Dove, Karl Wilhelm 

Geburtsdatum/-ort: 12.11.1863;  Tübingen
Sterbedatum/-ort: 30.07.1922; Jena
Beruf/Funktion:
  • (Kolonial-und Wirtschafts-)Geograph, Klimatologe, Schriftsteller
Kurzbiografie: Gymnasium in Göttingen
1883 Studienreise in die Donauländer, die europäische Türkei und das westliche Kleinasien
1883-1888 Studium der Geographie, Physik und Volkswirtschaft in Göttingen, Freiburg und Hamburg
1888 Jul. Promotion zum Dr. phil. in Göttingen
1890 Habilitation in Geographie und Klimatologie an der Universität Berlin
1890-1898 Privatdozent für Geographie (Kolonial- und Wirtschaftsgeographie) an der Universität Berlin
1892/94 Forschungsreise nach Südwestafrika, Kapkolonie, Natal, Ostafrika und Ägypten
1899-1907 außerordentlicher Prof. für Erdkunde in Jena
1907-1921 wissenschaftlich-literarische Tätigkeit
1914-1916 Honorarprof. an der Universität Freiburg i. Br. (Wirtschaftsgeographie, Medizinische Geographie)
1916-1922 letzte Lebensjahre in Berlin und Jena
1917 Forschungsaufenthalt in Hamburg (Weltwirtschaftsarchiv)
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1911 (Berlin) Frieda, geb. Giese
Eltern: Vater: Richard Wilhelm Dove (1833-1907), Prof. für Kirchenrecht
Mutter: Caroline, geb. Nobiling
Kinder: 1 Sohn
GND-ID: GND/116190957

Biografie: Karl Heinz Burmeister (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 1 (2006), 47-50

Im Kindesalter verließ Dove seine Geburtsstadt Tübingen, als sein Vater 1865 nach Kiel und 1868 nach Göttingen berufen wurde. Nicht nur die universitäre Umgebung bestimmte ihn frühzeitig für eine akademische Laufbahn; vielmehr war Dove Hochschullehrer in der dritten Generation: Sein Großvater Heinrich Wilhelm Dove (1803-1879), der das Dovesche Gesetz der Drehung des Windes formulierte und als Mitbegründer der Meteorologie gilt, war ebenso Hochschullehrer wie Doves Vater Richard Wilhelm Dove und sein Onkel Alfred Wilhelm Dove (1844-1916). So war auch Karl Dove die wissenschaftliche Laufbahn in die Wiege gelegt. Seine Studienzeit fällt in die Gründungszeit der deutschen Kolonien, ein Erlebnis, das Doves Lebensweg ebenso prägte wie das meteorologische Erbe seines Großvaters. Doves Studium an der Deutschen Seewarte in Hamburg offenbart dieses frühe Interesse an der Klimakunde. Noch als Student machte Dove in diesem Bereich seine ersten wissenschaftlichen Gehversuche, als er 1886 für die Meteorologische Zeitschrift einen Aufsatz über den Orkan vom 10. August 1886 bei Northeim und Catlenburg verfasste. Klimakunde und Afrika waren auch das Thema seiner von Hermann Wagner (1840-1926) betreuten Dissertation von 1888 über „Das Klima des außertropischen Süd-Afrika mit Berücksichtigung der geographischen und wirtschaftlichen Beziehungen nach klimatischen Provinzen dargestellt.“
Folgerichtig habilitierte sich Dove in Berlin, wo er 1890/98 als Privatdozent wirkte, in den Fächern Geographie und Klimatologie. Seine Habilitationsschrift „Kulturzonen von Nord-Abessinien“ von 1890 zeigt Dove als echten Geographen. Dove gab der Hoffnung Ausdruck, dass die Spannungen zwischen Abessinien und Italien bald in friedliche Beziehungen übergehen würden; das würde zu einem Kulturgewinn für die geographischen Wissenschaften führen. Im Vordergrund dieser Schrift stehen klimatische Fragen, Vegetation und Anbau. Am Rande erwähnt er das Auftreten entstellender Kröpfe im abessinischen Hochland, das auch für die europäischen Alpen seit Jahrhunderten beobachtet wurde. 1891 folgten die Studien über Ostafrika.
