Theuß, Sofonias 

Andere Namensformen:
  • genannt China-Theuß
Geburtsdatum/-ort: 04.04.1875;  Steinheim am Albuch
Sterbedatum/-ort: 26.03.1945; Berlin-Plötzensee
Beruf/Funktion:
  • Sammler und Einsiedler
Kurzbiografie: 1889–1895 Arbeiter in einer Kattundruckerei in Heidenheim
1895–1898 Rekrut bei den Gelben Dragonern in Stuttgart
1898–1904 Zivildiener bei Hauptmann Baron Max von Gemmingen-Guttenberg in Stuttgart
1900 Versetzung zum Armee-Oberkommando nach China
6–8/1901 Rückkehr über Japan, Java und Ostafrika
10/1904 Einschiffung nach Deutsch-Südwestafrika
4/1906 Rückkehr nach Deutschland
31.7.1906 wegen Krankheit aus dem Militärdienst entlassen
9/1914–9/1916 im Ersten Weltkrieg als Sanitätshundeführer in Frankreich
1917 Beendung Militärdienst
1919 Einzug Ziegelhütte, fortan Einsiedler
ab 8/1943 Untersuchungshaft
5.5.1944 wegen „Wehrkraftzersetzung“ zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt
ab 12/1944 Strafgefangener in Berlin-Plötzensee
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Eltern: Vater: Matthäus Theuß, (geboren 12.9.1851, gestorben 16.2.1925), Landwirt
Mutter: Katharina, geb. Rau (geboren 15.8.1854, gestorben 2.8.1925)
Geschwister: Johann Georg (geboren 19.2.1873, gestorben 20.6.1958); Anna (geboren 6.6.1876, gestorben Jan. 1947)
GND-ID: GND/1153088797

Biografie: Susanne Lange-Greve (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 3 (2017), 228-230

