Leber, Theodor Karl Gustav 

Geburtsdatum/-ort: 29.02.1840;  Karlsruhe
Sterbedatum/-ort: 07.04.1917;  Heidelberg, dort beerdigt am 11.4. auf dem Bergfriedhof
Beruf/Funktion:
  • Augenheilkundler
Kurzbiografie: 1844 Umzug der Familie von Karlsruhe nach Heidelberg
1846 private Elementarschule (die spätere Höhere Bürgerschule)
1848-1857 Lyzeum (Kurfürst Friedrich Gymnasium) Heidelberg bis Abitur, anschließend Medizinstudium
1862 Staatsexamen, dann Assistent an der privaten Augenklinik von Hermann Jakob Knapp (1832-1911) in Heidelberg und Promotion (summa cum laude) bei Hermann von Helmholtz (1821-1894): „Über den Einfuß mechanischer Arbeit auf die Ermüdung der Muskeln“
1863 Wechsel nach Wien an das Physiologische Institut der Josephsklinik unter Karl Friedrich Wilhelm Ludwig (1828-1870), Forschung über das Blutgefäßsystem des Auges bei Ferdinand von Arlt und Eduard von Jäger
1864 Wechsel nach Berlin (Sommer 1864, Virchow und von Graefe), dann nach Paris zu Oskar Liebreich als Assistent; Forschungen über die okuläre Perfusion und den histologischen Bau der Kornea
1865 Angebot einer Assistentenstelle bei Helmholtz abgelehnt
1867 Wechsel nach Berlin an die Klinik von Albrecht von Graefe, Veröffentlichung „Über Retinitis pigmentosa und angeborene Amaurose“ (Lebersche Amaurose)
1869 Habilitation
1871-1917 Mitherausgeber und geschäftsführender Herausgeber von Graefes „Archiv für Ophthalmologie“
1871-1890 In Göttingen Nachfolger von C. Schweigger als außerordentlicher, ab 1873 als ordentlicher Professor; dazwischen Rufe nach Erlangen und Würzburg. Veröffentlichung „Über hereditär und congenital angelegte Sehnervenleiden“ (Lebersche Optikusatrophie)
1881-1917 Mitglied des Ausschusses, ab 1905 Vorsitzender des Vorstandes der Ophthalmologischen Gesellschaft Heidelberg
1890-1917 Ruf nach Heidelberg, als Nachfolger von Otto Becker ordentlicher Prof. für Augenheilkunde und Direktor der Augenklinik; Geheimrat II. Klasse
1910 1. Okt. Emeritierung
1996-2000 Die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft verleiht das (zuletzt von der Firma Alcon Pharma in Freiburg) finanzierte Theodor-Leber-Stipendium zur Förderung der pharmakologischen und pharmakophysiologischen Forschung in der Augenheilkunde, das alle 2 Jahre vergeben wurde
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Ritterkreuz I. Klasse vom Orden Heinrichs des Löwen (1887); von Graefe Medaille (1896, nach von Helmholtz 2. Inhaber, höchste Auszeichnung der Ophthalmologischen Gesellschaft für die besten Leistungen auf diesem Gebiet, einmal pro Jahrzehnt verliehen); Kommandeurkreuz des Ordens vom Zähringer Löwen II. Klasse (1896), I. Klasse (1903); Ehrenmitgliedschaften der physikalisch-medizinischen Sozietät Erlangen (1899), der Gesellschaft der Ärzte Finnlands (1901), der Soc. Belge der Ophthalmologie, der St. Petersburger Ophthalmologischen Gesellschaft und des ärztlichen Vereins in München (alle 1907), der Gesellschaft der Augenärzte zu Moskau (1909)
Verheiratet: 1. 1872 (Göttingen) Alide, geb. Wüstenfeld (1840-1880)
2. 1882 (Göttingen) Ottilie (Olly), geb. Mejer (1849-1916)
Eltern: Vater: Johann Adam (Fritz, 1806-1884), Gymnasiallehrer
Mutter: Apollonia (Lina), geb. Wüstenfeld (1814-1843)
Geschwister: 4
Kinder: keine
GND-ID: GND/116849878

Biografie: Fred Ludwig Sepaintner (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 5 (2005), 176-180

Erstmals 1996, zuletzt im Jahr 2000, verlieh die Ophthalmologische Gesellschaft in Berlin das Theodor-Leber-Stipendium für besondere Leistungen im Bereich der Augenheilkunde in Deutschland. Sie erinnert damit auch an einen der Pioniere ihres Fachs vor nunmehr gut einhundert Jahren.