1892/94 führte Dove eine längere meteorologische und wirtschaftsgeographische Forschungsreise im Auftrag der Deutschen Kolonialgesellschaft nach Südwestafrika, Südafrika, Ostafrika und Ägypten. Dove bemühte sich hier um die Einrichtung von Wetterstationen. In zwei Werken „Beiträge zur Geographie von Südwest-Afrika“ (1894) und „Deutsch-Südwest-Afrika“ (1896) publizierte er die Ergebnisse seiner Reise.
1899 erhielt Dove einen Ruf als außerordentlicher Professor für Geographie an die Universität Jena, wo er neben der allgemeinen Geographie auch die Spezialfächer Kolonialgeographie und Klimatologie betreute. Dove nahm seine Publikationstätigkeit wieder auf mit einer „Wirtschaftlichen Landeskunde der deutschen Schutzgebiete“ (1902) und einer weiteren Monographie „Deutsch-Südwest-Afrika“ (1903). Es folgte die wirtschaftsgeographische Untersuchung „Die angelsächsischen Riesenreiche“: „Das britische Weltreich“ (1906) und „Die Vereinigten Staaten von Nordamerika“ (1907). 1907 legte Dove sein Amt in Jena nieder, weil die Fakultät sein Ansuchen um einen Urlaub zur Durchführung von wissenschaftlichen Arbeiten abgelehnt hatte.
In den folgenden Jahren steht eine rastlose Arbeit an verschiedenen Publikationen. Der Ausstieg aus der Lehre bedeutete jedoch einen schweren Einbruch für Doves Karriere. Er bewarb sich – offenbar ohne Erfolg – um eine Direktorenstelle am Ethnologischen Museum in Berlin.
Noch einmal nahm Dove aber seine Lehrtätigkeit als Geograph wieder auf. Die Universität Freiburg i. Br. ließ Dove als Honorarprofessor für Vorlesungen auf dem Gebiet der Geographie zu, wobei er speziell Vorlesungen über Wirtschaftsgeographie und Medizinische Geographie ankündigte. Dove übersiedelte auch zeitweise von Berlin nach Freiburg.
Dove setzte seine Publikationstätigkeit fort mit einer Gesamtschau über „Das überseeische Deutschland“, zusammen mit F. Hutter und H. Seidel (2. Auflage 1911), und mit den vier Bändchen der Sammlung Göschen „Die deutschen Kolonien“ (1909/13): I. Togo und Kamerun; II. Das Südseegebiet und Kiautschou; III. Ostafrika; IV. Südwestafrika. In einem Vortrag in Dresden behandelte er „Marokko und die wirtschaftspolitischen Beziehungen in Afrika zwischen Deutschland und Frankreich“ (1912).
Auf ein neues Gebiet begab sich Dove 1910 mit seiner „Deutschen Klimatik“ (zusammen mit F. Frankenhäuser). Mit seinem Sinn für praktische Fragen wollte Dove die Klimatologie auch für die Balneologie und Medizin nutzbar machen; zahlreiche weitere Arbeiten über die hygienische Meteorologie machten Dove zum Begründer der medizinischen Geographie.
Seine letzten Lebensjahre verbrachte Dove als Schwerkranker in Berlin und Jena. Dove war es nicht vergönnt, seine Laufbahn zur vollen Reife zu bringen. Sein Rücktritt in Jena hatte ihn aus der Bahn geworfen; und er fand wegen seiner Erkrankung nicht mehr die Kraft, seine Karriere mit einer ordentlichen Professur zu krönen, obwohl er seine rastlose Publikationstätigkeit bis zuletzt fortführte. Für die Weimarer Republik waren die Kolonien kein Thema mehr, seit Deutschland in Artikel 119 des Versailler Friedensvertrages auf seine überseeischen Besitzungen verzichtet hatte. Zwar setzten sich die Kolonialgesellschaften weiterhin für eine Rückkehr der Kolonien ein. Offiziell aber war ein Kolonialgeograph nicht mehr gefragt; das Bild des „überseeischen Deutschland“, wie es Dove geschildert hatte, gab es zudem nicht mehr; es hatte sich seit 1914/18 grundlegend geändert. Dove hatte auch nicht mehr die notwendigen Einblicke in diese ihm früher so vertrauten Gebiete.
