Bertsch, Albert Julius 

Geburtsdatum/-ort: 01.03.1862;  Markgröningen
Sterbedatum/-ort: 23.05.1939;  Ludwigsburg
Beruf/Funktion:
  • Pfarrer und Schriftsteller
Kurzbiografie: 1870–1875 Lyzeum in Ludwigsburg
1875–1876 Pädagogium Esslingen zur Vorbereitung auf das Landexamen
1876–1881 Besuch der ev. Seminare Schöntal und Urach
1881–1885 Studium der ev. Theologie in Tübingen
1885 Erste theologische Dienstprüfung
1886–1889 Stellv. Pfarrverweser in Riedlingen/Donau
1888 Zweite theologische Dienstprüfung
1889–1894 Pfarrverweser (Vikar), dann definitiver Pfarrer in Buttenhausen
1894–1904 Pfarrer in Oppenweiler
1904–1925 Ev. Hausgeistlicher am Zuchthaus Ludwigsburg
1925 (vorzeitiger) Eintritt in den Ruhestand
1926–1931 Mitglied des Gemeinderats von Ludwigsburg
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Ehrungen und Auszeichnungen: Karl-Olga-Medaille in Silber (1911); Charlotten-Kreuz (1916); Preußisches Verdienst-Kreuz für Kriegshilfe (1918); Ritterkreuz 1. Kl. des Friedrichsordens
Verheiratet: 1889 Maria Emilie, geb. Marstaller (geboren 23.7.1869, gestorben 9.10.1922)
Eltern: Vater: Friedrich Bertsch (geboren 4.11.1825, gestorben 12.2.1881), (Gefängnis-)Pfarrer in Markgröningen und Ludwigsburg
Mutter: Bertha Gottliebin, geb. Wein (1829–1888)
Geschwister: 4: Friedrich (geboren 27.2.1859, gestorben 24.6.1904); Martin (geboren 11.11.1860, gestorben 27.6.1919); Otto (geboren/gestorben 1867); Paul (geboren 8.5.1867, gestorben 1.8.1874)
Kinder: 4:
Gertrud (geboren 8.1.1892, gestorben 24.4.1961);
Hildegard (geboren 13.7.1894, gestorben 22.4.1978);
Irene (geboren 5.9.1897, gestorben 2.9.1975);
Walter (geboren 4.1.1900, gestorben 5.1.1952)
GND-ID: GND/116150076

Biografie: Erich Viehöfer (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 3 (2017), 14-16