Aus einer einfachen Bauernfamilie in Steinheim am Albuch stammend, arbeitete Theuß nach dem Besuch der Volksschule für dreieinhalb Jahre als Fabrikarbeiter in der Württembergischen Kattunmanufaktur in Heidenheim.
Am 3.10.1895 wurde er in das Dragoner-Regiment Nr. 26 eingezogen und war in den folgenden Jahren Zivildiener bei Hauptmann Baron Max von Gemmingen-Guttenberg in Stuttgart. Dieser wurde gemeinsam mit Theuß im Jahr 1900 zum Generalstab des Armee-Oberkommandos nach Ostasien versetzt. Am 2. Juli verabschiedete Kaiser Wilhelm II. das deutsche Expeditionskorps nach China für den sogenannten „Boxerkrieg“. Die Reise führte von September bis November 1900 von Bremerhaven durch den Suez-Kanal über Shanghai nach Peking. Seine dortigen Erfahrungen hielt Theuß in anschaulichen Aufzeichnungen fest.
Nach der Rückkehr nahm Theuß im September 1901 seinen Dienst in Stuttgart wieder auf und wurde im Oktober 1904 infolge des Burenkrieges mit der deutschen „Schutztruppe“ nach Südwestafrika eingezogen. In seinen unveröffentlichten Tagebüchern berichtet Theuß von seinen dortigen vielfältigen Erlebnissen. Theuß plante, in Warmbad zu bleiben, doch seine sich verschlimmernden Magenbeschwerden hinderten ihn daran, er kehrte im Frühjahr 1906 wegen eines hartnäckigen Magen- und Darmleidens nach Deutschland zurück. Ende Juli 1906 wurde er unter Verleihung des Zivilversorgungsscheins wegen seiner Krankheit aus dem Militärdienst entlassen.
In seiner Soldatenzeit wurde Theuß mit mehreren Militär-Verdienst-Medaillen ausgezeichnet, u. a. mit dem „Kaiserlich-Japanischen Verdienstorden der aufgehenden Sonne“.
Im Ersten Weltkrieg war Theuß als Führer einer Sanitätshundekolonne im Kampfgebiet vor Verdun eingesetzt. Als Transportführer wurde er hier mit erschütternden Erlebnissen auf den Kampffeldern und in den Feldlazaretten konfrontiert.
Nachdem er im September und Oktober 1916 mehrere Wochen im Lazarett in Neu-Ulm verbracht hatte, wurde er Mitte Oktober 1916 zu seiner Truppe nach München entlassen.
Wenige Monate später wurde Theuß als „dienstunbrauchbar“ eingestuft, er beendete Anfang Februar 1917 seinen Militärdienst und kehrte nach Steinheim zurück. An seinem 42. Geburtstag, den 4. April 1917, quittierte er offiziell den Dienst.
1919 zog er zunächst als Mieter in die „Obere Ziegelhütte“, die er im September 1923 erwarb. Er lebte hier fortan als Einsiedler, Bienenzüchter und Sammler von Pflanzen und Altertümern. Er betrieb Gartenbau und führte genaue Natur- und Tierbeobachtungen durch. Ab 1909 beschäftigte er sich intensiv mit der Hundedressur.
Im Oktober 1915 sandte Theuß Ableger der Palmenart Yucca gloriosa aus Frankreich an seine Eltern nach Steinheim. Im Garten der Ziegelhütte experimentierte er mit deren Anbau und Vermehrung. 1934 unterbreitete er der Deutschen Reichsregierung seinen „Vorschlag zur Erwägung zum Anbau der Yuccapalme zur Gewinnung von Faserstoff als Ersatz von Baumwolle“. Theuß hatte zu dieser Zeit über 70 Yucca-Pflanzen und machte Vorschläge zur möglichen Fasergewinnung aus den ca. 1 Meter langen Blättern, die sich voraussichtlich für Kleidung, Bodenbeläge und Isolierstoffe einsetzen lassen würden. Doch seine Ideen, die Yucca-Faser als Baumwollersatz einzuführen, fand in den Reichsämtern kein Gehör.
Während seiner Stationierungen in Asien und Afrika zeichnete sich Theuß durch ein großes Interesse am Leben der einheimischen Bevölkerung und ihren Gebräuchen aus, was ihn vor Überheblichkeit und Chauvinismus schützte. Theuß entwickelte sich vom kaisertreuen Soldaten zum entschiedenen Pazifisten: „Durch das, was mir der unglückliche Weltkrieg offenbarte (…), bin ich heute Pazifist, ein strenger Kriegsgegner und deshalb Mitglied der deutschen Friedensgesellschaft, um in dieser Vereinigung gegen alle die Kriegstreiber und die Volksverhetzer anzukämpfen“, so schrieb er 1926.
Er lebte zurückgezogen, doch nahm er in seinen Briefen als Zeitkritiker kein Blatt vor den Mund. Nachdem Hitler im November 1928 in Berlin seinen ersten Vortrag gehalten hatte, schrieb Theuß einen Brief an den „Wanderredner Adolf Hitler“: „… nicht feige sind wir Pazifisten, sondern aufrichtig und wahrheitsliebend und zudem wohlmeinende Berater fürs zukünftige Welt- und Völkerwohl. Merken Sie sich das für Ihre fernere Zukunft!“
Theuß warnte eindringlich vor „all diesem Heldenwahne“ und mahnte im Februar 1932 Adolf Hitler anlässlich dessen deutscher Einbürgerung und Ernennung zum Regierungsrat: „Die Staatsmänner haben in der Zukunft die Pflicht, alle Völkerstreitigkeiten auf friedlichem Wege zu regeln und nicht wie bisher mit dem Schwert und verlogener Geschäftspolitik, sondern mit der Waffe des Geistes und der Vernunft!“
Von Ehrfurcht vor allem Lebendigen durchdrungen, hatte sich Theuß der östlichen Philosophie geöffnet und bezeichnete sich als „Anhänger Buddhas“. Unbeirrt kommentierte er über die Jahre mit scharfer Kritik das politische Zeitgeschehen: „Krieg ist Wahnsinn! Krieg ist ein Verbrechen an dem Volk und Vaterland sowie an der gesamten Menschheit! Daher nie wieder Krieg! Die Waffen nieder!“, so in einem Brief im April 1943.
Im August 1943 wurde Theuß von der Gestapo abgeholt und im Mai des darauffolgenden Jahres vom Oberlandesgericht Stuttgart wegen des Verbrechens der „Wehrkraftzersetzung“ zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren verurteilt. Von Juni bis Oktober 1944 wurde dem „ledigen Rentner und Bienenzüchter“ eine Strafunterbrechung zur Mithilfe in der Landwirtschaft gewährt. Nach seiner Gefangenschaft im Gefängnis in Ulm wurde er Ende 1944 ins Strafgefängnis nach Berlin-Plötzensee transportiert.
Dort starb Theuß am 26. März 1945 an Unterernährung und mit Verdacht auf Tuberkulose.
In seinem bisher nicht erschlossenen Nachlass sind zahlreiche Dokumente, Aufzeichnungen und Tagebücher vorhanden. In der Heimatstube auf dem Klosterhof in Steinheim am Albuch werden Teile seiner Chinasammlung gezeigt.
Quellen: NL im SchriftgutA-Ostwürttemberg in Heubach-Lautern. Sammlung von Gewändern und Kunstgegenständen aus China im Besitz der Gemeinde Steinheim.
Werke: Ein Militärroman als politische Reisebetrachtung im Wanderleben eines deutschen Soldaten (unveröff. Manuskript im NL).
Nachweis: Bildnachweise: Fotografien und Negative im NL.

Literatur: Adalbert Feiler, Sofonias Theuß. Der Einsiedler von Steinheim, genannt China-Theuß. Ein Wanderleben zwischen Frieden und Krieg, West und Ost, zwischen Kaiserreich und Diktatur. Tagebuch-Notizen – Briefe – Dokumente – Bilder, 1986.
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