Engelhorn, Marie Friederika 

Geburtsdatum/-ort: 07.05.1866;  Mannheim
Sterbedatum/-ort: 13.12.1953; Feldafing
Beruf/Funktion:
  • Unternehmensbesitzerin
Kurzbiografie: 1911–1913 Leiterin d. C. F. Boehringer&Söhne OHG
1912 Friedrich-Luise-Medaille für soziales Engagement
1913–1920 Formelle Übergabe an die beiden ältesten Söhne, tatsächlich bis 1920 weiter im Geschäft
1920 Umwandlung in die C. F. Boehringer Söhne G.m.b.H.
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1885 (Mannheim) Johann Friedrich August Engelhorn (1855–1911), Dr., Chemie-Unternehmer
Eltern: Vater: Carl Joseph Valentin Joerger, (1837–1895), Kaufmann, Vizepräsident d. Handelskammer Mannheim
Mutter: Marie, geb. Oesterlin (1843–1894)
Geschwister: 5; Sibilla (1865–1870), Franziska (Fanny) Luise Maria (1868–1936), verh. Boehringer, Carl (1871–vor 1953), Bankier, Anna Augusta (1872–1959), verh. Giulini, u. Otto Georg (1875–1955), Kommerzienrat
Kinder: 4;
Fritz Carl (1886–1956),
Hans Robert (1888–1960),
Curt Maria (1889–1958),
Rudolf Conrad Ernst (1892–1945)
GND-ID: GND/1132668921

Biografie: Alexander Kipnis (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 6 (2016), 92-94

