Traber, Anton Carl Josef 

Geburtsdatum/-ort: 23.11.1897;  Stuttgart
Sterbedatum/-ort: 04.06.1948;  Tübingen
Beruf/Funktion:
  • Staatskommissar für die politische Säuberung in Tübingen
Kurzbiografie: 1904–1914 Volksschulen Stuttgart und Riedlingen, humanistisches Progymnasium Riedlingen, mittlere Reifeprüfung 28.7.1914
1.8.1914 Bezirksnotariat Riedlingen, Beginn Vorbereitungsdienst württ. Notariatslaufbahn
1916–1918 Militärdienst Stuttgart Infanterie-Regiment E/125
1.5.1918 Fortsetzung Vorbereitungsdienst Bezirksnotariat Riedlingen, 1920 Prüfung Notariatsdienst
1920–1921 staatl. Unterrichtskursus in Stuttgart, Staatsexamen mittlerer Gerichts- und Notariatsdienst
1921–1927 unständige Verwendung im Gerichtsdienst und als Notariatsverweser in Riedlingen, Ravensburg, Mengen, Langenburg, Meßstetten, Gomaringen, Leutkirch
1.10.1927 Anstellung am Amtsgericht Balingen, Obersekretär
1.10.1928 Versetzung auf Planstelle Landgericht Hechingen
10.6.1937 Justizinspektor
2.2.1942 Ernennung zum stellv. Geschäftsleiter des Landgerichts Hechingen
5/1945 Militärbeauftragter für das Gerichtswesen im Kreis Hechingen und Führung der Geschäfte des Landgerichtspräsidenten (bis 31.1.1947)
25.10.1945 Geschäftsleiter Landgericht Hechingen und Justizamtmann
13.10.1946 Wahl in die Kreisversammlung Hechingen, CDU
24.2.1947 Bezirksrevisor der Landgerichtsbezirke Hechingen und Rottweil
1.7.1947 Staatskommissar für die politische Säuberung
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Auszeichnungen: Auszeichnungen: Kriegsteilnehmerehrenkreuz (1914–1918); NSV-Ehrenurkunde für ehrenamtliche Mitarbeiter
Verheiratet: 30.7.1931 (Hechingen) Pauline, geb. Kleck (30.6.1905–27.6.1994)
Eltern: Vater: Paul Traber (gestorben 1904), Revisor, Rechnungsrat
Mutter: Mathilde, geb. Jutz
Geschwister: 2 Brüder und 1 Schwester
Kinder: 4:
Josef (geboren 24.7.1932);
Maria (geboren 6.7.1934);
Mathilde (geboren 18.9.1936);
Paul (geboren 22.9.1938)
GND-ID: GND/1153089009

Biografie: Rolf Vogt (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 3 (2017), 230-233

Anton Traber war 1947/48 Staatskommissar für die politische Säuberung in Württemberg-Hohenzollern. Er starb früh an einem Herzschlag.
Als viertes Kind einer württembergischen Beamtenfamilie in Stuttgart geboren, wuchs Traber in Riedlingen auf, wohin seine Mutter nach dem Tod ihres Ehemanns 1904 ihren Wohnsitz verlegte. Traber schloss das Progymnasium in Riedlingen mit der mittleren Reifeprüfung ab und begann im August 1914 im Bezirksnotariat Riedlingen den Vorbereitungsdienst für die württembergische Notariatslaufbahn.
Er unterbrach die Ausbildung im März 1916, um nach Stuttgart zu ziehen und in das Infanterie-Ersatz-Regiment 125 einzutreten. Die Zeit bis zur Einberufung überbrückte er als Hilfsarbeiter im städtischen Wasserwerk Stuttgart. Seit dem 11.7.1916 Rekrut im Infanterie-Regiment 125, machte sich ein Herzfehler bemerkbar, so dass er vom 16.9.1916 bis zum 12.4.1917 im Lazarett behandelt werden musste. Danach fand er als Hilfsschreiber des Bataillonsarztes weitere Verwendung. Im Mai 1918 wurde er beurlaubt und aus dem Militärdienst entlassen.
Traber konnte in Riedlingen seine Ausbildung im Notariatsdienst fortsetzen. Im Juni 1920 absolvierte er am Amtsgericht Riedlingen die erste Prüfung zum Notariatsdienst, besuchte 1920/21 in Stuttgart einen einjährigen Unterrichtskurs und bestand Anfang November 1921 die Prüfung für den mittleren Justizdienst mit der Note Befriedigend. Sechs Jahre lang war er unständig als außerplanmäßiger Notariatsverweser in Riedlingen, Ravensburg, Mengen, Langenburg, Meßstetten, Gomaringen und Leutkirch (1924 – 1927) eingesetzt, am 1.10.1927 erhielt er eine planmäßige Anstellung als Obersekretär am Amtsgericht Balingen. Zum 1.10.1928 erreichte er die Versetzung an das Landgericht Hechingen.