Lebers Leben umfasst wichtige Stationen der Entwicklung der Augenheilkunde in der Zeit des zweiten Kaiserreichs in Deutschland. Als der Vater 1844 seine Stelle als Lehrer am Kurfürst Friedrich Gymnasium in Heidelberg antrat, nahm er seine drei Söhne von Karlsruhe mit, wo Leber vier Jahre zuvor geboren worden war. Die Mutter war bereits kurz nach der Geburt Lebers verstorben. Eine ausgesprochen liberale Atmosphäre kennzeichnete das Elternhaus und prägte den jungen Menschen; so verabschiedete sich das Heidelberger Tagblatt in seinem Nachruf 1917 dann auch vom allzeit treuen Anhänger der Nationalliberalen Partei. Bereits in der Schule erschien Leber als Musterknabe, eifrig im Lernen, voller Sammelleidenschaft, wissbegierig und intelligent. Schon nach zwei Jahren, im Revolutionsjahr 1848, wurde der Junge ins Lyceum aufgenommen und gehörte fortan zu den Besten. Kaum 17-jährig legte er sein Abitur als Primus ab.
Die Wahl des Studienfachs wurde reiflich bedacht. Die Neigung zur Botanik durfte aber nicht den Ausschlag geben, weil dieses Fach keine hinreichend einträgliche Lebensstellung zu gewähren schien. Der Umgang mit Pflanzen, das „Botanisieren“, wie er es selbst nannte, blieb aber seine lebenslange Leidenschaft. Noch in Lebers letzten Tagen galt neben dem Labor und der Musik dem allseits bewunderten Garten um das Haus in der Blumenstraße 8 ein Gutteil der verbliebenen Kraft und Zuwendung. Mag sein, dass hier ein weiterer Schlüssel zum Verständnis seines späteren Wirkens liegt: im frühen, vorwissenschaftlichen Bemühen um die Systematisierung von Pflanzen, das wohl die Grundlage für Lebers Einsicht in die Bedeutung von Laborarbeit schuf und seine später immer naturwissenschaftlich orientierte, Fächer übergreifende Methodik. Sein Vater und er hatten zuerst an ein Chemiestudium gedacht, davon aber riet der berühmte Robert Bunsen ab. Die Wahl fiel schließlich auf Medizin. Bleibende Impulse erhielt der Studienanfänger dennoch auch von Bunsen, daneben von Friedrich Arnold. Bei Friedreich, den er in der Rückerinnerung am Ende des Lebens sehr lobte, fand Leber den Einstieg in die innere Medizin der pathologischen Anatomie, nachhaltiger und geradezu prägend wurde ihm schließlich aber von Helmholtz, der Erfinder des damals sensationellen Augenspiegels, der auch immer die neuesten Errungenschaften von Physik und Chemie in seine Lehre einbezog. Als Student war Leber zusammen mit seinem Schulfreund Zittel, der dann in München Geologe und Paläontologe war, und dem späteren Historiker Oncken Mitglied der Verbindung „Badenia“, aus der die Burschenschaft „Franconia“ hervorging. Allzu innig aber kann Lebers Engagement nicht gewesen sein, wenn er in diesem Zusammenhang später Goethe zitierend von „wenig Witz und viel Behagen“ sprach; besonders von den Paukereien war er nicht angetan. Freund zeitraubender Geselligkeit war er nie.
Auch als Student erwies sich der junge Leber bald als herausragend. Schnelle Auffassungsgabe, ein brillantes Gedächtnis gepaart mit großem Ordnungssinn und erneut der Drang, forschend zu beweisen, kennzeichneten ihn. So griff er im Sommersemester 1861 die von Helmholtz gestellte Preisfrage über die Ermüdung der Muskeln unter Arbeitsbelastung sogleich auf, obwohl die Fragestellung ihm in der Rückschau als Überforderung für einen Studenten erschien. Aus Versuchen mit ausgeschnittenen Froschschenkeln fand er heraus, dass die Widerstände, welche der Muskel bei der Kontraktion erfährt, von weit größerem Einfluss auf den Grad der Ermüdung sind als die Arbeitsleistung. Sein einziger Mitbewerber war übrigens der spätere Bonner Physiologe Hugo Kronecker, der aber, obwohl er sich schon ein halbes Jahr vor Leber mit der Fragestellung beschäftigt hatte, nicht rechtzeitig fertig wurde – ein Charakteristikum dieses Forschers, wie Leber höhnte. Leber erhielt den ausgesetzten Preis, eine goldene Medaille, war aber selbst mit dem Ergebnis unzufrieden und vertiefte es später, als er bereits Assistent an der Knappschen Augenklinik in Heidelberg war, in seiner bei von Helmholtz geschriebenen Dissertation. Im Frühjahr 1862 wurde der gerade Zweiundzwanzigjährige promoviert.
