Le Blanc, Max Julius Louis 

Geburtsdatum/-ort: 26.05.1865; Barten (Ostpreußen)
Sterbedatum/-ort: 31.07.1943; Leipzig
Beruf/Funktion:
  • Chemiker
Kurzbiografie: 1873 IX.–1883 III. Gymnasium in Insterburg bis 1874, dann Friedrichskollegium Königsberg bis 1877 u. Gymnasium Rastenburg bis 1883
1883 V.–VIII. Studium rer. pol. an d. Univ. Tübingen
1884 X.–1888 Studium d. Chemie an d. Univ. München, WS 1884/85 u. SS 1885, dann Berlin, dort Promotion zum Dr. phil.: „Über die Bedingungen d. direkten Ersetzbarkeit des an Kohlenstoff gebundenen Wasserstoffs durch Metalle oder Alkyle nebst einem Beitrag zur Kenntniss d. Homo-o-phtalsäure“
1889 IV.–1890 Zuhörer an d. Univ. Leipzig, physikalische Chemie, dann Assistent am 2. Chem. Laboratorium bei Wilh. Ostwald
1891 VII. 30 Habilitation: „Die elektromotorischen Kräfte d. Polarisation“; Probevorlesung: „Über die Entwickelung d. elektrischen Dissociationstheorie“
1894 IV. Teilnahme an d. Gründungsversammlung d. „Dt. Elektrochemischen Gesellschaft“, seit 1902 „Dt. Bunsen-Ges. für physikalische Chemie“
1895 XII. 14 nichtplanm. ao. Professor an d. Univ. Leipzig
1896 X. 1 Leiter d. elektrochem. Abt. d. Farbwerke Höchst bei Frankfurt
1901 IV. 1–1906 o. Professor u. Direktor des Instituts für Physikal. Chemie u. Elektrochemie an d. TH Karlsruhe
1906 X. 1–1933 X. o. Professor u. Direktor des Instituts für Physikal. Chemie an d. Univ. Leipzig bis zur Emeritierung, 1921/22 Dekan d. philos. Fakultät, 1925/26 Rektor
1911 V.–1914 V. Erster Vorsitzender d. Bunsengesellschaft
1920 I.–1937 XII. Sekretär d. Math.-Phys. Klasse d. Sächsischen Akad. d. Wiss. zu Leipzig, Mitglied ab April 1907
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1895 (Königsberg) Else, geb. Raths († nach 1943)
Eltern: Vater: Gustav Karl Louis (1827–1915), Baumeister, später Landes-Bauinspektor in Rastenburg, schließlich Geh. Baurat in Allenstein
Mutter: Marie, geb. Kickton (1836–1900)
Geschwister: ?; darunter Hans (* 1858)
Kinder: 3; Helmut (1896–1917), Susanne (* 1898) u. Renate (* 1907)
GND-ID: GND/116850035

Biografie: Alexander Kipnis (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 6 (2011), S. 248-251

Le Blancs Vater, ein Baumeister, entstammte einer Hugenottenfamilie. Wegen seines Berufes wechselte die Familie mehrfach ihren Wohnort. So wurde Le Blanc in Barten geboren, wo er seine ersten Privatstunden erhielt. Er besuchte dann das Gymnasium in Insterburg, das Friedrichskollegium zu Königsberg und ab Herbst 1877 das Gymnasium in Rastenburg.
Schon im Gymnasium entschied sich Le Blanc für ein Chemiestudium, das er aber erst nach anderthalb Jahren in München begann und dann in Berlin fortsetzte. Der begabte Student war dort 1886 Privatassistent bei dem berühmten August Wilhelm von Hofmann (1818–1892), der ihn auch promovierte. Trotzdem sagte ihm die organische Chemie nicht zu. Le Blanc hatte 1888/89 sogar daran gedacht, die Chemie ganz aufzugeben und Geologe zu werden. Erst die Bekanntschaft mit der „Zeitschrift für physikalische Chemie“, die der spätere Nobelpreisträger Wilhelm Ostwald (1853–1932) seit 1887 in Leipzig herausgab, wodurch er die physikalische Chemie als eine selbständige Wissenschaft konstituierte, änderte Le Blancs Vorhaben: Rasch entschlossen übersiedelte er nach Leipzig, um sich bei Ostwald dieser neuen Wissenschaft zu widmen. Während zwei Semestern war er nur „Zuhörer“, der in Ostwalds Laboratorium arbeiten durfte, schließlich aber bekam er eine Assistentenstelle und beschäftigte sich im Praktikum vorwiegend mit elektrochemischen Fragen. Schon im Sommer 1891 konnte Le Blanc sich mit einer wichtigen Arbeit über die Elektrolyse, die er später weiterentwickelte, habilitieren.
