Regener, Erich Rudolf Alexander 

Geburtsdatum/-ort: 12.11.1881; Schlesenau bei Bromberg, Posen (jetzt: Bydgoszcz, Polen)
Sterbedatum/-ort: 27.02.1955;  Stuttgart
Beruf/Funktion:
  • Physiker
Kurzbiografie: 1906 Ostern Abitur am humanist. Gymnasium Bromberg
1900 IV–1905 IV Studium d. Physik u. Chemie an d. Univ. Berlin
1905 VII 17 Promotion zum Dr. phil.: „Über die chemische Wirkung kurzwelliger Strahlung auf gasförmige Körper“; Diplom vom 12.8.1905
1905 X–1914 III Planmäß. Assistent des Physikal. Instituts d. Univ. Berlin
1909 V Habilitation für das Fach „Physik“: „Über die Zählung d. α-Teilchen durch die Szintillation u. über die Größe des elektrischen Elementarquantums“
1914 IV–1920 III o. Professor d. Physik u. Meteorologie an d. Landw. HS Berlin
1915 VIII–1917 IX Kriegsdienst als Feldröntgenmechaniker, EK II
1920 IV o. Professor u. Direktor des Physikal. Instituts d. TH Stuttgart
1937 X Entlassung aus dem Dienst; ab Jan. 1938 zwangspensioniert
1938 IV–1955 II Leiter d. Forschungsstelle für Physik d. Stratosphäre d. Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (ab 1948 Max-Planck-Gesellschaft) in Friedrichshafen
1944 IX Verlegung d. Forschungsstelle nach Weissenau bei Ravensburg
1946 XI wieder o. Professor u. Direktor des Physikal. Instituts d. TH Stuttgart
1948 II Gründung d. Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung d. Wissenschaften; Vizepräsident
1951 IX 30 Emeritierung
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Ehrungen: Mitglied d. Kaiserl. Dt. Akademie d. Naturforscher, Halle (1934); Korr. Mitglied d. Dt. Akademie d. Luftfahrtforschung (1942); Korr. Mitglied d. Heidelberger Akademie d. Wiss. (1950); Korr. Mitglied d. Bayer. Akademie d. Wiss. (1955)
Verheiratet: I. 1906 (Berlin-)Charlottenburg) Victoria, geb. Mintschin (1879–1949), Künstlerin;
II. 1949 (Stuttgart) Gertrud, geb. Heiter (1915–1983), Sekretärin
Eltern: Vater: Amandus Heinrich August (1853–1928), Königl. Landmesser
Mutter: Anna Florentine, geb. Urban (1859–1942)
Geschwister: Elfriede, verh. Brunn
Kinder: 2;
Erika Rosalia (1907–1996), verh. Rathgeber, Architektin,
Viktor Heinrich (1913–2006), Physikprofessor
GND-ID: GND/11639059X

Biografie: Alexander Kipnis (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 6 (2016), 395-401

Wahrscheinlich wegen des Berufs seines Vaters, eines Landmessers, besuchte der in einem Dorf unweit vom jetzt polnischen Bromberg geborene Regener Schulen in Bromberg, Marienburg, Stargard, dann wieder in Bromberg, wo er Ostern 1900 das Abitur bestand. Anschließend studierte er an der Universität Berlin. Von Anfang an war Physik sein Hauptfach.
