Bender, Augusta 

Geburtsdatum/-ort: 20.03.1846;  Oberschefflenz
Sterbedatum/-ort: 16.09.1924;  Mosbach
Beruf/Funktion:
  • Dichterin
Kurzbiografie: Schulbildung: Volksschule, Privatunterricht
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: Unverheiratet
Eltern: Vater: Johann Jakob Bender, Landwirt
Mutter: Christine, geb. Spiegel (28.12.1807-6.12.1875)
Geschwister: 5
GND-ID: GND/116117966

Biografie: Ulrich Weber (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 1 (1982), 38-40

Bender, deren Beitrag zur heimatlichen Volkskunde ihre Gedichte und Erzählungen überdauert hat, war das sechste Kind mäßig begüterter Landleute. Sprachtalent und literarische Interessen taten sich schon früh bei ihr kund. Dennoch suchten die Eltern, die Tochter, nachdem sie aus der Dorfschule entlassen, im Hause zu halten, bis passende Verheiratung möglich würde. Bender aber wollte sich fortbilden und einen ihr entsprechenden Beruf ergreifen: für ein Mädchen, zumal aus bäuerlichen Verhältnissen, damals ein ungewöhnlicher Plan.
Mit siebzehn Jahren nahm sie Schauspielunterricht in Mannheim, mit achtzehn bereitete sie sich in Mosbach auf das Fachexamen in Telegraphie vor. Der Tag- und Nachtdienst im Karlsruher Depeschenbureau, in dem sie seit 1865 wirkte, sagte ihr wenig zu, die Bezüge erlaubten indes, Bücher (Schopenhauer, französische und englische Klassiker, Atlanten, Weltgeschichte) zu erwerben und weitere Studien als Voraussetzung für eine genehmere Tätigkeit ins Auge zu fassen. Von ihrem Bruder Adolf finanziell unterstützt, konnte Bender 1867/68 an einem Heidelberger Institut ihre Kenntnisse in Fremdsprachen und Geschichte vertiefen. Bereits im nächsten März bestand sie die Prüfung für das Lehramt an höheren Töchterschulen. Freilich hatten weibliche Bewerber vorerst so gut wie keine Aussicht auf Anstellung. Das Ringen um die gemäße Existenz ging weiter. Daß Bender dabei nie ans Ziel gelangt ist, lag wohl nicht allein an äußeren Umständen.
Ruhelosigkeit samt dem Unvermögen, haltbare Kontakte zu knüpfen und Liebe und Ehe in den Kreis ihrer Vorstellungen einzubeziehen, kennzeichnet Benders ferneren Weg. Von London, wo man der nicht hinreichend Empfohlenen in einem Internat nur Aufsichtsarbeiten zuwies, eilte sie enttäuscht hinweg (September 1868); und in Rom, wohin sie anschließend, ohne den neuen Eindrücken ganz gewachsen zu sein, über Paris, Nizza, Genua eine amerikanische Familie als deutschsprachige Gesellschafterin begleiten durfte, ließ sie sich vom Heimweh zu vorschneller Umkehr bewegen (April 1869). Versuche, danach in Heidelberg mit Stundengeben und Übersetzen das Leben zu fristen, schlugen fehl, 1870 auch – wie schon vier Jahre zuvor – die freiwillige Meldung zur Krankenpflege im Krieg. So erübrigte kaum etwas anderes, als in Karlsruhe sich wieder an den Morse-Apparat zu setzen. Bender hielt dort nur kurze Zeit den Anstrengungen stand. Sie erkrankte, nahm im Juli 1871 endgültig ihren Abschied und betrieb für den Herbst die Auswanderung nach den Vereinigten Staaten. Freunden wie der schwäbischen Jugendbuchautorin Ottilie Wildermuth (1817-77) und dem Leipziger Germanisten Rudolf Hildebrand (1824-94) räumte sie keinen Einfluß auf ihre Entscheidungen ein.
Zwischen 1871 und 1897 weilte Bender siebenmal in Amerika. Drüben hielt sie literarische Vorträge; lehrte Deutsch in Bürgerhäusern von New York und Philadelphia, auf einer Farm in New Hampshire und an einem College in Massachusetts; begegnete u. a. dem Faust-Übersetzer Bayard Taylor (1825-78), dem seinerzeit vielgelesenen Ludwig Büchner (1824-99; Verfasser von „Kraft und Stoff“), ferner dem badischen Revolutionär Friedrich Hecker (1811-81), dem sie 1916 ein Gedenkblatt widmete. Endgültig Fuß zu fassen vermochte sie weder in den USA noch in Deutschland, wohin es sie immer wieder zurückzog. Besonders empfindlich traf sie hier der Bankrott eines Ausländerpensionates, das sie 1881 in Heidelberg mit ihren Ersparnissen gegründet hatte.