Als Privatdozent kündigte Le Blanc eine Vielzahl von Themen an – Thermochemie, Grundzüge der physikalischen Chemie, Geschichte der Chemie im 19. Jh., quantitative Analyse, vor allem aber „Elektrochemie auf experimenteller Grundlage“. Gleichzeitig entfaltete er eine ausgedehnte literarische Tätigkeit und wirkte als Referent und Übersetzer auf dem Gebiet der Elektrochemie an sieben Fachzeitschriften Deutschlands mit. Das half ihm, sein „Lehrbuch für Elektrochemie“ zu verfassen, das aus seinem letzten Kolleg entstand und das er Ostwald widmete. Dieses auf den damals modernsten Theorien basierende Lehrbuch brachte es in drei Jahrzehnten auf zwölf Auflagen. Le Blanc, der damals bereits zu den führenden Elektrochemikern Europas zählte, gehörte im April 1894 zu den Gründern der „Deutschen Elektrochemischen Gesellschaft“ in Kassel. Mit dieser 1902 in „Deutsche Bunsen-Gesellschaft für physikalische Chemie“ umbenannten Vereinigung blieb er zeitlebens eng verbunden, 1911 bis 1914 war er ihr Erster Vorsitzender und 1936 wurde er zum Ehrenmitglied gewählt.
Vermutlich war es die Gründung einer Familie, die den gerade zum ao. Professor Ernannten dazu bewegte, seine akademische Karriere zu unterbrechen und eine gut bezahlte Position in der Industrie anzunehmen. Im Oktober 1896 wurde er Leiter der neuen elektrochemischen Abteilung der Farbwerke Höchst bei Frankfurt. Nach seinen Erinnerungen standen ihm während dieser viereinhalb Jahre, „stets unbeschränkte Mittel für neue Versuche zur Verfügung“. Das erlaubte insbesondere, das dringende Problem der elektrochemischen Regeneration von Chromsäure aus Chromsulfat-Ablaugen der Alizarinfabrikation effektiv zu lösen. Diese Erfindung wurde in Deutschland und in den USA patentiert. Le Blanc, der die Patentliteratur stets aufmerksam verfolgte, bewahrte sein lebhaftes Interesse und Verständnis für technische Probleme lebenslang. Dennoch blieb er im Kontakt mit dem akademischen Leben. In Frankfurt organisierte er eine Ortsgruppe der „Deutschen Elektrochemischen Gesellschaft“, hielt einige Vorträge und wirkte zeitweise als 1. Vorsitzender.
1898 wurde an der TH Karlsruhe, dank der Initiative von C. Engler (➝ V 67) und H. Bunte (➝ V 35) mit der Errichtung eines Lehrstuhls für physikalische Chemie begonnen. Man hatte mit Le Blanc als bestem Kandidaten Verhandlungen aufgenommen, auch wenn Ostwald meinte, dass mit Le Blanc nicht zu rechnen sei, „da er das 2- bis 3-fache der Ihrerseits genannten Summe bezieht“. Deswegen wurden Le Blanc dann auch verlockende Bedingungen geboten: ein hohes Gehalt und die Gestaltung des neuen Instituts. So kehrte er 1901 „unter Verzicht auf materielle Vorteile“ in die akademische Laufbahn zurück.
Seine bedeutende Leistung in Karlsruhe war der Aufbau des neuen Instituts für physikalische Chemie und Elektrochemie. Nach fast drei Jahren meinte er, dass das Ergebnis „auch die verwöhntesten Ansprüche“ befriedigen könne. In diese Periode fällt die „12. Jahresversammlung der Bunsen-Gesellschaft“, bei der Le Blanc als Gastgeber sein Institut vorstellte und für die Errichtung von Lehrstühlen für physikalische Chemie in allen Hochschulen Deutschlands plädierte. Einige seiner Karlsruher Arbeiten waren insbesondere auf die elektrolytische Gewinnung von Alkalimetallen und auf die unerwarteten Möglichkeiten der Elektrolyse mit Wechselstrom gerichtet.
1906 wurde Le Blanc als Nachfolger Ostwalds nach Leipzig berufen und erweiterte auch dort das Institut. Sein Arbeitsgebiet erstreckte sich inzwischen auf mehrere physikalisch-chemische Disziplinen: Fotochemie, Kolloidchemie und Festkörperchemie, die damals erst aufkeimte. Le Blanc war zwar kein markanter Gelehrter wie Ostwald, konservativ, mit praktischer Klugheit begabt und sehr zuverlässig verstand er sich aber in die philosophische Fakultät wohl einzuordnen und war auch ihr Dekan.
