Renninger, Karl 

Andere Namensformen:
  • (auch Carl)
Geburtsdatum/-ort: 18.08.1881; Mainz
Sterbedatum/-ort: 28.08.1851; München
Beruf/Funktion:
  • Kaufmann, Fabrikant und Oberbürgermeister
Kurzbiografie: 1888–1897 Volks- u. Realschule in Mainz
1897–1900 Ausbildung zum Bankkaufmann in Mainz
1900–1902 Auslandsaufenthalt
1903 X.–XII. Militärdienst; Thüringisches Ulanenregiment Nr. 6 in Hanau, entlassen nach Sturz vom Pferd u. Beinbruch
1905 nach Aufenthalt in Italien in Mannheim ansässig; Eröffnung einer Fabrik
1915–1916 Kriegsteilnehmer beim Fußartillerie-Reg. Nr. 14, Kraftfahrer-Bataillon in Mannheim; Gefreiter
1930 VIII.1 Eintritt in die NSDAP; Mitgl. Nr. 288 379
1933–1945 NS-Kommissar, ab Juni Oberbürgermeister d. Stadt Mannheim
1933 Mitglied des Verwaltungsrats d. Dt. Reichsbahn
1941 IX. Wehrwirtschaftsführer u. Mitglied des Wehrwirtschaftsrats d. Reichswirtschaftskammer u. des Wehrwirtschaftl. Ausschusses d. Wirtschaftskammer Baden
1943 „Dienstauszeichnung d. NSDAP“ in Bronze u. Kriegsverdienstkreuz 1. Klasse
1945 IV. 25–1947 III. 31 Festnahme durch US-Streitkräfte, Internierung im Militärgefängnis Ludwigshafen, dann in den Lagern Böhl, Ludwigsburg u. Moosburg in Bayern
1948 III. 31–1951 Spruchkammerverfahren in Mannheim, Urteil: belastet, am 6.10.1948 im Berufungsverfahren in Karlsruhe bestätigt; nach Eigenauskunft 1949 erwerbslos; zuletzt Aufenthalt in Niederelsungen, Hessen, bei Tochter Gisela von der Malsburg u. in Frankfurt am M. bei Sohn Roland
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk., Mai 1937 bis 1945 gottgläubig
Verheiratet: 1906 (Mannheim) Amalie Pauline (Addie), geb. Stumpf (1883–1965), Tochter des Revolutionärs Paul Stumpf (1826–1912)
Eltern: Vater: Georg Adam Friedrich (1843–1896), Kaufmann u. Optiker, Inhaber eines „optischen Instituts“, Sohn des Friedrich (1811–1888), Brillenfabrikant
Mutter: Klara Franziska, geb. Hild (1851–1889)
Geschwister: 2; Friedrich (*/† 1878) u. Stephanie Maria (* 1880), verh. Winterwerb
Kinder: 7; Amalie Anna Stephanie (1907–1987), verh. Prescher, Dr., Zahnärztin, Margarete (Rita) Pauline (1908–1991), verh. Andreae, Zahnärztin u. Kieferorthopädin, Gisela Klara (1915–2003), verh. von der Malsburg, Paul (* 1920–1943, in Russland vermisst, 1945 für tot erkl.), Roland Johannes (1923–1992), Kaufmann in Frankfurt am M., Lotte (1925–1995), verh. Göddertz, u. Stefanie Marie, verh. Kössler (* 1925)
GND-ID: GND/116444029

Biografie: Fred Ludwig Sepaintner (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 6 (2011), S. 322-327

Als sich die Amerikaner Ende März 1945 der Stadt Mannheim näherten, verlegte die Verwaltungsspitze auf Anordnung des Gauleiters ihren Sitz ins Schloss der von Gemmingen nach Babstadt im Kraichgau. Dort wurde Oberbürgermeister Renninger Anfang April festgenommen und dann bis zum Ende März 1947 interniert. Ein Jahr später musste er sich vor der zuständigen Spruchkammer in Mannheim verantworten. Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens der Stadt hatten Anteil am Verfahren: Hermann Heimerich (BWB III 134), Fritz Cahn-Garnier (➝ III 55), der Landesdirektor des Inneren Gustav Zimmermann (1888–1949), schließlich die Bürgermeister Richard Boettger (1873–1957) und Jakob Trumpfheller (BWB IV 372), durchweg SPD-Politiker und Geschädigte des NS-Regimes. Beachtlich, selbst wenn man seine ehemaligen Parteigenossen herausrechnet, war auch die Zahl derer, die für Renninger aussagten. Zwei Tatsachen des Verfahrens seien betont: zum Einen, wie sich vor Gericht Akzente verschoben. Der ehemalige Hochbauamts-Leiter Zizler etwa äußerte sich zum Bunkerbau in seiner schriftlichen Erklärung vom 2. Januar 1948 und vor Gericht reichlich konträr. Zum Anderen gilt, dass bei dieser Verhandlung offenbar kaum nachgehakt wurde, Widersprüche nicht diskutiert wurden. Zeitdruck herrschte, wie schon beim Festsetzen des Termins.
