Matt-Willmatt, Hans 

Andere Namensformen:
  • bis 1978: Matt, Friedrich Wilhelm
Geburtsdatum/-ort: 15.08.1898;  Hauingen
Sterbedatum/-ort: 08.12.1978;  Stühlingen, 1981 Umsetzung der Urne auf den Bergäckerfriedhof in Freiburg
Beruf/Funktion:
  • Schriftsteller und Heimatforscher
Kurzbiografie: 1904-1912 Volksschule Hauingen, anschließend Mitarbeit im Lebensmittelgeschäft des Stiefvaters
1914-1918 Kriegsfreiwilliger, Soldat an der Somme/ Frankreich und bei Grodno/Russland, Mitarbeit an Soldatenzeitungen
1919 Schauspieler in Lübeck
1923 Zurück im Hotzenwald, Aufenthalte in Karlsruhe und Konstanz
1933-1935 Herbergsvater in Herrischried-Stehle, Mitarbeit beim Rundfunk und bei Zeitungen
1937 Reise nach Saderlach ins rumänische Banat auf den Spuren ausgewanderter Hotzenwälder
1939-1941 Soldat im II. Weltkrieg, schwere Verletzung
1944 Institut für Bienenkunde Freiburg
1964 Auszeichnung mit goldener Imkernadel, auch Ehrennadel des Deutschen Jagdverbandes und des Schwarzwaldvereins
1965 Umzug nach Stühlingen
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: 1. 1919 (Herrnburg/Schönberg) Ida, geb. Reihner, 1926 geschieden
2. 1926 (Höllstein/Steinen) Elfriede, geb. Löffler, 1928 geschieden
3. 1934 (Segeten) Amanda, geb. Baumgartner, 1944 geschieden
4. 1948 (Freiburg) Brigitte, geb. Feige
Eltern: Vater: Ludwig Matt (1849-1899), Maschinenheizer
Mutter: Pauline, geb. Huber (1867-1923)
Geschwister: Karolina (in die USA ausgewandert)
Kinder: 8:
aus 1. Ehe Willy (geb. 1920)
aus 2. Ehe Hans (geb. 1926), Horst (geb. 1927) und Rolf (geb. 1928)
aus 3. Ehe Margret (geb. 1936) und Ingeborg (geb. 1941)
aus 4. Ehe Hubert (geb. 1953) und Clemens (geb. 1954)
GND-ID: GND/108351017

Biografie: Adolf Schmid (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 4 (2007), 220-222

Matt-Willmatt wurde am „Chrütterbuschletag“, dem Tag der Kräuterweihe, geboren; dieses besondere Geburtsdatum empfand er später durchaus als eine Art Verpflichtung. Seine Wiege stand in Hauingen, in „Hebels Wiesental“. Dort waren die Eltern von Johann Peter Hebel getraut worden – und von dort wurde der Junge bald ganz natürlich mit Hebels Dichtung vertraut und mit der Geschichte der Herrschaft Rötteln; das Schloss regte ihn an zu den ersten Gedichten.
Die Eltern waren Hotzenwälder: der Vater stammte aus Hartschwand, die Mutter war die Tochter des Webers und Ölmüllers aus Görwihl, groß geworden in stolzer Hotzentradition. Aber Arbeit fanden sie daheim nicht, mussten sie suchen, wo sich die Industrie entwickelte; der Vater fand sie als Maschinenheizer im Wiesental. Die Liebe zur alten Heimat aber nahmen die beiden mit, die Mutter gab sie weiter an den kleinen Hans. Der war noch keine sieben Monate alt, als der Vater starb. Die Mutter heiratete 1901 wieder, Kornelius Stich.
An die Kinder- und Schulzeit in Hauingen hatte Matt-Willmatt gute Erinnerungen, trotz vieler Entbehrungen und großer Not. Sehr viel Hilfe und Verständnis fand er bei Lehrer Anselment und bei Pfarrer Mennicke; sie weckten in ihm vor allem eine große Liebe zur Natur, u.a. auch sein Interesse für Bienen, was ihm später sogar die Kompetenz gab, Fachartikel über Bienenzucht zu schreiben. Nach der Schulzeit arbeitete Matt-Willmatt im Lebensmittelgeschäft seines Stiefvaters. 1914 meldete sich Matt-Willmatt als Freiwilliger, war Infanterist an der Somme und anschließend in Grodno/Russland; bisweilen schrieb er Gedichte, auch Geschichten für Soldatenzeitungen. Er floh aus russischer Gefangenschaft, kam zurück nach Deutschland – ohne berufliche Perspektiven. Seine vielfältige Lebensspur, voller Risse und Sprünge und Kehren, machte nun schon eine ganz ungewöhnliche Wende: Er verdiente seinen Lebensunterhalt sehr abwechslungsreich, u.a. durch Scherenschnitte (Künstlername: „Lilly Engelhardt“) – und als „Schauspieler“, im „Hansa-Theater“ in Lübeck, auf der plattdeutschen Bühne als „jugendlicher Liebhaber“; der Direktor Ernst Albert hielt ihn für sehr talentiert. Den Ausgleich suchte und fand er auf Wanderungen durch die Lüneburger Heide und bei der Lektüre von Hermann-Löns-Gedichten, ein sehr anregendes Vorbild. Hier fiel wohl die Entscheidung zu einem Künstlerleben, und Matt-Willmatt wurde von Künstlerkollegen kräftig ermuntert. Dabei kam die Diskussion immer auch wieder auf einen geeigneten Künstlernamen; der Vorname „Friedrich Wilhelm“ passte nicht mehr in die Zeit, er wurde schnell umgetauscht in „Hans“. Aber der Nachname Matt: „Ich will Matt heißen“ hat er selbst einmal in froher Runde gesagt, und schon war der Name fixiert: Matt-Willmatt. Die Namensänderungsurkunde von 1978 hat diesen Vorgang relativ spät korrekt zum Abschluss gebracht.