In Hechingen heiratete Traber am 30.7.1931 Pauline Kleck aus Ittenhausen. Die Ehe wurde bis 1938 mit vier Kindern gesegnet.
1916 mit offenbar großer Begeisterung in das Militär eingetreten, scheint Traber den Kriegsdienst mit tief pazifistischer Einstellung quittiert zu haben. Er schloss sich dem Friedensbund Deutscher Katholiken an, einer in Teilen außerhalb der katholischen Amtskirche stehenden Laienbewegung, die ausgehend vom Gebot der Nächstenliebe den Aufbau einer internationalen Friedensordnung und die Ächtung von Kriegen forderte. Mit der Zentrumspartei, die dem Friedensbund reserviert gegenüber stand, konnte sich Traber nicht dauerhaft anfreunden. Er gehörte ihr nur von 1924 bis 1927 an, engagierte sich aber im Caritasverband, dessen soziale Ziele er teilte.
Dem Nationalsozialismus stand Traber ablehnend gegenüber. Er war wohl der einzige Hechinger Beamte, der sich dem geschlossenen Beitritt der Gerichtsbediensteten zur NSDAP im Mai 1933 widersetzte. Bezahlen musste Traber seine politische Haltung mit beruflichen Nachteilen. Seit Juli 1937 Justizinspektor, fanden weder seine Bewerbung als Geschäftsleiter des Landgerichts Hechingen 1937 noch seine Bemühungen um den Posten des Geschäftsleiters am Amtsgericht Ravensburg 1938 Berücksichtigung. Der Ravensburger Bewerbung soll NSDAP-Gauleiter Wilhelm Murr persönlich widersprochen haben. Möglicherweise gehört auch die Abordnung an das Landesgefängnis in Rottenburg, wo Traber von März bis Dezember 1940 Kassenleiter war, zu den Versuchen der nationalsozialistischen Justizverwaltung, einen unbequemen Beamten zu disziplinieren.
Dem Zwang zu öffentlichem Engagement beugte sich Traber mit der Mitgliedschaft in der NS-Volkswohlfahrt und im NS-Rechtswahrerbund seit 1934, im Reichsluftschutzbund seit 1935, im Reichsbund der deutschen Beamten seit 1936 sowie im Deutschen Roten Kreuz und im neu belebten Reichskolonialbund seit 1937. Die Mitgliedschaft im DRK, wo er 1939 zum Wachtführer und 1944 zum Oberwachtführer avancierte, ermöglichte ihm die gewünschten Auftritte in Uniform. In der NSV wurde Traber 1936 Blockwalter und 1937 Zellenwalter, und im Reichsluftschutzbund war er 1940 bis 1943 Luftschutzwart.
In der katholischen Kirche fand Traber einen willkommenen Rückzugsraum. 1934 schloss er sich einer Männerwallfahrt zur Schwarzen Madonna in Maria Einsiedeln in der Schweiz an. Mit dem Rottenburger Bischof Dr. Johannes Baptista Sproll traf sich Traber auf einer Ferienreise 1938 in Innsbruck.
Traber wurde mit Kriegbeginn für das Landgericht Hechingen als unabkömmlich eingestuft und vom Kriegsdienst befreit. Stellvertretender Geschäftsleiter des Gerichts war er seit dem 2.2.1942, als Personalnot herrschte. Im Oktober 1944 wurde Traber zum Volkssturm in Hechingen eingezogen und als Schreiber eingesetzt.
Nach dem Einmarsch französischer Truppen in Hechingen war Traber einer der Männer der ersten Stunde. Die neue Militärregierung ernannte ihn Anfang Mai 1945 zum Militärbeauftragten für Justizangelegenheiten im Kreis Hechingen und vertraute ihm die Führung der Geschäfte des Landgerichtspräsidenten an.
Die im Juli 1945 eingesetzten Landesdirektoren in Tübingen nahmen Anfang September 1945 Kontakt zu Traber in Hechingen auf. Anlässlich der Wiedereröffnung des Hechinger Gerichts am 25.10.1945 wurde er zum Geschäftsleiter des Landgerichts ernannt und zum Justizamtmann befördert. Im Winter 1946/47 war er in der Landesdirektion des Innern in Tübingen als Landrat in Ehingen und Tettnang im Gespräch. Die Berufung nach Ehingen scheiterte an neuen Überlegungen im Landesdirektorium, obwohl Traber schon am 24.10.1946 mit Direktoriumsbeschluss ernannt worden war. Die Stelle in Tettnang schlug Traber aus. Mit der Ernennung von Alexander von Normann zum Landgerichtspräsidenten in Hechingen gab Traber die Führung der Geschäfte des Landgerichtspräsidenten ab und übernahm im Februar 1947 den Posten des Bezirksrevisors für die Landgerichtsbezirke Hechingen und Rottweil.
