Rappenecker, Franz Xaver 

Geburtsdatum/-ort: 21.11.1894;  Freiburg im Breisgau
Sterbedatum/-ort: 23.03.1965;  Freiburg im Breisgau
Beruf/Funktion:
  • Sozialpolitiker
Kurzbiografie: bis 1913 Volksschule in Freiburg, dann Buchbinderlehre beim Herderverlag in Freiburg, Gesellenprüfung u. Mitgl. d. Christl. Gewerkschaften
1914–1918 Soldat im I. Weltkrieg
1918–1921 Personalreferent im Hauptversorgungsamt Karlsruhe, Personalratsvorsitzender
1919–1921 Mitgl. im Ortsausschuss Karlsruhe d. Zentrumspartei
1920 Externenabitur am Realgymnasium Freiburg
1921–1923 Tätigkeit im Versorgungsamt Freiburg
1923–1930 Geschäftsführer des Caritas-Verlages, heute: Lambertus-Verlag
1930–1933 Mitglied des Freiburger Kreisrats u Vorsitzender d. Zentrumsfraktion
1927 Dr. rer. pol. bei Walther Mahlberg, Univ. Freiburg: „Das Problem d. Fürsorge für Kriegsopfer“, dann bis 1933 Lehrauftrag am Institut für Caritaswissenschaft (Prof. Franz Keller)
1930–1946 Leiter d. Berufsschule bzw. des „Seminars für Wohlfahrtspfleger“ beim Dt. Caritasverband
1946–1951 Eintritt in die BCSV/CDU, Stiftungsrat d. weltl. Ortsstiftungen d. Stadt Freiburg, bis 1951 Ministerialrat u. stellvertr. Leiter im Bad. Ministerium für Arbeit, seit 1949 Vorsitzender des Freiburger Verkehrsvereins
1952 nach Überleitung ins Regierungspräsidium Südbaden Versetzung in den Wartestand
1953–1964 Vorsitzender des Diözesanvorstandes d. Vinzentius-Konferenz für die Erzdiözese Freiburg
1959 Ruhestand
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Auszeichnungen: Ehrungen: Ehrensenator d. Universität Freiburg im Br. (1955), Bundesverdienstkreuz 1. Kl. (1959).
Verheiratet: 1920 Elisabeth, geb. Zuschneid (1892–1972)
Eltern: Vater: Karl (1844–1916), Gipser
Mutter: Afra, geb. Künstle (1859–1953)
Geschwister: 5; August (geboren 1883), Karl (geboren 1886), Otto (1887–1887), Ludwig (geboren 1893), Johann (1899–1899) u. Maria (geboren 1901)
Kinder: 3;
Egon (1921–1980),
Gerhard (1923–1943),
Waltraud (geboren 1925)
GND-ID: GND/116335041

Biografie: Paul-Ludwig Weinacht (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 5 (2013), 301-302