Vom damaligen Direktor des Physikalischen Instituts, Emil Warburg (1846–1931), bekam Regener das Dissertationsthema über die Wirkung des ultravioletten Lichts auf Bildung und Zersetzung von Ozon, mit dem er bei Warburgs Nachfolger Paul Drude (1863–1906) promovierte. Sein eigentlicher Lehrer aber wurde Drudes Nachfolger Heinrich Rubens (1865–1922), ein außergewöhnlich geschickter Experimentator, der viele Präzisionsmessgeräte entwickelte, und durch seine Erforschung der infraroten Wellen Anerkennung fand. Von ihm übernahm Regener dessen Philosophie des physikalischen Experiments: „die unbedingte Zuverlässigkeit in betreff des angegebenen Resultats […]. Je inniger sich dabei das Vorstellungsvermögen in das zu bearbeitende Objekt eingefühlt hat, um so leichter wird sich die Anordnung der Dinge ergeben, die die beabsichtigte Wirkung hervorbringt“ (1922, 1022 u. 1023). Bei Rubens lernte Regener auch, physikalische Apparaturen für Präzisionsmessungen zu konstruieren, was bald erste Früchte trug: Regener benutzte den bekannten Szintillationseffekt für eine neue quantitative Methode: Gleichzeitig vermochte er die α-Teilchen eines radioaktiven Präparats zu zählen und die damit verbundene und durch sie übertragene elektrische Ladung zu messen. Regener konnte damit 1908 die erste direkte Messung der Größe der elementaren elektrischen Ladung (Elektron) verwirklichen, also ein Ergebnis von prinzipieller Bedeutung erzielen, das in die Geschichte der Naturwissenschaft eingegangen ist. Mit dieser Arbeit habilitierte sich Regener im Frühjahr 1909. Als Privatdozent las er über „Radioaktivität“, woraus schließlich die Themen „Praktische Übungen in radioaktiven Messungen“ und „Gasentladungen“ wurden. Im Dezember 1912 wurde Regener zum „Professor“ ernannt und zum Sommersemester 1914 auf den Lehrstuhl der Physik und Meteorologie an der Landwirtschaftlichen Hochschule Berlin berufen. Die Erforschung der freien Atmosphäre war nun eines seiner Themen, wobei er besonders die Konvektion in der Atmosphäre modellhaft zu visualisieren suchte.
Im August 1915 zum Militär einberufen war Regener dann als „Feldröntgenmechaniker“ eingesetzt. Er realisierte mehrere Verbesserungen der Apparaturen. Drei Artikel in der „Münchener medizinischen Wochenschrift“ zeigen, mit welcher Hingabe er sich dieser Tätigkeit widmete. Sein „Apparat zur stereoskopischen Röntgendurchleuchtung“ wurde patentiert, Regener ab September 1917 bis zum Kriegsende unter Fritz Haber nach Berlin ins Kaiser-Wilhelm-Institut für Physikalische Chemie und Elektrochemie als „Beamter im Hauptmannsrang“ zur „Kriegsverwendung“ (UA Stuttgart 57/177) abkommandiert. Dort entwickelte er einen Gasmaskenfilter und eine „Gasbüchse“ für feine Zerstäubung von Kampfstoffen. Beide kamen nicht mehr zum Einsatz. Dies war die erste Begegnung Regeners mit der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Der Kontakt riss auch nach dem Krieg nicht ab; 1938 wurde er deren Mitglied.
Ende 1918 kehrte Regener an seine Hochschule in Berlin zurück, erhielt aber 1919 bereits den Ruf auf den Physik-Lehrstuhl der TH Stuttgart. Dort begann seine fruchtbarste Periode als Lehrer und Forscher. Zunächst wirkte er erfolgreich als Organisator. Das vor zehn Jahren erbaute Physikalische Institut, „ein großer Zementblock, [der …] geräumig und ansehnlich“ (Ewald, UA Stuttgart, SN1/35, S. 1) war, hatte aber wesentliche Mängel: „Die Werkstatt war im Untergeschoss […]. Wenn irgendeine Drehbank angestellt wurde, so zitterte das ganze Institut und in keinem der Räume konnte man Beobachtungen […] machen“ (ebd.). Diesen Mangel durch Einzelantriebe zu ersetzen, war die erste Unternehmung Regeners. In den nächsten zwei Jahren ließ er einen Anbau errichten. Im Erdgeschoss wurde eine feinmechanische Werkstätte eingerichtet. Regener verstand es, die besten Mechaniker heranzuziehen (UA Stuttgart, SN 16/35). Im ersten Obergeschoss befanden sich die Bibliothek und Assistentenzimmer. Ganz oben lag die Dienstwohnung, so dass man abends hören konnte, wie die Regeners musizierten: Regener war ein guter Geigenspieler.
Gleichzeitig begann Regener, den Unterricht der Physik, die bisher nur Hilfsfach bei der Ausbildung der Ingenieure war, zu reformieren. Er verlangte einen ordentlichen Lehrstuhl für Theoretische Physik einzurichten, den Paul Peter Ewald ab 1921 innehatte. Auch das Lehrangebot veränderte er entscheidend, so dass Absolventen dieser in Theorie und Experiment eng verbundenen Ausbildung an der Technischen Hochschule mit physikalischen Arbeiten Diplom-Ingenieur werden und promovieren konnten. In einer Denkschrift von 1923 begründete Regener die Notwendigkeit dieser Reform und warb besonders bei der feinmechanischen Industrie, bei der Ausbildung von Physikern zu helfen: Praktikanten sollten für eine halbjährige Ausbildung aufgenommen und das Physikalische Institut „durch Hergabe von Material, Werkzeug, Instrumenten und Apparaten“ unterstützt werden. Auch später warb Regener durch zahlreiche Vorträge für die Unterstützung seiner Wissenschaft.
