Schönke, Adolf 

Geburtsdatum/-ort: 20.08.1908; Weißwasser/Niederschlesien
Sterbedatum/-ort: 01.05.1953;  Freiburg i. Br.
Beruf/Funktion:
  • Strafrechtslehrer
Kurzbiografie: 1914-1927 Schulzeit und Abitur in Berlin
1927-1931 Studium der Rechtswissenschaften in Berlin
1931 Referendarexamen am Kammergericht Berlin
1932 Promotion bei James Goldschmidt in Berlin
1934 Assessorenexamen in Berlin
1935 Habilitation bei Ed. Kohlrausch in Berlin, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Reichsjustizministerium
1938 Berufung auf den 2. Lehrstuhl für Straf- und Prozeßrecht der Universität Freiburg i. Br.
1938 Gründung des Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg i. Br. durch Adolf Schönke, 1966 umgewidmet in Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht
1952 Gründung der deutschen Gruppe der Association Internationale de Droit Pénale durch Adolf Schönke, Vorsitzender der deutschen Landesvereinigung
Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Verheiratet: 1949 Freiburg i. Br., Dr. med. Aenne, geb. Pentrop
Eltern: Vater: Wilhelm Schönke (gest. 1940), Tapeziermeister
Mutter: Elisabeth, geb. Burtchen (gest. 1968)
Geschwister: 1 Schwester
Kinder: 2 Töchter
GND-ID: GND/116888849

Biografie: Günther Wendt (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 1 (1994), 340-342

Als Sohn eines Tapeziermeisters in Niederschlesien geboren, wuchs Schönke in Berlin auf. Hier studierte er Rechtswissenschaft. Er promovierte mit einer zivilprozeßrechtlichen Arbeit bei James Goldschmidt. Er blieb diesem Lehrer auch nach seiner vom NS-Regime erzwungenen Emigration freundschaftlich verbunden. Bei Ed. Kohlrausch habilitierte er sich 1935 für die Fächer Strafrecht und Prozeßrecht mit der auch heute noch aktuellen Untersuchung „Beiträge zur Lehre vom Adhäsionsprozeß“. Schönke fordert in dieser Arbeit, daß dem durch die Straftat Geschädigten schon im Strafprozeß ein Schadensausgleich zugesprochen werden kann. Hier zeigt sich bereits das auch seine spätere Forschung und Lehre bestimmende Interesse an einer Auflockerung formaler Verfahrensvorschriften zugunsten zweckmäßiger, dem Rechtsschutzbedürfnis entsprechenden Entscheidungen sowie sein systematisches Bemühen um sinnvolle Einheit der Teilgebiete der Rechtsordnung. Auch die Bedeutung der Rechtsvergleichung mit ausländischen Rechtsordnungen, die für Schönkes Lebenswerk kennzeichnend ist, kommt bereits in der Habilitationsschrift zum Ausdruck. Mit Strafrechtsvergleichung im Zusammenhang mit den damaligen Arbeiten an einer Strafrechtsreform war Schönke nach dem 1934 abgelegten Assessoren-Examen als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Reichsjustizministerium befaßt. Seine regelmäßigen Berichte über die Entwicklungen des ausländischen Strafrechts waren Vorarbeiten für sein späteres Buch „Ausländisches Strafrecht“ und seine Mitherausgabe des Sammelwerkes „Ausländisches Strafrecht der Gegenwart“.