Damit ging der erste Heidelberger Abschnitt in Lebers Leben dem Ende entgegen. Wien, Berlin, Paris, wieder Berlin und dann Göttingen sollten Stationen sein, bevor er endgültig zurückkehrte. Die Wiener Arbeitsstelle war das Josephinum, wo er am Institut des Physiologen Karl Ludwig begann, sich intensiver mit der Augenheilkunde auseinanderzusetzen. Das Blutgefässsystem des Auges bildete den ersten Forschungsschwerpunkt. Das sich gerade aus der Chirurgie herauslösende neue Fach der Augenheilkunde schien ihm bessere Möglichkeiten zu bieten als die Physiologie, eine Rechnung, die aufgehen sollte. Schon 1864 folgten die nächsten Stationen. Leber hatte einen viel beachteten Vortrag vor der Heidelberger Ophthalmologischen Gesellschaft gehalten und war dabei auch mit von Graefe in Kontakt gekommen, bei dem er im Sommer dieses Jahres einige Monate arbeitete. Er folgte dann aber der Einladung, als Assistent seine Forschungen in Paris fortzusetzen und sich intensiv auf pathologisch-anatomische Untersuchungen am Auge zu konzentrieren. Diese Phase dauerte bis Ostern 1867, dann wechselte Leber erneut und diesmal für vier Jahre an die damals wohl vornehmste Adresse auf seinem Gebiet in Deutschland, die Klinik von Albrecht von Graefe in Berlin. In Albrecht von Graefe fand Leber den zweiten, sein Leben als Wissenschaftler und seine wissenschaftliche Methodik prägenden Lehrer. „Von ihm habe ich gelernt, wie klinische Erfahrungen, pathologisch-anatomische Beobachtung und experimentelle Ergebnisse sich gegenseitig ergänzen und durchdringen müssen“, bekannte er später. Vieles, was von Graefe klinisch beobachtet hatte, wurde von Leber wissenschaftlich untermauert. Die bei von Helmholtz und Ludwig gesammelte und fortwährend vertiefte Erfahrung in der Umsetzung experimenteller Methoden der Physiologie naturwissenschaftlicher Erkenntnisse kam ihm dabei zugute. Lebers erste grundlegende Arbeit „Über Retinitis pigmentosa und angeborene Amaurose“ entstand während der Berliner Jahre. Das erstmals beschriebene Krankheitsbild trägt bis heute den Namen „Lebersche Amaurose“.
Bald nach dem frühen Tod von Graefes, dessen Stelle Leber zeitweise kommissarisch verwaltet hatte, wechselte er 1863 als Ordinarius für Augenheilkunde nach Göttingen, wo er 17 Jahre wirken sollte. Sein Vorgänger auf dem Lehrstuhl, C. Schweigger, war in Berlin Nachfolger von Graefes geworden. Noch im gleichen Jahr erschien eine weitere der grundlegenden Arbeiten Lebers: „Über hereditär und congenital angelegte Sehnervleiden“. Darin stellt er die seither so genannte „Lebersche Optikusatrophie“ dar.
Endlich 1890 begann mit dem Ruf in die alte Heimat der letzte, entscheidende Abschnitt im Leben Lebers, der über die zwanzig Jahre und die Emeritierung hinaus bis zu seinem Tod währte. Bei Kollegen wie Patienten war Leber bald gleichermaßen geschätzt. Schwierige Fälle in der Klinik nahm er durchweg selbst in die Hand, verlangte bei derart gelagerten Neueinlieferungen immer sofort benachrichtigt zu werden, machte täglich, auch sonntags, die klinische Visite. Die Privatpraxis scheint ihm dagegen eher Last denn Lust gewesen zu sein, nur wohlgeschätzte Nebeneinnahme. Seine Krankenbehandlung war geprägt von großer Geduld. Sie war nie wagemutig, Kennzeichen aber blieb der therapeutische Optimismus des sicher agierenden erfahrenen Arztes, der zum Erfolg führte.
