Bernthsen, August Heinrich 

Geburtsdatum/-ort: 29.08.1855; Krefeld
Sterbedatum/-ort: 26.11.1931;  Heidelberg
Beruf/Funktion:
  • Chemiker
Kurzbiografie: 1863-1871 Besuch der Realschule I. Ordnung in Krefeld, Reife mit Prädikat „gut“
1871-1874 Studium an der Universität Bonn
1874-1875 Studium der Chemie an der Universität Heidelberg dann in Bonn; Beginn eigener Forschungen
1875-1878 Unterrichts-Assistent am chemischen Laboratorium der Universität Bonn
1876 17. Jun. Promotion summa cum laude zum Dr. phil.: „Über einige Derivate des Benzylcyanids, besonders die aus ihm entstehenden Amidine“
1878 5. Jun. Oberlehrerexamen an der Universität Bonn
1879 9. Jun. Habilitation an der Universität Heidelberg, Probevorlesung: „Über den Harnstoff und die Derivate desselben“
1883 22. Mai außerordentlicher Professor an der Universität Heidelberg
1883 29. Mai Erste Patentanmeldung über einen Farbstoff
1887 15. Nov. Leiter des Hauptlaboratoriums der BASF; Umzug nach Mannheim
1897 Vorstand der BASF-Patentabteilung
1905 1. Jul. Umzug nach Heidelberg
1906 Vorstandsmitglied der BASF
1914 Geheimer Hofrat
1919 1. Aug. ordentlicher Honorarprofessor der Universität Heidelberg
1925 Ende der Vorlesungen
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1884 (München) Maria Magdalena, geb. von Haubenschmied (1863-1927)
Eltern: Vater: Heinrich Friedrich (1821-1913), Bauunternehmer
Mutter: Maria Sibilla, geb. Potgieser (1825-1903)
Geschwister: Sophie (1857-1936)
Kinder: 3:
Elisabeth Wilhelma (1885-1902)
Heinrich Ferdinand August (1893-1902)
Walther Theodor Friedrich (1888-1919)
GND-ID: GND/116147849

Biografie: Alexander Kipnis (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 5 (2005), 15-16

