Sartorius, Carl Friedrich 

Geburtsdatum/-ort: 29.01.1865; Bayreuth
Sterbedatum/-ort: 23.10.1945;  Tübingen
Beruf/Funktion:
  • Jurist, Hochschullehrer und Universitätsrektor in Tübingen
Kurzbiografie: 1882 Gymnasium Fridericianum in Erlangen mit Abitur
1882-1886 Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen, München und Berlin
1887 Promotion zum Dr. iur. in Erlangen mit dem Thema: „Die religiöse Erziehung der Kinder aus gemischten Ehen nach bayerischem Recht“; Doktorvater Wilhelm Kahl
1887-1891 Wehrdienst, bayerisches Referendariat, anschließend Habilitation für Kirchen-, Staats- und Verwaltungsrecht bei Philipp Zorn in Bonn („Die staatliche Verwaltungsgerichtsbarkeit auf dem Gebiet des Kirchenrechts“)
1895 außerordentlicher Prof. in Marburg
1901 ordentlicher Prof. für öffentliches Recht in Greifswald
1905/06 und 1907/08 Rektor in Greifswald
1908 Preußischer Roter-Adler-Orden 4. Klasse; im selben Jahr Annahme eines Rufes nach Tübingen auf den Lehrstuhl für Staats-, Verwaltungs- und Kirchenrecht
1909 Mitglied des Württembergischen Verwaltungsgerichtshofes
1910/11 Dekan der Staatswissenschaftlichen Fakultät
1911-1918 Vertreter der Universität in der Ersten Kammer des Württembergischen Landtags
1919/21 Rektor
1920-1933 Mitglied des Württembergischen Staatsgerichtshofes
1921/22 erneut Dekan
1922 Dr. rer. pol. h. c. (Universität Tübingen)
1933 Amt im Kleinen Senat zur Verfügung gestellt; im selben Jahr Emeritierung
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.-luth.
Verheiratet: 1896 Clara, geb. Trendelenburg (geb. 4.10.1875, gest. 1961)
Eltern: Vater: Friedrich Sartorius (1815-1893), Altphilologe, Gymnasialprof. in Bayreuth, später Erlangen
Mutter: Caroline, geb. Rohmer (geb. 1825)
Geschwister: Dr. Hans (1856-1924; Stiefbruder), Arzt, Medizinalrat
Dr. Ernst (1863-1928), Arzt, Sanitätsrat
GND-ID: GND/116809396

Biografie: Martin Otto (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 1 (2006), 217-219