Traber war Mitglied des Kreisuntersuchungsausschusses Hechingen. Sein eigenes Entnazifizierungsverfahren endete am 16.9.1946 mit der politischen Rehabilitation. Traber verblieb ohne Maßnahmen im Amt.
Die Ernennung eines neuen Staatskommissars für die politische Säuberung kam auf die Tagesordnung mit dem Rücktrittsgesuch des bisherigen Staatskommissars Otto Künzel, der an der Umsetzung der neuen Rechtsanordnung zur politischen Säuberung vom 25.4.1947 nicht mitwirken wollte. Das Direktorium des Staatssekretariats ernannte Traber am 24.6.1947 mit Wirkung zum 1.7.1947. Trabers erste Aufgabe war die Einrichtung der nach dem Vorbild der US-Zone arbeitenden Spruchkammern, in deren Zuständigkeit die Prüfung und abschließende Bewertung der Urteile fiel, die von den lokalen Kreisuntersuchungsausschüssen vorgeschlagen worden waren. Mit der Feierstunde in der Universität Tübingen am 26.8.1947 wurden die Spruchkammern eröffnet. Wegen der Schwierigkeit, Mitglieder zu finden, begann ihre Arbeit aber erst im November 1947.
Im neuen Spruchkammer-Verfahren wurden die Betroffenen vor dem Entscheid gehört, während bisher nach Fragebogen und Aktenlage entschieden worden war. Berücksichtigt werden sollten bei den Sühnemaßnahmen auch die sozialen Härten, die Betroffene durch Arbeitslosigkeit und Einkommenskürzung seit 1945 erduldet hatten. Geleitet wurden die Spruchkammern von Richtern oder zum Richteramt befähigten Vorsitzenden.
Das von Traber aufgebaute Staatskommissariat beschäftigte Anfang 1948 38 Beamte und Angestellte und vier Spruchkammern, die etwa 12 000 Altfälle und 5000 Revisionsanträge abzuarbeiten hatten. Ein Schwerpunkt der Arbeit bestand in der Abstimmung mit der Militärregierung über die Eingruppierungsordnung. Nach der Amnestieverordnung der französischen Militärregierung vom 17.11.1947, die Parteigenossen ohne Amt und Titel betraf, versuchte das Staatskommissariat die Ausweitung des Kreises der Begünstigten auch auf Parteigenossen mit Amt und Titel zu erreichen, sofern keine individuelle Schuld erkennbar war.
Den Abschluss der Entnazifizierung erlebte Traber nicht mehr. Er starb am 4.6.1948 am späten Vormittag nach einem Herzschlag in seinem Dienstzimmer in Tübingen und wurde am 7.6.1948 auf dem Friedhof Heiligkreuz in Hechingen beerdigt. An der Beerdigung nahmen Kreisgouverneur Roger Courtois als Vertreter der französischen Militärregierung, Staatspräsident Lorenz Bock und Justizminister Professor Dr. Carlo Schmid teil. Seine Herzschwäche und berufliche Überlastung dürften mitursächlich für den frühen Tod Trabers im 51. Lebensjahr gewesen sein. Er habe regelmäßig bis zu 16 Stunden am Tag gearbeitet, heißt es in einer Mitteilung der Justizdirektion am 7.6.1948. Sein Nachfolger wurde am 21.6.1948 Judas Thaddäus Mayer aus Riedlingen. Die Entnazifizierung zog sich hin bis 1952.
