Liebich, Curt August Joseph Carl 

Geburtsdatum/-ort: 17.11.1868; Wesel/Rhein
Sterbedatum/-ort: 13.12.1937;  Gutach/Schwarzwaldbahn
Beruf/Funktion:
  • Maler, Bildhauer, Illustrator und Radierer
Kurzbiografie: 1878-1888 Gymnasien in Colmar, Naumburg/Saale und Dresden
1888 Erste Zeichenstudien an der Dresdner Akademie. Noch im selben Jahr (oder 1889) Wechsel an die Berliner Akademie, dort Ausbildung zum Bildhauer bei Martin Paul Otto (1846-1893) und Albert Wolff (1814-1892)
1890 Okt. Schüler von Fritjof Smith (1859-1917) an der Weimarer Kunstschule. Dort Bekanntschaft mit Rudolf Steiner, dem späteren Begründer der Anthroposophie
1891 Vom Frühjahr bis Spätherbst erster Aufenthalt in Gutach
1892 Abschluss der Studien in Weimar und Übersiedlung nach Gutach/Schwarzwaldbahn
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1. 1896 (Mühlberg, Elbe) Antonie Concordie, geb. Lichtenberg (1873-1919)
2. 1920 (Haslach/Kinzigtal) Emma Auguste, geb. Lichtenberg (1877-1969), Schwester der ersten Frau
Eltern: Vater: Hugo Eugen Georg (1831-1889), Königlich-Preußischer Magazin-Depot-Verwalter und Rendant im Range eines Majors
Mutter: Luise Marie Caroline Amalie, geb. Sommer (1844-1927)
Geschwister: 2: Otto, Margarethe
Kinder: 2:
Werner Curt Hugo Oskar (1898-1915)
Kurt Eberhard Otto Friedrich (1902-1938), Diplom-Landwirt und Geschäftsführer
GND-ID: GND/116996862

Biografie: Sabine Heilig (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 5 (2005), 184-186

Liebich wuchs in einer musisch-künstlerisch interessierten Beamtenfamilie auf. Bedingt durch zahlreiche Versetzungen des Vaters musste die Familie während seiner Kindheit und Jugend häufig den Wohnort wechseln. So lebte man kurzzeitig in Wesel, Schwedt/Oder, Colmar, Rathenow/Havel und nach der Pensionierung des Vaters in Dresden. In Naumburg/Saale wohnte Liebich vorübergehend bei seinem Onkel, weil es in Rathenow kein entsprechendes Gymnasium gab. Seine schulische Laufbahn beendete Liebich wohl 1888 in Dresden. Bereits im gleichen Jahr oder 1889 begann er mit ersten Zeichenstudien an der dortigen Akademie. Nach dem Tod des Vaters drängte ihn die aus Rudolstadt/Saale stammende Mutter zur Fortführung seines Studiums in Weimar, obwohl der junge Kunstschüler selbst die Münchner Akademie vorgezogen hätte. Liebich hat 1931 in zwei autobiographischen Niederschriften Einblicke in die Zeit seiner künstlerischen Ausbildung in Weimar gegeben. Liebich, der in Colmar und dem Elsaß die prägenden Einflüsse seiner Kindheit und Jugend erfahren hatte, reiste noch während seiner Akademiezeit in Weimar zu Studienzwecken dorthin und hielt sich auch im Schwarzwald auf, dessen Landschaft und Mentalität der Menschen er zu schätzen gelernt hatte. Die Entscheidung, sich in Gutach niederzulassen, wurde letztlich aber auch von Liebichs Freundschaft mit dem in Sachsen gebürtigen Maler Wilhelm Hasemann mitbestimmt, der dort selbst seit 1880 wohnte und dessen Schwägerin Liebich 1896 heiratete.