Rappenecker stammt aus einer katholischen Arbeiterfamilie, die ein adeliges Wappen aus dem alemannischen Raum besitzt. Schon früh wandte er sich gewerkschaftlichen und politischen Aufgaben zu. Sie waren, auch wenn er „es mit den Frommen schlecht konnte“ (Rappenecker), sein von christlicher Soziallehre durchwirktes Lebensthema – von der beruflichen Tätigkeit in den städtischen Versorgungsämtern von Karlsruhe und Freiburg, im Deutschen Caritasverband, dem Arbeitsministerium des Landes (Süd)Baden, über sein Engagement in den Christlichen Gewerkschaften und als Kommunalpolitiker der Zentrumspartei, später als Sozialberater für die BCSV/CDU, bis hin zum kirchlichen Engagement, die 25 Jahre Vorsitz in der Vinzenz-Konferenz von St. Johann in Freiburg und mehr als 10 Jahre im Diözesanvorstand der Vinzenz-Konferenzen. Hinzu kamen Ehrenämter im Staat, als Landessozialrichter und in der Stadt Freiburg als Vorsitzender des Verkehrsvereins und im Stiftungsrat der Stadt.
In zwei badischen Versorgungsämtern übernahm der als Kriegsbeschädigter aus dem I. Weltkrieg Heimgekehrte Aufgaben der Kriegsopfer-Versorgung und bearbeitete das Thema später in einer volkswirtschaftlichen Dissertation. Im Deutschen Caritasverband beteiligte er sich seit 1927 an der Gründung und Entwicklung einer Berufsschule für Wohlfahrtspflege, ab 1930 „Seminar für Wohlfahrtspfleger“, die sich an Männer richtete und die bestehenden Sozialen Fachschulen für Frauen ergänzen sollte. Seine durch ein Volkswirtschaftsstudium und die Promotion erworbenen Kenntnisse in öffentlicher Verwaltung, Staats- und Verfassungslehre qualifizierten ihn für eine Lehrtätigkeit am universitären Institut für Caritaswissenschaft und an den Schulen des Caritasverbandes, die 1939 vom Badischen Kultusministerium durch Stellen für „Fürsorgeinspektoren“ unterstützt wurden. Die Zahl der Seminaristen blieb freilich regime- und kriegsbedingt gering. Der Präsident des Deutschen Caritasverbandes, Prälat Benedict Kreutz, bediente sich seit 1938 der Organisationskraft Rappeneckers, um die zu den staatlichen und Parteidienststellen im Gau Baden unvermeidlichen Beziehungen zu pflegen. Rappenecker wurde noch im selben Jahr „Vertrauensmann“ der Gestapo in Freiburg, als der er dank wohlwollender Kontaktpersonen manchen Schaden für die Caritas abwehren konnte. Bei der politisch bedingten Verfolgung von Gertrud Luckner geriet er in eine menschlich schwierige Situation, er „trug auf beiden Seiten Wasser“ (Luckner). Die von der Freiburger Staatsanwaltschaft 1947/1948 weithin aufgeklärten Vorgänge führten nicht zur Anklageerhebung. Rappenecker war von einer Reinigungskommission als „unbelastet“ eingestuft worden und bewarb sich – mit guten Urteilen von B. Kreutz ausgestattet – 1946 erfolgreich um die Stelle eines Ministerialrats der badischen Arbeitsverwaltung. In dieser Funktion vertrat Rappenecker das Land Baden in Kommissionen des Bundesrates in Bonn. Als Referent für die Vorbereitung eines Entwurfs für ein Badisches Betriebsrätegesetz und für ein überbetriebliches Fachkommissionsgesetz (1947/1948) legte Rappenecker – im Badischen Landtag mehrheitlich unterstützt – den Grund für eine weitgehende Mitbestimmung von Arbeitnehmern in Betrieb und Wirtschaft. Die von ihm formulierten Gesetze galten als mustergültig für die Sozialpolitik der Nachkriegszeit.
Auch am Aufbau einer Sozialverwaltung in Baden hat Rappenecker maßgebend mitgewirkt und Einfluss auf die Arbeiterbildung an Volkshochschulen genommen. Ein Angebot aus dem Stuttgarter Arbeitsministerium, das nach Auflösung des Landes Baden an ihn erging, lehnte er ab. Er zog einen durch Ehrenämter ausgefüllten fünfjährigen Wartestand in Freiburg einer Karriere außerhalb seiner Heimatstadt vor.
Im Rückblick auf sein Leben bezeichnete er das „Seminar“ beim Deutsche Caritasverband als sein „Lieblingswerk“. Im politischen Schrifttum gilt sein Wirken im Schlichtungswesen als seine große sozialpolitische Leistung: im Geiste des Subsidiaritätsprinzips hat Rappenecker zugunsten der Sozialpartner den Vorrang frei vereinbarter Schlichtung vor staatlicher Zwangsschlichtung gesichert.
Quellen: StA Freiburg, Bestand Staatsanwaltschaft Freiburg Zugg. 1982/74P. Nr. 5 Js 71/46; UA Freiburg B 29/1355, Promotionsakte D 29/35/725, Duplikat d. Promotionsurkunde B 1/173 u. 174, Ernennung zum Ehrensenator; A des Dt. Caritasverbandes, Freiburg, Personalakte 131, Rappenecker, Korrespondenz 141-M, Rappenecker -Reisen u. Rappenecker -Korrespondenz.
Werke: Das Problem d. Fürsorge für Kriegsopfer, Diss. rer. pol. Freiburg 1927, in: Beiträge zur sozialen Fürsorge H. 11, Kriegsopferfürsorge, 1928; Caritas u. Caritasorganisation, in: Academia Jg. 40, 192; Bad. Betriebsräterecht, [Stark erweitertes] Referat in Konstanz vom 18.6. 1949, 1949; Sechs Jahre bad. Sozialpolitik, hg. Bad. Min. d. Wirtschaft u. Arbeit, Abwicklungsstelle, 1952.
Nachweis: Bildnachweise: A des Dt. Caritasverbandes, Freiburg, u. StAF (vgl. Quellen).

Literatur: Hans Wollasch, Dem Andenken an Dr. Rappenecker, in: Dt. Caritasverband, Das Seminar, Pfingsten 1965, 3-10; Hans-Josef Wollasch, Beiträge zur Geschichte des Dt. Caritasverbandes in d. Zeit d. Weltkriege, 1978, 120-153; ders., „Betrifft: Nachrichtenzentrale des Erzbischofs Gröber in Freiburg.“ Die Ermittlungsakten d. Geh. Staatspolizei gegen Gertrud Luckner 1942–1944, 1999, 43f., 70f. u. 155f.; Rudolf Laufer, Industrie- u. Energiewirtschaft im Land Baden 1945–1952, 1979, 138; Paul Feuchte, Verfassungsgeschichte von B-W, 1983, bes. 86; Tobias Wöhrle, Leo Wohleb, eine polit. Biographie, 2008, 209-211.
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