Krauß, Rudolph Carl August 

Geburtsdatum/-ort: 14.03.1861;  Cannstatt
Sterbedatum/-ort: 24.09.1945;  Calw
Beruf/Funktion:
  • Archivar, Landeshistoriker, Literaturhistoriker, Schriftsteller
Kurzbiografie: 1884 Promotion zum Dr. phil. in Tübingen
1885 Präzeptoratsexamen
1886–1891 Vikar, Amtsverweser und Hilfslehrer an verschiedenen Gymnasien in Stuttgart, Ulm und Cannstatt
1889 Professoratsexamen
1891–1892 Professoratsverweser in Ulm und Stuttgart
März 1892 Expeditor beim Kgl. Geheimen Haus- und Staatsarchiv, Titel eines Archivsekretärs
1896 Archivassessor
1901 Kollegialassessor
1904 Archivrat
1911 Geheimer Archivrat
1.1.1920 Versetzung in den Ruhestand aus gesundheitlichen Gründen
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Ehrungen: Ritterkreuz 1. Klasse des Friedrichsordens (1906); (Preußischer) Roter Adler-Orden IV. Klasse (1908); Wilhelmskreuz (1916); Ritterkreuz des Ordens der württ. Krone (1917)
Verheiratet: 4.5.1895 Ottilie Schüle, Tochter des Fabrikanten Schüle aus Kirchheim unter Teck
Eltern: Vater: Paul Krauß (1818–1878), Fabrikant, Kommerzienrat
Mutter: Pauline, geb. Moser (1837–1894)
Geschwister: 5: Paul August Rudolph; Paul Rudolph Friedrich; Alexander Emil Heinrich; Amalia Henriette; Maria Clara
Kinder: 2: Hilde; Werner
GND-ID: GND/11640163X

Biografie: Bernhard Theil (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 2 (2011), 160-161