Wegen Taubheit auf einem Ohr war Le Blanc im I. Weltkrieg vom Militärdienst befreit, stellte sich aber zur Verfügung und erarbeitete für die Marine eine Methode zur Gummiregenerierung, die auch später angewandt wurde. Mehr als ein Jahrzehnt beschäftigten sich Le Blanc und seine Mitarbeiter dann mit Kautschukforschungen und Problemen der Vulkanisation. Bei seiner zweisemestrigen Vorlesung über physikalische Chemie war die zweite Hälfte immer der „Elektrochemie mit Demonstrationen unter Berücksichtigung der Technik“ gewidmet; denn er legte besonderen Wert auf die Arbeit im Laboratorium, wobei er die Selbständigkeit seiner Schüler besonders förderte. Diese schätzten Le Blancs „gerechten und gütigen Charakter, […] die Geradheit seiner Gesinnung, […]die Unbestechlichkeit und Weite seines reifen Urteils“, so sein Nachfolger K. F. Bonhoeffer (1899–1957).
Nach seiner Emeritierung zog sich Le Blanc völlig von der Universität zurück, wirkte aber weiter in der Sächsischen Akademie der Wissenschaften, zu deren Sekretär er ab 1920 immer wieder gewählt wurde. In dieser Eigenschaft förderte er die weitere Herausgabe des weltbekannten Nachschlagwerks „Poggendorffs biographisch-literarisches Handwörterbuch“.
Le Blanc, der befreundet war mit seinem Landsmann, dem Leipziger Oberbürgermeister Carl Goerdeler (1884–1945), einem führenden Mitglied des deutschen Widerstands, trat in seinen Vorträgen als sehr national gesinnter Mensch auf. Seine wissenschaftlich geprägte Objektivität aber bewahrte ihn vor Konzessionen dem NS-Regime gegenüber. Er sah „mit nüchterner Deutlichkeit“ Krieg und Katastrophe voraus (K. F. Bonhoeffer). Der Tod ersparte ihm dann aber das Erlebnis der Bombenangriffe auf Leipzig, der Hinrichtung Goerdelers und des Verlusts der ostpreußischen Heimat.
Die Publikationen Le Blancs, insgesamt etwa 130, einschließlich der Patente, betreffen fast alle Gebiete der Chemie. Seine wichtigsten Arbeiten, durchweg aus der Sturm- und Drang-Periode der theoretischen Elektrochemie Ende des 19. Jh.s, waren maßgebend für die Erforschung der Elektrolyse; von ihm stammt zum Beispiel der Begriff „Zersetzungsspannung“. Le Blanc war auch der Erste, der die Polarisation bei Elektrolyse an Kathode und Anode getrennt maß. Er hatte seine Platin-Wasserstoff-Elektrode als Referenz-Elektrode eingeführt, was als eine seiner größten Leistungen gilt. Folgenreich war seine Einführung des Oszillographen in die elektrochemische Versuchstechnik, und in der technischen Elektrochemie erzielte er wesentliche Ergebnisse. Experimentator par excellence lieferte Le Blanc auch gediegene Arbeiten in vielen anderen Bereichen; neben den Untersuchungen zum Kautschuk gilt dies besonders für seine Forschungen über Metalloxide.
Quellen: UA Tübingen 40/127, Nr. 4 u. Nr. 5; GLA Karlsruhe 235/4112; UA Karlsruhe 21001/52 u. 21001/808, Bl. 447–452; UA Leipzig PA 320 u. Auskunft vom 22. 2. 2007; Auskünfte des UA München vom 29.1. 2007, des HStA Dresden vom 27.2.2007 u. des A d. Sächs. Akad. d. Wiss. vom 12. 2. 2007.