Die „Liebe zu diesem überzwerchen Menschenschlag“ trieb Matt-Willmatt doch wieder zurück in den Hotzenwald, um – als Autodidakt, aber eben als Naturtalent – Schriftsteller zu werden, mit Schreiben auch seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Er wurde so zum „Hotzenwälder nach Abstammung und Wahl“, weil er spürte, dass hier seine echten Wurzeln waren, dass hier seine Zukunft sein könne und müsse. Er erlebte auch im Hotzenwald wieder viele Durststrecken, Enttäuschungen, Kehrtwendungen. Er wanderte viel, einmal sogar von der Quelle der Donau bis zur Mündung – war eben „zeitlebens ein Pilgrim“. Aber dabei beobachtete er die Natur, fühlte sich „hautnahe allem, was da kreucht und fleucht“. Typisch für ihn wurde der Wanderstock in seiner Hand und die Margerite im Knopfloch. Seine Liebe zur Schöpfung und ihren Wundern und seine Freude an ihr erlebte er auch als Jäger, der sich dabei vor allem als Heger und Pfleger verstand und einsetzte. Aber die Natur der Heimat war auch durchtränkt von so vielen menschlichen Schicksalen, von Geschichte, von Bräuchen und Sitten, die er aufspürte. Er wurde so einer der Heimatforscher, die unter das Volk gingen, zum Hock in die Hotzenstuben und auf die „Chunscht“, um bei den ganz einfachen Menschen zu hören und zu sichern, was seit Generationen erlebt und weitergegeben wurde. „Er lebt mit den Bauern auf dem Land, lässt sich in den Bauernstuben alte Anekdoten, Legenden und Sagen erzählen, sammelt Volkssprüche, spürt in den Dörfern die ‚Originale‘ auf ...“ (Döbele). Originale wie den „Moosteufel von Hänner“ oder den „Stehlifürst von Herrischried“ oder das „Heidewibli von Rickenbach“ kennt heute jeder Hotzenwälder – dank Matt-Willmatt, der so zu einem der besten Kenner seiner Heimat, zum wirklichen „Repräsentanten des Hotzenwälders schlechthin“ geworden ist, es auch selbst werden wollte. Seinem Freund Richard Gäng schrieb er selbstbewusst ins Gästebuch: „Ich bin e Hotz und blib's bigotts!“. Es war sein Wahlspruch, seine Devise, seine Losung. Fast selbstverständlich war es, dass ihn das Schicksal der „Salpeterer“ beschäftigte, ihr Widerstand gegen das Kloster St. Blasien, die erzwungene Huldigung und der Kampf um die Selbstbestimmung, letztlich die Zwangsumsiedlung ins Banat. Matt-Willmatt konnte sich direkt mit ihnen identifizieren. 1937 war er dabei, als eine Gruppe nach Saderlach ins rumänische Banat zur „Zweihundertjahrfeier“ fuhr, auf den Spuren der ausgewanderten Vorfahren; er schrieb den Reisebericht, der die Geschichte lebendig und für immer gegenwärtig machte.
In Säckingen war Matt-Willmatt Gründungsmitglied der „Badischen Heimat“. Oft war er mit seinen Gesinnungsfreunden unterwegs, sehr oft mit Emil Bader, dem „Vater der Heimatstuben“, um alte Häuser, Gaststätten, Bauernhöfe kennen zu lernen, sie dann als „Juwelen der Heimatkultur“ festzuhalten. Natürlich war er Mitglied der Hauensteiner Trachtengruppe, die Tracht trug er selbst mit Stolz. Und er sprach und schrieb auch in seiner Mundart, urwüchsig und sehr gemüthaft, immer mit viel Mutterwitz: „Schwätz wie der Schnabel gwachse isch und trag die Tracht mit Stolz. Und frogt die eine wer de bisch? Saisch ein vom alte Holz.“ Er selbst nannte neben J. P. Hebel und Hermann Löns auch Emil Gött als Vorbild. „Der Glockenspruch im ‚Hotzenhof‘ in Altdorf“ ist wohl sein eigentliches Lieblingsgedicht, es wurde vertont von Elmar Zimmermann. Eigenständiges und eine empfindsame Seele sind gut gemischt, der Protest gegen alles „modisch Unechte“ ist unüberhörbar, Verträumtheit bis zur Hintersinnigkeit und zur Schwermut, Einfachheit und Glaubwürdigkeit, vor allem aber immer wieder ein ganz natürlicher Humor.
