Gropengießer, Hermann August Wilhelm 

Geburtsdatum/-ort: 09.10.1879; Braunschweig
Sterbedatum/-ort: 24.11.1946;  Mannheim
Beruf/Funktion:
  • Gymnasialprofessor, Archäologe, Museumsleiter
Kurzbiografie: 1898 Abitur am Humanistischen Gymnasium in Mannheim
1898-1903 Studium (Klassische Sprachen, Archäologie, Germanistik, Philosophie) an der Universität Heidelberg mit Abschluß durch Philologisches Staatsexamen in Latein, Griechisch, Deutsch und Philosophie
1903-1905 Lehramtspraktikant (Referendar) am Gymnasium in Heidelberg
1903-1906 Assistent am Archäologischen Institut der Universität Heidelberg
1905 Apr.-1908 Apr. mit Unterbrechung Lektor für Griechisch und Latein an der Universität Heidelberg
1906 Sep.-1907 Sep. Assistent am Deutschen Archäologischen Institut in Athen unter Prof. Wilhelm Dörpfeld
1907 Jan. Promotion zum Dr. phil. „summa cum laude“
1909 Jan. Dienstantritt am Karl-Friedrich-Gymnasium in Mannheim
1910 Feb. Kustos des Großherzoglichen Hofantiquariums in Mannheim
1911/12 Entdeckung und Ausgrabung der römischen Marktbasilika in Ladenburg
1913 Okt. Ernennung zum Prof. am Mannheimer Gymnasium und Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit
1915 Jun. Einberufung
1916-1920 französische Kriegsgefangenschaft, danach erneut Kustos des Antiquariums
1920-30 Vorsitzender des Südwestdeutschen Verbandes für Altertumsforschung sowie Vorsitz der Jahrestagung des Südwestdeutschen Verbandes für Altertumsforschung und der Sektion I im Gesamtverein der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine
1922 Apr. Amtlicher Pfleger für die Ur- und Frühgeschichte des Stadt- und Landkreises Mannheim und korrespondierendes Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts
1924-1927 Beurlaubung vom Schuldienst für die Aufstellung der Archäologischen Sammlungen des Städtischen Schloßmuseums Mannheim
1928 Freistellung vom Schuldienst mit einem halben Deputat für die Wahrnehmung der Direktionsgeschäfte am Mannheimer Schloßmuseum
1933/34 Entdeckung des karolingischen Dorfes Hermsheim und der neckarsuebischen Siedlung in Mannheim-Seckenheim-Waldspitze
1936 Entdeckung des spätrömischen Burgus in Mannheim-Neckarau
1943 Dez. Ernennung zum kommissarischen Leiter des Karl-Friedrich-Gymnasiums
1945 Mai Sprecher der Direktoren der Mannheimer Höheren Schulen
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: Luise, geb. Lützel (1892-1982)
Eltern: Vater: Wilhelm Gropengießer, Werkmeister (1841-1914)
Mutter: Anna, geb. Brendecke (1855-1934)
Geschwister: ein Bruder und drei Schwestern
Kinder: Dr. Erich Gropengießer (geb. 17.12.1924), Leitender Direktor des Städtischen Reiß-Museums Mannheim
Dr. Hildegund Gropengießer (geb. 15.1.1928), Akademische Direktorin am Archäologischen Institut der Universität Heidelberg
GND-ID: GND/116866195

Biografie: Hansjörg Probst (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 3 (1990), 109-111

Die Familie Gropengießer, 1884 aus Braunschweig nach Mannheim gezogen, ist ein Beispiel für die weitreichende Anziehungskraft des aufstrebenden Mannheims. So wurde auch für den jungen Gropengießer diese Stadt und die rechtsrheinische Kurpfalz zur prägenden Heimat. Er besuchte das Mannheimer Gymnasium von 1889 an und legte an ihm 1898 die Reifeprüfung ab. Die Wahl seiner Studienfächer wie auch sein lebenslanges gelehrtes Forschen als Prähistoriker sind durch das Vorbild seiner Lehrer am humanistischen Gymnasium, der Professoren Ferdinand Haug und Karl Baumann, angeregt worden. An der Universität Heidelberg studierte er neben den Klassischen Sprachen Germanistik, sehr bald aber auch Klassische Archäologie. Hier waren seine Lehrer, der Archäologe Friedrich von Duhn sowie der Archäologe und Epigraphiker Karl Zangemeister, von größtem Einfluß auf ihn, so daß die Klassische Archäologie sehr bald Schwerpunkt seines Studiums wurde. Nach dem Staatsexamen war er von 1903 bis April 1905 Lehramtspraktikant (Referendar) am Gymnasium in Heidelberg und gleichzeitig Duhns Assistent am Archäologischen Institut der Universität. Während der Assistentenzeit am Deutschen Archäologischen Institut in Athen unter Wilhelm Dörpfeld fertigte er seine Dissertation an, aufgrund deren er am 29. Januar 1907 „Summa cum laude“ zum Dr. phil. promoviert wurde. Bereits ein gutes Jahr nach Übernahme in den badischen Schuldienst wurde er als Nachfolger von Professor Karl Baumann Kustos des Großherzoglichen Hofantiquariums in Mannheim, womit er als Dreißigjähriger seine Lebensaufgaben gefunden hatte.