Sartorius entstammte einer oberfränkischen Handwerker-, Lehrer- und Pfarrerfamilie. Väterlicherseits war er mit dem Physiker Georg Simon Ohm sowie der Mutter des Theologen Karl Barth verwandt; seine Mutter war mit der Buchhändler- und Buchdruckerfamilie Beck in Nördlingen und München verschwägert, der Verleger Oskar Beck war sein Taufpate. Nach einer Privatdozentenzeit in Bonn und einem Extraordinariat in Marburg wurde er an die kleine preußische „Sprungbrettuniversität“ Greifswald berufen. Im Jahre 1900 hatte sich Sartorius erstmals erfolglos um die Lehrstuhlnachfolge von Gerhard Anschütz in Tübingen beworben.
In sein erstes Rektorat fielen die Vorbereitungen des 450jährigen Greifswalder Universitätsjubiläums 1906. Auf persönliche Vermittlung von Sartorius geht ein von dem Worpsweder Künstler Heinrich Vogeler geschnitzter und bis heute gebräuchlicher Rektorensessel in der Greifswalder Aula zurück.
Früh erkannte Sartorius das Bedürfnis von Wissenschaft, Verwaltung und Studenten nach handlichen Gesetzessammlungen auf dem aktuellsten Stand. 1903 erschien im Verlag C. H. Beck erstmals die von Sartorius herausgegebene „Sammlung von Reichsgesetzen staats- und verwaltungsrechtlichen Inhalts“, die sich an Studenten und Praktiker gleichermaßen richtete und bis 1944 in 15 Auflagen erschien, seit 1938 als leicht zu aktualisierende Loseblattsammlung. Die Gesetzsammlung erscheint unter dem Namen „Sartorius I“ als Sammlung der Verfassungs- und Verwaltungsgesetze des Bundes ununterbrochen bis heute; Sartorius wurde so zum Synonym für die bei weitem gebräuchlichste Textausgabe öffentlich-rechtlicher Vorschriften in Deutschland.
Als Mitglied des Württembergischen Verwaltungsgerichtshofs engagierte sich Sartorius in der Kodifikation des württembergischen Verwaltungsrechts. Während des Ersten Weltkriegs war Sartorius von 1916-1918 Referent beim Stab von General Groener im Kriegsamt in Berlin. Ein besonderes Interesse von Sartorius galt der Selbstverwaltung der Universität; er war Mitglied des Kleinen Senats und begründete die Tübinger Studentenhilfe, die sich der Anliegen sozial benachteiligter Studenten nach dem Ersten Weltkrieg annahm.
Sartorius war seit 1920 Mitglied der DDP und hatte während des Kaiserreichs Friedrich Naumann unterstützt; Th. Eschenburg, der bei ihm öffentliches Recht hörte, sollte ihn später als „liberalen Vernunftrepublikaner“ bezeichnen. Durch seinen Schwager, den Staatssekretär im Reichswirtschaftsministerium Ernst Trendelenburg, verfügte Sartorius auch über Kontakte in die Berliner Ministerialbürokratie.
1922 gehörte Sartorius zu den 42 Professoren, welche die „Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer“ als Standesorganisation der Hochschullehrer des öffentlichen Rechts gründeten. Auf deren erster Tagung am 13. und 14. Oktober 1922 in Berlin hielt er zusammen mit Max Fleischmann das erste Referat zum Thema „Stellung des Staatsrechts in der Unterrichts- und Prüfungsordnung“. Seit 1929 gehörte er deren Vorstand an, der nach Hitlers Machtergreifung 1933 zurücktrat. Nachdem Versuche einer Gleichschaltung im nationalsozialistischen Sinne gescheitert waren und ein Großteil der Mitglieder durch Verfolgung, Austritt oder Tod ausgeschieden war, löste Sartorius mit einem Rundbrief 1938 die (1949 wiederbegründete) Vereinigung auf. Die Auflösung der Vereinigung durch Sartorius erschien „nach 1945 (...) geradezu als Glücksfall“ (M. Stolleis). Der Universität Tübingen blieb Sartorius sein Leben lang verbunden; Rufe nach Jena, Zürich, Bonn und an das Preußische Oberverfassungsgericht in Berlin lehnte er ab. Sein Amt im Kleinen Senat der Universität stellte Sartorius im April 1933 zur Verfügung, nachdem der nationalsozialistische Literaturwissenschaftler Gustav Bebermeyer zum Universitätskommissar bestellt worden war; wenig später wurde er aufgrund des Erreichens der kurz zuvor herabgesetzten Altersgrenze emeritiert. Abgesehen von den Arbeiten an seiner Gesetzessammlung, die er noch als 80jähriger redigierte, veröffentlichte Sartorius nach 1933 nicht mehr.
Sartorius wohnte in Tübingen-Lustnau in der Linsenbergstraße 50; sein 1930 erbautes Haus war eines der ersten Fertigteilhäuser. Aufgrund seines Verhaltens nach der nationalsozialistischen Machtergreifung wird sein Grab auf dem Tübinger Stadtfriedhof als Ehrengrab gepflegt.
Quellen: UA Tübingen: PA (UAT 126/566); UA Erlangen und UA Greifswald; StadtA Bayreuth, Erlangen, Tübingen; Ev. Kirchenbuchamt Bayreuth.
Werke: Diss. 1887 (wie oben); Habilitation 1891 (wie oben); Kommentar zum Vereinsgesetz, 1902, 2. Aufl. 1908; Kommentar zum Personenstandsgesetz, 1902; Modernes Kriegsrecht, 1914; Modernes Völkerrecht: eine Sammlung von Quellen und anderen Urkunden (zus. mit Heinrich Pohl), 1922; Sammlung von Reichsgesetzen strafrechtlichen Inhalts, 1931; Erwerb und Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit, in: Gerhard Anschütz/Richard Thoma (Hg.), Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. I, 1930, ND 1999, 258-273; Die Aktivbürgerschaft und ihre politischen Rechte, in: ebda., 281-285; Die Entwicklung des öffentlichen Rechts in Württemberg in den Jahren 1925-1931, in: Jb. für öffentliches Recht 20 (1932), 168-194.
Nachweis: Bildnachweise: Ölgemälde von H. Lietzmann (1927), Univ. Tübingen.

Literatur: H. Triepel, Die Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer, in: Archiv des öffentlichen Rechts 43 (1922), 348-353 (349); Th. Eschenburg, Aus dem Universitätsleben vor 1933, in: A. Flitner (Hg.), Deutsches Geistesleben und Nationalsozialismus, 1965, 35; ders., Also hören Sie mal zu, 1995, 181 f.; U. D. Adam, Hochschule und Nationalsozialismus. Die Univ. Tübingen im Dritten Reich, 1977, 35, 123; M. Stolleis, Die Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer. Bemerkungen zu ihrer Geschichte, in: Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft 80 (1997), 339-358 (342-346); ders., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 3, 1999, 138 f., 291, 311-314; U. M. Gassner, Heinrich Triepel. Leben und Werk, 1999, 52; Sartorius Paletschek, Die permanente Erfindung einer Tradition. Die Univ. Tübingen im Kaiserreich und in der Weimarer Republik, 2001, 107, 198, 323, 491; M. Otto, Sartorius, C. F., in: NDB 22; zur Familiengeschichte Sartorius: Sartorius, Sartorius-Familien-Forschungen, in: Ekkehard 10 (1934), 60; ebda. 11 (1935), 145 f.
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