Renninger wurde als „Belasteter“ eingestuft, was zwischen den Parteianträgen lag. Er habe die NS-Gewaltherrschaft „wesentlich gefördert“. Strafmildernd wurde ihm zugute gehalten, „dass die Beweisaufnahme in persönlicher Hinsicht ein gutes Charakterbild ergeben“ habe (GLA 465a/56 SJ 69) und die Strafe von zwei Jahren Arbeitslager durch die Internierung als verbüßt festgesetzt. Renninger verlor seine Pensionsansprüche und durfte sich fünf Jahre lang nicht als Fabrikant betätigen. Außerdem wurden ihm neben den Prozesskosten 10 000 RM Sühne auferlegt.
Die Karlsruher Berufungskammer verfuhr strenger, nannte Renninger in der Urteilsbegründung sogar einen richtigen und fanatischen Nationalsozialisten und erwog, ihn als „Hauptschuldigen“ einzustufen. Sie bestätigte dann zwar die Einstufung, erhöhte aber die Geldstrafe auf ein Viertel des Vermögens, das dem Streitwert nach damals noch 124 000 RM betrug.
Renningers früher Werdegang entsprach der Familientradition; er wurde Kaufmann. Genauso zeit- und standestypisch war die anschließende Vertiefung seiner Ausbildung in Frankreich, England und Italien. 1905 kam er von Mailand nach Mannheim, wo seine Schwester in die Familie Winterwerb eingeheiratet hatte. Beider Vater hatte über 280 000 Mark hauptsächlich in Anlagen hinterlassen, in die sich beide Kinder teilten. Der Verkauf des schon vom Großvater geführten „Optischen Instituts“ in Mainz 1896 hatte mit 17 000 M. nur einen relativ geringen Teil ausgemacht. Aus dem Erbteil erwarb Renninger in der Lagerstraße 9 im Mannheimer Industriehafen ein Fabrikgrundstück, das er bis 1921/22 besaß. Die Firmenadresse lautete aber bereits 1913 auf die Industriestraße 43, auch wenn er dieses Grundstück erst 1931/32 erwarb. Anfangs fertigte Renninger Flaschenkästen, 1922 hat er die Produktion auf Mineralfarben umgestellt. Auch als OB behielt Renninger sein Geschäft immer im Auge. Zahlen über Gewinn und Verlust der Firma sind von 1919 bis 1945 erhalten, ab 1925 lückenlos. Die Entwicklung wird greifbar: bis zur „Machtergreifung“ nahmen sich die Ergebnisse mit jährlichen Durchschnittsgewinnen von 10 000 Reichsmark eher bescheiden aus. Schon 1933 betrug der Gewinn knapp das Fünffache und stieg bis einschl. 1939 auf jährlich 82 000 und bis 1944 sogar auf 84 000 RM. Der Gewinn im Rumpfgeschäftsjahr 1945 betrug noch 8600 RM.
1930 war Renninger in die NSDAP eingetreten. Vor Gericht und in seinen Erinnerungen erklärte er, eine Hilter-Rede in Mannheim habe ihn zum Nationalsozialismus geführt. Vor 1933 wird er aber politisch kaum greifbar. Fritz Cahn-Garnier erklärte 1947, Renninger habe sich im NS-Hilfswerk engagiert. Renningers Umgang bei Zahnarzt Dr. Nuss, wo offensichtlich einflussreiche NS-Größen verkehrten, erscheint wahrscheinlich.
