Uxkull-Gyllenband, Woldemar Graf von 

Geburtsdatum/-ort: 17.04.1898; Bogliasco bei Genua (Italien)
Sterbedatum/-ort: 24.05.1939;  Reutlingen
Beruf/Funktion:
  • Althistoriker, Ordinarius für Alte Geschichte an der Universität Tübingen
Kurzbiografie: bis 1916 Gymnasium der Klosterschule Ilfeld am Harz
1916/1917 Privatkurse in Berlin zur Vorbereitung auf das Abitur
1917 Mai Abitur am Fichtegymnasium in Berlin
1917-1919 Kriegsdienst in Mazedonien und Frankreich
1919-1922 Studium in Berlin, München und Heidelberg
1922 Jul. Promotion bei Alfred von Domaszewski in Heidelberg, Dissertation zum Thema „Die Quellen in Plutarchs Kimon“ (magna cum laude)
1923/1924 Studienaufenthalt in London und Oxford
1925 Jul. Habilitation bei Wilhelm Weber in Halle über das Thema „Plutarch und die griechische Biographie“ (erschienen 1927)
1925-1932 Privatdozent in Halle, im Wintersemester 1928/29 und Sommersemester 1932 Lehrstuhlvertretungen ebendort
1932 1. Okt. Berufung auf den Lehrstuhl für Alte Geschichte an der Universität Tübingen
1934 Ablehnung eines Rufes an die Universität Kiel
1939 22. Mai Autounfall zwischen Tübingen und Reutlingen und Tod zwei Tage darauf im Reutlinger Kreiskrankenhaus
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Eltern: Vater: Woldemar Victor Graf von Uxkull-Gyllenband (1867-1945), Hauptmann
Mutter: Lucie, Therese geb. Ahrenfeldt (1861-1926)
Geschwister: Bernhard (1899-1918)
GND-ID: GND/111432278

Biografie: Hartmut Blum (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 1 (2006), 283-285