1938 wurde Schönke an die Universität Freiburg als Nachfolger von Ed. Kern auf den 2. Lehrstuhl für Strafrecht und Prozeßrecht berufen. Hier hat er in dem bis zu seinem frühen Tod im Mai 1953 bemessenen Zeitraum von nur 15 Jahren eine ungewöhnliche wissenschaftliche Produktivität entfaltet. Insbesondere dienten seine Lehrbücher und Kommentare der Vermittlung von Wissenschaft und Praxis und als Studienhilfen der Ausbildung des juristischen Nachwuchses. In diesen Werken zeigt sich Schönkes Fähigkeit zu der leicht faßbaren Darstellung auch komplizierter Zusammenhänge und Gedankengänge. Dem entsprach Schönkes ungewöhnlicher Lehrerfolg. Alsbald nach seiner Berufung erschien 1938 das Lehrbuch des Zivilprozeßrechts. Es erreichte trotz der die wissenschaftliche Produktion behindernden Kriegs- und Nachkriegsverhältnisses 1951 seine 7. Auflage. Die alsbaldige Übersetzung dieses Lehrbuchs in das Spanische zeigt die internationale Ausstrahlung von Schönkes Werk. Bereits 1939 folgte ergänzend ein Lehrbuch des Zwangsvollstreckungsrechts. Es konnte 1948 in 5. Auflage erscheinen. Der Wissenschaft und Praxis des Zivilprozeßrechts widmete Schönke nach 1945 die auf den damaligen neusten Stand von Lehre und Rechtsprechung gebrachte 17./18. Auflage des großen Kommentars zur ZPO von Stein/Jonas. Schönkes Interesse an Rechtsvergleichung und sein Bemühen, die internationalen Beziehungen zwischen Rechtswissenschaft und Rechtspflege zu fördern, führte noch vor Kriegsende zur Herausgabe eines umfassenden, von ausländischen Autoren mitgestalteten Sammelwerks „Die Schiedsgerichtsbarkeit in Zivil- und Handelssachen in Europa“ (Bd. 1).
Schönkes bedeutendste kriminalistische Leistung ist der 1942 erschienene „Kommentar zum Deutschen Strafgesetzbuch“. Es gelang Schönke, den umfangreichen Stoff der strafrechtlichen Rechtsprechung und Literatur in der Vielfalt theoretischer Bemühungen um die Grundlagen des Strafrechts und der Dogmatik des Verbrechens sowie der einzelnen Straftatbestände in systematischer Klarheit zu einem Ganzen zu verarbeiten. Überzeugt, daß erst die Konfrontation der Theorie mit den Bedürfnissen der Praxis ihre Richtigkeit zeigen könne, besaß Schönke als Strafrechtsdogmatiker nicht den Ehrgeiz eigener Theoriebildung, hat er sich nicht durch dogmatische Konstruktionen oder die Neufassung strafrechtlicher Begriffe auf seinem Weg vernünftiger und kriminalpolitisch indizierter Gesetzesauslegung beeinflussen lassen.
In dem Maße, wie Schönke sich auch der kriminologischen Forschung widmete und Vorlesungen über Kriminologie anbot, arbeitete er seit der 5. Auflage des Kommentars (1948) bei der Erläuterung der einzelnen Delikte die Ergebnisse der Kriminologie und Kriminalstatistik ein. Mit dem sozialen Bild von Täter und Tat machte er auf die Probleme der Strafzumessung aufmerksam, die in einer größeren Reihe von Schönke betreuter Dissertationen näher untersucht und auch für die amtliche Erörterung der Strafrechtsreform dienlich waren. Für die Studenten in den Kriegs- und Nachkriegszeiten ersetzte Schönkes „Lehrkommentar“ das damals fehlende große Lehrbuch des geltenden Strafrechts und seiner Entwicklung. In seiner Dogmatik war Schönke mehr ein Bewahrer als ein Stürmer und Dränger. Den für die NS-Kriminalpolitik typischen Tendenzen eines „Willens- und Gesinnungsstrafrechts“ ist er nicht gefolgt. Auch die vor 1945 erschienenen Auflagen des Kommentars sind durch rechtsstaatliche Orientierung gekennzeichnet. Sie stehen mit den nach 1945 erschienenen Auflagen ohne tieferen Bruch in einer sachlichen Kontinuität. Schönkes Strafgesetzbuch-Kommentar wurde nach seinem Tod von Horst Schröder und nach dessen Tod von einer Gruppe von Strafrechtslehrern als „Schönke/Schröder“ fortgeführt. Der Kommentar hat heute die 22. Auflage erreicht.