Doves letzte Publikationen zeigen denn auch einen Wandel; an die Stelle der Kolonien treten jetzt Wirtschaftsgeographie und Medizinische Geographie; statt der Kolonien heißt das Thema jetzt Afrika oder Dove behandelt methodische Fragen: „Methodische Einführung in die Wirtschaftsgeographie“ (1914), „Wirtschaftsgeographie von Afrika“ (1917), „Die wirtschaftliche Lage Abessiniens“ (1917), „Abessiniens Bedeutung für Europa“ (1917), „Allgemeine Politische Geographie“ (1920), „Allgemeine Verkehrsgeographie“ (1921) oder „Allgemeine Wirtschaftsgeographie“ (1921). Dove, der sich politisch als Demokrat gab, zog sich von der Kolonialgeographie zurück. Der politische Umbruch hatte einen Großteil seines Werkes zur Makulatur gemacht. Damit wurde zugleich sein Lebenswerk insgesamt in Frage gestellt. Dove hatte schon vor dem Ersten Weltkrieg einen Platz in der internationalen Enzyklopädie gefunden, in Deutschland im Brockhaus 1898, 1930, im Meyer 1905, 1909, 1937, im Herder 1903, 1932, aber auch im Ausland, etwa in der „Enciclopedia Universal Ilustrada Europeo-Americana“ (Barcelona 1914) oder in der „Enciclopedia Italiana“ (Milano 1932), danach aber verschwindet sein Name aus den Enzyklopädien und damit aus dem Bewusstsein der Bildungsschichten. Darüber wurden sogar die bleibenden Verdienste Doves vergessen, die ihm wissenschaftsgeschichtlich als dem eigentlichen Begründer der medizinischen Geographie zukamen. Auch engagierte sich Dove sehr um die Verbreitung geographischer Kenntnisse in der Bevölkerung, sei es durch die Herausgabe der Hefte „Angewandte Geographie“ (Halle 1902ff.), sei es durch seine Erzählungen.
Die dichterische Ader verdankte Dove seinem Onkel Alfred Dove, 1870 unter Gustav Freytag Redakteur des „Grenzboten“, Verfasser des Romans „Caracosa“ über Kaiser Friedrich II. (1893). Karl Wilhelm Dove wurde vor allem durch Jugendschriften bekannt: „Vom Kap zum Nil“ (2. Auflage 1898), „Südwest-Afrika. Kriegs- und Friedensbilder aus der ersten deutschen Kolonie“ (2. Auflage 1896, 1903), „Die Kobra, Südafrikanische Erzählungen“ (1911), „Ein Abenteuer in den Herbergen Südafrikas und andere Erzählungen“ (1920). M. Geissler charakterisiert Dove als geschickten Erzähler ungewöhnlich spannender afrikanischer Abenteuer. Darüber hinaus verfasste Dove eine Komödie in fünf Aufzügen „Lucia d’Andrea“ (1900, 2. Auflage 1906) sowie Dichtungen „Aus zwei Weltteilen“ (1901).
Dove war Geograph und Klimatologe, die deutschen Kolonien und die Landes- und Klimakunde Afrikas standen im Mittelpunkt seines Interesses. G. von Zahn, später auch die Wissenschaftsgeschichte der DDR, haben in Dove vor allem den Kolonialgeographen und -politiker gesehen. Es trifft zu, dass die Kolonialgesellschaft Doves Aufstieg gefördert hat und er häufig als Redner für kolonialpolitische Anliegen aufgetreten ist, aber ein „Kolonialpolitiker“ war er wohl nicht. Dove war Wirtschaftsgeograph, zu dem er sich immer mehr vom Kolonialgeographen weg entwickelte. Als Forschungsreisender war Dove eher nur ein Epigone der großen Afrikaforscher Vogel, Barth, Rohlfs oder Nachtigal. Zuletzt suchte Dove auch neue Wege in der medizinischen Geographie zu gehen. Seinem dichterischen Werk kommt keine selbständige Bedeutung zu; es ergänzt lediglich sein auch sonst auf Popularisierung ausgerichtetes wissenschaftliches Werk, indem es die Jugend für die koloniale Idee zu begeistern suchte.
Quellen: UA Jena D, Nr. 2629; ebda., M, Nr. 623.