1908-1912 grub Gropengießer in Ladenburg, wo ihm der aufsehenerregende Fund der römischen Marktbasilika und des Kastells gelang. Ladenburg sollte sein wichtigstes Forschungs- und Arbeitsgebiet bleiben. Ein knappes Jahr nach Kriegsausbruch wurde Gropengießer am 18. 6. 1915 eingezogen und geriet im Frühsommer 1916 in französische Kriegsgefangenschaft, aus der er erst am 21. Februar 1920 zurückkehrte. Sofort nach seiner Rückkehr trat er seinen Dienst am Gymnasium und als Kustos des Antiquariums wieder an. Am 1. April 1922 ging die Sammlung des Altertumsvereins in die Verwaltung der Stadt Mannheim über; Gropengießer trat in ein nebenamtliches Dienstverhältnis zur Stadt Mannheim. Zur Einrichtung der Archäologischen Abteilung des neu gegründeten Städtischen Schloßmuseums erwirkte die Stadt Mannheim bei den badischen Schulbehörden seine Beurlaubung vom Schuldienst von Januar 1924 bis Ostern 1927. Gropengießer baute die Archäologische Abteilung des Schloßmuseums auf und wurde bei ihrer Eröffnung 1926 im Nebenamt Direktor dieser Abteilung. Dieses Amt hatte er bis zur Zerstörung des Museums 1943 inne.
1922 hatte er bereits wieder die Erforschung des römischen Ladenburgs aufgenommen, die er in mehreren Grabungsphasen bis in den Zweiten Weltkrieg hinein betrieb. Dabei fand er den römerzeitlichen Neckarlauf und den römischen Stadtgrundriß Ladenburgs. Eines der wichtigsten Ergebnisse seiner Erforschung des frühen Mittelalters im unteren Neckarland war die Entdeckung des karolingisch-ottonischen Dorfes Hermsheim 1933. Ein dritter Schwerpunkt seiner Forschungen waren „die ersten Germanen am Oberrhein“, die Neckarsueben. Auch hier gelang ihm eine bahnbrechende Entdeckung, als er 1933/34 im Zusammenhang mit dem Autobahnbau an der Seckenheimer Waldspitze ein Dorf der Neckarsueben aus dem ersten nachchristlichen Jahrhundert ans Tageslicht holte. Schließlich machte er 1936 auf dem Neckarauer Casterfeld noch eine weitere bedeutende Entdeckung in dem von Kaiser Valentinian I. 369 als rechtsrheinischen Brückenkopf zum Kastell Altrip errichteten „Burgus“. Bis die Kriegsereignisse 1943 jegliche Forschung unterbanden, versah der rastlos Tätige nicht nur die täglichen Geschäfte der Bodendenkmalpflege, sondern führte noch zwei Grabungskampagnen in Hermsheim (1936/37) und in Ladenburg (nach 1941) durch und ordnete von 1939 an die archäologischen Bestände des Mannheimer Schloßmuseums in mustergültiger Weise neu.
