Scholz, Marianne 

Geburtsdatum/-ort: 03.03.1858; Wittmund (Ostfriesland)
Sterbedatum/-ort: 03.07.1944; Theresienstadt
Beruf/Funktion:
  • Chorsängerin und Opfer der nationalsozialistischen Judenverfolgung
Kurzbiografie: 1874–1880 Gesangsstudium in Berlin
1905 Kgl. Württ. Hoftheater
1944 Deportation nach Theresienstadt
Weitere Angaben zur Person: Religion: isr.
Auszeichnungen: Auszeichnungen: Charlottenkreuz (1918)
Verheiratet: Paul Theodor Leberecht Scholz (1859–1924)
Eltern: Vater: Levy Simon Donner (geboren 1813), Landwirt und Metzgermeister
Mutter: Lina, geb. Blitz (geboren 1816)
Geschwister: 3: Simon (geboren 1852); Henriette (geboren 1853); Sophia (geboren 1856)
Kinder: Paula (geboren 1884)
GND-ID: GND/1162600373

Biografie: Sigrid Brüggemann (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 3 (2017), 203-205

Scholz wuchs als jüngste Tochter jüdischer Eltern in einfachen Verhältnissen auf. Da man jedoch ihre hohe musikalische Begabung erkannte, wurde ihr eine solide Gesangsausbildung, zunächst als Jugendliche an der Opernschule Berlin, später an einem Berliner Konservatorium ermöglicht. Ihre Heimatstadt Wittmund nahm regen Anteil an ihrem musikalischen Werdegang, und bereits 1875 gab sie dort anlässlich eines Ferienaufenthaltes bei ihren Eltern zwei Konzerte. Unter Mitwirkung der Kapelle der 2. Matrosen-Division aus Wilhelmshaven sang sie unter anderem Arien aus Lortzings „Freischütz“ und ein Potpourri aus dem „Troubadour“ von Verdi. Die Resonanz des Publikums war ausgesprochen positiv. Nach einem weiteren dortigen Konzert im Juli 1879 bescheinigte ihr die lokale Presse eine bedeutsame Weiterbildung ihrer „schönen, vollen und umfangreichen“ Stimme. Das Publikum quittierte ihre Darbietung mit rauschendem Beifall und man prognostizierte ihr eine große Karriere. Nach Beendigung ihres Studiums fand sie zunächst ein Engagement als Solistin am Stadttheater in Dortmund. Dort sang sie 1882 die Fiametta in der Operette „Boccaccio“ von Suppé. Die Kritik war angetan: „Wir erinnern uns nicht, Frl. Donner je besser singen gehört zu haben als gestern, wo eine natürliche Aufregung ihren Gesang mit einer wohltuenden Würze und Innigkeit bekleidet. Ihre Solopiercen [sic] und namentlich das Duett mit Boccaccio wird mit stürmischem und verdientem Beifall ausgezeichnet.“ Nach einem Schweizaufenthalt folgte 1888 ein Engagement an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf für den Opernchor. Mittlerweile mit dem aus Breslau stammenden Opernsouffleur Paul Scholz verheiratet, verpflichtete sie sich zusammen mit ihrem Mann 1903 am Königlich Württembergischen Hoftheater in Stuttgart, sie als 1. Altistin im Chor, er als Souffleur in Oper und Schauspiel. Da Frauen zu jener Zeit noch nicht voll geschäftsfähig waren, musste der Ehemann den Erstkontrakt „genehmigend“ mitunterzeichnen. Seit 1904 wohnte die Familie in Stuttgart-Feuerbach.
Scholz’ Repertoire war beachtlich und umfasste nahezu alle großen Opern. Neben ihrer Arbeit im Chor wirkte sie bei Gesangsabenden in verschiedenen Vereinen mit. Auftritte dieser Art bedeuteten ein willkommenes Zubrot. Gage und Spielgeld waren nicht allzu reichlich bemessen und zu Zeiten des Hoftheaters wurden nur die historischen Kostüme vom Theater zur Verfügung gestellt. Alle andere Bekleidung – auch wenn sie in einer Aufführung getragen wurde – musste von den Ensemblemitgliedern bezahlt werden; desgleichen Perücken, Schminke und andere Toilettenrequisiten. Der finanzielle Aufwand hierfür war nicht unerheblich, wie zahlreiche Beschwerden der Sänger und Sängerinnen darüber an die Intendanz belegen.
