von Stein, Helen Alice Marie Hippolyte Erika Charlotte Alexandra Viktoria Gabriele 

Geburtsdatum/-ort: 18.06.1905; Metz
Sterbedatum/-ort: 05.07.1995;  Sulzburg-Laufen
Beruf/Funktion:
  • Gärtnermeisterin und Staudenzüchterin
Kurzbiografie: 1911 Umzug von Metz nach Schloss Aschhausen, Hausunterricht, dann hauswirtsch. Internatsschule, Beginn d. Beschäftigung mit Stauden bei Kriegsbeginn, im Schlossgarten erste Iris-Pflanzung
1926–1930 Studium an d. Lehr- u. Forschungsanstalt für Gartenbau in Berlin-Dahlem ohne Abschluss
1926 als Erbin d. Großmutter väterlicherseits Besitz des Meierhofs in Laufen; Beginn d. Arbeiten in d. künftigen Staudengärtnerei, ab 1930 dort als Staudengärtnerin ansässig
um 1935 Beginn des Blumen-Versandhandels
1939 IV 22–IX 2 Teilnahme an d. Reichsgartenschau in Stuttgart mit Iris-Züchtungen
1948 Verband des dt. Gemüse-, Obst- u. Gartenbaus mitgegründet, ab 1951 dt. Zentralverband Gartenbau
1950 u.a. mit Karl Förster Gründerin d. Dt. Iris-Gesellschaft, 1960 Dt. Iris- u. Lilienges. mit Stein als II. Vorsitzender, 1973 Ges. d. Staudenfreunde
1951 VIII 18 Gärtnermeisterin
1964 Arbeitsgemeinschaft süddt. Staudengärtner, ASS, mitgegründet
1965 Mitgründerin d. Internat. Staudenunion, ISU, als Verband von dt., niederländ. u. schweiz. Staudengärtnern
1967 USA-Reise u. intensivierte Kontakte zu amerikanischen Züchtern
1969 Iris-Schaupflanzung als Schenkung an den Botanischen Garten in Basel-Brüglingen
1993 Übergabe d. Staudengärtnerei an die Tochter Aglaja
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Auszeichnungen: Ehrungen (Auswahl): Gütezeichen Dt. Qualitätsstauden (1955, bis in die Gegenwart; Eine von 5 Jurorinnen beim Concorso Internazionale dell’ Iris di Firenze (1962ff.); Staatspreis in Silber, fünf Silber- u. vier Bronzemedaillen bei d. Internat. Gartenbauausstellung, IGA, in Hamburg (1963); Ehrenpreis in Silber d. Stadt Wien bei d. IGA in Wien (1964); Georg-Arends-Gedächtnismünze, höchste Auszeichnung. des dt. Zentralverb. Gartenbau (1970); Goldmedaille bei d. Bundesgartenschau, BUGA, in Mannheim u. Mitglied d. Jury d. American Iris Society (1975); Staatspreis d. Bundesregierung in Gold u. Große Goldmedaille des Zentralverb. Gartenbau bei d. BUGA in Bonn (1979); Urkunde des Landwirtschaftsministeriums Baden-Württemberg für ausgezeichnete Leistungen in d. Berufsausbildung von Gärtnern (1984)
Verheiratet: I. 1927 (Berlin) Jessen, Sidney, Diplomat, Gründer d. Winzergenossenschaft Laufen, gesch. 1938;
II. 1944 (Murnau) Stein, Wolfgang von, Psychologe
Eltern: Vater: Friedrich Reichsgraf von Zeppelin-Aschhausen, Bezirkspräsident (1861–1915), Vetter II. Grades des Luftschiffbauers Ferdinand Zeppelin, Steins Patenonkel
Mutter: Helene Wilhelmine, geb. Freiin Böcklin von Böcklinsau (1863–1951)
Geschwister: Friedrich (1900–1973)
Kinder: 3;
aus I. Iris, verh. Bleienheuft (geboren 1928) u. Hjul (geboren 1930);
aus II. Aglaja (geboren 1946), verh. von Rumohr, Buchhändlerin u. Nachfolgerin in d. Leitung d. Staudengärtnerei
GND-ID: GND/1135695075

Biografie: Fred Ludwig Sepaintner (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 6 (2016), 478-483

Vor Sulzburg rechts windet sich die Straße durch Rebberge. Ziel ist Laufen. Wer dort ankommt, dessen Blick wird vor dem Ortseingang rechts, vom Kirchturm überragt, je nach Jahreszeit Blumenpracht wahrnehmen, wenigstens aber Pflanzenarrangements, die ihresgleichen suchen: er hat die „Staudengärtnerei der Gräfin Zeppelin“ erreicht, das Lebenswerk von Stein.
