Wintterlin, Friedrich Karl 

Geburtsdatum/-ort: 19.03.1867;  Stuttgart
Sterbedatum/-ort: 03.02.1945;  Calw
Beruf/Funktion:
  • Archivar, Rechts- und Verfassungshistoriker
Kurzbiografie: 1894 Justizreferendar 1. Klasse
1894 Expeditor beim Kgl. Geheimen Haus- und StA
1895 Promotion zum Dr. iur. in Tübingen
1900 Archivassessor
1904 Kollegialassessor
1905 Archivrat
1906 Ordentliches Mitglied der Württ. Kommission für Landesgeschichte
1916 Geheimer Archivrat
1916–1918 Kriegsdienst beim Württ. Infanterie-Regiment 119
1924 Direktor des StA
31. Juli 1933 Pensionierung
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Ehrungen: Ritterkreuz 1. Kl. des Friedrichs-Ordens (1909); (Kgl. Bayerischer) Verdienstorden vom heiligen Michael IV. Kl. (1911)
Eltern: Vater: August Wintterlin (1832–1900), Kunstschriftsteller, Dichter, Vorstand der Württ. Landesbibliothek
Mutter: Emilie Charlotte, geb. Stälin (1838–1929)
Geschwister: Georg Ludwig
GND-ID: GND/11741137X

Biografie: Bernhard Theil (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 2 (2011), 302-304