Das Leben und Wirken von Albert Bertsch war von Kindheit an geprägt durch die Verbindung von Seelsorge und Strafvollzug. Die Familie gehörte zu den für Württemberg typischen Pfarrerdynastien. Sein Vater, Friedrich Bertsch, war Seelsorger am Frauengefängnis Markgröningen, bevor er an die Männerstrafanstalt Ludwigsburg versetzt wurde, wo Albert mit seinen beiden älteren Brüdern aufwuchs. Dort entwickelte sich im täglichen Umgang sein Interesse an den Gefangenen und ihrer Subkultur. Wie schon seine Brüder sollte er Pfarrer werden; daher schickten ihn seine Eltern auf die vorbereitenden evangelisch-theologischen Seminare Schöntal und Urach. Ab 1881 studierte er an der Universität Tübingen im dortigen Stift. Drei Jahre amtierte er als Pfarrverweser oder Vikar in häufig wechselnden Orten, bevor er eine Stelle als definitiver Pfarrer in Buttenhausen auf der Schwäbischen Alb fand. Schon früh engagierte Bertsch sich in sozialen Fragen: In Oppenweiler, seiner nächsten Stelle, betreute er neben seinem Amt als Gemeindepfarrer mehrere Heil- und Pflegeanstalten der Inneren Mission, und fungierte als Aufsichtsratsvorsitzender des genossenschaftlichen „Darlehenskassenvereins Oppenweiler“. Ab 1904 übernahm Bertsch, wie schon sein Vater eine Generation früher, das Amt des evangelischen Anstaltsgeistlichen am Zuchthaus (ab 1923: „Landesstrafanstalt“) Ludwigsburg mit der Filialstrafanstalt Hohenasperg. Zu seinem Aufgabenbereich gehörten neben Gottesdiensten und Religionsunterricht auch Einzelbesuche in den Zellen. Nur noch einmal versuchte er auf eine andere Stelle zu wechseln, als er sich 1912 – vergeblich – als Garnisonpfarrer in Ludwigsburg bewarb. Bis zu seinem Amtsantritt im Zuchthaus hatte er in vierzig Lebensjahren nur ein selbständiges literarisches Erzeugnis hervorgebracht: Seine kleine Schrift „Wie wird man ein Glückskind? Ein Beitrag zur Sonntagsheiligung“, mit welcher er sich erfolgreich an einem Preisausschreiben beteiligt hatte, erreichte bis 1927 mehrere Auflagen. Als Anstaltsgeistlicher fand er nun mehr Zeit für eine rege Publikationstätigkeit. Theologie und Geschichte waren die beiden Schwerpunkte seiner Aufsätze und Bücher. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg begann Bertsch eine Reihe von Sammelbänden zu hohen kirchlichen Festen herauszugeben. Einen Schwerpunkt der nichttheologischen Veröffentlichungen bildete die Geschichte des Zucht- und Arbeitshauses Ludwigsburg im 18. Jahrhundert, speziell die Biographien von Bediensteten und Insassen jener Zeit. Diese Publikationen haben bis heute ihren Wert behalten, da sie auf Quellen basieren, die zum Teil verloren sind. Mit dem Ersten Weltkrieg brach seine schriftstellerische Produktion vorübergehend ab. In dieser Zeit betreute er Kriegsgefangene auf dem Hohenasperg, engagierte sich beim Roten Kreuz für Frontsoldaten, und erhielt dafür 1916 das Charlottenkreuz. Erst 1924 setzten die regelmäßigen Veröffentlichungen wieder ein; sie nahmen nach seiner vorzeitigen Pensionierung wegen eines Augenleidens weiter zu. Mit zahlreichen Vorträgen und Publikationen über den Strafvollzug wollte Bertsch nicht die Sensationsgier der Öffentlichkeit befriedigen, sondern nach dem Vorbild von Wichern „Teilnahme und Verständnis“ für die Gefangenen wecken. Seine Autobiographie blieb ein unveröffentlichtes Manuskript; stattdessen erschienen mehrere Bücher über seine Erfahrungen und Erlebnisse als Anstaltsseelsorger. Daneben gab er eine Reihe mit elf Bänden von Kasualreden (Predigten) heraus. Bis kurz vor seinen Tod war er schriftstellerisch tätig; 1938 kam sein grundlegendes „Wörterbuch der Kunden- und Gaunersprache“ heraus. Im Ruhestand betätigte sich Bertsch nicht nur als Schriftsteller, sondern auch als Kommunalpolitiker; von 1926 bis 1931 war er Mitglied des Ludwigsburger Gemeinderates für die Deutsche Volkspartei. Sein Verhältnis zum Nationalsozialismus blieb distanziert. Nach seinem Tod wurden seine theologischen und historischen Werke nicht wieder aufgelegt und sind bis heute nur noch antiquarisch erhältlich.
Quellen: Erinnerungen. Hs. Manuskript. 1937. Ergänzungen bis 1939 (in Privatbesitz); Personalakte im LKAS.
Werke: Wie wird man ein Glückskind? Ein Beitrag zur Sonntagsheiligung, 1898; Freude allem Volk. Ein Weihnachtsbuch, 1906; Er lebt! Eine Sammlung von Erzählungen, Gleichnissen, Sagen, Gebräuchen, Gedichten, Aussprüchen für die Osterzeit, 1907; Passionsbuch. Eine Sammlung von Erzählungen, Gleichnissen, Sagen, Gebräuchen, Gedichten, Aussprüchen, 1908; Weihnachtsführer durch die dramatische und musikalische Festspielliteratur, 1908; Alles neu. Ein Pfingstbuch, 1909; Israel Hartmann. Ein Schulmeisterleben aus dem 18. Jahrhundert, 1910; Neues und Altes zu den Epistelperikopen des 2. Württ. Jahrgangs, 1911; Ernstes und Heiteres aus dem schwäbischen Pfarrhaus, 1912; Worte am Grabe von Wilhelm Ungeheuer, geboren in Ludwigsburg den 27. August 1829, gestorben ebenda am 21. Dezember 1913, beerdigt am 23. Dezember 1913, 1914; Die Sprache der Tränen. Predigt über Apostelgeschichte 20, 17-38, 1919; Das ewige Licht. Ein neues Weihnachtsbuch, 1924; Das tat ich für dich! Predigten über die Episteln des 3. Württ. Jahrgangs von Advent bis Dreieinigkeitsfest; Aufwärts die Herzen. Betrachtungen über das Heilige Abendmahl, 1925; Zwanzig Jahre Zuchthaus. Erlebnisse und Gedanken, 1926; Freue dich in deiner Jugend. Predigten und Ansprachen bei Veranstaltungen ev. Jünglings- und Jungfrauenvereine, 1926; Durchs Gitterfenster. Helles und Dunkles aus dem Zuchthaus; Unser Asperg. Geschichtlicher und landschaftlicher Führer mit Plan, 1927; Auf Irrwegen. Bilder aus dem Zuchthaus; Alles zu Gottes Ehre! Weihereden, 1928; Heilige Nacht. Noch ein Weihnachtsbuch, 1929; Was tust du für mich? Predigten über die Episteln des 3. Württ. Jahrgangs aus der Trinitatiszeit, 1932; Wörterbuch der Kunden- und Gaunersprache, 1938.
Nachweis: Bildnachweise: Bildersammlung des Strafvollzugsmuseums Ludwigsburg.
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