Regener entwarf einen viersemestrigen Physik-Kurs mit den traditionellen Schwerpunkten Mechanik, Wärme, Elektrizität und Elektrische Wellen einschließlich Optik. Seine Vorlesungen waren immer von einprägsamen Demonstrationen begleitet, und die Apparate dazu wurden in den Werkstätten des Instituts gebaut. Außerdem leitete Regener physikalische Praktika für Anfänger und Fortgeschrittene. Zusammen mit Ewald führte er auch ein Physikalisches Kolloquium. Während der 1920er-Jahre bis zu seiner Zwangspensionierung gingen 92 Diplom- und 21 Doktorarbeiten aus Regeners Institut hervor (UA Stuttgart, SN 16/32). Um 1924 war die Armut der Nachkriegszeit überwunden, der Aufbau und die Neueinrichtung des Instituts beendet. Das neue Unterrichtssystem begann zu greifen. Fortan war die Forschungsarbeit Schwerpunkt in Regeners Tätigkeit. Er wandte sich nun der Untersuchung der rätselhaften kosmischen Strahlung zu, die er „Ultrastrahlung“ nannte. Sie war 1912 entdeckt worden, seither aber vollständig ungeklärt. Um die Strahlen in ihre Bestandteile zu zerlegen, mussten sie nach dem Durchgang durch dicke absorbierende Schichten gemessen werden. Regener verwandte dazu das Wasser des Bodensees. In Friedrichshafen wurden dafür das Bodenseelaboratorium der TH eingerichtet und das Forschungsboot „Undula“ eingesetzt. Das kam dem Wesen Regeners entgegen, der eine ausgeprägte Neigung hatte, die freie Natur zu erforschen, „die Fähigkeit, den Kosmos in seine Beobachtungen einzubeziehen“ (U. Dehlinger, in: „Ansprachen, 1955, S. 42). Regener ließ eine automatisch arbeitende Ionisationskammer und andere selbstregistrierende Apparaturen stufenweise bis 235 m Tiefe in den Bodensee senken. Bald zeigten sich Strahlenanteile von bisher unbekannter Durchdringungsfähigkeit.
Umgekehrt musste die wenig durchdringende Komponente der Strahlung möglichst beim Eintritt in die Atmosphäre der Erde gemessen werden, also in großen Höhen. Mit ähnlichen, diesmal mit wenig Gewicht konstruierten Instrumenten, die Regener in den Korb eines Ballons montierte, konnten er und seine Mitarbeiter bis dahin erreichte Höhen weit übertreffen. 33 km wurden zum Weltrekord. Zur Sicherheit wurden jeweils zwei bis vier miteinander verbundene Ballons eingesetzt und im Rundfunk Standortmeldungen durchgegeben. Dies erleichterte die Verfolgung der Flugbahn und das Wiederfinden der wertvollen Ladung. Bei einem Ballonaufstieg vom März 1933 ergab sich das Zusammentreffen zwischen einer ungewöhnlich starken Ionisierung und einer Eruption auf der Sonnenoberfläche. So gelang der sensationelle Nachweis, dass die Sonne wie andere Sterne Quelle der kosmischen Strahlung ist. Ab 1936 wurde an einer weiteren Methode gearbeitet: die Beobachtung der Schwärzungsspuren auf photographischen Platten. Die Spezialplatten dafür waren Ergebnis der Zusammenarbeit mit dem Agfa-Werk der IG Farbenindustrie.