Einzelne Chormitwirkende wurden in Kritiken in der Regel nicht namentlich hervorgehoben, mehrfach aber wurden dem Opernchor als Ganzes herausragende Leistungen zugeschrieben. Anlässlich der Uraufführung von „Prinzessin Bramilla“ von Walter Braunfels im März 1909 schrieb die Württemberger Zeitung: „Wenn allen diesen Künstlern ein besonderes Lob gebührt, so verdienen es nicht weniger unser Chor und unsere Hofkapelle. Da der Chor lebhaft in die Handlung eingreift, wird von ihm nicht nur in musikalischer Hinsicht viel verlangt.“ Scholz konnte diesen Anforderungen offenbar vollauf genügen und ihr Vertrag wurde immer wieder verlängert. Im Februar 1918 überreichte ihr der damalige Generalintendant Gans Edler zu Putlitz das Charlottenkreuz. Das Kreuz, ein versilbertes Kleeblattkreuz, das im Medaillon die verschlungenen Initialen C W (Charlotte und Wilhelm) zeigt und an einem Band in den württembergischen Farben, gelb-schwarz, zu tragen war, wurde vom württembergischen König Wilhelm II. zwischen 1916 und 1918 für besondere Verdienste im Felde oder in der Heimat auf dem Gebiet der Kriegsfürsorge verliehen. Die Auszeichnung lässt darauf schließen, dass Scholz sich an Wohltätigkeitsveranstaltungen für Verwundete und Kriegsversehrte beteiligte.
Per Erlass des Ministeriums für Kirchen- und Schulwesen vom Mai 1922 wurde sie auf 1. August 1922 „in den bleibenden Ruhestand“ versetzt. Mit der Mitteilung sprach das Ministerium zugleich eine Anerkennung ihrer „langjährigen und treuen Dienste“, die sie dem Landestheater geleistet hatte, aus.
Unbeschwert konnte Scholz jedoch ihren verdienten Ruhestand nicht genießen. Schon 1924 starb ihr Mann überraschend an einer schweren Krankheit und 1933 errichteten die Nationalsozialisten ihr Terrorregime. Damit begann für sie als Jüdin eine Zeit der Ausgrenzung, der Entrechtung, die schließlich mit der Deportation in den Tod endete. Zunächst verblieb ihre Rente, trotz Aufhebung der 1932 staatlich verordneten Pensionskürzungen, auf dem vorigen niedrigen Niveau, so dass sie von ihrer Tochter unterstützt werden musste. Ihre Wohnung im Gewann Banzhalde musste sie aufgeben. Tochter und Schwiegersohn nahmen sie bei sich in der Tannenäckerstraße 33 auf und kümmerten sich liebevoll um sie, obwohl die Verwandtschaft des Schwiegersohnes den Kontakt zu diesem abbrach, weil er mit einer Jüdin zusammenwohnte. Nach Kriegsbeginn erhielt sie nur noch eine reduzierte Lebensmittelzuteilung. Vor einer Deportation schützte sie noch ihre Ehe mit ihrem nichtjüdischen Mann, auch wenn dieser schon verstorben war.
Der grenzenlose Verfolgungswillen des NS-Regimes bereitete jedoch auch diesem Schutz per Erlass ein Ende. Am 10. Januar 1944 wurde die 84jährige Scholz von der Gestapo im Haus ihrer Tochter abgeholt und in die Stuttgarter Gestapozentrale „Hotel Silber“ gebracht. Dort waren weitere jüdische Männer und Frauen aus sogenannten Mischehen versammelt, deren Ehe aufgrund von Scheidung oder Tod der Partnerinnen und Partner nicht mehr bestand. Ihnen wurde eröffnet, dass sie am folgenden Tag in das KZ Theresienstadt in der Nähe von Prag verbracht werden würden. Nach Aussagen ihrer Tochter war Scholz trotz ihres fortgeschrittenen Alters eine „außerordentlich rüstige“ Frau, und so hielt sie den unmenschlichen Lebensbedingungen dort fast fünf Monate lang stand. Eine Bekannte, die mit ihr verschleppt wurde, aber überlebte, erklärte nach Kriegsende, dass Scholz schließlich in ihrer Gegenwart an Hunger verstorben wäre. Scholz wurde auf den 3. Juli 1944 für tot erklärt.
Quellen: StAL E 18 VI Bü 880, E 18 VII Bü 360, EL 350 I Bü 5033. Anzeiger für Harlingerland von 23.10.1875, 29.7.1879, 14.2.1882.

Literatur: Ingrid Bauz/Sigrid Brüggemann/Roland Maier, „Sie brauchen nicht mehr zu kommen!“. Die Verdrängung der Künstlerinnen und Künstler jüdischen Glaubens und jüdischer Abstammung aus dem Stuttgarter Theater- und Musikleben durch die Nationalsozialisten, 2008, 57; Rainer Nägele (Hg.), Musik und Musiker am Stuttgarter Hoftheater (1750 – 1918), Quellen und Studien, 2000.
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