Aufgrund dieser erfolgreichen Arbeit hatte sich Gropengießer in der deutschen und europäischen Ur- und Frühgeschichtsforschung einen angesehenen Namen erworben. Seine Tätigkeit fiel zusammen mit der allmählichen Akademisierung der Vorgeschichtsforschung. Noch zu Beginn unseres Jahrhunderts hatte nur die Klassische Archäologie einen etablierten Platz an der Universität. Die regionale und lokale Vorgeschichtsforschung war Sache der Gymnasialprofessoren und der Altertumsvereine, wie ja auch das Mannheimer Beispiel zeigt. Hier stand Gropengießer in einer Übergangsphase. So war er Gymnasialprofessor und aktives Mitglied des Mannheimer Altertumsvereins, nahm aber andererseits von 1927-1934 einen Lehrauftrag für Ur- und Frühgeschichte an der Handelshochschule Mannheim wahr und zählte so im Wintersemester 1929/30 zu den 23 Prähistorikern, die an den deutschen Universitäten und Hochschulen lehrten. Dazu gehört auch seine ordentliche Mitgliedschaft am Deutschen Archäologischen Institut in Berlin seit 1927, seine Mitgliedschaft im Ausschuß für Ur- und Frühgeschichte beim Badischen Kultusministerium seit 1928 sowie seine aktive Teilnahme an zahlreichen wissenschaftlichen Kongressen im In- und Ausland bis unmittelbar vor Kriegsausbruch 1939.
Neben den Grabungskampagnen und der akademischen Tätigkeit stand seine volksbildnerische Arbeit im Altertumsverein, in der Volkshochschule sowie in natur- und heimatkundlichen Vereinen. Eine ungewöhnlich große Anzahl von Vorträgen, Zeitungsartikeln und Beiträgen zu Festschriften und Heimatblättern zeigt Gropengießer als einen wahren Volksbildner und begründete das große Ansehen, das er in der rechtsrheinischen Kurpfalz genoß.
Die letzte Phase dieses Gelehrtenlebens wurde von 1943 an durch die Kriegsereignisse entscheidend verändert. Der schwere Luftangriff vom 5./6. September 1943 vernichtete mit dem Brand des Schlosses einen wesentlichen Teil von Gropengießers Lebenswerk. Große Teile der archäologischen Sammlung wurden zerstört, und fast alle geborgenen Funde seiner zahlreichen Grabungen – allein über 500 Kisten Grabungsgut aus Hermsheim – gingen zugrunde. So war ihm in einer Nacht die Vollendung seines wissenschaftlichen Lebenswerkes, für die er sich schon im Februar 1938 hatte pensionieren lassen wollen, vereitelt worden.
In dieser Situation traf ihn eine Aufgabe, die bald seine ganze Kraft in Anspruch nehmen sollte. Als bei einem weiteren schweren Luftangriff der Direktor des Karl-Friedrich-Gymnasiums umkam, wurde Gropengießer am 15. Dezember 1943 zum kommissarischen Leiter dieser Schule bestellt, obwohl er, wie die Behörde kritisch bemerkte, kein Parteigenosse war. Damit kam zu Beginn seines 65. Lebensjahres eine Aufgabe auf ihn zu, die die Kräfte eines weit Jüngeren bis zum Übermaß gefordert hätten: Die Organisation des Unterrichts, für dessen Durchführung in einem halb zerstörten Haus es am Notwendigsten mangelte, die Verlagerung der Unterstufe des Gymnasiums ins Kinderlandverschickungslager, die Einberufung immer jüngerer Jahrgänge als Flakhelfer, der Kriegs- und Ernteeinsatz der verbleibenden Schüler, die Sicherung des Schulhauses und seine Erhaltung durch persönlichen Brandschutz und Feuerwachen während der fast ununterbrochenen Luftangriffe der letzten Kriegsmonate und die wachsende Zahl von Todesmeldungen gerade erst entlassener Schüler. Mitte März 1945 war die Agonie der Schule vollendet, als Gropengießer das letzte Dutzend Schüler nach Hause schickte. Am 3. Mai 1945, wenige Wochen nach der Besetzung Mannheims durch die Amerikaner, berief er in das fensterlose Direktionszimmer des Karl-Friedrich-Gymnasiums eine Versammlung aller noch in der Stadt befindlichen Lehrer an den Höheren Schulen ein, um Voraussetzungen für einen Wiederbeginn des Gymnasialunterrichts zu schaffen. Für seine eigene Schule organisierte er bereits zu diesem frühen Zeitpunkt Aufräumungs- und Sicherungsarbeiten und erhielt so den Anspruch der Schule auf ihr Gebäude gegenüber vielen Beschlagnahmungsversuchen aufrecht. Im Sommer 1945 organisierte er mit Hilfe der US-Armee die Rückführung von Schülern der Mannheimer Höheren Schulen aus den Lagern. Am 12. Dezember 1945 konnte er im bescheidensten Rahmen das Karl-Friedrich-Gymnasium als erste Höhere Schule in Mannheim unter Rückgriff auf die Lehrpläne der Weimarer Zeit wieder eröffnen. Am 20. Mai 1946 legte der beinahe 67jährige die kommissarische Leitung des Gymnasiums nieder, unterrichtete aber bis wenige Tage vor seinem Tod. An seinem Grabe trauerten Schüler und Kollegen um den „zweiten Gründer des Karl-Friedrich-Gymnasiums“.
