Göler von Ravensburg, Sigmund 

Geburtsdatum/-ort: 03.01.1870;  Rastatt
Sterbedatum/-ort: 01.01.1951;  Freiburg i. Br.
Beruf/Funktion:
  • Großherzoglich-badischer Hofmarschall, Präsident der Großherzoglich-Badischen Vermögensverwaltung
Kurzbiografie: 1876-1889 Schulbesuch in Freiburg, dann Internat in Heilbronn
1889-1891 Kadettenanstalt Berlin-Lichterfelde
1891-1908 1. badisches Leibgrenadier-Regiment 109, 1902 Oberleutnant, ab 1902 Ordonnanzoffizier des Erbgroßherzogs Friedrich II. von Baden
1908-1917 Kammerherr, ab 1914 Oberhofmeister der Großherzogin Hilda
1917-1939 Leiter des Oberhofmarschallamtes, 1919 Hofmarschall und Großherzoglicher Vermögensverwalter
1939-1951 Lebensabend in Freiburg
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1. 1896 (Obergrombach) Emily, geb. von Bohlen und Halbach (1874-1939)
2. 1940 (Freiburg i. Br.) Margarete, geb. von Deimling (1899-1995)
Eltern: Vater: Ravan (1830-1896), Großherzoglich-badischer Hauptmann
Mutter: Emma, geb. von Ehrenberg (1847-1920)
Geschwister: 2:
Egon (1872-1950)
Ravan (1878-1914)
Kinder: Ravan (1897-1968)
Irene, verheiratete Bispinck (1898-1982)
GND-ID: GND/11670411X

Biografie: Renate Liessem-Breinlinger (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 5 (2005), 98-99