Nachdem Oberbürgermeister Heimerich Anfang März 1933 durch die neuen Machthaber in „Schutzhaft“ genommen worden war, wurden am 15. März in Mannheim zwei NS-Kommissare mit der Verwaltung der Stadt betraut: Otto Wetzel (1905–1982), MdR-NSDAP, und „Fabrikant“ Renninger Er selbst suggerierte beim Verfahren immer wieder, Wetzel sei der Aktive gewesen. Das behauptete er aber auch bei nahezu allen Schreiben, die ihm dort zur Last gelegt wurden. Er habe immer nur unterschrieben, woran freilich der Karlsruher Kläger konsequenterweise knüpfte, dass Renninger damit auch dafür verantwortlich sei. Es ist unstrittig, dass der baldige Oberbürgermeister alle NS-Maßnahmen der ersten Monate mitgetragen hat, darunter die Entlassung von über 200 städt. Mitarbeitern, den Judenboykott, kurzum alles, was der Verwaltungsbericht der Stadt Mannheim für 1933 bis 1937, auch ihn will Renninger nur unterschrieben haben (!), das „große Aufräumen“ (S. 42) des Trümmerfeldes nennt, das die „Systemparteien“ hinterlassen hätten.
Sehr deutlich wird Renningers Anteil bei der Schließung der Handelshochschule, was einsetzt mit einem Brief beider Kommissare vom 23. März 1933 an das Kultusministerium. Sie fordern die Entfernung der „untragbaren“ Dozenten, „da in der Studentenschaft in der Handelshochschule große Beunruhigung besteht, da die Juden immer noch ihres Amtes walten“ (GLA 235/30891) und fügen eine Liste aller Lehrkräfte bei, in der zwölf jüdischer Religion markiert sind. Aktenkundig mit größtem Druck betrieb OB Renninger dann die Schließung der Handelshochschule, deren klägliche Reste im Oktober 1933 in die Universität Heidelberg eingegliedert wurden. Die als Kompensation gedachte Überführung des Karlsruher Staatstechnikums nach Mannheim und seine Ansiedlung am Kapuzinerplatz scheiterten im Krieg.
Renninger war Antisemit. Relativ harmlos noch mögen antisemitische Verbalinjurien sein, wovon die Erinnerungen der ältesten Tochter Amalie berichten (StadtA Mannheim, Kleine Erwerbungen Nr. 1012, S. 5). Die Aufrufe und Maßnahmen der Kommissare sind hier schon gewichtiger. Sicher ist während der OB-Zeit Renningers auch die Tilgung der Erinnerungen an verdiente Juden der Stadt. Ehrentafeln in Rathaus und Kunsthalle wurden beseitigt. Sie seien nur verwahrt worden, rechtfertigte Renninger. Die Umbenennungen, etwa des Herschelbads in Hallenbad, der Spinoza- und Carl-Ladenburg-Straße, auch des stadteigenen Victor-Lenel-Stifts in Neckargemünd bestritt auch er nicht. Deutlich wird die Verdrängung von Juden aus wichtigen stadtnahen und Traditionsvereinen, dem Altertums- und Rennverein genauso wie dem Mannheimer Rotary-Club. Ungeeignet allerdings erscheint es, die Verlegung des alten jüdischen Friedhofs von F 7 weg hier anzuführen. Das erkannte auch die Spruchkammer bereits. Hier darf Renningers Eigenanteil nicht überbewertet, sein Poltern im Stadtrat vom 23. Oktober 1935 nicht verabsolutiert werden; denn lange vor der NS-„Machtübernahme“ hatte es Verhandlungen zwischen Stadt, vertreten durch die Stadträte Josef Levi, SPD, und Max Jeselsohn, Deutsche Staatspartei, und Israelitischer Gemeinde über diese Frage gegeben. Jakob Trumpfheller und Josef Braun (BWB IV 29), beide Stadträte der Weimarer Zeit, bezeugten dies (StadtA Mannheim 23/1970, Nr. 581).
Die OB-„Wahl“ Renningers fand am 15. Mai statt. Nach der amtl. Bekanntmachung vom
29. April 1933 waren gemäß „Gleichschaltungsgesetz“ vom 4. April statt 112 nach den letzten demokratischen Wahlen nur noch 67 Stadträte, – verordnete und Bürgermeister wahlberechtigt. Diese Zahl betrug beim Wahlakt wegen Amtsniederlegung und nicht erfolgter Vereidigung sogar nur 64. Die KPD war bereits verboten, die SPD-Vertreter erschienen nicht zur Abstimmung. Von den Anwesenden votierten 50 für Renninger, eine deutliche Mehrheit, auf das Wahlergebnis von 1930 bezogen freilich war das nur eine Minderheit! Sein Amt trat Renninger am 27. Juni an.