In der Abgeschiedenheit des südlichen Schwarzwaldes unterhielt der Künstler sein Leben lang Beziehungen zu Persönlichkeiten des Kunst- und Geisteslebens, so zu Albert Schweitzer, Max Liebermann, der in Gutach sein Gast war, zu Ludwig Knaus und Jacob Christoph Heer. Auch bestanden freundschaftliche Beziehungen zu den Schriftstellern, deren Bücher er illustrierte, so z. B. zu Heinrich Hansjakob, Ludwig Ganghofer und Hermine Villinger. Seinen Ruf als Illustrator erlangte Liebich vor allem durch Zeichnungen zu Werken volkstümlicher Dichter seiner Zeit, so u. a. zu Hermine Villingers Erzählungen (z. B. Aus dem Badner Land, 1898), zu Johann Peter Hebels alemannischen Gedichten (1899), zu Joseph Viktor von Scheffels Ekkehard (z. B. Prachtausgabe 1904) und zu den meisten Geschichten und Erzählungen Heinrich Hansjakobs (z. B. Gesammelte Schriften, 10 Bände 1911). Darüber hinaus publizierte Liebich, der im Laufe der Jahre detaillierte kostümkundliche Kenntnisse erworben hatte, 1921 unter dem Titel „Die Trachten des Kinziggaues“ einen noch heute als Standardwerk und Quelle volkskundlicher Kostümkunde geltenden Fachbeitrag mit über 60 Trachtenskizzen aus seiner Wahlheimat. Liebichs eigentliches geographisches Betätigungsfeld umfasste den ganzen alemannischen Sprachraum, reichte vom Elsaß über den Schwarzwald zum Bodensee, Bregenzerwald bis nach Vorarlberg und Tirol. Der Künstler unternahm auch zahlreiche Reisen, die ihn in nahezu alle europäischen Länder bis nach Rumänien und nach Nordafrika (Algerien, Marokko) führten. Bereits als Student bereiste Liebich aus „Abenteuerlust“ 1890 oder 1891 die skandinavischen Länder. 1899 erfolgte eine weitere Fahrt über Kopenhagen und Stockholm bis zum Nordkap, wo er Illustrationen zu Richard Voß’ Roman „Sigurd Eckdals Braut“ anfertigte. 1912 war Liebich im Auftrag des Norddeutschen Lloyd u. a. mit dem Reichspostdampfer „Yorck“ ein drittes Mal in den nordischen Ländern unterwegs. Die künstlerische Ausbeute der Studienfahrten schon seit Studentenzeiten war groß, wie aus Liebichs Korrespondenz mit seinem Weimarer Freund Rudolf Steiner hervorgeht. Im Sommer 1900 war Liebich in Rom und Neapel, im Spätjahr unternahm er seine erste Balkanreise. Seine Reiseaktivitäten waren zumeist mit Auftragsarbeiten zu Illustrationen verbunden, so war Liebich z. B. 1905 auf den Spuren von Hansjakobs „Alpenrosen mit Dornen“ in der Schweiz unterwegs. Um 1930 reiste Liebich das letzte Mal nach Italien.
War sein früher Entschluss, sich künstlerisch der Bebilderung literarischer Werke zu widmen, in der Gewissheit eines sicheren Einkommens gefasst worden, so blieb der Künstler in seinen Arbeiten doch eigenständiger Interpret der literarischen Vorlage. In gekonnter Zeichenmanier hielt er typische Lebenssituationen und Wesenszüge der Menschen und ihre Umgebung in alltäglichen, aber auch feiertäglichen Situationen fest. Stand in der Illustration noch der Mensch im Mittelpunkt der Darstellung, so trat in Liebichs Malerei, die im Verhältnis zur Illustrationsarbeit einen in ihrem Umfang weitaus geringeren Stellenwert im Gesamtwerk einnimmt, die Stimmungslandschaft in den Vordergrund. Hier ist die Figur bisweilen nur noch schmückendes Beiwerk oder fehlt ganz („Schwarzwaldhaus“, Beringer-Theilmann, 203; „Schwarzwaldmühle“, Augustinermuseum Freiburg): „Die saftiggrünen Wiesengründe mit den freundlichen Höfen und Dorfschaften, die ernsten Wälder, ... der Glanz des heitern Himmels, an dem einzelne Wolkenballen hinsegeln, eine farbenprächtige Staffage – alles das bringt Liebich in seinen Gemälden mit quellender Frische und Sicherheit heraus“ (Monatsblätter des badischen Schwarzwaldvereins 21, 1918, 53). In seinen Gemälden knüpfte Liebich in der Wiedergabe seiner Sujets, in Malweise und Farbwahl an die Landschaftsmalerei Hans Thomas an und blieb bis zuletzt mehr der Tradition des 19. Jahrhunderts verpflichtet.
Obwohl er in Berlin zum Bildhauer ausgebildet worden war, setzte seine eigentliche bildhauerische Tätigkeit erst mit dem Tod seiner ersten Frau ein, für deren Grabmal er 1920 ein Bronzerelief anfertigte. Seine bekannten Kriegerdenkmäler entstanden in der Folgezeit und waren in ihrer Aussage nicht unumstritten. Denn zu seinen Themen gehörten nicht die Heldenverehrung und Verherrlichung des menschlichen Opfers durch den Krieg, sondern fast immer der Schmerz und das Leid der Zurückbleibenden, der Frauen, Mütter und Familien. So zeigt das 1923 eingeweihte Gutacher Denkmal neben der großen, vollplastisch gearbeiteten „Trauernden Gutacherin“ zwei bronzene Seitenreliefs mit den Figurenszenen: Auszug der Soldaten und Heimkehr der Kriegsversehrten. Auch andere Denkmäler widmen sich dem Thema Trauer und Verlust eines geliebten Menschen. In Schapbach (1928) ist ein trauernder Vater am Grab seines gefallenen Sohnes zu sehen und in Rhina sind zwei Kinder am Grab des Vaters dargestellt. Die Figuren seiner bildhauerischen Arbeit sind Gestalten aus dem Volk in landestypischer Tracht.
