Eichrodt, Hellmut Wilhelm Anton 

Andere Namensformen:
  • (auch: Helmut oder Helmuth Eichrodt)
Geburtsdatum/-ort: 27.02.1872;  Bruchsal
Sterbedatum/-ort: 31.07.1943;  Karlsruhe
Beruf/Funktion:
  • Graphiker und Maler
Kurzbiografie: Gymnasium Bruchsal
1890–1903 Kunstakademie Karlsruhe bei Leopold von Kalckreuth (1855–1928) und Hans Thoma (➝ II 278)
seit 1903 freischaffender Künstler in Karlsruhe
1912–1914 Leiter d. Lithographiewerkstatt d. Kunstakademie Karlsruhe
1914 III. 3 Vertretungsprofessur für Walter Conz (1872–1947)
1914 XII.1–1918 X. Kriegsdienst; zunächst mobile Truppe in Mülhausen im Elsass, später II. Landsturm-Inf.-Bataillon in Offenburg
1918–1920 Wiederaufnahme d. Lehrtätigkeit an d. Kunstakademie Karlsruhe
seit 1920 freischaffend tätig
1923 Schlaganfall
seit 1934 arbeitsunfähig
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev., später konfessionslos
Verheiratet: 1900 (Karlsruhe) Anna, geb. Bender (1875–1967), Wachsmodelliererin
Eltern: Vater: Julius (1826–1894), Direktor des Neuen Männerzuchthauses Bruchsal
Mutter: Julie, geb. von Sallwürk (1838–1918)
Geschwister: 3; Luise (1857–1894), Sängerin, Emma, verh. Blume (* 1859), u. Otto (1867–1944), Maler, Werbegraphiker, Schriftsteller u. Musiker
Kinder: 2; Hans (1901–1957), Ingenieur, u. Margareta (Gretel) Anna Julia (1903–1995), Buchbinderin u. Kunsthandwerkerin
GND-ID: GND/11641801X

Biografie: Clemens Ottnad (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 6 (2011), S. 84-86