Steins Geburt und ihre ersten sechs Jahre in Lothringen erklären sich allein aus der Tatsache, dass ihr Vater dort Bezirkspräsident gewesen war. Ihre prägenden Jugendjahre verlebte sie in Aschhausen. Das Schloss des hohenlohischen Ortes, in dem sie aufwuchs, auch Hausunterricht erhielt, hatte Abt Angelus von Schöntal ab 1713 neu gebaut, dessen Kloster seit 1671 Ortsherr war. Nur der hochmittelalterliche Bergfried erinnert noch an die ursprüngliche Burg der Herren von Aschhausen. Gleich nach dem Übergang an Württemberg hatte König Friedrich I. das Schloss 1803 an den Grafen Johann Friedrich Karl von Zeppelin geschenkt. Es ist noch immer im Besitz dieser Familie.
Dort entwickelte sich die frühe Leidenschaft Steins für Blumen, die ihre Mutter nach Kräften förderte und sogar begann, in fachlicher Richtung zu vertiefen. Unter ihrer Anleitung lernte das junge Mädchen die botanische Terminologie und las bereits Fachliteratur. Beim Beginn des I. Weltkriegs betreute Stein den Schlossgarten, als 12-jährige durfte sie eine erste kleine Iris-Sammlung kultivieren. Daraus wurde später der Grundstock ihrer beruflichen Existenz, als sie diese Pflanzen nach Laufen im Markgräflerland mitnahm.
Inzwischen hatte die 2. Hälfte der 1920er-Jahre begonnen. Die 21-jährige Stein war in Berlin-Dahlem Studentin an der Lehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau. Sie musste aber schließlich zugunsten des Studiums ihres Bruders auf ihr eigenes und damit auch auf einen Abschluss verzichten. In Berlin begann die lebenslange Freundschaft mit dem „Staudenpapst“ und „Garten-Philosophen“ Karl Förster (1874–1970), Züchter von über 350 Sorten. In seiner weitbekannten Gärtnerei in Bormin bei Potsdam hat Förster bis in die 1930er-Jahre den Borminer Kreis um sich versammelt, von dem wichtige fachliche Impulse ausgingen. Stein gehörte ihm an. Die andere sie stark beeinflussende Persönlichkeit in der frühen Phase wurde Georg Arends (1863–1952), von dessen Kunst- und Handelsgärtnerei in Wuppertal-Ronsdorf ebenso viele Impulse ausgingen. Schon Steins Mutter hatte seine Züchtungen im Aschhauser Schlossgarten gepflanzt. Fast versteht es sich von selbst, dass Stein seit der Mitte der 1950 Jahre in engem Kontakt zum damaligen Präsidenten der Deutschen Gartenbau Gesellschaft, Lennart Graf Bernadotte stand und zu dessen Beraterkreis gehörte.
Im Jahr des Studienbeginns, 1926, war Stein von ihrer Großmutter väterlicherseits als Erbin des alten Meierhofs von Kloster St. Trudpert in Laufen eingesetzt worden, der seit dem 18. Jahrhundert zeppelinscher Familienbesitz ist. Das Gut mit dem stattlichen Wohnhaus, Reb- und einem Stück Ackerland, dem kleinen, um Energie zu sparen tiefergelegten, damals aber als desolat beschriebenen „Erdhaus“, worum sich die Hausgärtnerei gruppierte, hatte schon ihre Urgroßmutter bewirtschaftet. Daraus wuchs nun allmählich der Lebensmittelpunkt der jungen Erbin. Anfangs lebte sie nur ein paar Monate im Jahr in Laufen, die meiste Zeit studierte sie noch in Berlin. Es will aber scheinen, dass sie schon damals ein klares Ziel verfolgte, und systematisch darauf hinarbeitete: die „Gärtnerei des Weinguts Gräfin von Zeppelin“ aufzubauen, wie das Unternehmen anfangs hieß. Bis 1930, als Stein endgültig nach Laufen zog, war sie bereits in die Rolle der künftigen Chefin hineingewachsen. Sie scheute sich nie zuzupacken. Das ließ schon ihr oft beschriebenes Erscheinungsbild erkennen mit der grünen Gärtnerschürze, handgestrickten Wollsocken, derbem Schuhwerk oder Gummistiefeln. Nur die immer gepflegten Hände, woran die Tochter und Nachfolgerin Aglaja erinnert, ließen ahnen, dass dieses Äußere nicht täuschen durfte: die Gräfin blieb trotz Erdarbeit immer unternehmerisch sehr bestimmt handelnde Dame. Wohldifferenziert schildert die Enkelin Karine von Rumohr das Wesen ihrer Großmutter: „immer etwas distanziert […], trotzdem sehr liebevoll, […]auf ihre sehr stille Weise Mittelpunkt“ (Manuskript Frigge, o. J., S. 27). Ihre Tochter Aglaja berichtet über der Mutter Verhältnis zu Laufen. Die Zugewanderte sei im Dorf ob ihrer Leistung wohl anerkannt gewesen, wenn auch lebenslang etwas Besonderes geblieben.