Mit diesen, die Zeit überdauernden Mahnmalen, mit seinen lebensfrohen Landschaftsbildern und besonders mit den detailreich ausgeführten Illustrationen hat der vielseitig begabte und bis zu seinem Tod unermüdlich tätige Künstler einen wichtigen Beitrag nicht nur zur Geschichte einer Region, sondern auch zur Dokumentation des dörflichen und bäuerlichen Lebens zu Beginn des 20. Jahrhunderts geleistet.
Werke: Das weit gespannte, Gemälde, Zeichnungen, Illustrationen, sowie Grab- bzw. Kriegerdenkmäler umfassende Werk beinhaltet neben einigen Porträts vornehmlich Landschaften aus dem Schwarzwald, dem Bregenzer Wald, Vorarlberg und den Vogesen. Diese Bilder sind fast ausnahmslos in Privatbesitz, wenige im Freiburger Augustinermuseum. Textillustrationen, Umschlag- bzw. Einbandgestaltungen oder Vignetten für über 130 Bücher, darunter Werke von Johann Peter Hebel, Richard Voß, Heinrich Hansjakob, Hermine Villinger, Ludwig Ganghofer, Joseph Viktor von Scheffel, Karl Stieler, Paul Heyse. Entwürfe in über 50 Zeitschriften, Kalendern und Illustrierten (u. a. Der Lahrer hinkende Bote, BH, Der Schwarzwald, Zeitschrift des dt. u. österr. Alpenvereins, Die Gartenlaube, Illustrierte Ztg. Leipzig, Ekkhart, Reclams Universum, Daheim-Kalender). Aufsatz: Die Trachten des Kinziggaues, in: Ekkhart 1921, 37-55; überarb. Ausg. in: BH 22, 1935, 491-505). Ferner Künstlerpostkarten (z. B. Elsaß-Lothringen-Serie, Schwarzwald-Serie, Vogesen-Serie, Gruß aus Karlsruhe, Freiburg, Colmar); Vorlagen für die Werbung (z. B. Firmenzeichen, Aufkleber, Plakate, Prospekte, Bierdeckel, Wirtshausschilder, u. a. für Gütermanns Nähseide, Batschari-Zigaretten, Deutsche Reichspost, Norddeutscher Lloyd Bremen, Moritz Schauenburg Verlag Lahr, Braunsche Hofdruckerei u. Verlag Karlsruhe). Kriegerdenkmäler u. Grabmäler, meist unverändert, in Gutach, Schapbach, Geisingen, Rhina bei Säckingen, Klein-Laufenburg, Meißenheim, Dunningen, Reichenbach, Backnang, Offenburg, Schwenningen. Gemälde u. Zeichnungen auf zahlreichen Ausstellungen in Basel (1898), Berlin (1898), Dresden (1900), Baden-Baden (seit 1910 mehrfach), Gutach (seit 1912 mehrfach, zuletzt 1987), Freiburg i. Br. (seit 1929 mehrfach), Karlsruhe (1934), Offenburg (1973). Autobiographisches: Aus meiner Weimarer Zeit, in: Freiburger Ztg., 5 Beiträge zwischen dem 15. und 18. 6. 1931; Wie ich nach Gutach kam, in: Der Gutacher Talbot', Amtsblatt für die Gde. Gutach, 4. Jg., 49 vom 5. 12. 1931.
Nachweis: Bildnachweise: Illustrierte Bll. für Heimat, Schönheit, Wandern u. Reisen, 3. Jg., Nr. 23 vom 17. 11. 1928; Schwarzwälder Hausschatz 1993, 142 (Foto).

Literatur: Farbige Kunstgaben: Sechs farbige Kunstblätter nach Gemälden von C. Liebich. Mit einem Geleitwort von J. A. Beringer, 1918; Beringer-Theilmann, 203/204, 261 (mit weiterer L); Das Schwarzwaldbild, hg. von Hans H. Hofstätter, 1986, 76, 108, 109, 120, 138, 140, 150; W. Liebich, Hansjakob. Seine Illustratoren Liebich u. Hasemann u. die Illustration seiner Bücher, in: BH 67, 1987, 105-134; Schwarzwaldmaler C. Liebich, 1868-1937. FS zur Gedächtnisausst. anlässlich des 50. Todestages, 13.-20. 12. 1987, Text von W. Liebich im: Schwarzwälder Freilichtmuseum Vogtsbauernhof; A. J. Schmid, Hansjakob u. das Wolftal. Ein Lesebuch, 1992, 249-251.
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