Die erfolgreiche Arbeit mit Ballonen gab für Regener, der ja gleichermaßen Professor der Physik und der Meteorologie war, Anlass zur Erforschung auch der hohen Atmosphäre. Besonders interessierte ihn das Verhalten des Ozons in der Atmosphäre, des Stoffes also, mit dem er sich schon als Doktorand beschäftigt hatte. Bereits 1929 trug Regener der Internationalen Ozon-Konferenz in Brüssel vor, dass nach schon existierenden Beobachtungen die Ozonbildung in der Atmosphäre wohl mit kosmischer Strahlung verbunden sei. Mit dem speziell konstruierten Quarzspektrographen – die ganze Apparatur wog nur 2,7 kg – konnten Regener und Mitarbeiter 1934 insgesamt 30 Spektren des Sonnenlichts bis zur Höhe von 31 km aufnehmen, woraus die vertikale Ozonverteilung in der Atmosphäre zum ersten Mal gemessen wurde. Diese Pionierleistung erlangte Weltgeltung. Weitere Messungen folgten. „Regener und seine Mitarbeiter schufen die Vorstufe der heutigen Ozonüberwachung“ (E. Schopper, 2004, S. 309)
Nach der NS-„Machtübernahme“ arbeitete Regener zunächst ungestört weiter, obwohl seine Frau Jüdin war. Zusammen mit seinem Sohn, der gleichzeitig sein Doktorand und Mitarbeiter war, durfte er noch im September 1936 an der wissenschaftlichen Konferenz über atmosphärisches Ozon in Oxford teilnehmen. Nachdem Regener im Herbst 1936 zusammen mit 74 anderen Physikern das bekannte „Heisenberg-Memorandum“ gegen die sogenannte „Deutsche Physik“ unterschrieben hatte, wollte die NS-Verwaltung den „jüdisch versippten“ Professor nicht länger dulden. Regener wurde zum Anfang des Wintersemesters 1937/38 entlassen und ab Januar 1938 zwangsweise pensioniert. Schon vor Regeners Entlassung hatte sein Sohn das Land verlassen; nach einiger Zeit in Italien übersiedelte er in die USA. Anfang 1939 emigrierten Regeners Tochter und ihr Mann, ehemals Schüler und Mitarbeiter Regeners, nach Australien. Der deutschnational gesinnte Regener wollte aber in Deutschland bleiben und seine Forschungen fortsetzen. Sein Bodenseelaboratorium samt Forschungsboot wurden ihm weggenommen, sogar ein Zugangsverbot verhängt. Daraufhin wagte es Regener, mit drei treuen Mitarbeitern Anfang 1938 ein privates Forschungslaboratorium in Friedrichshafen einzurichten. Dank seiner guten Beziehungen zu Berliner Wissenschaftlern und zur Verwaltung der Kaiser Wilhelm Gesellschaft, KWG, wurde sein Laboratorium im gleichen Jahr von dieser als „Forschungsstelle für Physik der Stratosphäre“ übernommen. Regener blieb der Leiter und wurde deren Mitglied.
Finanziert wurde Regener hauptsächlich vom Reichsluftfahrt-Ministerium. Er schuf Kontakte mit der Deutschen Akademie der Luftfahrtforschung und nahm vom Januar 1939 bis Oktober 1941 acht Mal als Gast an Tagungen der Arbeitsgruppe für Stratosphärenforschung teil. Im März 1942 wurde er korrespondierendes Mitglied der Akademie. Seine Forschungsrichtung wurde als kriegswichtig anerkannt und dies erlaubte ihm nicht nur einen bedeutenden Teil des Haushalts seiner Forschungsstelle auf Kosten des Ministeriums zu finanzieren, sondern auch seine Mitarbeiter als UK zu halten.
Im Frühjahr 1942 erschien Wernher von Braun (1912–1977), der Pionier der Raketentechnik, bei Regener. Er brauchte für seine Arbeit Kenntnisse über Eigenschaften der hohen Atmosphäre. Auch Regener selbst strebte seit 1938 in noch größere Höhen, als sie mit Ballonen erforscht werden konnten, und arbeitete an einer Presskanone. Diese sollte vom Ballon aus in 25 bis 30 km Höhe abgeschossen und mit Fallschirmen versehene Messinstrumente in Höhen von etwa 70 km befördern. Dazu wurden gerade Berechnungen und Laborexperimente durchgeführt. Regener verstand sofort, welche Möglichkeiten eine Rakete für seine Zwecke bot. Mit von Braun wurde Zusammenarbeit vereinbart. Im Juli 1942 kam Regener mit zwei Mitarbeitern in die Heeresanstalt Peenemünde, um die „Entwicklung einer Apparatur zur atmosphärischen Höhenvermessung für A 4“, wie die Großrakete V2 genannt wurde, zu besprechen (Paetzold, 1974, S. 167). Nach dem Auftrag des Heeres sollte Regener in seinem Institut die geeignete Nutzlast von bis zu 1000 kg Gesamtgewicht entwickeln und bauen. In dieser Besprechung erkannte man später die Geburtsstunde der extraterrestrischen Physik. Der Bau der „Regenertonne“, wie man diesen Komplex nannte, der ersten wissenschaftlichen Raketennutzlast in der Geschichte der Raumfahrt, dauerte bis Ende 1944. Noch im Dezember wurde sie nach Peenemünde gebracht. Der vorgesehene Start kam aber im nahen Zusammenbruch nicht mehr zustande. Wernher von Braun indes, der Regener auch 1943 zur weiteren Beratung aufgesucht hatte, erinnerte sich 1958 noch „begeistert“ (UA Stuttgart, SN 16, Nr. 34) an diese Zusammenarbeit, wie ein ehemaliger Schülers Regeners berichtet.