Engelhorn wurde als zweites Kind in eine großbürgerliche Mannheimer Familie geboren. Ihr Vater, Kommerzienrat Carl Joerger, war Großkaufmann und gehörte dem Mannheimer Großbürgertum an. Wie üblich genoss Engelhorn eine gute Hauslehrer-Ausbildung. Mit 19 Jahren heiratete sie Friedrich Engelhorn, den Teilhaber der Firma C. F. Boehringer&Söhne, einen Sohn Friedrich Engelhorns (1821–1902), des damals wohl reichsten Mannes von Mannheim und Gründers der BASF. Nach der prachtvollen Hochzeit im Hause Joerger wohnte das junge Paar in der Villa der Familie Engelhorn, die dafür extra erweitert wurde. Dort gebar Engelhorn ihre vier Söhne.
Nach dem Tod des dominanten Engelhorn sen. bauten Friedrich Engelhorn und seine Frau bis 1905 in der Werderstraße 44 in der vornehmen Oststadt ihre eigene Villa. Dort befindet sich gegenwärtig das Friedrich Engelhorn-Archiv. Engelhorn nahm regen Anteil an der Arbeit ihres Mannes, der seit 1892 alleiniger Besitzer der Firma war. Neben ihren Hausfrauen- und Mutterpflichten engagierte sie sich in Wohltätigkeitsvereinen. Besonders für ihr Wirken als Stellvertretende Vorsitzende der 1902 eröffneten Säuglingskrippe verlieh ihr Großherzogin Hilda von Baden die Friedrich-Luise-Medaille.
1903 stand fest, dass ihr Mann an einer schweren Herzkrankheit litt. Er wusste, dass ihm nur noch wenige Jahre blieben und sorgte entsprechend vor. Die von ihm verfassten Verfügungen über seinen Tod hinaus zeigen, dass er seine Frau auf die Leitung der Firma vorbereitete. Seinen Söhnen schrieb er: „es bleibt nun Aufgabe Eurer Mutter, Euch zu tüchtigen Männern weiter herauszubilden: ihre Liebe gehört Euch voll und ganz […] Euer höchstes Ziel muss immer sein, ihre Anerkennung Euch zu erwerben.“ (Brief an Marie Engelhorn vom 29/30.6.1903, Friedrich Engelhorn-Archiv 1/31; auch Möllmer, 2012, 120). Aus dem Brief an seine Frau vom 13. Oktober 1907 geht auch hervor, dass testamentarisch verfügt war, dass seine Frau im Falle seines Todes „in jeder Beziehung“ an seine Stelle tritt: „Du wirst [..]alle Verfügungen treffen und die Verwaltung des Vermögens antreten.“ (ebd.).
Friedrich Engelhorn starb Anfang 1911. Fortan lag die gesamte Verantwortung für das Geschäft bei seiner Frau. Bemerkenswert scheint, dass sie nicht in allen Punkten den Verfügungen ihres Mannes folgte. Ihre Söhne befanden sich noch in Ausbildung. Ihr Sohn Hans brach das Studium der Volkswirtschaft ab und trat als Prokurist und kaufmännischer Geschäftsführer ins Unternehmen ein. Für die weitere Leitung des Betriebs bildete Engelhorn ein Direktorium von drei engen Mitarbeitern ihres Mannes, mit dem sie das Unternehmen nach dem Tod ihres Mannes führte: Dr. Eduard Köbner, „ein sehr gescheiter Mensch und obwohl Jud ein in jeder Beziehung respektabler Mensch“ (Brief vom 29/30.6.1903), Dr. Lorenz Ach, ein Schüler des berühmten Organikers und Nobelpreisträgers Emil Fischer (1852–1919), „der tüchtigste Chemiker auf dem Waldhof, besitzt aber zu wenig persönliche Gewandtheit, dass man ihn an die Spitze der technischen Teils stellen kann“ (ebd.) und Walter Schickert, „ohne Zweifel der geeignete Leiter des kaufmännischen Teils“ (ebd.).
Schon nach zwei Jahren übergab Engelhorn formell die Firma ihren beiden ältesten Söhnen, wobei Fritz aber tatsächlich weiterhin Chemie studierte und im Frühjahr 1914 abschloss. Nach seiner Promotion startete er zu einer Reise um die Welt und war gerade in Tsingtau, China, angekommen, als der Krieg ausbrach. Die Stadt wurde bald von den Japanern eingenommen, als Deutscher wurde Fritz Engelhorn von den Japanern interniert und blieb bis Dezember 1919 Kriegsgefangener. Erst 1915 konnte er seiner Mutter ein Lebenszeichen senden. Die beiden jüngeren, Curt und Rudolf, waren zum Kriegsdienst verpflichtet. Hans hatte sich freiwillig zum Militär gemeldet, wurde jedoch aufgrund gesundheitlicher Probleme bald entlassen und konnte nach Mannheim zurückkehren. Engelhorn blieb deshalb weiter im Geschäft. Bis 1920 bestand die Firma C. F. Boehringer&Söhne als OHG und wurde von Hans Engelhorn und dem Direktorium geleitet. Erst nach der Rückkehr von Fritz Engelhorn im April 1920 konnte Engelhorn das Geschäft endgültig verlassen. Die OHG wurde im Sommer 1920 in die C. F. Böhringer Söhne GmbH überführt.
Über Engelhorns Leben in der radikal veränderten Welt gibt es nur beiläufige Informationen. Als Mutter und Großmutter beschäftigte sie sich mit Familienangelegenheiten, zumal den Hochzeiten all ihrer Söhne. In den Erinnerungen ihres Enkels Christoph (1926–2010) blieb sie „eine außergewöhnlich beeindruckende Persönlichkeit […], eine Respektsperson, aber in herzlichem Sinn […]. Sie hatte unheimliche Ausstrahlung“ (Möllmer, 2012, S. 133).
Bis 1942 lebte Engelhorn allein in ihrer Oststadt-Villa. Erst als Mannheim immer wieder schweren Bombenangriffen ausgesetzt war, verließ sie ihr Haus und kam wohl mit ihren Söhnen Fritz und Rudolf und deren Familien in Hans Engelhorns unvollendetem Haus in Heidelberg unter (Möllmer, 2012, S. 139). Nach dem II. Weltkrieg wohnte sie in Feldafing in Bayern bei ihrem Sohn Fritz, der damals im bayerischen Tutzing eine biochemische Produktion aufzubauen begann. Dort starb sie mit 88 Jahren. Sie wurde auf dem Mannheimer Hauptfriedhof eingeäschert und im Engelhorn-Mausoleum beigesetzt. In ihrem Nachruf stand zu lesen: „Marie Engelhorn […] hatte all die Gaben, die man in der Welt von gestern von einer großen Dame verlangte.“ (Mannheimer Morgen vom 17.12.1953, in: StadtA Mannheim, S 1, Nr. 3631).
Quellen: StadtA Mannheim, Familienbögen; Personengeschichtliche Sammlung, S1, Nr. 3631; Institut für Personengeschichte, Bensheim, Biographische Sammlung: Engelhorn, Joerger; Friedrich Engelhorn-Archiv, Mannheim, 1/31, Letztwillige Verfügungen von Friedrich Engelhorn.
Nachweis: Bildnachweise: Foto (um 1930) in: Baden-Württembergische Biographien 6, S. 84, Friedrich Engelhorn-Archiv. – Dort weitere Fotos; Möllmer, 2012, 17, 117, 133.

Literatur: Florian Waldeck, Alte Mannheimer Familien. 6. Teil, 1925, 54f.; Anonym [Eduard Köbner] C. F. Boehringer&Soehne G.m.b.H. Mannheim-Waldhof: 1859– 1934; Friedrich Wilh. Euler, Die Familie Engelhorn in Mannheim. Vorfahren u. Nachkommen des Gründers d. BASF: Kommerzienrat Friedrich Engelhorn (1821–1902), 1986, 111-117; Ernst Peter Fischer: Wissenschaft für den Markt: Die Geschichte des forschenden Unternehmens Boehringer Mannheim, 1991; Tobias Möllmer, Die Villa Engelhorn in Mannheim, 2012.
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