Es verwundert, wie wenig die fortwährende Unrast sich auf den Umfang des literarischen Schaffens von Bender auswirken konnte. 1882 erschien ihre Briefnovelle „Deutsche Liebe in Amerika“, worin alles außer dem hoffnungsvollen Schluß eigenes Erleben widerspiegelt; „Mein Bruder. Ein Bild aus der Wirklichkeit“ (1884) beschwört den Schatten des frühverstorbenen Adolf Bender, mit dem die Autorin sich auch wahlverwandtschaftlich verbunden fühlte; in dem anspruchslosen Bändchen „Haideblumen“ (1887) vereinigen sich alte und neue Verse; der Roman „Die Reiterkäthe“ (1893) versetzt in das Frankenland des Dreißigjährigen Krieges. Keines von diesen Werken hatte nennenswerten Erfolg, vielleicht weil dem Streben nach ehrlicher Aussage eine ebenbürtige Beherrschung der künstlerischen Mittel nicht zur Seite stand.
Materiell ungesicherter denn je verließ Bender Amerika im Jahre 1897 für immer und siedelte nach Eberbach a. N. über. Trotz reger schriftstellerischer Aktivität besserte sich ihre Lage kaum. Unter den Publikationen jener Zeit ragt die Sammlung „Oberschefflenzer Volkslieder“ hervor, als Manuskript 1893 abgeschlossen, mit großherzoglicher Subvention 1902 in Karlsruhe gedruckt. Bender hat die vom Vergessen bedrohten Texte, 443 an der Zahl, gewissenhaft aufgezeichnet und erläutert. Die Melodien schrieb Josef Pommer, der Leiter des Deutschen Volksgesangvereins zu Wien, nach ihren Angaben nieder. Ergänzend kamen 1910 die „Kulturbilder aus einem badischen Bauerndorf“ hinzu, mit fünf Auflagen die verbreitetste ihrer Schriften, wenn auch von der zünftigen Wissenschaft nicht voll anerkannt. Was Bender nebenbei zu Zeit- und Frauenfragen (vor allem in „Der Türmer“ 1905-09) äußerte, ist ohne Echo geblieben. Ebenso wenig erfüllte sich ihre Erwartung, durch einen Tierschutzroman („Die Macht des Mitleids“, 1910) in der Art Bertha von Suttners programmatisch zu wirken. Die selbstbiographische Rückschau eröffnete sie, noch in Eberbach, mit der Jugendgeschichte einer Kleinbauerntochter „Der Kampf ums höhere Dasein“ (1908), und in Baden-Baden, wo sie im Lichtentaler Lehrerinnenheim eine Bleibe fürs Alter gefunden zu haben glaubte, brachte sie 1913/14 zwei Bände Erinnerungen heraus („Auf der Schattenseite des Lebens“). Sie berichten anschaulich von Kindheit und Jugend bis hin zu der ersten Überfahrt nach Amerika (Oktober 1871) und fassen das Spätere in einem Nachwort zusammen. Die besondere Sicht von Menschen und Dingen kann noch immer Teilnahme erwecken. Allerdings antwortet nirgendwo Humor auf die unvermeidliche Erfahrung des Gefälles zwischen Ideal und Wirklichkeit.
Im Gefolge der Inflation mußte Bender nochmals den Wohnsitz wechseln. Sie starb im Kreisaltersheim zu Mosbach. In ihrer Briefnovelle von 1882 heißt es: „Man zahlt überall mit Blut und Leben für etwas, das man nie erhalten hat – und das ist der tiefe, trostlose Schatten, der auf allen einsamen Existenzen liegt.“
Werke: Deutsche Liebe in Amerika, Novelle, in: Westermann's Monatshefte, 26. Jg. (1882), 178-191; Mein Bruder, Ein Bild aus der Wirklichkeit, Philadelphia 1884; Haideblumen, Alte und neue Lieder, New York 1887; Die Reiterkäthe, Roman, Stuttgart 1893; Die Hausfreundin, Eine Festgabe für die Frauenwelt, Bd. 1-3, Eberbach (Bd. 3: Bühl) 1900-02; Oberschefflenzer Volkslieder und volkstümliche Gesänge, Karlsruhe 1902; Der Kampf ums höhere Dasein, Jugendgeschichte einer Kleinbauerntochter, ebda 1907; Kulturbilder aus einem badischen Bauerndorfe (von 1650-1850), Frankfurt a. M., später Eberbach a. N. 1910 u. ö.; Die Macht des Mitleids, Ein Tierschutzroman, Jugenheim 1910; Auf der Schattenseite des Lebens, Jugendgeschichte einer Autodidaktin, Bd. 1 und 2, Baden-Baden 1913-1914; Eine Erinnerung an Friedrich Hecker, in: Die Pyramide, Sonntagsbeilage des Karlsruher Tagblatts, Jg. 1916, Nr. 37, 150 f. Augusta Benders literarischer Nachlaß, darunter mehrere unveröffentlichte Prosastücke in deutscher und englischer Sprache, wird in der Badischen Landesbibliothek unter der Signatur Hs. K 2068-2100 aufbewahrt.
Nachweis: Bildnachweise: In: Auf der Schattenseite des Lebens, Bd. 2, gegenüber der Titelseite und nach S. 224

Literatur: Emil Baader, in: Mein Heimatland, 11 (1934), 137-139; Wilhelm Engelbert Oeftering, in: Der Wartturm, 5 (1929), Nr. 2; Weiteres s. Lautenschlager-Schulz, Bd. 6, Nr. 32, 476.
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