Steins gesunder, bodenständiger Geschäftssinn machte sich schon in diesem frühen Abschnitt bemerkbar. Neben ihrem Kerninteresse, das der Iris galt, – Stein war längst bewusst, dass Deutschland in der Entwicklung dieser Blumenkultur weit zurücklag, zumal gegenüber den USA – bemühte sie sich schon in den ersten Jahren um eine branchenübliche Sortimentsbreite, die mit Astern, Dahlien, Heckenrosen, Rittersporn, auch Gemüsesetzlingen zu umfassen suchte, wonach die ländliche Umgebung fragte. Gleichermaßen bodenständig lief ihre Vermarktung. Stein fuhr ihre Pflanzen und gebundene Blumensträuße selbst zu den wichtigen Märkten nach Müllheim und Lörrach. Ihr Stand beim Brunnen des Freiburger Münstermarkts, den die Gärtnerei bis um die Mitte der 1980er-Jahre unterhielt, gewann besonderes Interesse. Stein belieferte außerdem große Hotels, zumal in Badenweiler, das damals noch als südlichster Thermalbadeort Deutschlands warb. Bis in den II. Weltkrieg hinein veranstaltete Stein dort Blumen- und Kunstschauen, die erste 1936 zusammen mit dem Keramiker Richard Bampi aus Kandern, dessen Vasen den Blumenschmuck trugen. Als „Vergnügliches aus dem Garten“ kombinierte Stein in den Kriegsjahren Blumen mit Gemüse. Das und sicher ihre Herkunft ließen die gräfliche Gärtnerei zum Begriff in der Region werden.
Bald nach 1930 hatte Stein damit begonnen, im Post-Versandhandel ein zweites Standbein ihres Unternehmens aufzubauen, wofür sich die leichte, ohne Erdballen zu verschickende Iris ganz hervorragend eignete. Stein textete ihre Werbeschriften selbst, beschrieb die Besonderheiten der Sorten, erwähnte die Züchter, verwies auf die jeweils besten Pflanzzeiten und -standorte und vergaß nie, die Hauptblütezeit zu erwähnen. Gern wies sie darauf hin, wann Interessenten die blühende Pracht in Laufen besuchen und ihre Auswahl treffen sollten; denn Bilder, selbst im Schwarz-Weiß-Druck, waren noch eine kostspielige Sache, und Stein wusste: Blumen leben von ihrer Farbenpracht. Drum suchte sie eindringlich zu beschreiben. Die ältesten überlieferten detaillierten Preislisten reichen in die 2. Hälfte der 1930er-Jahre zurück. Erfolg blieb nicht aus. Das spiegelt die Irispreisliste von 1939 wider, worin Stein darauf verwies, dass im Vorjahr so stark verkauft worden sei, dass sich der Vorrat nun erst erholen müsse.
Ein Höhepunkt der Entwicklung im ersten Jahrzehnt der Gärtnereigeschichte und damit im Leben Steins war gewiss die Teilnahme an der Reichsgartenschau, die am 22. April 1939 auf dem Stuttgarter Killesberg eröffnete und bis zum Kriegsausbruch Anfang September, ihrem vorzeitigen Ende, rund 4,5 Mio. Besucher gezählt hatte. Die Gärtnerei der Gräfin war dort erstmals im nationalen Rahmen mit neuesten Iris-Züchtungen präsent. Später, von den 1960er-Jahren an, war Stein auf vielen nationalen und internationalen Gartenschauen mit ihren Züchtungen präsent gewesen und wurde vielfach ausgezeichnet.