Daraus könnte der Eindruck entstehen, dass Regener so besessen war von seiner Forschung, dass er auch für den Krieg des NS-Regimes zu arbeiten bereit war. So aber nimmt sich die Sache nicht aus; denn Regener war „privat dem Terror des Regimes hautnah ausgesetzt“ (Freytag, 2007, S. 255). Schon bevor die Regeners Ende 1937 nach Friedrichshafen kamen, hatte sich die Stadt als „judenfrei“ erklärt. Regener musste drum enorme Aktivitäten entwickeln, um seine Frau zu retten, erklärte sie kurzerhand zur „Halbjüdin“. Schließlich fand er Unterstützung bei der Verwaltung der KWG. Die „provisorische Lösung“ hieß: Viktoria Regener darf vorläufig als „Mischling I. Grades“ bezeichnet werden, bis die endgültige Entscheidung nach Kriegsende getroffen wird. Dennoch musste sie den gelben Stern tragen und viele Schikanen erleiden. Kohlheim (2011, S. 27) vermutet, dass Regener seine Forschungen für die Wehrmacht bewusst einsetzte, um seiner Frau und auch sich selbst Verfolgungen zu ersparen. Wegen immer häufigerer Luftangriffe – Friedrichshafen war eines der Rüstungszentren Deutschlands – begann Regener seine Forschungsstelle ab Herbst 1943 nach Weissenau bei Ravensburg, etwa 20 km nordöstlich der ursprünglichen Basis zu verlegen. Im April verursachte ein Luftangriff ernste Schäden; Regeners Wohnung wurde zerstört, viel Wertvolles, darunter Briefe von Albert Einstein und Ernest Rutherford, gingen verloren. Im September 1944 zog er dann endgültig nach Weissenau. Diese Ereignisse hat Regener ausführlich im Brief an seine Kinder vom 14. Juni 1945 dargestellt (UA Stuttgart, SN 16, Nr. 44).
Dort erlebte er das Kriegsende. In Gesprächen mit der französischen Kommandantur sicherte er rasch den Fortbestand der Einrichtung. Schon im Juni 1945 wandte sich der neue Rektor d. TH Stuttgart an Regener und bot ihm die Wiedereinsetzung in sein Institut. Regener stimmte unter zwei Bedingungen zu: Fortsetzung seiner Arbeit in seiner Forschungsstelle in Weissenau und keinerlei Zusammenarbeit mit denen, die seine Entlassung verursacht hatten (UA Stuttgart 57/ 177).
Im Wintersemester 1945/46 wurde Regener zunächst kommissarisch, im April 1946 endgültig in Stuttgart wieder eingesetzt. Der Lehrbetrieb konnte im Februar 1946 aufgenommen werden. Regener arbeitete im wöchentlichen Wechsel in Stuttgart und Weissenau. Ab dem Wintersemester 1948/49 las er hauptsächlich, dann ausschließlich über „Physik der hohen Atmosphäre“; die allgemeinen Physikvorlesungen wurden jüngeren Kollegen überlassen.
Zur Wiederaufbauarbeit gehörte zunächst in der amerikanischen Zone mit Regener als Vorstand auch die Neugründung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. In den von ihm verfassten Satzungen wurde die Verpflichtung der Gesellschaft verankert, „das Gefühl der Mitverantwortlichkeit der in der Wissenschaft Tätigen an der Gestaltung des menschlichen Lebens wachzuhalten. [Die Gesellschaft] tritt dabei stets für die Freiheit, Wahrhaftigkeit und Würde der Wissenschaft ein.“ (1947, 169) Regener hatte auch eine Denkschrift vorbereitet über „Notwendigkeit der Förderung der physikalischen Wissenschaften“, die dann überall in der künftigen Bundesrepublik verbreitet wurde. Als Vizepräsident der Max-Planck-Gesellschaft, des Nachfolgers der KWG, scheute Regener keine Mühe, das Wiederaufleben der Naturwissenschaften in Deutschland zu befördern.