Renninger reklamierte, dass zu Anfang seiner Amtszeit zuvor entlassene Bedienstete, selbst zwei Kommunisten und Sozialdemokraten, wieder eingestellt wurden. Dieser Vorgang aber stand auch im Zusammenhang mit dem Vollzug des § 3 des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933, der einen Teil der Maßnahmen aufgrund des Wagner-Erlasses Nr. A.7642 vom 5. April nichtig machte. Die große Mehrheit der „Beurlaubten“ wurde nicht wieder aufgenommen. Gleichermaßen ist zu beachten, dass Fachleute für leitende Positionen unverzichtbar waren. In dieser Hinsicht war das NS-Reservoir damals noch sehr dünn. Unbestreitbar ist, dass das sehr selbstbewusste Stadtoberhaupt die sachliche Kompetenz seiner Mitarbeiter beachtete, zuweilen sogar gegen die Partei an solchen festhielt. Typisch aber wieder die Ausnahmen, etwa bei den Entlassungen des Leiters des Tiefbauamtes Elsaesser 1933 und des Referenten für Luftschutzwesen Chlebowsky 1944 wegen „politischer Unzuverlässigkeit“.
Renningers Führungsstil war autokratisch, ein Wesenszug, den die „Deutsche Gemeindeordnung“ von 1935 noch begünstigte, die das Stadtoberhaupt alleinverantwortlich für alle städtischen Maßnahmen machte und die Versammlung der 24 Mannheimer „Ratsherren“ zum Beratungsorgan degradierte. Auch die Partei sollte Renninger nicht hineinregieren, sich nur an ihn direkt wenden. Zweifelsfrei gab es häufige und heftige Spannungen zwischen Renninger, der bad. Gau- und der Mannheimer NS-Kreisleitung. Andererseits, derartige Konflikte sind mit angelegt in unklaren Kompetenzdefinitionen des NS-Systems und auch andernorts zu beobachten.
Der Schwerpunkt der frühen Amtshandlungen von OB Renninger galt praktischen Maßnahmen, war aber kein Neuanfang: Arbeitsbeschaffung, Meliorierung und Wohnungsbau. Schließlich bildeten die Umgestaltung der Innenstadt und die Verkehrsanbindung Mannheims ein wichtiges Thema. Parallel zum Reichsarbeitsdienst wurde ein „Mannheimer Volksdienst“ geschaffen, worin arbeitsfähige Unterstützungsempfänger Beschäftigung fanden; Renningers Erinnerungen berichten von etwa 7000, seine politischen Gegner von weniger als einem Drittel davon. Gemeinsam bauten beide Organisationen an einem ca. 5 km langen Hochwasserdamm auf der Friesenheimer Insel; ca. 350 ha überschwemmungssichere Nutzfläche wurden gewonnen. Außerdem wurde das Sandtorfer Moor in einer etwa anderthalb Jahre dauernden Maßnahme trockengelegt, was um 96 ha Nutzfläche erbrachte. Hier liegt der Ursprung des heutigen Stadtteils Blumenau. In beiden Fällen aber führte Renninger fort, was zuvor schon begonnen war. Dies gilt teilweise auch für den Bau von Wohnsiedlungen, nach Zizler insgesamt ca. 2300 Häuser, und die zugehörige Infrastruktur, auch wenn der Vorgang jetzt typische Züge der NS-Arbeitsbeschaffung gewann. Im Mannheimer Norden wurde u. a. an der Neueichwaldsiedlung gebaut, die „Kinderreichensiedlung“ in Mannheim-Gartenstadt errichtet und mit dem Bau des Stadtteils Schönau begonnen. Südlich von Neckarau entstand die Pfingstbergsiedlung.