Damit, dem Beginn des II. Weltkriegs, ist bereits das Ende der Aufbauphase markiert. Laufen lag im Aufmarschgebiet. Kriegswirtschaft diktierte die weitere Entwicklung des Unternehmens. Statt Blumen wurde Gemüse angebaut. Steins Gärtnerei musste den ganzen Kreis Müllheim versorgen. Der Meierhof, nun regionales Vorratslager für wichtige Lebensmittel, darunter Zucker, galt als „kriegswichtig“. Dank der Lage, abseits der Zentren und ohne Industrie, fielen keine Bomben, für Blumen aber fand sich immer weniger Platz. So zwang die Zeit nach dem Franzoseneinmarsch 1945 zu einem Neubeginn, aber dafür hatte Stein vorgesorgt. Das lässt der noch einfachst über Matrizen vervielfältigte erste Nachkriegs-„Katalog“ von 1948, deutlich erkennen.
Stein war nicht Mitglied der NSDAP gewesen. Deswegen blieb ihr die Meisterprüfung und damit die Möglichkeit, Lehrlinge auszubilden, bis Kriegsende verwehrt. Nun fiel dieses Hindernis weg; Stein wurde 1951 Gärtnermeisterin. Einen Lehrling, Susanne Weber, hatte Stein bereits, eine junge Abiturientin, die wie andere Mitarbeiter auch, im Meierhof wohnte und bald in die Männerdomäne eindrang, Gärtnermeisterin wurde. Sie wurde der Chefin rechte Hand. Ein Meister kam noch hinzu; ihn hatte Stein von Förster aus Bormin übernommen. Auch das blieb so bei der „Iris-Gräfin“: Noch um die Mitte der 1960er-Jahre wohnten und aßen viele ihrer Mitarbeiter im Meierhof, darunter seit 1963 auch spanische Gastarbeiter. Der Neuanfang trug zunächst noch viele Züge der Kriegswirtschaft. Nach wie vor diktierte Mangel das Handeln und erforderte Improvisation. Das Geschäft schien viel mehr das eines landwirtschaftlichen Mischbetriebes als Blumengärtnerei; selbst Tiere wurden gehalten. Die offizielle Arbeitszeit pro Woche lag bei 68 Stunden. Abendessen um 19 Uhr, dann ging es in den Weinbergen weiter. Was nicht alles wurde genäht und gestrickt, zumal in den Wintermonaten, doch welcher der Mitarbeiter mag das Neuentstehende nicht erlösend positiv empfunden haben? Noch immer bestand die Aufgabe, den Kreis Müllheim mit Gemüsesetzlingen zu versorgen. Über Flüchtlingsfamilien aus Ostpreußen waren Auberginen und Paprika als neue Gemüsesorten aufgekommen. Selbst Tabak wurde im Gut angepflanzt, gefädelt und getrocknet. Das war die Hauptaufgabe –Blumen stellten noch Luxus dar. Tagsüber herrschte Wasserknappheit, drum musste nachts von Hand gegossen werden. Die erste Beregnungsanlage wurde im Sommer 1964 installiert.
Immer wieder erwies sich die Gräfin als besonders einfallsreich. Als eine Obstdörre greifbar war, sorgte sie dafür, dass das viele vorhandene Obst geschnitten und getrocknet wurde und dann in kleinen grauen Feldpostschachteln über einen rasch organisierten Versand an Kunden gelangen konnte: eine weitere Einnahmequelle war erschlossen. Findig tauschte sie auch: mit dem Laufener Schuhmacher einen Hund gegen zwei Paar Arbeitsstiefel. Ihre Lieblingspflanzen indes hatte sie immer im Auge behalten. 2 Ar, so berichtete Susanne Weber, nahm die neukultivierte Iris-Sammlung ein. Sonst wurde eifrig gesammelt, Blumen wurden gegen Gemüsesetzlinge eingetauscht. Der Botanische Garten in Freiburg erwies sich als wichtiger Helfer. Die neu gesammelten Stauden waren erst in ein großes Beet gepflanzt, dann auf Töpfe verteilt, mühsam, alles in Handarbeit. Ganz von Neuem musste wieder ein Kundenstamm herangezogen werden. Er wuchs gemächlich, über die nähere Umgebung ins Land hinaus.