In Anerkennung seiner Verdienste um die Erforschung des römischen Ladenburgs war er bereits vor dem Zweiten Weltkrieg Ehrenbürger von Ladenburg geworden. Nach seinem Tod wurden dort und in seiner Heimatstadt Mannheim (Feudenheim) Straßen nach ihm benannt.
Werke: Die Gräber von Attika der vormykenischen und mykenischen Zeit, phil. Diss., Athen, 1907; Ausgrabungen in Ladenburg, in: MGB1 X, 1909, 34-43; Die römische Basilika in Ladenburg, in: Jh. für Mannheimer Kultur 1913 und 1914 und in: MGB1 13-15 1912-1914; Geologische und historische Untersuchungen beim Neubau der Rheinischen Siemens-Schuckert-Werke, in: MGB 123, 1922, 58-66; zum Landschaftsbilde am unteren Neckar in vor- und frühgeschichtlicher Zeit, in: Cimbria, FS zum fünfzigjährigen Bestehen der Verbindung Cimbria-Heidelberg 1926; Aus der ältesten Geschichte des Neckardeltas, in: BH 14, 1927, 29-38; Vom Altertum zum Mittelalter im unteren Neckarland, 1932; Reichsautobahn und Urgeschichte bei Mannheim, in: MGB1 XXXVI, 1935, 175-196; Spätrömischer Burgus bei Mannheim-Neckarau, in: BF 13, 1937, 117 f.; Ausgrabungen in Hermsheim, in: MGB1 XXXV, 1934, 55 f.; Siedlung des 9.-10. Jh.s bei Neckarau, in: Germania, 1934, 288 f.; Die römische Pfeilerbasilika in Ladenburg, in: Bericht über den 6. internationalen Kongreß für Archäologie Berlin 21.-26. August 1939, 1940, 555-557; Bericht über einen Schulungslehrgang in Gaienhofen in: Volk und Vorzeit I, 1939, 31-33; Das Mannheimer Schloß und seine Sammlungen – Antike und Urgeschichte, 1940; Weitere 103 Beiträge in den Mannheimer Geschichtsblättern der Jahrgänge IX-XLI, 1908-1940; 41 Fundberichte über das Arbeitsgebiet des Schloßmuseums Mannheim in: Germania 11-20, 1927-1936; rund 50 Veröffentlichungen, Grabungsberichte und populärwissenschaftliche Aufsätze in: BH, Badische Fundberichte und mehreren Tageszeitungen; zwischen 1909 und 1943 rege Vortragstätigkeit im Mannheimer Altertumsverein und ähnlichen Gesellschaften.
Nachweis: Bildnachweise: BF 18, 1948-50, 15; MH, 1959, Heft I, 4; K. A. Müller, a. a. O., Vorsatz und 89 und 219; H. Probst, a. a. O., Tafel 1.

Literatur: H. Gummel, Forschungsgeschichte in Deutschland, 1. Band, 1938, 384; F. Garscha, Nachruf auf H. Gropengießer, in: BF 18, 1948-50, 15-17; E. Gropengießer, Die Ur- und Frühgeschichtsforschung in Mannheim und die Archäologischen Sammlungen des Reiß-Museums, in: Führer zu Vor- und Frühgeschichtlichen Denkmälern Bd. 3, 1965, 16 f.; Enzyklopädisches Handbuch zur Ur- und Frühgeschichte Europas, hg. v. J. Filip, Bd. II, 1969, 1728; E. Gropengießer, Humanistisches Gymnasium, Archäologische Sammlung und Altertumsverein in Mannheim, in: 300 Jahre Karl-Friedrich-Gymnasium, hg. v. K. A. Müller, 1972, 201; R. Haas und W. Münkel, Wegweiser zu den Grabstätten bekannter Mannheimer Persönlichkeiten, 1981, 112 f.; A. Dauber, Zur Geschichte der Archäologischen Denkmalpflege in Mannheim, in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg, 12, 1983, 50; K. A. Müller, Das Karl-Friedrich-Gymnasium in Mannheim 1933-1945, 1988, 298, 326-333, 345-346; H. Probst, Neckarau, Bd. I, Von den Anfängen bis ins 18. Jh., 1988, XIII-XV, 80, 120, 128-131, 146-147, 170.
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