Die ihm eigene Sorgfalt war auch für seine Lehre charakteristisch. Seine Vorlesungen glichen eher einer erweiterten Poliklinik, wohl ausformulierte Manuskripte bildeten die Grundlage. Erst in der Diskussion blitzte seine Lebendigkeit auf, sein profundes umfassendes Wissen und die Stringenz seines Denkens. Der Ordinarius für Augenheilkunde wurde in den zwei Jahrzehnten seines aktiven Wirkens nicht nur zu einem der renommiertesten Vertreter der Medizin an der Heidelberger Universität, er galt bald schon neben von Graefe, von Arlt und Franz Cornelius Donders als einer der Begründer der modernen Ophthalmologie. Die Lebersche Schule war zu Beginn des 20. Jahrhunderts über Deutschland hinaus vertreten; allein fünf Direktoren von Augenkliniken gingen aus ihr hervor: Wagenmann, sein Heidelberger Nachfolger, Otto Schirmer in Greifswald, Adolf Vossius in Gießen, O. Schnaudigel in Frankfurt und Richard Deutschmann in Göttingen.
Seine Forschungsergebnisse veröffentlichte Leber meist im Archiv für Augenheilkunde, dessen Redaktion er nach von Graefes Tod mit übernommen hatte, und in den Berichten der Heidelberger Ophtalmologischen Gesellschaft, die er auch lange Zeit leitete. Er deckte mit seinen Publikationen alle damals wichtigen Bereiche des Fachs ab, von histologischen Studien über Kornea und Linse bis zu den Netzhauterkrankungen, wobei er weitere Standardwerke publizierte, so zu diesem Themenbereich und 1903 über „Die Ernährungsverhältnisse des Auges“; bahnbrechende Neuerkenntnisse über die Physiologie des Auges sind darin enthalten. Leber selbst bekannte 1896 in seiner Dankesrede nach der Überreichung der von-Graefe-Medaille, was ihn zur Forschung anregte: die Vorgänge am lebendigen Organismus, die Einsicht in das Wesen und den Zusammenhang krankhafter Störungen. Seine bis heute durchaus modern anmutenden Grundeinsichten fasste er schließlich in seiner Abschiedsvorlesung über die Bedeutung des Auges als Forschungsgebiet für die Gesamtmedizin zusammen. Sie geriet zur Gesamtschau seiner Forschungsansätze. Er definierte den Stellenwert seines Fachs innerhalb der Medizin. Klarheit und Zugänglichkeit für die Untersuchung mache beim Auge sehr oft auch besonders feine Veränderungen sichtbar, die einen nützlichen Fingerzeig für Diagnose und Behandlung abgeben. Praktischen Themen wie Behandlungsmethoden hat er sich in seinem überlieferten Werk dagegen nur selten zugewandt, etwa bei der „Demonstration eines einfachen Durchleuchtungsapparates des Auges“ bei der 30. Versammlung der Ophthalmologischen Gesellschaft in Heidelberg 1902.
Nach der Emeritierung blieb Leber in Heidelberg. Dass er sich vom Klinik- und Lehrbetrieb künftig fernhalten und sich ganz seinen wissenschaftlichen Projekten zuwenden wolle, hatte er beim Abschied angekündigt. Weitere Beiträge in von Graefes Archiv zeugen von den Erträgen, vor allem aber gelang ihm auch noch das große Vorhaben, „Die Krankheiten der Netzhaut“ für die 2. Auflage des Handbuchs der Augenheilkunde neu zu bearbeiten und damit einem wichtigen Teil seines Lebenswerks den Schlussstein zu setzen. Auch äußerlich erscheint Leber in seinen letzten Jahren als der gestaltgewordene Gelehrte seiner Zeit: eine schmächtige, gebückte Gestalt, beherrscht vom „Darwinkopf“ (von Hippel) mit dem vollen, die feinen Züge des ovalen Gesichts umrahmenden und über die Jahre weiß gewordenen Bart. Kontrapunkte bildeten die ebenso mächtigen Brauen, tief liegende Augen, die im Alter durch den geschwundenen Haaransatz überhöhte Stirn. Was den Bildern nach einst Kraft ausgestrahlte, auf festen Willen, Härte fast gedeutet haben mag, war mit den Jahren gewichen, hatte ganz der „Güte und Milde“ (Eversbusch) des Alters Platz gemacht.