Im Stadtzentrum wurde zwischen 1934 und 1936 durch den „Plankendurchbruch“ die Engstelle bei P 5 beseitigt, mit der Altstadtsanierung in G 6, Q 6 und den J-Quadraten, und mit dem Bau des „Technischen Rathauses“ in E 5 begonnen. Originell die Finanzierung im Fall der Planken: durch Ankauf, Umgestaltung und wieder Verkauf blieben die Kosten für die Stadt erstaunlich gering. Aber auch ein Teil dieser Maßnahmen war schon unter Bürgermeister Otto Beck (1846–1908) angedacht, aus finanziellen Gründen jedoch nie realisiert worden. Im Rahmen des Autobahnbaus wurde bei Mannheim eine Westspange realisiert, an Sandhofen vorbei Richtung Pfalz, samt dem Bau der nötigen Rheinbrücke. Maßnahmen zur Verbesserung der innerstädtischen Verkehrsgestaltung bildeten die Erweiterung des Neckarauer Übergangs und der Friedrichs-(heute: Kurpfalz-) brücke. In seinen Erinnerungen betont Renninger mehrfach seinen Einsatz für die Wirtschaft, der er sich immer besonders verbunden fühlte, und auch die Verbesserung der Bahnanbindung der Stadt durch Beseitigung des Friedrichsfelder Kreuzes. Renninger nennt auch die „Eingemeindung“ von Brühl, obgleich nur ein kleiner Teil dieser Gemarkung nach Mannheim kam, und vergisst nicht, seine Rolle als Verwaltungsrat der Dt. Reichsbahn seit 1933 zu unterstreichen.
Auf kulturellem Gebiet geschah neben der Schließung der Handelshochschule unter frühen Maßnahmen die Eröffnung der städtischen Hochschule für Musik und Theater 1933 und die Sanierung des Bühnenhauses im Nationaltheater. 1936 wurde im stadteigenen ehemaligen Reißschen Wohnhaus (vgl. S. 313) in E 7, 20 ein Theatermuseum eingerichtet, das die Bedeutung des Nationaltheaters in der deutschen Theatergeschichte dokumentieren sollte, und im selben Jahr das Zeughaus umgebaut unter Erhalt der historischen Fassade. Dort wurde das Völkerkundliche Museum untergebracht. Räume des landeseigenen Schlosses, das Renninger übrigens, wie in den Mannheimer Schriften Heft 4 nachzulesen, gerne für die Stadt gekauft hätte, wurden aus städt. Mitteln zwischen 1937 und 1939 teilweise restauriert, das Schlossmuseum reorganisiert.
Wie Vieles zerschellte auch Renningers mit großem Anspruch befrachtete Kulturpolitik letztlich an der Realität des Krieges. Die „Schillerbühne“ wurde am 5./6. September 1943 Opfer der Bomben. Ob sein Schreiben an Goebbels vom 22. Oktober 1943, sein Antrag auf Ersatz für den verbrannten Fundus und mehr Spieltage des Nationaltheater-Ensembles im rheinnahen Ludwigshafener Pfalzbau ein Ergebnis zeitigte, bleibe offen. Zum großen Negativum in Renningers Kulturpolitik wurde das Schlossmuseum, das er im November 1939 statt zu bergen wiedereröffnete. Ein erster großer Schaden entstand dort nach dem Luftangriff vom 16. zum 17. Dezember 1940. Im städt. Gebäude in L 2, 9 waren „unersetzliche Werte“ (Walter) eingelagert, darunter das Theaterarchiv. All das und eine Menge städtisches Schriftgut verbrannten mit dem Theater 1943.
Zu den beachtlichen Maßnahmen von 1941 bis 1944 gehört der Bau von mehr als 50, zum Teil großen Luftschutzbunkern mit ca. 130 000 Plätzen. Wenn von der Mannheimer Zivilbevölkerung bei über 150 Luftangriffen kaum mehr als 2000 Zivilisten umkamen, ist dies vor allem auf die Bunker zurückzuführen. Die Durchführung des Projekts lag zwar alleinverantwortlich beim Leiter des Hochbauamtes Josef Zizler, der direkt Berlin unterstand. Renninger aber unterstützte ihn massiv, besonders bei der Materialbeschaffung, wie Zizler vor Gericht bestätigte.
