Villinger, Hermine Anna Theresia Xaveria 

Andere Namensformen:
  • Pseudonym H. Willfried
Geburtsdatum/-ort: 06.02.1849;  Freiburg i. Br.
Sterbedatum/-ort: 13.03.1917;  Karlsruhe
Beruf/Funktion:
  • Schriftstellerin
Kurzbiografie: 1862 Höhere Töchterschule in Karlsruhe
1862-1865 Karmeliterinnenkloster Offenburg
1881-1882 Viktoria-Lyzeum der Mrs. Archer in Berlin
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: unverheiratet
Eltern: Vater: Hermann Villinger (1809-nach 1883/84), Geheimer Kriegsrat
Mutter: Anna Magdalena, geb. Streicher (geb. 1820) aus Freiburg i. Br.
Geschwister: Bruder Hermann (geb. 1850), Sekundantleutnant
Kinder: kinderlos
GND-ID: GND/117428035

Biografie: Reinhard Hübsch (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 2 (1987), 290-291

Bereits 1850 kam Hermine Villinger – nach einer Versetzung des Vaters – nach Karlsruhe, wo sie schon als Heranwachsende starke literarische Ambitionen zeigte; so sind aus ihrer Schulzeit an der Höheren Töchterschule wie auch aus der im Karmeliterinnenkloster einzelne lyrische bzw. dramatische Versuche überliefert. Zurückgekehrt ins Elternhaus, wollte sie in den 60er Jahren eine Ausbildung als Schauspielerin absolvieren, gab diesen Plan allerdings auf Anraten von Eduard Devrient, dem Direktor des Karlsruher Hoftheaters, auf und widmete sich von nun an schriftstellerischer Arbeit. Ihre ersten Veröffentlichungen, Doris (1880) und Die Livergnas (1882), erschienen unter dem danach aufgegebenen Pseudonym H. Willinger.

Im Zentrum des Villingerschen Œuvres stehen Erzählungen aus Baden und dem Schwarzwald, wobei die Topographie ihrer Prosa von Heidelberg bis zur Schweizer Grenze reicht. Ihre Figuren – vorrangig Bauern, Handwerker und Kleinbürger – spiegeln ein bestimmtes soziales Milieu, wobei auffallend ist, daß relativ häufig Außenseiter und Sonderlinge in den Mittelpunkt gestellt werden. Sie ist damit eine typische Vertreterin jener Heimatkunstbewegung, die sich Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts in bewußtem Gegensatz zum Naturalismus herausbildete. Einen zweiten Schwerpunkt ihrer Arbeit bildet die Kinder- und Jugendliteratur; schließlich hat sie auch einige Bände autobiographischen Inhalts vorgelegt („Aus der Jugendzeit ...“ 1904, „Simplizitas“ 1907, „Ein Lebensbuch“, 2 Bände 1911). Das bevorzugte Genre Villingers ist die Prosa: Kalendergeschichten, Erzählungen und Romane dominieren. Daneben hat sie sich auch als Dramatikerin versucht; nach ihrer Geschichte „Ein schwerer Sieg“ (1907) entstand das Bauernstück „Schuldig?“ (uraufgeführt im Dezember 1911 im Karlsruher Hoftheater); weiter verfaßte sie das Lustspiel „Verloren und gewonnen“ (1883) sowie den bis heute nicht aufgeführten Schwank „Der richtige Spruch“ (1911).
Villinger gilt als Schülerin von Berthold Auerbach und wurde literarisch stark geprägt von Betty Paoli und Marie von Ebner-Eschenbach, ihrem – allerdings nie erreichten – Vorbild. Beeinflußt wurde sie schließlich auch von Gräfin Luise Schönfeld-Neumann, mit der sie einen regen Briefwechsel unterhielt, der 1906 unter dem Titel „Zwei Landsmänninnen“ erschien. Villinger konnte von ihrer literarischen Produktion sehr gut leben; die erfolgreiche Autorin erreichte hohe Auflagen, die meisten ihrer Werke wurden innerhalb weniger Jahre mehrfach aufgelegt.
Im Urteil zeitgenössischer wie gegenwärtiger Literaturkritik gilt sie als „typische ... badische Heimaterzählerin, im Stil oft sorglos, im Tonfall der Sprache stets der Mundart verpflichtet“ (Oeftering), die „liebenswürdige, aber meist konventionelle Erzählungen“ (Krüger) verfaßte. Mag es aus historischer Distanz „kultur- und sozialgeschichtlich aufschlußreich“ sein, wie sie „das Leben der kleinen Leute in den badischen Städten“ schildert (F. und G. Oberhauser), so sind doch die Defizite im Werk Villingers unübersehbar: „Sie löst in ihren Büchern keine Probleme, sie erzählt nur“ (Geißler) und „begnügt sich“ dabei – wie ein Rezensent bilanziert – „zu gern mit der Skizze, wo wir ... gern tiefer in Probleme und Charaktere eindringen möchten“.
Werke: Der lange Hilarius (1885); Zenz und andere Erzählungen (1886); Sommerfrischen (1887); Aus meiner Heimat (1887); Der Lumpensammler. Im Bahnwärterhäuschen. Der Karrenschieber. Kastor und Pollux. Vagabunden. Das Heilig' Dirndl. Ungleiche Kameraden. Ein heiliger Abend. Der Eskimo. Der Gescheitere. Ein vergnügter Tag. Ben. Das Viertel. Der Holzsammler. Das geheiligte Mäxl. Die Narren-Rosel. Die Geringsten. Ein Hausgenosse (alles 1888); Aus dem Kleinleben (2. Aufl. 1890); Auch ein Roman und andere Geschichten (1890); Schwarzwaldgeschichten. Schulmädelgeschichten. Ein Abgedankter (1892); Unter Bauern und andere Geschichten (1894); Kleine Lebensbilder (1895); Aus unserer Zeit (1896); Aus dem Badener Land. Der Töpfer von Kunterburg. Aus Wald und Grund und andere Geschichten vom Schwarzwald (1897); Das Rätsel der Liebe. Stammes-Verwandt. Das dritte Pferd und andere Geschichten (1898); Die Talkönigin, 's Tantele und anderes (1899); Allerlei Liebe (1900); Binchen Bimber (1902); Der neue Tag (1903); Der Weg der Schmerzen. Zenz (1904); Mutter und Tochter. Eine Gewitternacht und anderes (1905); Wo geht es hin? Im Wonnetal. Kleine Leutle (1906); Die Sünde des heiligen Johannes und andere Novellen. Das Erbschweinchen und andere Geschichten (1907); Die Dachprinzeß. Onkel Sigmund. Gegen den Grundsatz (1908); Die Rebächle (1910); Sterngucker. Randglossen. Das goldene Zeitalter der Büggebacher (1911); Dritter Klasse und andere Erzählungen. Der Herr Stadtrat (1912); Meine Tante Anna (1916); Lebenswege (1922). Es existiert noch keine Gesamtausgabe.
Nachlaß: Schriften, Tagebücher, Briefe, Biographisches, Fotos, Handexemplare; insges. 88 Bde. verwahrt die Landesbibliothek Karlsruhe.
Nachweis: Bildnachweise: Wilhelm E. Oeftering, Geschichte der Literatur in Baden, Karlsruhe 1930-1939, H. 3, S. 11.

Literatur: Ausführliches Verzeichnis der Sekundärliteratur sowie der Zeitschriftenbeiträge von H. