Schmohl, Eugen 

Geburtsdatum/-ort: 02.08.1880;  Ludwigsburg
Sterbedatum/-ort: 18.06.1926; Berlin
Beruf/Funktion:
  • Architekt
Kurzbiografie: Studium an der TH Stuttgart
1900–1902 Tätigkeit im Architekturbüro Hart&Lesser, Berlin
1902–1907 Mitarbeiter des Architekten Alfred Messel, Berlin
1908 Beginn der Tätigkeit als freiberuflicher Architekt
1910–1911 Kreisständehaus in Saarbrücken
1911–1912 Bau der Villa Borsig in Reiherwerder bei Tegel
1912–1913 Umbau des Schlosses Kartzow bei Potsdam
1912–1913 Erweiterung des Kaufhauses Wertheim in Berlin (Moritzplatz)
1922 Schmohl wird Lehrer für die Architekturfächer an der Hochschule für die Bildenden Künste in Berlin-Charlottenburg als Nachfolger von Prof. F. O. Kuhns
1922–1924 Bau des Verwaltungshochhauses der Borsig AG in Berlin-Tegel („Borsigturm“)
1925–1927 Bau des Ullstein-Druckhauses in Berlin-Tempelhof
1926 Erweiterung des Kaufhauses Wertheim in Berlin (Leipziger Platz)
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Eltern: Vater: Johannes Schmohl (23.11.1829–23.2.1902), Oberamtsbaumeister in Ludwigsburg
Mutter: Marie Sofie, geb. Bayer (6.12.1842–28.3.1920)
Geschwister: 6: Wilhelm Otto (* 1864); Sofie Amalie (* 1867); Paul (29.7.1870–29.5.1946); Architekt, Direktor der Baugewerkeschule Stuttgart; Friedrich Hugo (* 1876); Sofie Martha (* 1877); Johannes Reinhold (* 1881)
GND-ID: GND/116816562

Biografie: Alfred Lutz (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 2 (2011), 250-253

Schmohl entstammt einer traditionsreichen württembergischen Architektendynastie. Als Sohn des Ludwigsburger Oberamtsbaumeisters ergriff er denselben Beruf wie sein Vater sowie sein älterer Bruder Paul und studierte an der TH Stuttgart Architektur. Seit 1900 war er in Berlin tätig, zunächst als Mitarbeiter im Architekturbüro Hart&Lesser und von 1902 bis 1907 im Atelier des renommierten Architekten Alfred Messel (1853–1909), zu dessen Lieblingsschülern er zählte. Während dieser Zeit bei Messel – einem der bedeutendsten deutschen Architekten zwischen Historismus und Moderne, berühmt nicht zuletzt für seine Warenhausbauten – war Schmohl in Berlin unter anderem am Bau des großen Kaufhauses Wertheim am Leipziger Platz beteiligt, ebenso an der Planung des Landhauses Schöne im Grunewald und des Grabmals der Familie Rathenau auf dem Waldfriedhof Oberschöneweide. Ab 1908 arbeitete Schmohl als freiberuflicher Architekt, einige Jahre (bis etwa 1912) in Zusammenarbeit mit dem Architekten Alfred Salinger (1872–1935). Die bei Hart&Lesser sowie bei Messel gesammelten Erfahrungen im Geschäftshaus- und Warenhausbau setzten Schmohl und Salinger nun bei einigen Neubauten in die Tat um. Dazu zählt etwa der 1908 entstandene Erweiterungsbau des Konfektionshauses Valentin Manheimer (Berlin-Mitte, Jägerstr. 33). Das fünfgeschossige Gebäude fügten die Architekten dem älteren Teil geschickt an, ohne sich jedoch baulich anzupassen. In Formen eines biedermeierlichen Klassizismus, einer damals einflussreichen Architekturströmung, erheben sich über den gequaderten Rundbogenarkaden im Erdgeschoss (Schaufenster) die drei Hauptgeschosse, welche durch eine kolossale Pilasterordnung streng vertikal gegliedert sind. Die Fassaden sind mit Sandstein bzw. Putz verkleidet. Das mit einem Mansardwalmdach zusammengefasste Attikageschoss ist durch ein kräftiges Gesims abgesetzt, das auf die Höhe des älteren Stammhauses Bezug nimmt. Die vornehme Fassade des 1909 errichteten ehemaligen Geschäftshauses Gartz (Berlin-Mitte, Krausenstr. 9/10) lehnt sich an Architekturformen der Zeit um 1800 an. Während die Fenster des ersten und zweiten Geschosses durch Rundbögen zusammengefasst sind und dieser Geschäftsbereich sowie ein weiteres Geschoss mit Kalksteinen verblendet sind, wird das darüber liegende, durch ein kräftiges Hauptgesims abgesetzte Wohngeschoss durch verputzte Wandflächen bewusst abgehoben. „Schmohl ist – ähnlich wie sein Lehrer Messel – in diesen seinen frühen Schöpfungen erst allmählich von der dekorativen, stark barocken Richtung der Berliner Baukunst des ausgehenden 19. Jahrhunderts … zu strengeren tektonischen Formen durchgedrungen. Die bewegten und etwas weichen Dachabschlüsse der Waren- und Geschäftshäuser sind noch Kennzeichen älterer Richtung“, so die Deutsche Bauzeitung in einem Nachruf 1926. 1945 zerstört und 1956/58 abgetragen wurde die von Schmohl 1912/13 am Berliner Moritzplatz (Kreuzberg) errichtete Filiale des Kaufhauses Wertheim. Der zweifach stumpfwinklig geknickte, fünfgeschossige Bau (mit Lichthof samt gläsernem Gewölbe) besaß mit seinen breiten und flächigen Backsteinpfeilern eine ruhige, klare und übersichtliche Fassadengliederung; die gleichmäßigen, durch vier Obergeschosse reichenden und durch Gesimse gegliederten Fensterzonen schlossen unter dem Walmdach (im Mitteltrakt mit Uhrtürmchen) halbrund ab.
Neben Geschäfts- und Kaufhäusern widmeten sich Salinger&Schmohl in jener Zeit auch dem Bau von Landhäusern. Ein herausragendes Beispiel ist die 1911–1912 errichtete Villa Borsig auf der Halbinsel Reiherwerder bei Tegel, ein repräsentatives zweigeschossiges Schlösschen der Industriellenfamilie in neubarockem Stil. Da der Bauherr Ernst von Borsig eine Anlehnung an Potsdamer Vorbilder wünschte, ist der halbrunde, überkuppelte Vorbau an der Gartenseite und auch die seitliche Säulenhalle vom – allerdings eingeschossigen – Schloss Sanssouci inspiriert. Die Eingangsseite der Villa Borsig ist als Dreiflügelanlage ausgebildet. Seit 1959 diente das Schlösschen als Stammsitz der Deutschen Stiftung für Internationale Entwicklung; nach einer grundlegenden Renovierung wird die Villa Borsig mit ihrer in Teilen noch bauzeitlichen Innenausstattung seit 2006 als Gästehaus des Bundesaußenministeriums genutzt. Für den Berliner Spirituosenfabrikanten Arthur Gilka baute Schmohl 1912 bis 1913 in Kartzow bei Potsdam ein Gutshaus aus der Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem dreiflügeligen, neubarocken Landschloss um. Der ein- bzw. zweigeschossige Putzbau mit mächtigem Mansarddach besitzt an der Hofseite zwei gerundete turmartige Vorbauten, die eine Freitreppe mit schwerem rustikal geschmücktem Portal rahmen. Die Gartenseite hingegen ist mit zwei kurzen Seitenflügeln und früher offenen Loggien im englischen Landhausstil gehalten. Im Inneren sind in mehreren Sälen Teile der originalen Ausstattung (Kamine, Holztäfelung, Stuckdecken) erhalten; Schloss Kartzow soll nach der Sanierung künftig als Hotel genutzt werden. Auf dem St. Matthäus-Kirchhof in Schöneberg (Berlin) gestaltete Schmohl 1914 das Grabmal für seinen großen Lehrer, den Architekten Alfred Messel, in neuklassizistischem Stil – es ist eine von vier dorischen Säulen gegliederte Muschelkalkwand mit Putten-Girlandenfries unter flachem Dreiecksgiebel. Im Auftrag der Berliner Industriellenfamilie Borsig baute Schmohl 1922 die Dorfkirche in Groß Behnitz (Lkr. Havelland), dem Landsitz der Familie, um; unter anderem fügte er eine Patronatsloge sowie einen Sakristeirundbau an und erneuerte auch die Ausstattung. Bereits 1910/11 hatten Salinger&Schmohl das Kreisständehaus in Saarbrücken erbaut, dessen vornehm-neubarocke Formen Bezug auf das in nächster Nachbarschaft stehende barocke Schloss nehmen.
Die Hauptwerke Schmohls sind jedoch zwei Industriebauten, die „zu Wahrzeichen des Aufbruchs der Moderne in Berlin“ (Villa Borsig, 27) wurden. Das 1922 bis 1924 errichtete Verwaltungshochhaus der Borsig AG in Tegel war das erste in Berlin realisierte Hochhaus – ein 65 Meter hoher, elfgeschossiger und klinkerverblendeter Stahlskelettbau in expressionistischen Formen. Das Hochhaus wird durch abgetreppte Klinkergesimse, die jeweils drei Geschosse zusammenfassen, horizontal gegliedert. Auch die Fenster sind jeweils dreifach unterteilt. Besonders markant ist der leicht zurücktretende, durch einen gezackten Umriss geprägte „Dachaufbau in expressiv-mittelalterlicher Formensprache, [ein] zweigeschossiger, polygonaler Festsaal mit durchgängigen Rundbogenfenstern, durch eine Schicht von äußeren Blendbögen betont“ (Georg Dehio: Berlin, 351); darüber erhebt sich, wiederum zurückspringend, eine Art Dachlaterne mit konkav-schwingender Fassade. Der Bau dieses Hochhauses war bedingt durch die beengte Platzsituation auf dem Betriebsgelände, aber auch durch das Bestreben der Firma, ein repräsentatives Wahrzeichen („Borsigturm“) zu errichten. Der Bau markiert den „Beginn des Industrieexpressionismus im Berliner Industriebau“ (Georg Dehio: Berlin, 350). Ebenfalls 1922 bis 1924 hatte Schmohl das Lohnbüro der Firma Borsig – damals der größte Lokomotivproduzent Europas – errichtet, ein zweigeschossiger Backstein- bzw. Werksteinbau mit Pilastergliederung und expressionistischen Details.
1925 begann nach Plänen Schmohls der Bau des Ullstein-Druckhauses in Berlin-Tempelhof für den damals größten Zeitungs- und Zeitschriftenverlag Europas. Als erster Berliner Hochbau erhielt das 1927 fertig gestellte Druckhaus eine „gegossene Stahlbetonkonstruktion“ (Rödel, 69), bedingt durch die gewaltigen Deckenlasten aufgrund der Druckmaschinen. Das sieben- bis achtgeschossige, um einen fast quadratischen Innenhof angeordnete, für rund 1000 Personen ausgelegte Betriebsgebäude zeigt mit roten Klinkern sowie mit Travertin verkleidete Fassaden. Eine Dominante stellt der 77 Meter hohe Turm mit Uhr und ehemaligem Wasserbehälter dar, der das Vorbild des wenige Jahre zuvor entstandenen „Borsig-Turmes“ nicht verleugnet. „Die Vertikalstruktur der Fassade, der bildnerische Schmuck und gotisierende Formelemente am Turm bewirken eine fast sakrale Überhöhung der Arbeitsstätte“ (Nerdinger/Tafel, 113). 1926/27 errichtete Schmohl (nach Vorentwürfen von Paul Kolb von 1914) in vornehmen, versachlichten Formen den Erweiterungsbau des Warenhauses Wertheim am Leipziger Platz in Berlin, der sich in der vertikal betonten Fassadengliederung (vom 2. bis 4. Stockwerk durchgehende, dreiteilige Hochrechtfenster) stilistisch an den angrenzenden berühmten „Kopfbau“ des Kaufhauses (1896–1906) von Alfred Messel anzulehnen versuchte; ein besonderes Schmuckstück im neuen Trakt dieses damals größten Kaufhauses Europas waren der große Lichthof und der kleinere, glasüberdeckte Hof, beide mit Wandverkleidung aus Nussbaumholz (Gebäude im Zweiten Weltkrieg teilzerstört, Ruine 1953–1957 abgebrochen). Weniger geglückt waren jedoch die Größenverhältnisse und die Einordnung des neuen Teils mit seinem zurückgesetzten obersten Geschoss in den baulichen Gesamtzusammenhang.
Im Lietzenseepark in Berlin-Charlottenburg schuf Schmohl 1925 das Gefallenendenkmal des Königin-Elisabeth-Garde-Grenadier-Regiments Nr. 3, eine Kalkstein-Anlage, die in der Mitte eine von Säulen eingefasste, rund fünf Meter hohe Steintafel (Namen der Gefallenen) mit Adler aufweist. Nach Plänen Schmohls errichtete die Wohnungsbaugesellschaft „Heimat“ 1926 bis 1928 Wohnbauten in Berlin-Prenzlauer Berg (Prenzlauer Allee 139 – 144, Kuglerstraße 89 – 99, Dunckerstraße 41 – 41 a, Krügerstraße 18 – 22); es handelt sich dabei um eine fünfgeschossige Blockrandbebauung unter Satteldach, deren Ecken konkav eingezogen, in einem Fall auch gerundet sind. Die Fassaden zur Prenzlauer Allee und Kuglerstraße besitzen Eingangsrisalite mit jeweils zwei – heute teils verglasten – Loggien in jedem Obergeschoss, die Fassaden zur Duncker- und Krügerstraße sind teils durch übereck gestellte Balkone und zweiseitig vorspringende Treppenhäuser geprägt. Noch vor Vollendung des Ullstein-Druckhauses, der Erweiterung des Kaufhauses Wertheim und des Wohnblocks im Prenzlauer Berg starb Schmohl auf dem Höhepunkt seines Schaffens am 18. Juni 1926 im Alter von erst 45 Jahren.
Werke: Das Druckereigebäude der Ullstein AG: Ein Industriebau von der Fundierung bis zur Vollendung, 1927.

Literatur: Berliner Architekturwelt 11 (1909), 141–143; Deutsche Bauztg. 46 (1912), 932; Der Profanbau 8 (1912), 663 f.; Der Baumeister 12 (1914), H. 13, 49–55, B 245, Tafeln 99–105; Deutsche Bauhütte 19 (1915), 234; Berliner Architekturwelt 17 (1915), 181–191; Neudeutsche Bauztg. 18 (1922), 54, 72; Deutsche Bauztg. 59 (1925), 363 f.; 60 (1926), 472; 61 (1927), 217 ff.; ThB Bd. 30, 1936, 178; Berlin und seine Bauten. Teil IX: Industriebauten, Bürohäuser, 1971, 60–62, 140–142, 195; Teil VIII: Bauten für Handel und Gewerbe, Bd. A: Handel, 1978, 13, 31, 37 f., 50 f., 78; Die Bau- und Kunstdenkmale in der DDR. Hauptstadt Berlin I, hg. vom Institut für Denkmalpflege der DDR, 1983, 128, 406; Helga Behn, Die Architektur des deutschen Warenhauses von ihren Anfängen bis 1933, 1984, 102 f.; Winfried Nerdinger/Cornelius Tafel, Architekturführer Deutschland. 20. Jh., 1996, 113; Volker Rödel (Hg.), Reclams Führer zu den Denkmalen der Industrie und Technik in Deutschland, Bd. 2, 1998, 58, 69 f.; Wolfgang Pehnt, Die Architektur des Expressionismus, 1998, 290; Georg Dehio, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler: Berlin, bearb. von Sibylle Badstübner-Gröger u. a., 2. Aufl., 2000, 120, 125, 195, 350 f., 369, 413 f.; Georg Dehio, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler: Brandenburg, bearb. von Gerhard Vinken u. a., 2000, 392; Wolfgang Pehnt, Deutsche Architektur seit 1900, 2005, 118, 538; Paul Sigel/Silke Dähmlow/Frank Seehausen/Lucas Elmenhorst, Architekturführer Potsdam, 2006, Nr. 251; Villa Borsig. Gästehaus des Auswärtigen Amtes und Akademie Auswärtiger Dienst, hg. vom Auswärtigen Amt und Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, 2006.
Suche
Durchschnitt (0 Stimmen)