienst 1945 berufliche Sicherheit erreichen konnte. Mit Umsicht, einer enormen Gedächtnisleistung und ungeheurem Fleiß gewann er innerhalb des Evangelischen Oberkirchenrats Kompetenz und Ansehen, die ihn zu einer „Institution“ der badischen Landeskirche werden ließen, und das auf vier zusammenhängenden Gebieten: im Archivbereich, den er neu ordnete, woraus dann zweitens eine weitgehende Aufarbeitung der Landeskirchengeschichte vor allem des 19. und 20. Jahrhunderts resultierte, drittens durch die bestandsmäßige und organisatorische Neuaufstellung der Bibliothek als wissenschaftliche Zentralbibliothek der Landeskirche und schließlich durch die Neuorganisation der Registratur als Vorstufe des Archivs. Neben dieser mehrere Arbeitsbereiche umfassenden Tätigkeit wurde Erbacher für unzählige Mitglieder der Landeskirche wie für Kollegen über Baden hinaus ein vielgefragter Rat- und Auskunftsgeber.
Am Anfang stand der Archivaufbau mit einer neuen Aktenordnung und einer Neumagazinierung. Die Erfahrungen des Krieges veranlassten Erbacher, viele wertvolle Kirchenbücher der Kirchengemeinden, teilweise bis ins 16. Jahrhundert zurückreichende Tauf-, Trau- und Beerdigtenregister, im Archiv des Oberkirchenrats zu zentralisieren und später zur Bestandssicherung, leichteren Benutzung und für die genealogische Forschung auf Mikrofilm aufnehmen zu lassen.
Es folgte in der Bibliothek die Anlage von zunächst noch handgeschriebenen Zettelkatalogen einschließlich neuer Signaturvergabe: eines Alphabetischen Katalogs nach den sogenannten Preußischen Instruktionen sowie eines Schlagwortkatalogs. Die nötige Beschaffung von Katalog schränken und die Einrichtung von Magazinen gehörten dazu. Die dazu erforderliche Fachkenntnis eignete sich Erbacher weitgehend autodidaktisch an, wobei ihm kollegiale Kontakte innerhalb der überregionalen Arbeitsgemeinschaft der Archivare und Bibliothekare in der Evangelischen Kirche in Deutschland halfen, in deren Vorstand, Aus- und Fortbildungskursen Erbacher jahrzehntelang mitarbeitete.
Dabei übernahm er die zeitaufwendige Erarbeitung und Veröffentlichung überlandeskirchlicher bibliographischer Hilfsmittel und veröffentlichte beispielsweise 1962 ein umfangreiches Zeitschriften-Verzeichnis kirchlicher bzw. theologischer Bibliotheken mit Besitz- und Bestandsnachweisen, das 1980 überarbeitet und vermehrt wurde. Dies wurde ihm auch dadurch möglich, dass Erbacher seit der zweiten Hälfte der 1950er-Jahre in Bibliothek und Archiv verschiedene fachlich ausgebildete Mitarbeiter zur Verfügung standen, welche er anleitete, denen er dann aber auch weitgehende Freiheit gewährte. Die Umbenennung von Archiv und Bibliothek des Oberkirchenrats in Landeskirchliches Archiv und Landeskirchliche Bibliothek erfolgte auf Anregung seiner beiden Nachfolger in der Leitung dieser beiden Institutionen.
Von Kirchenleitung und Landeskirche erhielt Erbacher manchen zusätzlichen Arbeitsauftrag. So sorgte er für die Vorbereitung der Drucklegung des amtlichen Schrifttums, besonders des landeskirchlichen „Gesetzes- und Verordnungsblattes“, mit einem retrospektiven Inhaltsverzeichnis für das Jahrhundert seit der Kirchenverfassung von 1861 bis 1960/61. Ferner redigierte Erbacher die Verhandlungen der Landessynode. 1964 erschien eine von Erbacher völlig neu bearbeitete „Übersicht über die Einteilung der kirchlichen Verwaltung“, also die organisatorische Gliederung der badischen Landeskirche. Sie wurde 1992 auf den neuesten Stand fortgeschrieben und um eine über 50 Seiten umfassende Kartenbeilage bereichert erneut publiziert. Schließlich initiierte er, längst im Ruhestand, die Erarbeitung der Statistik der Landeskirche und eines landeskirchlichen Personalspiegels in den Jahren 1976, 1978 und 1982, alles wohlgemerkt noch ohne EDV.
Erbacher war Mitglied, oft Vorstandsmitglied, in vielen Vereinen, Arbeitsgemeinschaften und Verbänden, so beispielsweise von 1955 bis zu seinem Lebensende im Landesverein für Innere Mission. Zu Erbachers nebenamtlichem Engagement gehörten auch die Kirchenmusik, die Liturgik sowie die Gesangbuchkunde und -geschichte der Landeskirche. 1948 bis 1968 hatte er einen Lehrauftrag an der Musikhochschule Karlsruhe. Als Mitglied der Liturgischen Kommission von 1951 bis 1976 redigierte er die Gesangbücher und Agenden der Landeskirche. In diesem Zusammenhang steht auch, dass Erbacher dank seiner angeborenen Musikalität und erworbener Fertigkeit in den Andachten im Oberkirchenrat viele Jahre lang die Hausorgel spielte.