Väterlicherseits stammte Uxkull-Gyllenband aus altem deutsch-baltischem Adel, sein Zweig des Geschlechts war aber schon mehrere Generationen im Raum Ansbach/Crailsheim ansässig. Die Halbschwester des Vaters, Caroline Gräfin Uxkull-Gyllenband, war die Mutter der Brüder Stauffenberg, weshalb sich Uxkull-Gyllenband in seiner Tübinger Zeit mitunter im Schloß Lautlingen aufgehalten hat. Uxkull-Gyllenbands Mutter, eine geschiedene Freifrau von Wangenheim, kam aus einer begüterten, wohl großbürgerlichen Lübecker Familie. Während die Eltern überwiegend in Berlin lebten, besuchten Uxkull-Gyllenband und sein jüngerer Bruder Bernhard ein Internat im Harz und kamen nur in den Ferien nach Hause. Anlässlich eines solchen Ferienaufenthaltes führte Ernst Morwitz, Richter am Berliner Kammergericht, die beiden Brüder in noch jugendlichem Alter in den literarischen Kreis ein, den der Dichter Stefan George um sich geschart hatte, sie gehörten zu der von George so bezeichneten „Generation der Enkel“. Anders als sein Bruder, der schon früh Gedichte in den „Blättern für die Kunst“ veröffentlichte, scheint Uxkull-Gyllenband aber eher historisch begabt und interessiert gewesen zu sein. George jedenfalls hat Uxkull-Gyllenbands poetische Leistungen in einem Brief aus dem Jahre 1915 recht skeptisch beurteilt. Wie der aus schwärmerischen Motiven begangene Selbstmord des Bruders auf Uxkull-Gyllenband wirkte, ist nicht überliefert. Nach dem Ersten Weltkrieg, zu dem sich Uxkull-Gyllenband freiwillig für das preußische Garde-Schützenbataillon gemeldet hatte, erscheint bald ein erstes, noch nicht wissenschaftliches Werk, das Uxkull-Gyllenbands Neigung zur griechischen Kultur deutlich belegt: Er schrieb damals eine kurze Einleitung für ein Bildbändchen über die frühgriechische Plastik.
Der akademische Werdegang Uxkull-Gyllenbands zeigt bis zur Habilitation ebenso einen Schwerpunkt auf der griechischen Geschichte: Seine Qualifikationsschriften befassen sich mit Fragen der Literaturgeschichte und der sogenannten Quellenforschung, und dazwischen legte Uxkull-Gyllenband eine knappe aber grundlegende Abhandlung zu den griechischen Kulturentstehungslehren vor. Erst als Privatdozent in Halle trat die Beschäftigung mit kaiserzeitlichen Papyri und mit der römischen Geschichte insgesamt hinzu. Neben einigen kleineren Publikationen zu den betreffenden Themenkreisen erarbeitete Uxkull-Gyllenband in dieser Zeit den 1934 veröffentlichten Kommentar zum sogenannten „Gnomon des Idios Logos“, einem auf Papyrus überlieferten Verwaltungshandbuch aus dem römischen Ägypten. Uxkull-Gyllenbands Arbeit ist auch heute noch maßgeblicher Ausgangspunkt für die Beschäftigung mit dieser wichtigen Quelle.
Auch in der akademischen Lehre verschaffte sich Uxkull-Gyllenband einen guten Ruf. Er verstand es, die Studenten für den Stoff zu begeistern, und nahm sich viel Zeit für ihre Betreuung. Die Weltwirtschaftskrise brachte Uxkull-Gyllenband, obwohl er von Hause aus wohlhabend war und bereits als Student u. a. ein Auto besaß, offenbar in materielle Bedrängnis; der Ruf nach Tübingen kam zur rechten Zeit, und er musste dort zunächst sogar ein Darlehen bei der Universitätskasse aufnehmen. Der Wechsel an den Neckar war gewissermaßen ein „Tausch“ mit Richard Laqueur, der 1932 von dort aus den vakanten Lehrstuhl in Halle besetzte, auf den auch Uxkull-Gyllenband sich beworben hatte. Für die Tübinger Fakultät war Uxkull-Gyllenband erste Wahl, allerdings nicht so sehr aufgrund der bis dato publizierten Untersuchungen; den Ausschlag gaben – nach Ausweis der Berufungsunterlagen – „vielmehr die übereinstimmenden, überaus günstigen Urteile über seine geistige Persönlichkeit und seine hervorragende Lehrbefähigung.“ Wie den erfolgreichen Bleibeverhandlungen von 1934 zu entnehmen ist, war man in Tübingen mit Uxkull-Gyllenband zufrieden, obwohl er nach seiner Berufung nicht mehr viel geschrieben hat. Der oben genannte Kommentar zum „Gnomon des Idios Logos“ war schon in Halle fertiggestellt worden, und ansonsten kennt man aus dieser Zeit nur zwei veröffentlichte Universitätsvorträge, einen über „Das Bildungs- und Wissenschaftsideal im Altertum“ (1932), und einen über „Das revolutionäre Ethos bei Stefan George“ (1933).
Beide Schriften werfen die Frage nach Uxkull-Gyllenbands Verhältnis zum Nationalsozialismus auf. Dieses war offenkundig ambivalent. So gehörte Uxkull-Gyllenband zu denjenigen im George-Kreis, die für eine Politisierung der Gruppe eintraten, und bereits in einem Brief an den Dichter aus dem Jahre 1923 stellte er kategorisch fest, dass das „jüdische Element (...) nicht am platze [sic] sei“. Auch in den besagten Reden rückte sich Uxkull-Gyllenband in die Nähe der Nationalsozialisten, gehörte aber andererseits bis zu seinem Tode weder der NSDAP, noch einer ihrer Unterorganisationen an. Aus dem Jahr 1936 stammt ein Aktenvermerk, der Uxkull-Gyllenbands Fernbleiben von der Reichstagswahl bemängelt. Es muss indes offen bleiben, ob dies als – bewusste oder unbewusste – Abkehr von den Nationalsozialisten gewertet werden darf. Zwar hatte es sich bis zu diesem Zeitpunkt doch deutlicher herausgestellt, wie wenig vereinbar die NS-Ideologie mit den Vorstellungen war, die zum Teil im George-Kreis kursierten. Gerade Uxkull-Gyllenband war aber schon in jungen Jahren dafür bekannt, Termine und Fristen aus Nachlässigkeit nicht zu beachten, und dieser Charakterzug blieb ihm nachweislich erhalten: Verspätet eingereichte Abrechnungen und aktenkundige Beschwerdebriefe über nicht zurückgegebene Bücher erlauben an dieser Stelle einen kurzen Blick auf eine Persönlichkeit, über die die wenigen erhaltenen Meinungen stark auseinandergehen: Der zum George-Kreis zählende Ludwig Thormaehlen etwa beschreibt Uxkull-Gyllenband als völlig gefühlskalt und gewissenlos, der Tübinger Freund Carlo Schmid hingegen war ihm aufs herzlichste verbunden. Zuletzt arbeitete Uxkull-Gyllenband über Augustus, eine große historische Darstellung konnte er nicht mehr vorlegen. Die Leidenschaft zum Auto wurde ihm zum Verhängnis.
Quellen: PA im UA Tübingen (Signatur 126/700).
Werke: (Auswahl) Archaische Plastik der Griechen, o. J. [1919 o. 1920]; Dissertation 1922 (wie oben); Griechische Kultur-Entstehungslehren, 1924; Plutarch und die griechische Biographie, 1927; Der Gnomon des Idios Logos, Bd. 2: Kommentar, 1934.
Nachweis: Bildnachweise: Foto in der PA der Univ. Tübingen; Foto in Robert Boehringer, Mein Bild von Stefan George, 1951, Tafel 135 unten links.

Literatur: Rainer Kolk, Literarische Gruppenbildung am Beispiel des George-Kreises 1890-1945, 1998, bes. 413 ff., 490 ff.; Peter Hoffmann, Claus Schenk Graf von Stauffenberg und seine Brüder, 1992, 502; Carlo Schmid, Erinnerungen, 1979, 171; Ludwig Thormaehlen, Erinnerungen an Stefan George, aus dem NL hg. von Walther Greischel, 1962, 147 ff., 179 ff.; Michael von Taube, Die von Uxkull. Genealogische Geschichte der Gesamtfamilie von Uxkull 1229-1954, III. Teil: Meine, 1955; Joseph Vogt, Nachruf, in: Gnomon. Kritische Zeitschrift für die Altertumswissenschaft 15 (1939), 461-463.
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