Beim 60. Geburtstag Renningers hatte der „Mannheimer Generalanzeiger“ geschrieben: „Unter seiner Führung herrscht auf dem Rathaus ein guter nationalsozialistischer Geist.“ Renningers Übereinstimmung und Mitträgerschaft der Grundsätze des Regimes, die sich auch beispielhaft in seiner Abkehr vom Katholizismus wenige Wochen nach Bekanntwerden der Enzyklika „Mit brennender Sorge“ ausdrückt und bis zu Durchhalteparolen gegen Ende des Jahres 1944 reicht, steht außer Zweifel. Renninger eilte zuweilen sogar voraus, wenn es galt, neue Ziele der NS-Propaganda zu befördern, so bei der Förderung des Flugsports, letztlich der Startschuss für den Aufbau der neuen Luftwaffe. Selbstredend wurden in Mannheim alle NS-„Großereignisse“, so 1938 die „Einweihung der Rheinlandbefreiungsglocke“, pompös zelebriert.
Gibt es Anzeichen für ein inneres Abrücken Renningers vom NS-System in den 1940er Jahren? Die von ihm mitverhinderte Verfrachtung einer Angeklagten nach Berlin vor den Volksgerichtshof spricht zumindest nicht dagegen. Den Kontrapunkt stellten dann freilich wieder die erwähnten Durchhalteparolen im November 1944 dar, als er vom „fanatische[n] Glaube[n]an die Zukunft des NS-Reiches“ (StadtA Mannheim, Personalakte Renninger) (unter!)schrieb. Beachtenswert erscheint Renningers Haltung, als der Zusammenbruch absehbar war: Der Leiter der Städtischen Betriebe Egetmeyer wollte den Befehl der NS-Kreisleitung, alles für die Sprengung der Werke vorzubereiten, nicht ausführen. Renninger stellte sich offenbar hinter ihn. Die vergleichbare Haltung in den letzten Kriegstagen brachte das Breslauer Stadtoberhaupt vor das Erschießungskommando eines Standgerichts. Es ist aber wohl kaum möglich, alle Details bei diesen beiden Vorgängen zu klären.
Bis zum Sommer 1950 unternahm Renninger noch mehrere Anläufe zur Wiederaufnahme des Verfahrens, letztlich ohne Effekt. Nur die Geldstrafe wurde nach der Währungsumstellung durch Ministerpräsident Maier (BWB III 234) schließlich auf dem Gnadenweg auf 5000 DM begrenzt, zahlbar in einer ersten Rate von 1000 und dann in Monatsraten von 200 DM. Seiner Selbstauskunft vom 3. Dezember 1949 nach war Renninger beschäftigungslos; sein Vermögen verfiel. Die letzten Jahre verlebte er bei seinen Kindern und schrieb u. a. die Erinnerungen an seine OB-Zeit. Er verstarb nach einer Herzoperation in München und wurde in Mainz beigesetzt.
Im Schlusswort vor der Mannheimer Kammer erklärte Renninger: „Mein Gewissen klagt mich nicht an. […] Ich bin mir keiner bösen Tat bewusst.“ (GLA 465 a/56 SJ 69) Diese Haltung kennzeichnet auch seine Erinnerungen. Was immer ihm an „Verdiensten“ um Mannheim zugebilligt sein möge, es vermag Jahre und Taten eines servilen Dieners des Gewaltregimes nicht aufzuwiegen. Was bleibt? Ein unlösbares Bündel an Widersprüchen. Nur Ausdruck dieser Zeit?