Was die Blumen anging, machte die „Iris-Gräfin“ diesem Namen bald wieder alle Ehre. Sie hatte nicht nur die Sammlung über den Krieg zu retten vermocht, die schon einen sehr guten Einblick in die Züchtungsgeschichte der Schwertlilie vom 19. Jahrhundert an vermittelte, auch in den Chaosjahren hatte sie sich züchterisch damit weiter befasst und immer streng auf Sortenreinheit geachtet. Ihr neuer „Katalog“, der fast ein Jahrzehnt nach der letzten Vorkriegsausgabe erschien, berichtet, dass Steins Sammlung etwa 440 Sorten enthielt. Außerdem gebe es da aber noch 150 weitere und jedes Jahr kämen neue hinzu, vor allem aus den USA und Frankreich. Schon diese wenigen Angaben lassen erschließen, dass Stein mit ihrer international immer angesehener werdenden Gärtnerei inzwischen eine besondere, wenn nicht die führende Rolle zumal bei der Verbreitung der Iris in Deutschland zukam. Die im Katalog angekündigten eigenen Züchtungen waren bald erhältlich und nach Begriffen aus der Musik benannt. Sie hießen Nocturne und Missa Solemnis oder trugen Komponistennamen. Blumen wie Musik, erklärte Stein, überdauern die schweren Zeiten, drum diese Namen! Später erweiterte sie das Angebot noch, um die Auswahl zu erleichtern. Weitere Anerkennung blieb nicht aus, herausragend Steins Einladung zur Chelsea Flower Show 1961, der wichtigsten dieser Art in Großbritannien; denn längst bezog ihr internationales Engagement für die Iris die wichtigsten Züchterkollegen mit ein: Schreiner in Salem/Oregon, Cayeux, unweit von Orléans in Frankreich. In der Schweiz unterhielt die Gärtnerei eine Vertretung.
„Was ist die Iris?“, unter dieser Leitfrage hatte sich Stein im Zusammenhang der „Grün 80“, der 2. Schweizerischen Ausstellung für Garten und Landschaftsbau in Basel-Brüglingen, unweit vom Botanischen Garten, geäußert. Hier wird deutlich, wie umfassend Stein sich dieser Blume angenommen hatte: Sie fragte nach der Geschichte menschlichen Umgangs mit ihr seit der Antike, ihrer Bedeutung in der Kunst von den Etruskern bis in die moderne Malerei, nach der Symbolik, die man der Iris in China und Japan beimaß, auch ihrer Verwendung in der Heraldik im mittelalterlichen Frankreich oder in Florenz. Das unterstreicht: es handelte sich für sie um eine ganz besondere Blume, worüber sie seit ihrer Jugend hatte Kenntnis verbreiten wollen.
Wie sie bei der Züchtung vorging, ist auch überliefert: Je eine Mutterpflanze aller Arten und Sorten war nach dem Farbverlauf zweireihig in einen Testgarten im Abstand von etwa einem Meter sortiert angepflanzt. Die Neuheiten saßen immer hinten. Vier bis fünf Jahre lang beobachtete Stein Blütezeit und -reichtum, Höhe und Standfestigkeit, hielt alles auf Karteikarten fest, bis sie eine Sammlung von über 1400 Arten und Hybriden zusammen hatte. Die verschenkte sie dann 1969 an die Meriangärten in Basel, wo sie bis in die Gegenwart zu bewundern sind. Einen ähnlich tiefen Einblick in die Entwicklung und Vielfalt der Iris bieten in Europa nur Parks in Průhonice bei Prag und in Florenz.
Im inzwischen wieder weiter aufgefächerten Sortiment der Staudengärtnerei fällt bereits in den 1950er-Jahren auf, dass die Taglilie (Hemerocallis) für Stein an Bedeutung gewonnen hatte. Diese Pflanze war im 16. Jahrhundert über China und Japan nach Europa gekommen. Rechte Bedeutung aber hatte sie erst in den USA gewonnen, wo sie anfangs besonders im New Yorker Botanischen Garten systematisch gekreuzt worden war. Die Taglilie eroberte einen derartigen Freundeskreis, dass 1946 die Amerikanische Hemerocallis Gesellschaft gegründet wurde. Weitere Impulse gingen in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts vom Wirken Hubert A. Fishers aus, eigentlich ein Diamantenhändler aus Meadow Gardens in Illinois, dem zusammen mit seiner Frau, auch einer berühmten Blumenzüchterin, weitere Bedeutung in Steins Leben zukommt. Stein hatte früh zu den Fishers Kontakte gepflegt und das Ehepaar 1967 bei ihrer USA-Reise besucht.