Wie sein fünf Jahre älterer Bruder Otto (vgl. S. 86) galt Eichrodt als künstlerische Mehrfachbegabung. In seinen frühen Arbeiten während und unmittelbar nach dem Studium bei den Akademielehrern Leopold von Kalckreuth und Hans Thoma nutzte er variantenreich nicht nur verschiedenste bildnerische Ausdrucksmedien, sondern bediente ebenso alle gängigen Darstellungsgenren, Epochenstile und Auftraggeberwünsche und sicherte sich damit frühzeitige Anerkennung. In einem fast spielerisch ironischen Umgang mit den historisierenden Tendenzen seiner Zeit entwickelte er gleichermaßen pseudogotische mythologische Szenen oder altdeutsche Landschaften, wie er leichthändig Auftragskopien nach Meisterwerken von Malern des Barock über das Biedermeier bis zum Impressionismus fertigte. Dabei fand besonders das zeichnerische Talent Eichrodts in der Zeit nach 1900 Eingang in auflagenstarke deutsche Kulturzeitschriften wie „Die Gartenlaube“ (1853-1944), „Jugend – Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben“ (1896–1940) oder „Die Kunst – Monatshefte für freie und angewandte Kunst“ (1900–1984). Darin wurden Eichrodts Illustrationen neben denen prominenter Zeitgenossen wie von Fidus (eigentl. Hugo Reinhold Karl Johann Höppener, 1868– 1948), Max Klinger (1957–1920), Max Liebermann (1847–1935), Alphonse Mucha (1860–1939) oder Heinrich Vogeler (1872–1942) abgedruckt.
Wie zahlreiche andere zeitgenössische Vertreter des Jugendstils verfocht Eichrodt dabei den Grundgedanken, die Gestaltung aller menschlichen Lebenssphären als Gesamtkunstwerk umzusetzen. Neben Architektur, Möbeldesign und alltäglichen Gebrauchsgegenständen betraf dieses Bestreben insbesondere die Ausstattung literarischer Werke, von Kinder- und Jugendbüchern. Zu diesen lieferte Eichrodt nicht nur illustrierende Abbildungen, sondern steuerte auch den Buchschmuck in Form von Zierornament, Vignetten und die Einbandgestaltung bei. Auf Entwürfe Eichrodts gehen etliche Buchdeckelgestaltungen zurück, die weite Verbreitung in der Bevölkerung fanden, etwa für Karl-May-Ausgaben wie „Die Sklavenkarawane“, 1905. Für die von Karl Schmidt-Hellerau (1873–1948) 1898 gegründeten „Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst“ entwarf Eichrodt Spielzeug und Kindermöbel, die wie der Spielzeugschrank „Der Gute Onkel“ (1907) zu begehrten Sammlerstücken avancierten. In erster Linie handelte es sich aber um Tierfiguren, Hampelmänner und Puppen, für die er gemeinsam mit seinem Bruder Otto und Georg Deiniger (1882–1946) Stücke inszenierte, die auf diversen Marionettentheaterbühnen in Karlsruhe aufgeführt wurden.
Auch im Bereich von Wand- und Deckengestaltungen im öffentlichen Raum führte Eichrodt zahlreiche Aufträge aus. So stattete er etwa die Karlsruher Christuskirche mit einer Darstellung „Lasset die Kindlein zu mir kommen“ (1900) aus, die Fassade des Bezirksamtturms in Pforzheim (nach 1903) oder die Kläranlage Frankfurt am Main mit dem Wandgemälde „Der Jungbrunnen“ (1908). Für die Karlsruher Majolika-Manufaktur fertigte er zwischen 1906 und 1908 zahlreiche Entwürfe. Außerdem besorgte er den Raumschmuck für etliche gastronomische Betriebe, so die noch erhaltenen Wandmalereien im „Mälzerstüble“ des „Hoepfer Burghofes“ in Karlsruhe, die er gemeinsam mit Franz Hein (1863–1927) im Jahr 1900 ausführte – Arbeiten, die mitunter das Ergebnis eines Naturalientausches darstellen.
Nachdem Eichrodt über viele Jahre hinweg seine Vielseitigkeit gerade auf zeichnerischem Gebiet, in der Gebrauchsgraphik und in der angewandten Kunst bewiesen hatte, wurde er 1912 mit der Leitung der Lithographiewerkstatt der Karlsruher Akademie betraut. Ab Anfang März 1914 vertrat er dort bereits sogar die Stelle von Walter Conz (1872– 1947), der seit 1902 als Professor die Radierklasse leitete. Den bemerkenswerten künstlerischen wie beruflichen Erfolg machte jedoch der vierjährige Kriegsdienst und die daran anschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen schnell zunichte. Im Oktober 1918 konnte Eichrodt danach zwar noch für kurze Zeit den Unterricht an der Akademie wieder aufnehmen; doch als diese im Jahr 1920 mit der Kunstgewerbeschule fusionierte, wurde seine Stelle kurzerhand eingespart. Nach der Kündigung erhielt er noch bis 1923 eine Art Übergangsgeld der Akademie. In dieser Zeit lebte er zeitweise bei dem mit ihm befreundeten Bildhauer Karl Kraus (1889–1952) im oberbayrischen Farchant, wo er sich mit kleineren Gefälligkeitsarbeiten durchschlug.
Ein letzter größerer Auftrag, der ihm von einem Künstlerkollegen vermittelt wurde, betraf die malerische Ausstattung eines Mausoleums des Königs Menelik II. von Äthiopien (1844 –1913). Dieses wurde 1927 eingeweiht und stand symbolisch für die von dem afrikanischen Herrscher gepflegten guten Beziehungen zum Deutschen Reich, die durch entsprechende Freundschafts- und Handelsverträge nach der Jahrhundertwende festgeschrieben wurden.
Die Beendigung der finanziellen amtlichen Unterstützung Eichrodts, das Ausbleiben weiterer Aufträge sowie ein erster von mehreren Schlaganfällen stürzten den Künstler in eine existenzielle Notlage. Bittgesuche an staatliche Stellen und Berufsverbände in den 1930er Jahren blieben erfolglos. Nachdem auch seine Frau Anna schwer erkrankte, die als Wachsmodelliererin zum Lebensunterhalt beigetragen und mit der Eichrodt mehrfach künstlerisch zusammengearbeitet hatte, war das Paar auf die finanzielle Unterstützung der beiden Kinder angewiesen. Die Tochter Gretel richtete in der gemeinsamen Wohnung eine Werkstatt ein, in der sie als Buchbinderin versuchte, das Notwendige zum Lebensunterhalt zu verdienen. In einem Schreiben an den NS-Kultus- und Justizminister Otto Wacker (➝ IV 300) vom 25. Juli 1934 beklagte sie vergeblich die absolute Erwerbsunfähigkeit ihres Vaters. Nur noch wenige Arbeiten entstanden bis zu dessen Tod 1943.
Quellen: GLA Karlsruhe 56/1287 u. 235/1428; Staatl. Kunsthalle Karlsruhe.
Werke: Staatl. Kunsthalle Karlsruhe; Städt. Kunstsammlungen Nürnberg.
Nachweis: Bildnachweise: Albert Haueisen, Portrait Hellmut Eichrodt, 1896, Abb. in: Der Tag, Nr. 49 vom 27.2.1914

Literatur: Jugend 1897/1, 176, 203, 244, 360, 440; 1897/2, 496, 554, 578, 618, 802, 880; 1898/1, 32, 80, 146; Kunst für Alle XXII, 1901/02, 239; Kunstchronik NF XIII, 1902, 173; Der Kunstwart XVI, 1902/03, 1, 666 ff.; Adolf von Oechelhaeuser, Geschichte d. Großherzogl. Bad. Akad. d. bildenden Künste 1904, 159; Die Rheinlande IV, 1904, 332, 431, 594–596; Westermanns Monatshefte 98, 1905, 94; Westermanns Monatshefte 101, 1907, 572; Westermanns Monatshefte 109, 1910, 513; Dresslers Kunstjahrbuch 1913, 607; ThB 10, 1914, 412 (mit bibliogr. Angaben); Nicola Moufang, Die Großherzogl. Majolika Manufaktur in Karlsruhe, 1920, 68; Josef A. Beringer, Bad. Malerei 1770–1920, 1922, 157 f.; Karlsruher Tagblatt vom 26. 2. 1932; Bad. Presse vom 27. 2. 1932; Karlsruher Majolika, AKat. Bad. Landesmuseum Karlsruhe 1979, 142 f., 329, 346; Vollmer 2, 1955, 21; Kunst in Karlsruhe 1900–1950, AKat. Bad. Kunstverein Karlsruhe 1981, 150; Leo Mühlfarth, Kleines Lexikon Karlsruher Maler, 1987; Karlsruher Majolika, AKat. Bad. Landesmuseum Karlsruhe 1992, 15, 45, 114; Dt. Biogr. Enzyklopädie 3, 1996, 55; Wolfgang Hermesmeier/Stefan Schmatz, Traumwelten, Bd. I, 2004.
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