Fraglos markiert der Tod seiner zweiten Frau im Februar 1916 den letzten tiefen Einschnitt im Leben Lebers. Die „Lebensgefährtin im edelsten Sinne“ (von Hippel) – seine erste, immer wieder kränkelnde Frau war früh verstorben – hatte bis zuletzt mit großem Interesse die Arbeit ihres Mannes verfolgt, ganze Tage leise, einer anderen Beschäftigung nachgehend, mit ihm im Labor zugebracht. Es mag etwas Wahres an der Darstellung der Nichte sein, die den Onkel 1916 als gebrochenen, seiner geistigen Spannkraft verlustigen Mann schildert. Denn nun blickte er vornehmlich zurück, schrieb Erinnerungen nieder, an den Vater, über sein eigenes Leben. Er verfasste aber auch noch einen Nachruf auf seinen Lehrer Liebreich und arbeitete an einem Überblick über die Entwicklung der Augenheilkunde. Dennoch, den gewohnten Lebensrhythmus behielt er bis zum letzten Tag bei, das frühe Aufstehen, das stundenlange, meist bis in die Nacht ausgedehnte Mikroskopieren; noch immer unternahm er auch seine ausgedehnten Spaziergänge um den Gaisberg. Die Gebrechen des Alters indessen, selbst die hat er akribisch aufgezeichnet und suchte sie wissenschaftlich zu ergründen, mehrten sich: Arteriosklerose, Schlaflosigkeit, Ödeme in den Beinen. Dennoch kam der Tod jäh. Er besuchte die Ohrenklinik, unterhielt sich mit der Oberin, als er plötzlich den Kopf zur Seite neigte: ein Herzschlag hatte ihn ereilt. Eine beachtliche Reihe von forschungsgeschichtlich bedeutenden Neuerkenntnissen über den Fachbereich der Augenheilkunde hinaus finden sich in Lebers Werk, etwa der Zusammenhang von Diabetes und Augenleiden, über entzündliche Prozesse und Eiterbildung, Tuberkulose und das Auge. Gleich fünf ophthalmologische Eponyme machen bis heute auf sein Wirken aufmerksam: die Lebersche Amaurose (= Sehminderung), eine angeborene oder bald nach der Geburt auftretende massive Minderung der Sehkraft, die zur Blindheit reichen kann, die Leberschen Miliaraneurismen, eine retinale Teleangiektasie (= Gefäßerweiterung), wobei meist Gefäße der temporalen Peripherie betroffen sind, die Lebersche Opticusatrophie, die seltene, angeborene und meist bei jungen Männern auftretende rasch fortschreitende Sehminderung mit zentralen Skotomen (= Gesichtsfeldausfällen) und Veränderungen des Augenhintergrunds, der Lebersche Plexus, ein kleiner venöser Plexus zwischen dem Schlemmschen Kanal und den Fontanaschen Räumen, und schließlich das Franceschetti-Leber-Phämomen, eine paroxysmale conjunctivale Hyperämie (= anfallartige Bindehaut-Rötung). Zu seiner Zeit war Leber der wichtigste Vertreter seines Fachs in Deutschland, einer der bedeutendsten in Europa, und wer die Geschichte der Augenheilkunde während des Wilhelminischen Kaiserreichs schreiben wollte, „müsste Leber in den Mittelpunkt seiner Darstellung setzen“ (von Hippel). Ihm gebührt das Verdienst, intensive Laborarbeit zum Grundansatz für beweisbare Erkenntnisse eingeführt zu haben. Er hat dem noch jungen Fach einen Gutteil seines wissenschaftlichen Fundaments beigesteuert und fachliche Autonomie gesichert.
Quellen: Nachlass im Familienbesitz (Heidelberg); UA Heidelberg PA 1910 u. 1047, H III 111/69 Pg. 55 (Promotionsakten u. Doktordiplom), KE 33 (Nachlasssplitter, darin Durchschrift des Fragments d. Lebenserinnerungen Lebers, MS d. letzten Vorlesung, Erinnerungen seiner Nichte Olly Sehrt, geb. Wolff, u. seiner Pflegerin E. Prilipp über den letzten Lebensabschnitt Lebers, Nachrufe zahlreicher Zeitungen u. Sonderdrucke); 2002 u. 2003 schriftl. u. mündl. Hinweise d. Firma Alcon Pharma GmbH, Freiburg; 2004 Hinweise von Dr. Andrea Reimsbach, Ludwigshafen, u. Dr. Tobias Brunner, Universitätsaugenklinik Freiburg, an den Verfasser.