Werke: Der Orkan vom 10. August 1886 bei Northeim und Catlenburg, in: Meteorologische Zs. (1886); Das Klima des außertropischen Süd-Afrika mit Berücksichtigung der geographischen und wirtschaftlichen Beziehungen nach klimatischen Provinzen dargestellt, phil. Diss. Göttingen 1888; Kulturzonen von Nord-Abessinien, in: Petermanns Geographische Mitt., Ergänzungs-Heft 97 (1890); Studien über Ostafrika 1-3, (Sonderdruck aus „Ausland“), 1891; Beiträge zur Geographie von Südwest-Afrika, 1894; Deutsch-Südwest-Afrika. Ergebnisse einer wiss. Reise im südlichen Damaralande, in: Petermanns Geographische Mitt., Ergänzungs-Bd. 26, Nr. 120 (1896); Wirtschaftliche Landeskunde der deutschen Schutzgebiete. Neuer Wegweiser für die Schutzgebiete des deutschen Reichs in Afrika, Asien, der Südsee mit besonderer Rücksicht auf Lage, Landes- und Volkskunde (Hubertis moderne kaufmännische Bibliothek), 1902; Deutsch-Südwest-Afrika (Süsserotts Kolonialbibliothek, 5), 1903, 2. Aufl. 1913; Die angelsächsischen Riesenreiche. Eine wirtschaftsgeographische Untersuchung. I. Das britische Weltreich, 1906; II. Die Vereinigten Staaten von Nordamerika, 1907; Die deutschen Kolonien, 4 Bde (Sammlung Göschen 441, 520, 567, 637), 1909/13: I. Togo und Kamerun; II. Das Südseegebiet und Kiautschou; III. Ostafrika; IV. Südwestafrika, 1913; Deutsche Klimatik, Grundriß der Lehre von den Luftkuren Erholungsbedürftiger und Kranker für Ärzte, Geographen, Verwaltungen und Besucher von Kurorten unter bes. Berücksichtigung Deutschlands, zusammen mit F. Frankenhäuser, 1910; Das überseeische Deutschland, Deutsche Kolonien in Wort und Bild (zusammen mit F. Hutter und H. Seidel), 2. Aufl. 1911; Marokko und die wirtschaftspolitischen Beziehungen in Afrika zwischen Deutschland und Frankreich (Vorträge der Gehestiftung Bd. 4, H. 2), 1912; Medizinische Geographie, in: Mitt. der Geographischen Gesellschaft für Thüringen 31 (1913), 1-18; Methodische Einführung in die Wirtschaftsgeographie, 1914; Wirtschaftsgeographie von Afrika, 1917; Afrikanische Wirtschaftsstudien, 1917; Die wirtschaftliche Lage Abessiniens, in: Wirtschafts-Dienst 2 (1917), 376-378; Abessiniens Bedeutung für Europa, in: ebda. 431-433); Allgemeine Politische Geographie (Sammlung Göschen, 800), 1920; Allgemeine Verkehrsgeographie, 1921; Allgemeine Wirtschaftsgeographie, 1921.
Nachweis: Bildnachweise: Leipziger Illustrierte Zeitung 1922, Nr. 4081.

Literatur: J. G. Poggendorffs Biographisch-Literarisches Handwörterbuch zur Geschichte der exacten Wissenschaften 4/1, 1904, 346; 6/1, 1923, 597; H. A. L. Degener, Wer ist’s?, 1.-8. Ausg. 1905-1922; M. Geissler, Führer durch die deutsche Literatur des 20. Jhs., 1913; F. Brümmer, Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten, 6. Aufl. 1913, 2, 53 f.; Petermanns Geographische Mitt. (1915), 145; Kürschner, 1915, 332 f.; H. Schnee, Deutsches Kolonial-Lexikon, 1920; G. von Zahn, in: Petermanns Geographische Mitt. (1922), 157; Deutsche Biographische Jbb. 4, 1922, 353; W. R. Eckardt, in: Geographische Zs. 29 (1923), 81-84; Dreißig Jahre Hamburger Wissenschaft 1891-1921, Bd. 2, 1924, 451 ff.; J. Asen, Gesamtverzeichnis des Lehrkörpers der Univ. Berlin 1955, 26; O. Maull, in: NDB 4, 93; M. Steinmetz, Geschichte der Univ. Jena, 1962, 1, 483; 2, 586; Deutsches Literatur-Lexikon 3, 1971, 494; Dietmar Henze, Enzyklopädie der Entdecker und Erforscher der Erde, Bd. 2, Graz 1983, 91 f.; Paul Kainbacher, Die Erforschung Afrikas, Die Afrika-Literatur über Geographie und Reisen 1500-1945, 3. Aufl. 2002, 95 f.
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