In einem Bericht an das vorgesetzte Ministerium des Auswärtigen über die Bewerbung Wintterlins im Jahr 1894 um eine Expeditorstelle am königlichen Haus- und Staatsarchiv hob Direktor Dr. Schlossberger die Herkunft Wintterlins besonders hervor. Er habe „eine sehr sorgfältige Erziehung genossen und an der Hand seines Vaters, der bekanntlich selbst sich viel mit geschichtlichen Studien abgibt, schon in seiner früheren Jugend die bedeutenderen literarischen Erscheinungen auf dem Gebiete der Geschichtswissenschaft verfolgt und wird als sehr solid, fleißig, gewissenhaft und discret geschildert.“ Schlossberger hatte außerdem Erkundigungen beim Präsidenten des Oberlandesgerichts über den Bewerber eingezogen, die sehr positiv lauteten, und hob schließlich das dringende Bedürfnis der Archivdirektion nach einem Juristen hervor, der endlich wieder den Wert einer ordentlichen Verwaltung zu schätzen wisse „was von Theologen und Philologen nach ihrer verschiedenartigen Ausbildung nicht in diesem Maaße erwartet werden kann.“ Er, Schlossberger, sei überzeugt, dass Wintterlin als „Enkelsohn des Altmeisters der württembergischen Geschichte Christoph Friedrich von Stälin und der Sohn eines verdienten Gelehrten, dem erhabenen Königshause ein treuergebener Diener sein und der Archivdirektion Ehre machen würde.“ In der Tat sind hier die Eigenschaften Wintterlins recht gut charakterisiert. Kind seiner Eltern, absolut loyaler, äußerst korrekter Beamter, verkörperte er eher den älteren Typus des württembergischen Archivars, der sich in erster Linie als Verwaltungsbeamter verstand. Die Beurteilung Schlossbergers enthält deutliche Seitenhiebe auf damalige Kollegen, die offenbar Gegentypen waren, – nämlich den Theologen Schneider und den Philologen Krauß. Wintterlin hatte allerdings weniger die künstlerische und weltoffene Art seines Vaters als den eher stillen in sich gekehrten Charakter der Mutter geerbt, die auf der anderen Seite in ihrem langen Leben sehr dominierend gewesen sein muß. Wintterlin hat denn auch nie geheiratet, sondern bis zu ihrem Tod mit ihr in der elterlichen Wohnung nahe der Württembergischen Landesbibliothek zusammengelebt. Nach ihrem Tod und seiner Pensionierung zog er dann in die Hohenheimer Straße um, wo er 1944 ausgebombt wurde. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er in Bad Liebenzell und Calw.
Seine Publikationen beschränken sich – im Gegensatz zu denen seines Kollegen Schneider – auf rein fachliche Spezialthemen vornehmlich aus dem Bereich der Rechts- und Verfassungsgeschichte. Seine Dissertation, veröffentlicht 1895, beschäftigt sich gar mit einem strafrechtlichen Thema. Außer in den Württembergischen Vierteljahresheften für Landesgeschichte hat Wintterlin nur in der Literarischen Beilage des Staatsanzeigers publiziert. Sein Hauptwerk, die zweibändige Geschichte der Behördenorganisation Württembergs (von den Anfängen bis zum Verwaltungsedikt Wilhelms I. von 1822) zeichnet sich durch eine Fülle von Details aus, bietet auch umfangreiche Quellenbeilagen, ist aber in seiner juristischen Systematik heute überholt. Ein anderer Schwerpunkt seiner Arbeiten bildet das ländliche Recht, über das er zahlreiche Studien vorgelegt hat, Von herausragender Bedeutung sind auch heute noch die von ihm herausgegebenen Bände von „Württembergs ländliche Rechtsquellen“, erschienen 1910 und 1922. Aber auch zahlreiche verfassungsgeschichtliche Studien über den württembergischen Staat hat Wintterlin vorgelegt. Viele seiner Forschungen hat er auch in Vorträgen des Württembergischen Geschichts- und Altertumsvereins vorgestellt.
In das Bild des am Staat orientierten Verwaltungsarchivars passt auch das Gutachten von 1928, das Wintterlin im Auftrag des Kultministeriums über die rechtlichen Grundlagen der Beziehungen der katholischen Kirche zum württembergischen Staat erarbeitet hat. In einem Schreiben vom 20. Februar 1928 an Wintterlin bedankt sich der württembergische Kultminister Bazille dafür: „Ich begrüße es lebhaft, daß sich die Archivdirektion durch die Übernahme dieser Arbeit erneut zu der Auffassung bekannt hat, daß sich ihre Aufgabe nicht in der ihr zunächst obliegenden Verwahrung der staatlichen Urkundenschätze erschöpft, sondern auch die Unterstützung der Ministerien bei der Verwertung der Archivbestände für staatliche Zwecke umfasst. Sie persönlich haben für das Gutachten der Archivdirektion ein nicht gewöhnliches Maß von Zeit und Mühe aufgewandt.“
Was Wintterlins engere archivische Tätigkeit betrifft, so hat er gemessen an seiner langen – neununddreißigjährigen – Dienstzeit relativ wenige Findbücher hinterlassen. Seine wichtigste Erschließungsarbeit ist das 632 Seiten umfassende Repertorium des größten Teils des Archivs der Grafschaft Montfort-Tettnang, das knapp 1000 Urkunden und rund fünf laufende Regalmeter Akten erschließt. Ein relativ umfangreiches Findbuch mit über 500 Urkundenregesten bezieht sich auf das Archiv der Reichsstadt Wangen im Allgäu.
Insgesamt gesehen bleibt die Persönlichkeit Wintterlins vergleichsweise blass, dies entsprach zweifellos seinem Naturell, das nicht auf äußere Anerkennung abzielte. Dass er sich zu seinem fünfundsiebzigsten Geburtstag jede persönliche Ehrung verbeten hat, war somit konsequent. Max Miller, der spätere langjährige Direktor der württembergischen Archivverwaltung, der ihn noch persönlich als Chef erlebt hat, hebt in seinem Nachruf indessen seine „unbestechliche Gerechtigkeit gegenüber allen Mitarbeitern und seine wahrhaft vornehme Gesinnung“ hervor.
Quellen: HStAS E 61 Bü 425, 433 (PA); LKAS: Stuttgarter Familienregister.
Werke: Schriftenverzeichnis von Friedrich Wintterlin von Max Miller in: ZWLG 9 (1949/50), 301–302; Auswahl: Der Einfluss der Standesverhältnisse des Täters auf die Bestrafung, 1895 (Diss.); Die niedere Vogtei im 16. Jh., in: WVjhLG NF 9 (1900), 413–420; Dorfgemeinderechte im Herzogtum Württemberg, in: ebda., 12 (1903), 137–143; Geschichte der Behördenorganisation in Württemberg, 1–2, 1904–1906; (Mitarbeit) Herzog Karl Eugen und seine Zeit (1907); Württ. ländliche Rechtsquellen, Bd. 1 und 2, 1910, 1922; Zur Geschichte des hzgl. württ. Kommerzienrats, in: WVjhLG NF 20 (1911), 310–327; Die württ. Verfassung 1815–1819, in: Jbb. für Statistik und Landeskunde 1912, 47–83; Die altwürttembergische Verfassung am Ende des 18. Jhs., in: WVjhLG NF 23 (1914), 195–209; Die Anfänge der landständischen Verfassung in Württemberg, in: ebda. 23 (1914), 327–336; Beamtentum und Verfassung im Herzogtum Württemberg, in: ebda. 32 (1925/26), 1–20; Wehrverfassung und Landesverfassung im Herzogtum Württemberg, in: ebda. 34 (1928), 239–256; Die rechtsgeschichtlichen Grundlagen des Rechtsstaates in Württemberg, in: ebda. 38 (1932), 318–341.
Nachweis: Bildnachweise: HStAS J 300, Nr. 277.

Literatur: Nachruf von Max Miller, in: ZWLG 9 (1949/50), 298–301.
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