Schon ein paar Zahlen belegen, welcher Stellenwert der Taglilie im Wirken von Stein fortan zukam: 1952 waren es acht, durchweg allgemein bekannte Arten dieser Spezies, die sie im Sortiment anbot, 1957 bereits doppelt so viele, darunter einige Züchtungen aus den USA. Inzwischen hatte sie deren Widerstandsfähigkeit hinreichend überprüft, und weitere fünf Jahre später bereits 72 Sorten verzeichnet, wieder mit Tendenz zu noch mehr Vielfalt. Die Gräfin hatte nicht nur einen weiteren Schwerpunkt in ihrem gärtnerischen Wirken ausgebildet, sie nahm wieder die Rolle eines Wegbereiters für diese Staude in Deutschland ein. Eigene Taglilien-Züchtungen bot sie seit den 1980er-Jahren.
Zu einem dritten Schwerpunkt der Tätigkeit Steins wurde die Pfingstrose (Paeonia), deren Heimat auch China ist. Ende des 18. Jahrhunderts nach Großbritannien gelangt hatte die Blume von dort aus Verbreitung in Europa gefunden. Vom Beginn des 20. Jahrhunderts an wurden Pfingstrosen in Deutschland gezüchtet. Stein bemühte sich ab der 2. Hälfte der 1960er-Jahre um diese Pflanze. Bis dahin war ihr Pfingstrosen-Angebot auf 15 Sorten beschränkt gewesen, 1966 waren es bereits 40. Sie verzichtete wieder auf Einschränkungen, wie die Zahl von 80 Sorten zu Anfang der 1980er-Jahre erkennen lässt, wurde auch auf dem Gebiet der Paeonia züchterisch aktiv. Eine Sorte nannte sie Gedenken, womit sie eigentlich an Ellen Fisher aus Illinois erinnern wollte, von der sie erste Samen für ihre Versuche erhalten hatte.
Im Eindruck der Arbeit dieser Frau, die ihr Samen auch ihrer Türkenmohn-Züchtungen (Papaver orientale) hatte zukommen lassen, wandte Stein sich dem Mohn zu. 1970 präsentierte sie Ergebnisse dieser Arbeit. Bis Anfang der 1980er-Jahre wies Steins Katalog 16 eigene Züchtungen auf. Sie hatte, wie sie im Katalog von 1988 bemerkte, eine weitere faszinierende Pflanze entdeckt, auch wenn das Mohnrot ihr anfangs geradezu aggressiv erschienen war.
Mit den vier genannten sind nur die wichtigsten Einzelbeispiele aufgeführt, die Steins gärtnerisches Leben gekennzeichnet haben. Ihr Ziel war und blieb die Vielfalt. Stein zeigte sich immer offen für zuvor ungewöhnliche, für neue Kombinationen, wie es ihr gelang, auf vielen Gebieten Impulse zu geben in die gärtnerische Landschaft Deutschlands und Europas hinein. Das war sicher der eine Teil, der Steins Erfolg begründete und ihr große Anerkennung beschert hatte. Das wird im Echo auf ihre Vorträge, in ihren internationalen Jurymitgliedschaften, Ehrungen und Preisen sichtbar, die ihr und ihrer Gärtnerei zuteil wurden. Ein anderer mögen – bei aller unumgänglichen Subjektivität in dieser Sache – ihre so einfühlsam wie präzise formulierten Blumenbeschreibungen gewesen sein, wovon die Kataloge ihrer Gärtnerei Zeugnis bleiben. Über all dem freilich waltete die ureigene Persönlichkeit der Gräfin.