Werke: Werkverzeichnis in: M. Volmer, Max Le Blanc, in: Zs. für Elektrochemie 41, 1935, 309–314 (vgl. Literatur). – Auswahl: Über die Bedingungen d. direkten Ersetzbarkeit des an Kohlenstoff gebundenen Wasserstoffs durch Metalle oder Alkyle nebst einem Beitrag zur Kenntnis d. Homo-o-phtalsäure, Diss. phil. Berlin 1888; Ein Beitrag zur Kenntnis des Isochinolins u. seiner Derivate, in: Berr. d. Dt. Chem. Ges. 21, 1888, 2299 f.; Elektromotorische Kräfte d. Polarisation, in: Zs. für physikalische Chemie 8, 1891, 1–34 u. 12, 1893, 333–358; Lehrbuch d. Elektrochemie, 1895 bis 11.–12. Aufl. 1925; (mit J. Brode) Die Elektrolyse von geschmolzenem Ätznatron u. Ätzalkali, ebd. 8, 1902, 697–707, 717–729, 817–822; Die Darstellung des Chroms u. seiner Verbindungen mit Hilfe des elektrischen Stromes, 1902 (amerikanisch 1905); Elektrolyse mit Wechselstrom, in: Zs. für Elektrochemie 9, 1903, 636–639 u. 11, 1905, 704 –708; Das Institut für physikalische Chemie u. Elektrochemie d. TH Karlsruhe, ebd. 10, 1904, 238–242; Amerikanische Reiseeindrücke, in: Verhandll. des Naturwissenschaftlichen Vereins zu Karlsruhe 18, 1905, 48–75; Die elektromotorischen Kräfte d. Polarisation u. ihre Messung mit Hilfe des Oszillographen, in: Abhh. d. Dt. Bunsen-Ges. 3, 1910, 1–79; (mit F. Kerschbaum) Elektrizitätsleitung durch Glas, in: Zs. für physik. Chemie 72, 1910, 468– 507; Elektrochemie, in: Die Kultur d. Gegenwart, 3. Teil, 3. Abt., 2. Bd. (Chemie), 1913, 334 –375; Deutsche Chemie, in: Dt. Revue 43, 1918, Bd.3, 208–230; (mit C. Bühl) Über Schwefelsäureanhydrid, ein chemisches Chamäleon, in: Berr. über Verhandlungen d. Sächs. Akad. d. Wiss., Math.-phys. Kl. 74, 1922, 106–144; (mit K. Richter) Verhalten u. Eigenschaften von Magnesiumoxyden verschiedener Herkunft, in: Zs. für physik. Chemie 107, 1923, 357–402; Vergleich zwischen Anteilen d. verschiedenen Völker an d. Entwickelung d. Chemie, Rektorwechsel an d. Univ. Leipzig vom 31. 10. 1925, 23–45; (mit E. Möbius) Untersuchungen über Kobaltoxyde u. deren Systeme mit Sauerstoff, in: Zs. für physik. Chem. A 142, 1929, 151–176; (mit M. Kröger), Grundlagen u. Grenzen d. elastischen Eigenschaften des Kautschuks u. d. kautschukähnlichen Stoffe, in: Ergebnisse d. angew. Physikalischen Chemie 1, 1931, 289–351; (mit G. Wehner) Untersuchungen über die Umwandlung in fester Phase beim System Kupfer-Gold, in: Ann. d. Physik 14, 1933, 481–509.
Nachweis: Bildnachweise: Porträt, Öl, 93x83 cm, von Margarete Bethe-Löne, 1928 im Besitz d. Univ. Leipzig, farbige Reproduktion in: Konrad Krause, Alma mater Lipsiensis, 2003, 446 (vgl. auch Literatur).

Literatur: Poggendorffs Biogr.-literar. Handwörterb. IV, 1904, 850, V, 1926, 718, VI, 3. Teil, 1938, 1480 u. VIIa, 3. Teil, 1959, 44 (mit Bibliographie). – Auswahl: M. Volmer, Max Le Blanc als Forscher u. Lehrer zu seinem 70. Geburtstag, in: Zs. für Elektrochemie 41, 1935, 309–314 (mit Bildnachweis u. Werkverzeichnis); K. F. Bonhoeffer, Max Le Blanc †, in: Forschungen u. Fortschritte 19, 1943, 371 f.; Ad. Koenig, Max Le Blanc, in: Die TH Fridericiana Karlsruhe, FS zur 125 Jahrfeier, 1950, 74 (mit Bildnachweis); K. F. Bonhoeffer, Gedenkworte an Max Le Blanc, in: Zs. für Elektrochemie 55, 1951, 74 f. (mit Bildnachweis); K. Bürger, Le Blanc, Max in: Ernst Bahr u. Gerd Brausch (Hgg.), Altpreußische Biographie Bd. IV, 2. Lief., 1984, 1243 f.; S. J. Kopperl, Le Blanc, in: Dictionary of Scientific Biography, vol. VIII, 1973, 112 f.; A. Bachner, Le Blanc, in: NDB 14, 1985, 21; K. Hansel, U. Messow u. K. Quitzsch, (Hgg.), Max Le Blanc u. Wilhelm Ostwald in ihren Briefen. Mitteilungen d. Wilhelm- Ostwald-Ges. zu Großbothen e. V., Sonderh. 2, 1998, 1–32 (mit Bildnachweis).
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