In besonderer Weise förderte Erbacher die Kirchengeschichte Badens. 1952 bis 1976 war er Geschäftsführer, und damit auch Schrift- und Rechnungsführer des „Vereins für Kirchengeschichte in Baden“ und von 1956 bis 1975 delegiertes Vorstandsmitglied im Melanchthonverein Bretten. 1960 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der Arbeitsgemeinschaft für geschichtliche Landeskunde am Oberrhein; 1974 wurde er als korrespondierendes Mitglied in die Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg gewählt und war u.a. als Mitautor am von der Kommission herausgegebenen Historischen Atlas von Baden-Württemberg 1974/75 damit beauftragt, die Karten samt Erläuterungen über die Gliederung der evangelischen Kirchen in Baden um 1840 und für 1945 bis 1966 zu erarbeiten. Auch im 1974 erschienenen ersten der acht Bände der Amtlichen Landesbeschreibung von Baden-Württemberg hatte er über die badische Landeskirche geschrieben.
Viele Fest- und Jubiläumsschriften gehen auf Erbachers Initiative zurück und wurden durch seine Beiträge bereichert, so 1965 „250 Jahre ev. Kirchen in Karlsruhe“ seit der Stadtgründung 1715 und 1971 „150 Jahre Landeskirche seit der Union von 1821“. Zusammen mit H. Rückleben, seinem Nachfolger im Landeskirchlichen Archiv, gab Erbacher in den Jahren 1991 bis 1995 die ersten drei Bände des schließlich sechsbändigen Quellenwerks zur „Geschichte der Landeskirche im Dritten Reich“ heraus. Für so bedeutende Nachschlagewerke wie die Neue Folge der Badischen Biographien, die Neue Deutsche Biographie, Die Religion in Geschichte und Gegenwart in der 3.Auflage und die Theologische Realenzyklopädie lieferte Erbacher biographische Artikel aus der badischen Kirchengeschichte.
Nach den insgesamt 38 Dienstjahren von 1936 bis 1974 hat Erbacher noch über 20 Jahre lang als Ruheständler im badischen Verein für Kirchengeschichte mitgearbeitet und so manches von dessen Vorhaben durch seine Beiträge gefördert, solange es sein Augenlicht zuließ.
Rechtzeitig vor Beginn seines Ruhestands hatte Erbacher die von ihm geleiteten Abteilungen im Oberkirchenrat für die Zukunft gesichert und dafür gesorgt, dass mit dem Landeskirchlichen Archiv und der Landeskirchlichen Bibliothek eigenständige, jeweils von Fachkräften des höheren Dienstes geleitete Institutionen geschaffen wurden.
Quellen: LKA Karlsruhe PA 8465/66, Personalakte Erbacher.
Werke: Werkverzeichnisse in d. Personalakte u. bei Schwinge, 2007, 466-471 (vgl. Literatur). – Auswahl: Die Innere Mission in Baden. Ein Beitrag zur Geschichte des 19. u. 20. Jh.s d. Ev. Landeskirche in Baden, 1957; Über die Einteilung d. kirchl. Verwaltung, 1964, 2. erweiterte Aufl. 1992; Schatzkammern des Wissens. Ein Beitrag zur Geschichte d. kirchl. Bibliotheken, 1966; 100 Jahre Landesverband ev. Kirchenchöre in Baden, 1980; Die Ev. Landeskirche in Baden in d. Weimarer Zeit u. im Dritten Reich, 1919–1945. Geschichte u. Dokumente, 1983, auch unter dem Titel: Die Kirche am Scheideweg, 1983; Die Gesang- u. Choralbücher d. luth. Markgrafschaft Baden-Durlach, 1556–1821, 1984.
Nachweis: Bildnachweise: Foto von 1936 in d. Personalakte u. von 1990 bei Schwinge, 2007, 456 (vgl. Quellen u. Literatur).

Literatur: U. Wennemuth, Hommage an Hermann Erbacher, in: Die Union, Korrespondenzblatt d. Vereins für Kirchengeschichte in d. Ev. Landeskirche in Baden Nr. 5 vom Juli 1999, II u. IV; G. Schwinge, Hermann Erbacher (1909–1999), Kirchenarchivar u. Erforscher d. bad. Kirchengeschichte, in: ders. (Hg.) Lebensbilder aus d. ev. Kirche in Baden im 19. u. 20. Jh., Bd. V: Kultur u. Bildung, 2007, 456-471; ders., 60 Jahre kirchl. Bibliotheksarbeit. Die zentrale landeskirchl. Bibliothek in Karlsruhe 1936–1996 u. überregionale Verbandsarbeit seit 1956, in: Aus ev. Archiven 51, 2011, 62-74, 4 Abb.
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