Ein Diktum von Stein lautete, Gärtner sprechen immer die gleiche Sprache, in allen Ländern, drum verstehen sie sich so gut. Ihrem Wirken jedenfalls ist es gelungen, Verständigung und Austausch über Grenzen hinweg zu erreichen. Das drückte sich nicht nur in Institutionen aus. Durch Ihr Leben zogen sich Freundschaften mit Gärtnern, Züchtern und Vertretern ihres Fachs in vielen Ländern. Selbst den „Eisernen Vorhang“ konnte sie überwinden, wie ihr enger Austausch mit Milan Blažek (geboren 1937) zeigt, der im Park von Průhonice bei Prag seine große Iris-Sammlung pflegte, und unter Europas Botanikern als Fachmann vor allem bei Fragen zu alten Sorten dieser Blume gerne herangezogen wird.
Als Stein im Alter von 90 Jahren starb – zwei Jahre zuvor hatte sie ihr Lebenswerk, den Laufener Betrieb, ihrer Tochter Aglaja übergeben – weilte gerade wieder die Gärtnerin und Freundin Beth Chatto aus Elmstead Market in Essex zu Besuch im Meierhof, wie oft in Sommertagen.
Quellen: A d. Staudengärtnerei Gräfin von Zeppelin in Sulzburg-Laufen, darin u.a. Aufzeichnungen von Susanne Weber von 1947 bis 1987, mit Zeitungsausschnitten, Kundenkorrespondenz, Fotos, Manuskripten von Stein sowie Katalogen u. Preislisten d. Gärtnerei; Auskünfte des A d. Beuth-Hochschule, Berlin, vom 24.10.2014, d. Tochter Steins, Aglaja von Rumohr, von Marie Heise, München, wg. Průhonice, u. von Erich Müller, Muhen, Kt. Aargau, wg. Meriangärten in Basel, vom Sept. u. Okt. 2014.
Werke: (Auswahl) Vorträge u. Kataloge von den 1930er-Jahren bis zum Tod Steins, ein Einzelnachweis war nicht möglich (vgl. Quellen).
Nachweis: Bildnachweise: Foto (1930er-Jahre), in: Baden-Württembergische Biographien 6, S. 479, mit Genehmigung d. Staudengärtnerei von Zeppelin – Ölgemälde (Jahr u. Künstler nicht zu ermitteln) im Meierhof in Laufen, Fotos versch. Lebensabschnitte im „Erdhaus“ d. Gärtnerei; Karine von Rumohr, 2011, 16 (vgl. Literatur).

Literatur: Annemarie Hassenkamp, In Gärten altert nie mein fröhlich Herz. Die Staudengärtnerei Helene von Zeppelin, in: Stuttg. Ztg. vom 28.9.1965; Helen von Stein, Porträt dt. Unternehmerinnen, ebd. vom 29.9.1975; Das Land Baden-Württemberg, Amtliche Beschreibung nach Kreisen u. Gemeinden, 8 Bde., 1974–1983, bes. Bde. 4, 1980, 244ff. u. 6, 1982, 148ff.; Die Iris-Sammlung d. Gräfin von Zeppelin. Kostbare botanische Antiquitäten d. „Grün 80“, in BZ vom 26.7.1980; Peter Jaeggli (Red.), Grün 80, d. offizielle Ausstellungskatalog, 2. Schweizerische Ausstellung für Garten- u. Landschaftsbau, o. J. [1980]; Buchverlag Basler Zeitung (Hg.), Basler Memory: Grün 80, o. J. [1980]; Felix Thomann, Grün 80 – das Erinnerungsbuch, 1980; Hans-Rudolf Heyer, Brüglingen, Gutsbetrieb d. Christoph Merian Stiftung, Botanischer Garten u. Gelände d. Grün 80, 1980; Todesanzeige für Helen von Stein, in: BZ vom 8.7.1995; Sabine Frigge, Von A bis Z (Arbeitstitel), unveröff. Manuskript zur Geschichte d. Gärtnerei (155 S.), o. J. [ca. 2010]; Karine von Ruhmohr, Was du ererbt von deinen Müttern, in: dies., Blumen, Frauen u. ihre außergewöhnlichen Gärten, 2011, 11-18; Gräfin von Zeppelin, Die Gesch. d. Gärtnerei, in: Katalog 2014–2015, Das Staudenhandb. für den Pflanzenliebhaber, hgg. von d. Staudengärtnerei Gräfin von Zeppelin, o. J. [2014], 14f.; BZ vom 9.5.2015, 44.
Suche
Durchschnitt (0 Stimmen)