Nach grundlegenden Reparaturen begann Regener in Weissenau Vorbereitungen zu Forschungen der hohen Atmosphäre. Bis 1950 blieben alle Ballonaufstiege durch die Besatzungsmächte verboten. Danach folgten aber weitere Untersuchungen mit Mitarbeitern, insbesondere über Wolkenbildung. Dazu dienten noch vor dem Krieg begonnene Experimente über die Kondensation des Wasserdampfs bei tiefen Temperaturen. Eine Zusammenfassung dazu stellt die letzte Publikation Regeners dar, die ein Jahr nach Regeners Tod bei Rajewski/Schreiber erschien.
Regener arbeitete bis zum Lebensende: „wenn ich zu arbeiten aufhöre, dann würde ich nur einrosten und vertrotteln“, schrieb er seinen Kindern als Antwort auf deren Rat, sich Ruhe zu gönnen (UA Stuttgart, SN 16, Nr. 104, Brief vom 2.5.1949). Er starb während der Vorbereitungen des „Internationalen geophysischen Jahres“.
Das literarische Erbe Regeners zählt 80 Veröffentlichungen. Die bedeutendsten darunter fielen in seine Stuttgarter Zeit und sind hauptsächlich zwei Bereichen gewidmet, der Erforschung der kosmischen Strahlung und der hohen Atmosphäre. In beiden Bereichen konnte er als erster experimentelle Daten gewinnen, die an die Grenzen des damals technisch Möglichen stießen und deswegen bahnbrechend sind für spätere Entwicklungen auf diesem Gebiet. In die Geschichte der Naturwissenschaft ging Regener als Pionier zumal der extraterrestrischen Physik ein.
Quellen: UA Stuttgart 57/177, Personalakte Regener, 1945–1958, SN 16 Nachlass Regener, SN 1/35, Erinnerungen von P. P. Ewald, 1979, 1-2, 20-23; UA Heidelberg HAW 389, Regener Mitglied d. Heidelb. Akademie.
Werke: Über die chemische Wirkung kurzwelliger Strahlung auf gasförmige Körper, in: Annalen d. Physik 20, 1906, 1033-1046; (mit Edgar Meyer) Über Schwankungen d. radioaktiven Strahlung u. eine Methode zur Bestimmung des elektrischen Elementarquantums, in: Annalen d. Physik 25, 1908, 757-774; Über die Zählung d. α-Teilchen durch die Szintillation u. über die Größe des elektrischen Elementarquantums, in: Sitzungsberr. d. Königlich Preuß. Akad. d. Wiss. 28, 1909, 947-965; Über Ladungsbestimmungen an Nebelteilchen, Zur Frage nach d. Größe des elektrischen Elementarquantums, in: Physikalische Zs. 12, 1911, 135-141; Die neuen Versuche von C. T. R. Wilson zur Sichtbarmachung d. Bahnen d. radioaktiven Strahlen, in: Die Naturwissenschaften 1, 1913, 299-301; Über Kathoden-, Röntgen- u. Radiumstrahlen. Rede, 1915, auch in: Strahlentherapie 6, 1915, 1-15; Rauchversuche zur Veranschaulichung d. Wirkung d. Sonnenstrahlung auf die Atmosphäre, in: Arbeiten aus den Gebieten d. Physik, Mathematik, Chemie: FS Julius Elster u. Hans Geitel, 1915, 545-548; Seitliche Röntgenaufnahmen des Schulterblattes, in: Münchner med. Wochenschr. 64, 1917, 507f.; Ein einfacher Apparat zur stereoskopischen Röntgendurchleuchtung, ebd. 1181-1183; Über die Schärfe d. Röntgenbilder u. ihre Verbesserung, ebd. 1518-1520; Rubens u. die Experimentierkunst, in: Die Naturwissenschaften 10, 1922, 1021-1024; Ausbildung für Physik an d. TH Stuttgart, in: Das Industrieblatt 28, 1923, 109-110, Sonderdr. in: UA Stuttgart, SN 16, Nr. 39; Heinrich Rubens (1865–1922), in: Physik-Büchlein, Ein Jahrb. d. Physik 1, 1924, 7-9; Beitrag zur Aufklärung d. „Subelektronen“, in: Die Naturwissenschaften 14, 1926, 219. 