Krauß wuchs in einer großbürgerlichen Familie auf; sein Vater war Kaufmann, Kommerzienrat und einer der Gründer der „Steinbeisstiftung“, seine Mutter stammt aus der bekannten württembergischen Familie der Moser von Filseck. Da sein Vater früh verstarb, kümmerte sich sein Onkel mütterlicherseits, Rudolf Moser von Filseck, hoher Ministerialbeamter, von 1890 bis 1893 Gesandter Württembergs in Berlin, um ihn; er wurde für ihn eine wichtige Bezugsperson. Moser hatte ein juristisches Studium für ihn vorgesehen, er aber entschied sich für Geschichte und klassische Philologie, nachdem er zuvor kurzfristig Offizier werden wollte. Schon früh interessierte er sich aber auch für Literatur und das Theater. Er schrieb selbst Gedichte und eine Ergänzung des unvollendeten Dramas „Esther“ von Franz Grillparzer, der, selbst Archivar und Dichter, von Krauß zweifellos als geistesverwandt empfunden wurde. Krauß scheint jedoch bald erkannt zu haben, dass Publizistik und Essayistik, aber auch Wissenschaft ihm mehr lagen. So hat er einerseits viele Jahre Theaterkritiken geschrieben, andererseits aber immer wieder auch literaturwissenschaftliche und landesgeschichtliche Aufsätze veröffentlicht. Als Hauptwerke dürfen seine zweibändige „Geschichte der Schwäbischen Literatur“ und seine „Stuttgarter Hoftheater“ gelten, die in ihrer Materialfülle auch heute noch beeindrucken und unersetzt sind. Besonders wichtig war für ihn die Beschäftigung mit Eduard Mörike, über den er zahlreiche Aufsätze publizierte. Seine Liebe zum Theater hat aber nicht nur den Kritiker Krauß und sein „Stuttgarter Hoftheater“ beflügelt, sondern auch sein „Schauspielbuch“ hervorgebracht – eine Art Schauspielführer, das in mehreren Auflagen erschien und sich für ihn auch materiell außerordentlich lohnte.
Krauß wollte nach seinem Studium in Tübingen und Leipzig, das er mit einer Dissertation über ein Thema aus der römischen Geschichte abschloss, eigentlich Journalist und freier Schriftsteller werden, entschloss sich aber doch, wohl unter dem Einfluss seines Onkels und aus Rücksicht auf seine verwitwete Mutter zum Schuldienst, bewarb sich dann aber 1891 auf eine freie Expeditorstelle am königlichen Geheimen Haus- und Staatsarchiv. Die archivische Tätigkeit entsprach seinen Neigungen mehr als die Lehre, wohl auch im Hinblick auf seine nicht sehr stabile Gesundheit, die schon früh durch nervöse Störungen beeinträchtigt war. Dem damaligen nebenamtlichen Chef des Staatsarchivs, Graf Uxkull-Gyllenband, im Hauptamt Ministerialdirektor beim Außenministerium, schien er jedoch aufgrund seiner Vorbildung und auch im Hinblick auf die erfolgreiche Tätgkeit des wenige Jahre vorher eingestellten Theologen Schneider geeignet zu sein – mehr als Bewerber mit der bisher in Württemberg üblichen juristischen Ausbildung.
Krauß hat während seiner 28-jährigen Tätigkeit im Stuttgarter Staatsarchiv neben seinen zahlreichen wissenschaftlichen und publizistischen Arbeiten denn auch eine Fülle von Beständen durch heute noch gültige und brauchbare umfangreiche Findmittel erschlossen: – so etwa die Bestände des Hoftheaters, des Oberhofmarschallamts, der Universität Tübingen. Hervorzuheben sind ferner die Bestände der Reichsstädte Heilbronn, Reutlingen und Schwäbisch Gmünd und das Kaiserselekt, die er repertorisierte, und viele weitere Bestände wie etwa oberschwäbische Klosterarchive oder der umfangreiche Bestand der Grafschaft Helfenstein. Seine angegriffene Gesundheit führte schließlich aber dazu, dass er sich 1920, etwas vorzeitig, pensionieren ließ.
Krauß war durch seinen Vater und seinen Schwiegervater, in dessen „Mechanische Buntweberei Kirchheim unter Teck“ er 1899 in den Aufsichtsrat eintrat, im wohlhabenden Bürgertum verankert. Es war daher fast selbstverständlich, dass er 1911 eine entsprechende Villa in der vornehmen Stuttgarter Heidehofstraße bezog, die er allerdings schon 1919, wohl im Zusammenhang mit seiner Pensionierung, bedingt auch durch gesundheitliche und wirtschaftliche Schwierigkeiten verkaufte. Er zog, auch der besseren Luft wegen, in das damals noch selbständige Rohr, den heutigen Stadtteil von Stuttgart. Aus dem Zeitraum von 1911 bis 1935 ist ein Gästebuch erhalten, aus dem deutlich wird, dass die Familie Krauß eine Art Salon führte, in dem bekannte Stuttgarter Persönlichkeiten aus Kultur und Kunst; aber auch Wissenschaft und Politik – etwa Wilhelm Blos – verkehrten. Krauß selbst war viele Jahre Vorsitzender des „Schwäbischen Schillervereins“ und seit 1900 Mitglied im Aufsichtsrat der Wilhelmatheatergesellschaft.
Politisch tendierte er wie sein älterer Kollege Schneider zur Deutschen Demokratischen Partei; dem aufkommenden Nationalsozialismus stand er von Anfang an ablehnend gegenüber, von der NSDAP wurde sein „Schauspielbuch“ wegen der Aufnahme jüdischer Autoren bekämpft, aber wohl nicht besonders ernst genommen. Er selbst hat sich in den Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft nicht mehr geäußert. 1939 erlitt er durch einen Gehirnschlag eine Sprachlähmung und war damit in seinen Aktivitäten ohnehin eingeschränkt. Im Herbst 1945 ist er eher unbeachtet in seinem Haus in Rohr verstorben.
So ist Krauß für die damalige Zeit eher eine Ausnahmeerscheinung. Aus großbürgerlichem Milieu stammend, gesellschaftlich gewandt, hochgebildet, hat er wie kein Archivar vor ihm – vielleicht Eugen Schneider ausgenommen und – so kann man von heute her sagen – vielleicht auch keiner nach ihm es verstanden, den Archivarsberuf mit literarischen und künstlerischen Aktivitäten zu verbinden und so die Lösung des Berufs vom Verwaltungsjuristen weiter voranzutreiben.
Quellen: HStAS PA in: E 40/36, Nr. 1129, E 61, Bü 429; Wiss. NL: J 2. Nr. 411; WLB: NL (Cod. hist. 4o 512, 591, 600, 624; Cod. hist. 8o 156, 227); LKS: Stuttgarter Familienregister.
Werke: Bibliographie in Schwäbische Lebensbilder 17 (1991); 228–230; Auswahl: Geschichte des Dominikanerinnenklosters Kirchberg bei Sulz, in: WVjhLG NF 3 (1894), 291–332; Mörike als Gelegenheitsdichter. 1895; Die Horber Frauenklöster, in: WVjhLG 4 (1895), 89–100; Studien zu Mörikes Gedichten, in: Euphorion 2 (1895), 99–121; Die Geschichte der schwäbischen Literatur. 2 Bde., 1897–1899; Die englischen Komödianten im heutigen Württemberg, in: WVjhLG 7 (1898), 89–100; Der Schwäbische Schillerverein, in: Literarisches Echo 3 (1900–1901), Sp. 237–299; Schubart als Theaterdirektor, in: WVjhLG 10 (1901), 252–279; Übersicht über Uhlands Briefwechsel, in: WVjhLG 11 (1902), 79–125; Marianne Pirker, Ein Künstlerleben aus der Zeit des Herzogs Karl Eugen, in: WVjhLG 12 (1903), 257–283; Das Tübinger Stift und die württ. Kultur, in: Süddeutsche Monatshefte 1 (1904), 413–429: Die Erstaufführung von Schillers Dramen auf dem Stuttgarter Hoftheater, in: Euphorion 12 (1905), 599–622; Das Schauspielbuch, 1. Aufl. 1906; 9. Aufl. 1934; Zur Geschichte des Schauspiels am Württ. Hof bis zum Tode Karl Alexanders, in: WVjhLG NF 16 (1907), 375–411; Das Stuttgarter Hoftheater,1908; Die Buch- und Notendruckerei der Hohen Karlsschule, in: WVjhLG 20 (1911), 209–239.
Nachweis: Bildnachweise: Lebensbilder aus Schwaben und Franken XVII nach 226 (Vorlage: Privatbesitz).

Literatur: Alfred Auerbach, Rudolph Krauß zum 70. Geb., in: Lit. Beilage des Karlsruher Tagblatts vom 12.3.1931; Robert Uhland, Rudolph Krauß zum 100. Geburtstag, in: Schwäbische Heimat 12 (1961), 71–72; Günter von Alberti, Rudolph Krauß. Schriftsteller und Archivar, in: Lebensbilder aus Schwaben und Franken XVII, 1991, 209–230.
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