Sorgfältig erzogen absolvierte Bernthsen mit 16 Jahren die Oberrealschule mit Prädikat „gut“. Schon damals zeigte der begabte und fleißige Junge eine besondere Neigung zu den Naturwissenschaften. Er ging nach Bonn, um Physik und Chemie zu studieren und hatte das Glück, sich bei solch hervorragenden Gelehrten wie R. Clausius und A. Kekulé entwickeln zu können. Besonders folgenreich war der Einfluss Kekulés, an den Bernthsen sich bis zu seinem Lebensende dankbar erinnerte. Während seiner Studienjahre begann Bernthsen seine Forschung über die Reduktion des Benzylcyanids, kam zu interessanten neuen Ergebnissen und wurde Kekulés Assistent, obwohl er noch nicht promoviert war. Kekulé übernahm die Verantwortung vor den Universitätskuratoren, dass sein Assistent das Doktorexamen bestehen werde. Unter Kekulé setzte Bernthsen seine Forschung fort und promovierte summa cum laude mit einer Kekulé gewidmeten Arbeit, die später als Ausgangspunkt für seine weiteren Forschungen diente. Bevor Bernthsen in die akademische Laufbahn eintreten durfte, verlangte ihm sein Vater das Oberlehrerexamen ab. Dieses zweite Diplom erleichterte ihm die Habilitation. Das Wichtigste war aber, dass seine damit verbundenen Philosophiestudien ihm das Verständnis für genaue Definitionen und korrekten Gedankenausdruck vermittelten, was ihm später zugute kam.
Als eine Möglichkeit sich eröffnete, organische Chemie in Heidelberg zu dozieren, habilitierte sich Bernthsen und richtete sein Privatlaboratorium in Heidelberg ein. Er bekam einen Zuschuss (1 000, später 1 800 Mark) von der badischen Regierung und finanzierte aus eigenen Mitteln einen Assistenten und einen Hilfsassistenten. Während acht Jahren war Bernthsens Labor der einzige Standort der organischen Chemie in Heidelberg. Unter diesen bescheidenen Umständen fertigte er seine bedeutendsten chemischen Arbeiten, klärte die Zusammensetzung des Natriumhydrosulfits und führte diese Substanz als Reduktionsmittel in die organische Chemie, aber auch in die volumetrische Analyse ein und untersuchte organische Stoffe, die von grundlegender Bedeutung für die damals junge Farbstoffchemie waren; so synthesierte er das Thiodiphenylamin, das die Muttersubstanz für die Vielzahl der Methylen-Blaufarbstoffe wurde. 1883 erhielt er vier Patente für seine Verfahren zur Darstellung schwefelhaltiger Farbstoffe und schlug seine Erfindungen der BASF vor. Die Patente wurden gekauft, und danach begann seine Zusammenarbeit mit der BASF, die dazu führte, dass Bernthsen 1887 die Leitung des BASF-Forschungslabors übernahm. Zuerst führte Bernthsen vorwiegend experimentelle Arbeiten über Farbstoffe durch; die Ergebnisse spiegelten sich in 16 weiteren Patenten und einigen Artikeln wider. Gleichzeitig oblag ihm die Aufgabe, die chemische Zusammensetzung der von der Konkurrenz eingeführten Produkte zu enträtseln, und hier half ihm sein ausgezeichnetes analytisches Denken. Dieses Talent Bernthsens zeigte sich besonders beim Patentieren eigener Erfindungen und bei Einsprüchen gegen fremde Patentanmeldungen. Bernthsen nahm auch an einigen internationalen Patentprozessen teil. 1898 wurde Bernthsen Leiter der Patentabteilung und musste sich mit den Patentenangelegenheiten der ganzen Firma beschäftigen, wobei neben dem Fachwissen seine Logik und seine vollständige Beherrschung des Englischen und Französischen ihn zum großen Experten werden ließ, der später bei der Erarbeitung des neuen Patentgesetzes mitwirkte. Eine Reihe geschickt geführter Patentprozesse, aber auch die Patentierung wichtiger Erfindungen – immer in heftigen Kämpfen mit damaligen Patentämtern – brachten für die BASF riesige Gewinne.
Nach dem I. Weltkrieg gab Bernthsen seine Tätigkeit bei der BASF auf und kehrte an die Universität Heidelberg zurück. Er las über chemische Technologie und bemühte sich, den Akademikern einen „Ingenieursblick“ beizubringen. Die erste Periode seiner Lehrtätigkeit wurde mit der Abfassung eines „Lehrbuches der organischen Chemie“ gekrönt, einer beispielhaft knappen Darstellung des Wesentlichen. Es erlebte 16 jeweils aktualisierte Auflagen und wurde in mehrere Sprachen übersetzt.
Beruflich erfolgreich und glücklich, war Bernthsens Familienleben durch den frühen Tod seiner Ehefrau – sie publizierte Romane und Erzählungen unter dem Pseudonym Max Grad – und aller Kinder überschattet. Seine letzten Jahre verlebte Bernthsen mit seiner einzigen Schwester und arbeitete bis kurz vor seinem Lebensende über die Geschichte der Chemie.
Quellen: UA Heidelberg H-IV-102/89, 8, PA 1362 u. PA 3285; UB Heidelberg Hs. 3833; StadtA Mannheim 12/1982, Nr. 22; UnternehmensA d. BASF W1, B; StadtA Heidelberg, Auskunft.
Werke: Ueber einige Derivate des Benzylcyanids, besonders die aus ihm entstehenden Amidine (Diss. phil. Bonn) 1878; Zur Kenntnis d. Amidine u. Thiamide einbasischer organischer Säuren (Habil. Heidelberg) 1878; Über das unterschwefligsaure (hydroschwefligsaure) Natron, Ann. Chem. Pharm. 208, 1878, 142-181 u. 211, 1880, 285-305; Die Acridine, ebd. 224, 1884, 1-56; Studien in d. Methylenblaugruppe, ebd. 230, 1885, 73-211 u. 251, 1889, 1-97; Kurzes Lehrbuch d. organ. Chemie, 11887, 161924; Heinrich Caro, Berr. d. Dt. Chem. Ges. 45, 1912, 1987-2042; Die Verfassung des Patentsamts nach dem neuen Patentgesetzentwurf, Dt. Wirtschafts-Zeitung vom 1. 2. 1914, Sp. 100-105; Über die Notwendigkeit des Studiums d. chem. Technologie an den Universitäten, Zs. f. angew. Chemie 37, 1924, 144-147; Fünfzig Jahre Tätigkeit in chem. Wissenschaft u. Industrie, 1925; Die Heidelberger chem. Laboratorien für den Universitätsunterricht in den letzten hundert Jahren, Zs. f. angew. Chemie 42, 1929, 382-384; Streiflichter aus Kekulés Bonner Zeit, ebd, 891 f.; August Kekulé, ebd. 43, 1930, 719-722.
Nachweis: Bildnachweise: Fotos im UA Heidelberg; Zs. f. angew. Chemie 38, Nr. 35, 1925 (vgl. Lit.).

Literatur: P. Julius, Zu A. Bernthsens 70. Geburtstag, Zs. f. angew. Chemie 38, 1925, 737-744; B. Lepsius, Adresse zu A. Bernthsens 70. Geburtstag, Berr. d. Dt. Chem. Ges. 58A, 1925, 42-44; K. Holdermann, A. Bernthsen zum Gedächtnis, Zs. f. angew. Chemie 45, 1932, 141-143; R. Spagl, NDB 2, 1955, 142 f.
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