Werke: Verzeichnis bei von Hippel u. Reichle (vgl. Lit.); Auswahl: Über den Einfluß d. Leistung mechanischer Arbeit auf die Ermüdung d. Muskeln, (Diss. med., Heidelberg), 1862, gedr. in: Zs. für ration. Medizin 18, 1863, 262-288; Anatomische Untersuchungen über die Blutgefäße des menschlichen Auges. Denkschrift d. kaiserl. Akad. d. Wissenschaften Wien, 24, 1865; Untersuchungen über den Verlauf u. Zusammenhang d. Gefäße im menschlichen Auge, in: Albrecht von Graefe’s Archiv für Ophthalmologie [AfO] 11, 1, 1865, 1-57; Über Retinitis pigmentosa u. angeborene Amaurose, in: AfO 15, 3, 1869, 1-25; Über hereditäre u. kongenital angelegte Sehnervleiden, in: AfO 17, 2, 1871, 249-291; Studien über den Flüssigkeitswechsel im Auge, Nr. 1-5, in: AfO 19, 2, 1873, 87-185 u. Nr. 6., ebd. 20, 2, 1874, 205-248; Über die Erkrankungen des Auges bei Diabetes mellitus, in: AfO 21, 3, 1875, 206-237; Die Zirkulations- u. Ernährungsverhältnisse des Auges, in: von Graefe-Saemisch (Hgg.), Handb. d. gesamten Augenheilkunde [v. Graefe-Saemisch], Bd. 2, 1876, 302-392.; Die Krankheiten d. Netzhaut u. d. Sehnerven, ebd., Bd. 5, 1877, 521-1048; Die Entstehung d. Entzündung u. die Wirkung d. entzündungserregenden Schädlichkeiten nach vorzugsweise am Auge angestellten Untersuchungen, 1891; Über die Ernährungsverhältnisse des Auges, Sitzungsber. des 9. int. ophthalmolog. Kongresses in Ütrecht, 1899; Die Zirkulations- u. Ernährungsverhältnisse des Auges, in: v. Graefe-Saemisch Teil 1, 1903, Kap. 11; [Abschiedsvorlesung], MS, o. J. [1903], (vgl. Quellen); Beiträge zur Kenntnis d. Struktur des Netzhautglioms, in: AfO 73, 1911; Die Krankheiten d. Netzhaut, in: v. Graefe-Saemisch, 2. Aufl. 1916; ; Lebenserinnerungen (vgl. Quellen, MS o. J. [1916/17]).
Nachweis: Bildnachweise: Büste (Bronze, Augenklinik Heidelberg 1910 aufgestellt); Gemälde (Öl, Malerin M. Kratz, Karlsruhe 1891, im Besitz d. Univ. Heidelberg); Fotografien u. a. in d. Bildersammlung des UA Heidelberg, in Eversbusch, 1910, Reichle, 1973, zuletzt Gerste, 2000 (vgl. Lit.).

Literatur: (Auswahl) FS für T. Leber [zur Feier seines 70. Geburtstages gewidmet von dankbaren Schülern], (ohne Bibliographie d. W von Leber, mit Bild), in: AfO 74, 1910 (564 S.); O. Eversbusch, T. Leber, in: Münchner med. Wochenschr. 8, 1910, 416 f.; E. v. Hippel, T. Leber, Nachruf, in: Klin. Monatsbll. Augenheilkunde 58, 1917, 548-566; O. Schnaudigel, T. Leber, Nachruf in: Frankfurter Ztg. vom 8.4.1917 (mit Bild); T. Leber, in: Heidelberger Tagblatt vom 10.4.1917; J. Hirschberg, T. Leber, in: v. Graefe-Saemisch 15, 2, 1918, 52-60; K. Reichle, T. K. G. Leber Leben u. Werk unter bes. Berücksichtigung seiner Tätigkeit in Heidelberg, (Diss. med. Heidelberg), 1973 (mit Werk- u. Literaturverz. u Bild); NDB 15, 1985, 19 f.; Die ärztliche Versorgung d. Verwundeten d. Schlacht von Königgrätz – Nach Berichten des US-amerik. Militärarztes Dr. Darley u. des Augenarztes T. Leber, in: Hradek Kralové, 1866-1991: Königgrätz, hg. vom Histor. Inst. d. SA, 1992, 225-240; M. Blum, T. Leber 1840-1917, Stationen eines beruflichen Werdegangs, in: Klin. Monatsbll. Augenheilkunde 201, 1992, 51-54; R. D. Gerste, T. Leber, in: Zs. prakt. Augenheilkunde 21, 2000, 509-514 (mit Bild).
Suche
Durchschnitt (0 Stimmen)