Mentor und Förderer von Traber in Tübingen war Dr. Gebhard Müller, seit August 1945 Landesdelegierter und Landesdirektor der Justiz und ab Oktober 1945 Ministerialrat in der Landesdirektion der Justiz. Ihr herzliches Verhältnis überschritt die dienstlichen Gepflogenheiten. Müller versuchte Anfang Januar 1947, Traber zum Wechsel in die Landesdirektion der Justiz in Tübingen auf die Stelle eines Justizverwaltungs- oder Amtsrats zu bewegen. Traber fiel die Absage – gemessen am Ton seines Antwortbriefs vom 11.1.1947 – schwer. Er machte familiäre Gründe und die unverhältnismäßig lange Fahrtdauer zwischen Hechingen und Tübingen geltend. Dem nächsten Ruf mochte sich Traber nicht mehr entziehen. In seinem Brief an Müller am 25.6.1947, einen Tag nach der Berufung als Staatskommissar, begründete Traber die Annahme mit einem „Gefühl der Anhänglichkeit an Sie“. Er bezeichnete „das schwere, undankbare Amt für das ganze Land“ als „Bürde“, die er aus „Liebe zur Gerechtigkeit und Menschenfreundlichkeit“ auf sich nehme. Ähnlich äußerte sich Traber auch bei anderen Gelegenheiten. Anlässlich der Ernennung von Landgerichtspräsident Alexander von Normann in Hechingen Anfang Februar 1947 verabschiedete sich Traber als Geschäftsführer bei den Gerichtsbediensteten mit einem Rundschreiben, in dem er die Hoffnung aussprach, dass „wieder die in Gottes Geboten und im Naturrecht verankerten, aller menschlichen Klügelei und berechnenden Willkür entzogenen Rechtsnormen das unerschütterliche, granitene Fundament eines neuen, gesitteten Deutschland und einer neuen, sozial und international befriedeten Welt abgeben können“. Sein Ziel als Staatskommissar für die politische Säuberung sei, „dass niemand allein wegen seines politischen Bekenntnisses, seines Beitritts zu einer erlaubten politischen Partei und seine Betätigung in ihr – soweit diese Betätigung im Einzelfalle nicht gegen die guten Sitten oder materielles Strafrecht verstößt – zur Verantwortung gezogen und strafrechtlich oder politisch verfolgt werden darf“, schrieb Traber kurz vor Amtsantritt am 29.6.1947 Professor Dr. Carlo Schmid, dem Präsidenten des Staatssekretariats und Landesdirektor der Justiz. Er lehnte die Vermutung kollektiver Schuld ab, wollte das vielfach geforderte „Recht auf den politischen Irrtum“ aber nur nach Einzelfallprüfung zugestehen.
Die Einschätzung Trabers und der politischen Säuberung hat sich im Lauf der Jahre gewandelt. Im Nachruf des Staatsministeriums im Juni 1948 werden Traber „hoher Sinn für Gerechtigkeit, seine reiche juristische Begabung und Erfahrung, wie überhaupt seine ganze Persönlichkeit“ hervorgehoben, „die auf Versöhnlichkeit gestimmt war und in einer aufrichtigen christlichen Glaubensüberzeugung wurzelte“. Die Öffentlichkeit schloss sich an. Den „Idealisten des Rechts“ rühmten in den höchsten Tönen auch die Nachrufe im Schwäbischen Tagblatt, in der Schwarzwälder Post und der Schwäbischen Zeitung.
Heute wird das Wirken von Traber nüchtern gesehen. Hans Speidel hält Trabers Aufgabe für „überaus mühsam“ und „mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden“, Andreas Zekorn billigt Traber als Staatskommissar eine „wichtige Rolle bei den Verhandlungen mit den französischen Stellen wegen der Entnazifizierung und beim Aufbau des Säuberungsapparates“ zu. Abfälliger urteilt Klaus-Dietmar Henke. Er hält Traber „ständig präsenten Säuberungspathos“ in öffentlichen Erklärungen vor, obwohl „die Revision der bisherigen Entscheidungen durch das Staatskommissariat im Vordergrund gestanden“ habe. Seine Distanz zum Nationalsozialismus habe „in einer tiefen Religiosität“ gewurzelt, die Traber in Hechingen den Beinamen „Heiliger Antonius“ eingetragen habe.
Quellen: Hohenzollerische Heimatbücherei Ub 496: Sammelmappe Anton Traber; HStAS EA 1/150 Bü 52, Staatsministerium Personalakte: Traber, Anton; HStAS EA 4/150 Bü 1195, Justizministerium Personalakte: Traber, Anton; StAS Wü 13 T 2 Nr. 1269/065, Spruchkammer Hechingen, Entnazifizierungsakten: Traber, Anton.
Werke: Die Handhabung der politischen Säuberung, Schwäbisches Tagblatt Nr. 59/25.7.1947. – Probleme der Entnazifizierung, Schwäbisches Tagblatt Nr. 12/13.2.1948.

Literatur: Klaus-Dietmar Henke, Politische Säuberung unter französischer Besatzung, 1981, 156-192 passim; Hans Speidel, Der Landkreis Hechingen 1945 – 1955, in: Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte 21 (1985), 243-284, hier 267-269; Blau-weiß-rot: Leben unter der Trikolore, bearb. von Andreas Zekorn, 1999, 323 f.; Die Protokolle der Regierung von Württemberg- Hohenzollern, Bd. 1: Das Erste und Zweite Staatssekretariat Schmid 1945 – 1947, bearb. von Frank Raberg, 2004, 297.
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