1939 wurde Matt-Willmatt wieder Soldat, zuerst bei einer „Radfahrer-Schwadron“, dann bei einer Veterinär-Kompanie. 1941 wurde er schwer verletzt, wurde eingesetzt in der Aluminiumfabrik Rheinfelden, dann ab 1944 am Institut für Bienenkunde in Freiburg. Er erlebte den Angriff auf Freiburg am 27. November 1944 mit, suchte Zuflucht im heimatlichen Albtal, brachte sich wieder als „Lebenskünstler“ durch eine schwierige Zeit, vor allem dank seiner Imkertalente. Von der französischen Militärregierung bekam der „Bienensachverständige“ – expert apiculteur – die Ausnahmegenehmigung, den begehrten „Durchlassschein – laissez-passer“; er durfte von morgens 6 Uhr bis 21.30 Uhr mit dem Fahrrad von Immeneich/Höchenschwand bis nach Freiburg unterwegs sein, um Honig zu vertreiben. 1948 heiratete Matt-Willmatt die Tochter von Oberstudiendirektor Arthur Feige aus Waldshut. Und wieder begann eine fruchtbare Schaffensperiode, die Verdienste um das heimische Schrifttum – Geschichte und Volkskunde – wuchsen rasch. Es entstanden Chroniken, Theaterstücke, Zeitungsartikel, Beiträge für Zeitschriften, Vorträge, auch im Radio. Vor allem sein „Witz und Schnitz vom Hotzenwald“ verriet viel abgeklärte Lebensweisheit und erlebte rasch eine dritte Auflage. Matt-Willmatt wurde Ehrenmitglied der „Junggesellen Waldshut“. 1966 zog die Familie nach Stühlingen, weitere Beiträge für Heimatgeschichte und Heimatkunde entstanden.
Im Dezember 1978 starb Matt-Willmatt. Dass er auch seither nicht vergessen wurde, bewiesen z. B. 1998 die Feierstunde im Haus der „Badischen Heimat“ in Freiburg zum 100. Geburtstag und die Ausstellung im Hirsch-Museum in Höchenschwand, zu der sich eine große Matt-Willmatt-Gemeinde versammelte. Der Lebensweg, hart und steinig, mit vielen Höhen und Tiefen, an Vielfalt und Wechsel schwer zu überbieten, geprägt durch die Unruhen der Zeit und geklärt durch die „Heimkehr“ in den Hotzenwald ist vielfach dokumentiert, das Lebenswerk für die Heimat gesichert.
Quellen: STAF W-181 umfangreiche Bibliographie mit Bild, zusammengestellt von Ehefrau Brigitte Matt-Willmatt.
Werke: Chronik des Kreises Waldshut, 1956; Chronik des Kreises Säckingen, 1962 (Mitarbeit); Waldshut am Hochrhein, 1962; Chronik des Kreises Lörrach, 1966; Schöne Heimat am Oberrhein, eine Beschreibung von Gasthäusern u. Bauernhöfen, Artikelserie, in: Südkurier, 1967; Chronik d. Gemeinde Altenburg 871-1971, 1969; Witz u. Schnitz vom Hotzenwald, 1975; Chronik d. Gemeinde Weilheim, 1977; (mit seiner Frau Brigitte), Sagen vom Hochrhein u. Hotzenwald, 1986 u. Chronik von Lauchringen, 1986 (von seiner Frau zu Ende geführt); Geschichten u. Gedichte von Matt-Willmatt finden sich in verschiedenen alemannischen Anthologien, z. B. in: Baum, Freude am alemannischen Gedicht, 1968, 70 u. in: Gäng, Alemannische Geschichten, 1987, 58.
Nachweis: Bildnachweise: FotoA d. BH Freiburg; BH 3/4, 1964 u. 1, 1999; Ekkhart 1969 (vgl. Lit.).

Literatur: Leopold Döbele, H. Matt-Willmatt, dem wackeren Kämpfer am Oberrhein, in: BH 3/4, 1964, 234-236; Richard Gäng, H. Matt-Willmatt zum 70. Geburtstag, in: Ekkhart 1969, 110-113; Hubert Matt-Willmatt, Versuch einer biographischen Annäherung zum 100. Geburtstag, 1998; Andreas Bader, Poet des Hotzenwaldes. Zum 100. Geburtstag von H. Matt-Willmatt, in: BH 1, 1999, 210-214.
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