Seine Hochzeit feierte Göler von Ravensburg 1896 in Obergrombach, einem herrschaftlichen Anwesen um Burg und Schloss, das sein Schwiegervater Gustav von Bohlen und Halbach 1885 erworben hatte. Es sollte bald zum Feriendomizil der Industriellendynastie Krupp werden, denn Göler von Ravensburgs Schwager heiratete 1906 die Erbin des Stahlimperiums an der Ruhr, Bertha Krupp. Die verwandtschaftliche Verbundenheit, die vom Zusammenhalt der Bohlengeschwister ausging, lebte auch bei den nachfolgenden Generationen weiter. Göler von Ravensburgs Sohn Ravan wohnte mit seiner Familie von den 1920er bis in die 1940er Jahre in der Kruppresidenz, der „Villa Hügel“ in Essen.
Göler von Ravensburgs Berufsbezeichnung „Hofmarschall“, die heute Assoziationen von steifer Etikette und Altväterlichkeit auslöst, steht dem Zugang zu seiner Person zunächst im Wege. Vordergründig kümmerte er sich zwar um den Ablauf des Hofzeremoniells und die Klärung von Rangfragen am Hofe des letzten badischen Großherzogs, im Grunde war er aber Diplomat mit politischem Einfluss. Nur so lässt sich der Aufschrei des preußischen Gesandten von Eisendecher verstehen, der 1908 bei Göler von Ravensburgs Übernahme in den Hofdienst als diensttuender Kammerherr bei der Großherzogin Hilda eine Stärkung der Eigenständigkeit der „jungen Herrschaften“ gegenüber der unverbrüchlich preußentreuen Großherzogin-Mutter Luise, der Tochter Kaiser Wilhelms I., befürchtete. Schon seit 1902 hatte Göler von Ravensburg für Friedrich II., damals noch Erbgroßherzog, als dessen Ordonnanzoffizier Dienst getan. Der scheue und spröde Friedrich schätzte wohl Göler von Ravensburgs Gewandtheit und lebensbejahende Selbstsicherheit. Sogar eine Portion Unbekümmertheit lässt sich vermuten angesichts Göler von Ravensburgs krauser und spaßbetonter Schulkarriere, die sich erst im Freiburger Gymnasium, dann in einem Heilbronner Internat zugetragen hat. Er scheint sie mit dem sogenannten „Einjährigen“ (erreichbar nach zehn Schuljahren) abgeschlossen zu haben, was zur Offizierslaufbahn berechtigte. Aber auch die Militärkarriere war Göler von Ravensburg nicht auf den Leib geschrieben. Der Abschied „mit dem Charakter als Hauptmann“ war 1908 willkommen. Auf die vor dem I. Weltkrieg alljährlich schriftlich gestellte Frage nach seinem „Wunsch für den Mobilmachungsfall“ gab er an, er stehe kaum zur Verfügung, da er mit den Königlichen Hoheiten viel auf Reisen sei. 1915 ließ ihn der Großherzog u. k. (unabkömmlich) stellen. Seit 1902 stand Göler von Ravensburg jahrzehntelang an der Seite des großherzoglichen Paares, auch in jener oft beschriebenen dramatischen Nacht des 11. November 1918, als die großherzogliche Familie aus dem Karlsruher Schloss fliehen musste. Obwohl Göler von Ravensburg die Maschinengewehrsalven gehört hatte, stellte er sich dem Rädelsführer zum Gespräch und bewirkte binnen kurzem, dass dieser „Kehrt Marsch!“ kommandierte. Der Matrose Klumpp berichtete über den Zwischenfall, er habe eigentlich den Großherzog sprechen wollen, „da sei aber einer mit einem Chapeau claque herunter gekommen“. In Autos, die für den Notfall bereit standen, verließ Göler von Ravensburg dann das Residenzschloss, zusammen mit dem Großherzogenpaar, der Großherzogin Luise und Königin Viktoria von Schweden, der Schwester Friedrichs.
Wenige Tage später war Baden Republik. Göler von Ravensburgs berufliche Laufbahn hatte sich damit aber nicht erledigt, nur verändert. Mit den Hoheiten ließ er sich in Freiburg nieder und fungierte nun vorwiegend als Verwalter von deren Privatvermögen, wozu auch Liegenschaften in Hessen aus Hildas Erbe gehörten. In einer Villa im Stadtteil Wiehre führte Göler von Ravensburg ein gastliches Haus. Im Gästebuch stehen Namen wie General Gallwitz, Herzog Philipp von Württemberg, natürlich die Verwandten von der Ruhr und immer wieder Friedrich und Hilda, diese dann jahrelang als Witwe. Zu Göler von Ravensburg nahm Hilda auch im November 1944 Zuflucht, als ihr Palais in der Salzstraße beim großen Fliegerangriff auf Freiburg zerstört worden war.
Obwohl sich Göler von Ravensburgs Leben fernab des im Kraichgau gelegenen Stammsitzes der Familie abspielte, engagierte er sich schon um 1900 für die Erhaltung der familieneigenen Ravensburg bei Sulzfeld. Dass er 1934 der NSDAP beitrat, passt erst auf den zweiten Blick ins Bild dieser von der Monarchie geprägten Biographie. Sinn ergibt die Hoffnung auf Wiederherstellung vergangener Größe, die von der NS-Propaganda unermüdlich beschworen wurde. Auch der Einfluss, den Schwager Gustav Krupp von Bohlen und Halbach ausgeübt hat, sollte in dem Zusammenhang nicht gering geachtet werden.
Quellen: GLA Karlsruhe 69/Göler von Ravensburg, A 154-158 und A 1040; 69/Markgräfliche Verwaltung, A 242-248; 59/100; 59/624, 456/3683 (PA); StAF D 180/2 Nr. 134.860; G 650/2 Freiburg IV, Paket 366 Nr. 33; mündliche Auskünfte von Frau Rosanna Schrader, geb. von Göler, Sulzfeld, Frau Ellen Dewald, geb. Bispinck, Mülheim a. d. Ruhr (Enkelin), Friedrich Freiherr von Göler, Beilstein (Enkel).
Nachweis: Bildnachweise: Ölgemälde in Beilstein, Fotos bei den Nachfahren.

Literatur: Alphabetisches Verzeichnis der Hof- und Staatsbeamten des Großherzogtums Baden, 1912; W. E. Oeftering, Der Umsturz 1918 in Baden, 1920; Wilhelm Ilgenstein u. Anne Ilgenstein-Katterfeld, Hilda, Badens letzte Großherzogin, 1953; Göler von Ravensburg Kaller, Die Abdankung des Großherzogs Friedrich v. Baden, Ekkhart 1969, 71-82; Ravan u. Dieter Göler von Ravensburg, Die Göler von Ravensburg, Entstehung u. Entwicklung eines Geschlechts d. Kraichgauer Ritterschaft. Hg. v. Heimatverein Kraichgau e. V., 1979; Hans-Jürgen Kremer, Baden in den Berichten d. preuß. Gesandten 1871-1918, 1992, 255 f., 649 f.; Konrad Krimm/Heinz Maag, Adler u. Dornenkranz, 275 Jahre Kraichgauer Adeliges Damenstift, 1993; Genealogisches Handbuch des Adels, freiherrliche Häuser, Bd. XVII, 1994; Ravan Göler von Ravensburg, Die Göler von R., Genealogie eines Geschlechts d. Kraichgauer Ritterschaft 1247-1997, 2 Bde., 1996/97.
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