Im Mittelpunkt der international wirksamen Arbeit Schönkes stand das von ihm alsbald nach Beginn seiner Freiburger Tätigkeit gegründete und mit seinem außergewöhnlichen Organisationstalent durch alle Widrigkeiten der Zeitumstände hindurch gestaltete Institut für ausländisches und internationales Strafrecht. Noch vor seinem frühen Tod konnte Schönke die Voraussetzungen für eine Verbreiterung der rechtlichen Basis des Instituts als Stiftung mit der Beteiligung von Bund, Land und Universität schaffen. 1966 wurde das ursprünglich ganz persönliche Werk Schönkes Institut der Max-Planck-Gesellschaft von internationalem Rang unter der Leitung von Schönkes Nachfolger Prof. H. H. Jescheck. Schönke pflegte bis in die Kriegsjahre hinein vielfältige Kontakte mit Fachkollegen und Fachverbänden im Ausland. Nach dem Krieg unternahm er als einer der ersten Freiburger Ordinarien zahlreiche Auslandsreisen. 1946 nahm er an der ersten Nachkriegstagung der Association Internationale de Droit Pénale und des Bureau International pour l’Unification du Droit Pénale in Paris teil. Es folgten Studienreisen nach Schweden, Italien, England, Spanien, Frankreich und Österreich. Schönkes Bemühungen als „Organisator der Rechtsvergleichung“ erreichten ihren Höhepunkt mit der Gründung der deutschen Gruppe der Association Internationale de Droit Pénale 1952. Schönke wurde Vorsitzender der deutschen Landesvereinigung. Im gleichen Jahr nahm das Bundes-Justizministerium die internationale Kompetenz des Instituts mit dem Auftrag in Anspruch, die rechtsvergleichenden Vorarbeiten zur großen Strafrechtsreform durchzuführen.
Ungeachtet seiner literarischen und wissenschaftsorganisatorischen Wirksamkeit blieb für Schönke zentrales Arbeitsfeld die Ausbildung des juristischen Nachwuchses. Unvergessen bleiben bei seinen ehemaligen Schülern die regen persönlichen Kontakte Schönkes mit seinen Studenten vor und nach der Vorlesung, auf den Treppen, in den Fluren der Universität und in seinem Arbeitszimmer des Instituts. Hier gaben sich in täglichen Sprechstunden die studentischen Besucher nacheinander die Türklinke in die Hand. Schönke als hilfreicher Ratgeber, nicht nur in Studienangelegenheiten, sondern auch in persönlichen und sozialen Nöten war ein vertrautes Bild von Schönke als Lehrer – freilich in einer Zeit, die noch keine „Massenuniversität“ kannte.
Werke: Bibliographie, aufgeführt bei Erik Wolf (vgl. Literatur), 29 f.
Nachweis: Bildnachweise: in Festschrift des C. H. Beck Verlags (vgl. Literatur), Autorenbildnisse 732

Literatur: Erik Wolf, Adolf Schönke, Gedenkrede, gehalten auf der akademischen Gedächtnisfeier der Universität Freiburg i. Br. am 3.7.1953, Karlsruhe 1955, 37 S.; K. S. Bader, Adolf Schönke, in: Juristenzeitung 8, 1953, 350 f.; Fritz von Hippel, Adolf Schönke, in: Zeitschrift für Zivilprozeß 66, 1953, 325-334; D. Lang-Hinrichsen, Adolf Schönke, in: Juristische Rundschau 1953, 217; R. Lange, Adolf Schönke, in: Zeitschrift für die gesamte Strafwissenschaft 65, 1953, 139 f.; E. Metzger, Adolf Schönke, in: Neue Juristische Wochenschrift 6, 1953, 814; Eckart Pieske, Zum 30. Todestag von Adolf Schönke, in: BH 4, 1985, 749-752 (mit Bild); Günther Wendt, Adolf Schönke, in: Juristen im Portrait, in: Festschrift zum 225jährigen Jubiläum des Verlags C. H. Beck/München 1988, 663-670
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