Quellen: LandesA Speyer, K 55, Notariatsurkunden vom 5.5. u. 3.6.1896, Georg Renningers Vermögen. u. den Verkauf des Optischen Instituts betreffend; GLA Karlsruhe, 465 a/56 SJ 69, Spruchkammerverfahren Renninger, u. 235/30891, Handelshochschule; StadtA Mannheim Ledigenmeldekarte vom 7. 10. 1905 u. Adressbücher d. Stadt Mannheim 1908–1931/32, Einträge d. Firma Renningers: 1910 unter Lagerstraße 9, dort Grundstückseigentümer bis 1921, als „Fabrikation von Eisenwaren, Verzinkerei u. Galvanisierungsanstalt“, ab 1913 als „Verzinkerei u. Flaschenkastenfabrik“ Firmenanschrift Industriestraße 43, Eigentümer erst 1931/32, ab 1922 „Metallwarenfabrik“, Herstellung von Mineralfarben, S1/1753, Personalakte 20/1969 Nr. 14 372, Renninger, Carl, Stadtratsprotokoll Mannheim vom 23. 10. 1935, Verwaltungsberichte d. Stadt Mannheim 1933–1937, 1937, NL Cahn-Garnier, 33/1968 (Lfd.- Nr. 6), S1/0116, Akten des Liegenschaftsamtes MA. 23/1970, Nr. 581, Kulturamt Zugg. 9/1974, Nr. 492, Brief Renningers an Goebbels vom 23. 10. 1943, Kleine Erwerbungen Nr. 1012, Carl Renninger zum 100 Geburtstag, verfasst von seinen Kindern, hektografiertes Manuskript (250 S., dar. 60 S. Lebenserinnerungen Renningers), 1981; StadtA München, Melderegister; StadtA Mainz 50/896, Familienregistereintrag Nr. 9521, Friedrich Renninger, Großvater Renningers, Nr. 906, Georg Adam Friedrich Renninger, Renningers Vater, u. Adressbücher d. Stadt; Brief des Stadtamtmannes Jakob Greiner an Karl Winterwerb vom 28.4.1956, u. a. den Plankendurchbruch betr. [Kopie im Besitz des Verf.]; zahlreiche Hinweise von Karl-Heinz Schwarz-Pich vom Juni 2009 bis April 2011, von Anja Gillen u. Karen Strobel, beide StadtA Mannheim, vom Febr. u. Mai 2011.
Werke: Vorworte in: Schriften d. Stadt Mannheim H. 1, 1936; u. Heft 4, 1939 (vgl. Literatur); Wirtschaft u. Gemeinde, in: Jahrb. für Kommunalwissenschaft 5, 1938, 239–262; Gedanken über meine Amtszeit als Oberbürgermeister d. Stadt Mannheim 1933–1945, hgg. von Roland Renninger (Sohn), 1956.
Nachweis: Bildnachweise: StadtA. Mannheim, Personalakte 20/1969 Nr. 14 372, Kipnis, 2010, passim.

Literatur: Neue Mannheimer Zeitung vom 9. 3. bis 11. 5. 1933; Hakenkreuzbanner Mannheim vom 27. 3. bis 10. 5. 1933; Gustaf Jakob „Das Theatermuseum d. Stadt Mannheim“, in: Schriften d. Stadt Mannheim H. 1, 1936; ders. „Das Mannheimer Schloss u. seine Sammlungen“, Schriften d. Stadt Mannheim, Heft 4, 1939; Mannheimer Generalanzeiger vom 18. 8. 1941; Mannheimer Morgen vom 3. 4.1948, zum 1. Spruchkammerurteil, u. vom 8.10.1948, S. 5, zum Berufungsurteil; Friedrich Walter, Schicksal einer Stadt Bd. 2, 1950, 176–295; Friedrich Brandenburg, „Das Nationaltheater 1933–1945“, in: Mannheimer Hefte Nr. 2, 1954, 22 f.; Die Stadt u. die Gemeinden des Landkreises Mannheim, Die Stadt- u. die Landkreise Mannheim u. Heidelberg Bd. 3, 1970; Hans-Joachim Fliedner, Die Judenverfolgung in Mannheim 1933–1945, 1971; Josef Goebbels, Tagebücher 1945: die letzten Aufzeichnungen, 1977, 454, Renninger betr.; Karl Otto Watzinger, Geschichte d. Juden in Mannheim, 1987; Volker Keller, Jüdisches Leben in Mannheim, 1995; Jörg Schadt/ Michael Caroli (Hgg.), Mannheim unter d. Diktatur, 1997; Jörg Schadt, Die Mannheimer Stadtverwaltung in d. Zeit des Nationalsozialismus, in: Mannheimer Geschichtsblätter Neue Folge, 1998, 403–415; Horst Matzerath, Kommunalpolitik u. Kommunalverwaltung im Dritten Reich, in: Handb. d. Kommunalen Wissenschaft u. Praxis, hgg. von Thomas Mann u. Günter Püttner, 2. Aufl. 2007, 119–131; Ulrich Nieß/Michael Caroli (Hgg.), Geschichte d. Stadt Mannheim Bd. 3, 2009, 353 ff.; Alexander Kipnis, Carl Renninger Mannheims NS-Oberbürgermeister, in: Mannheimer Geschichtsblätter, in: rem [Reiss-Engelhorn-Museum] Magazin 20, hgg. von H. Wieland u. a., 2010, 45–58.
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