223; Messungen d. Albedo an künstlichen Nebenschichten, in: Zs. für physikal. Chemie [Reihe] A, 139, 1928, 416-424; Ozon u. Leitfähigkeit d. Atmosphäre, in: Gerlands Beiträge zur Geophysik 24, H. 1, 1929, 70f.; Über die durchdringende Komponente d. Ultrastrahlung, festgestellt durch Absorptionsmessungen im Bodensee, in: Physikal. Zs. 31, 1930, 1018f.; Durchdringende Höhenstrahlung (Ultrastrahlung) u. kosmisches Geschehen, in: Elektrotechn. Zs. 52, 1931, 97-102; Über das Spektrum d. Ultrastrahlung, in: Zs. für Physik 74, 1932, 433-455; Messung d. Ultrastrahlung in d. Stratosphäre, in: Die Naturwissenschaften 20, 1932, 695-699; New Results in Cosmic Ray Measurements, in: Nature 132, 1933, 696-698; Der Energiestrom d. Ultrastrahlung, in: Zs. für Physik 80, 1933, 666-669; Die Absorptionskurve d. Ultrastrahlung u. ihre Deutung, in: Physikal. Zs. 34, 1933, 306-323; Weitere Messungen d. Ultrastrahlung in d. Stratosphäre, ebd. 820-823, 880; (mit G. Pfotzer) Intensity of the Cosmic Ultra-Radiation in the Stratosphere with the Tube-Counter, in: Nature 134, 1934, 325; (mit V. H. Regener) Ultra-Violet Solar Spectrum and Ozone in the Stratosphere, ebd., 380; Ultrastrahlung in ihrer Bedeutung für die Astronomie, in: Die Sterne 14, 1934, 1–7; (mit G. Pfotzer) Messungen d. Ultrastrahlung in d. oberen Atmosphäre mit dem Zählrohr, in: Physikal. Zs. 35, 1934, 779-784; (mit R. Auer) Weitere Messungen d. Ultrastrahlung in d. oberen Atmosphäre mit offenen Ionisationskammern, ebd., 784-788; (mit V. H. Regener) Aufnahmen des ultravioletten Sonnenspektrums in d. Stratosphäre u. vertikale Ozonverteilung, ebd., 788-793; (mit G. Pfotzer) Visual Intensity of Cosmic Rays by Threefold Coincidence in the Stratosphere, in: Nature 136, 1935, 718f.: Physikal. Messungen in d. Stratosphäre, in: Forschungen u. Fortschritte 11, 1935, 128-130; Oxygen Content of the Stratosphere, in: Nature 138, 1936, 544; Über Ultrastrahlungsmessungen in großen Wassertiefen u. über die Radioaktivitätvon Trockenbatterien, in: Zs. für Physik 100, 1936, 286-292; Die kosmische Ultrastrahlung, in: Die Naturwissenschaften 25, 1937, 1-11; (mit A. Ehmert) Über die Schauer d. kosmischen Ultrastrahlung in d. Stratosphäre, in: Zs. für Physik 111, 1938/39, 501-507; Aufbau u. Zusammensetzung d. Stratosphäre, in: Jb. d. Dt. Akad. d. Luftfahrtforschung 1939/1940, 262-268; Ballone mit großer Steiggeschwindigkeit u. Thermograph von geringer thermischer Trägheit, in: Schriften d. Dt. Akad. d Luftfahrtforschung 37, 1941, 3-14; Versuche über die Kondensation u. Sublimation des Wasserdampfes bei tiefen Temperaturen, ebd., 15-24 (Auszüge in: Jb. d. Dt. Akad. d Luftfahrtforschung 1940/1941, 352-358); Atmosphärische Turbulenz u. Ozonschicht, in: Jb. d. Dt. Akad. d. Luftfahrtforschung 1942/1944, 74-82; Ozonschicht u. atmosphärische Turbulenz, in: Meteorologische Zs. 60, 1943, 253-269; Über das „photochemische“ Klima d. Erde, in: Die Naturwissenschaften 33, 1946, 163-166; Mitverantwortlichkeit d. wissenschaftl. Tätigen, in: Physikal. Bll. 3, 1947, 169f.; Ozon in d. Erdatmosphäre, in: Euclides (Madrid) 11, 1951, 245-250, Sonderdr. in: UA Stuttgart, SN 16, Nr. 8; Die hohe Atmosphäre, in: Jb. d. Max-Planck-Ges. für 1952, 144-189; Robert Andrews Millikan †, in: Physikal. Bll. 10, 1954, 227-229; Deutsch-französische Zusammenarbeit bei d. Erforschung d. hohen Atmosphäre mit Hilfe von Raketen, in: Mitteilungen aus d. Max-Planck-Ges., 1954, H.3, 145-148; (mit R. Mühleisen) Über luftelektrische Messungen, insbes. bei d. Sonnenfinsternis am 30. Juni 1954, ebd., 1955, H. 1, 28-32; Optische Interferenzen an dünnen, bei -190 Grad Celdius kondensierten Eisschichten, in: B. Rajewsky u. G. Schreiber (Hgg.), Aus d. dt. Forschung d. letzten Dezennien, 1956, 502-507.
Nachweis: Bildnachweise: Foto (1929), in: Baden-Württembergische Biographien 6, S. 388, mit Genehmigung d. Univ. Stuttgart. – UA Stuttgart, SN 16, Nr. 11 u. 110-140; vgl. auch Literatur.

Literatur: Poggendorffs biogr.-literar. Handwörterb. V, 1926, 1031, VI, Teil 3, 1938, 2138f., VIIa, Teil 3, 1959, 696f.; F. Frauenberger, Regener, in: Dictionary of Scientific Biography 11, 1980, 347f.; Claus Priesner, Regener, in: NDB 21, 2003, 258-260; DBE 8, 2. Aufl. 2007, 240; Regener, in: Jb. d. Dt. Akademie d. Luftfahrtforschung 1941/42, 275f.; Anonym, Prof. Erich Regener zum 65. Geburtstag, in: Die Naturwissenschaften 33, 1946, 128; U. Dehlinger, Prof. Dr. Erich Regener. Der Erforscher d. Stratosphäre, in: Stuttg. Ztg. vom 6.11.1946, S. 2; Sch. [E. Schopper], Erich Regener 65 Jahre, in: Physikalische Bll. 2, 1946, 177; W. Petri, Erich Regener 70 Jahre, in: Sternenwelt 3, 1951, 232 (mit Bildnachweis); W. Bothe, Erich Regener 70 Jahre, in: Zs. für Naturforschung 6 a, 1951, 565-567 (mit Bildnachweis); O. Hahn, Erich Regener u. die Max-Planck-Gesellschaft, ebd., 568f.; W. Braunbeck, Erich Regener 70 Jahre, in: Physikalische Bll. 7, 1951, 516f.; P. M. S. Blackett, Erich Regener †, in: Nature 175, 1955, 1107f.; A. Ehmert, Erich Regener †, in: Physikalische Bll. 11, 1955, 174-176; S. Magun, Erich Regener gestorben, in: Naturwiss. Rundschau 8, 1955, 205f. (mit Bildnachweis); Ansprachen bei d. akademischen Trauerfeier für Prof. Dr. Erich Regener am 11. März 1955, in: TH Stuttgart, Reden u. Aufsätze 21, 1956, 17-48 (mit Bildnachweis); A. Ehmert, E. Schopper, In Memoriam Erich Regener, in: Die Naturwissenschaften 41, 1956, 69-71; W. Gerlach, Erich Regener 1881–1955, in: Jb. d. Bayer. Akad. d. Wiss. für 1956, 223-229;.H. K. Paetzold, G. Pfotzer, E. Schopper, Erich Regener als Wegbereiter d. extraterrestrischen Physik, in: H. Birett u.a. (Hgg.), Zur Geschichte d. Geophysik, FS 1974, 167-188; J. H. Voigt (Hg.), FS zum 150-jährigen Bestehen d. Univ. Stuttgart, 1979, 261-263; 50 Jahre Max-Planck-Gesellschaft, 1998, Teil 1, 17, 34, 49, 53, 56, 68, 476; E. Schopper, Zwiesprache mit d. Natur – Erich Regener, in: N. Becker (Hg.), Univ. Stuttgart nach 1945, 2004, 298-305 (mit Bildnachweis); C. Freytag, „Bürogenerale“ u. „Frontsoldaten“ d. Wissenschaft: Atmosphärenforschung in d. Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft während des Nationalsozialismus, in: Helmut Maier (Hg.): Gemeinschaftsforschung, Bevollmächtigte u. d. Wissenschaftler: Die Rolle d. Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im System kriegsrelevanter Forschung des Nationalsozialismus, 2007, 215-267; Hans Kohlheim, Erich Regener, Stuttgarter Physiker, die von ihm in Friedrichshafen gegr. Forschungsstelle u. seine Familie, Typoskript (unveröffentl.), 2011, in: UA Stuttgart, SN 16, Nr. 108.
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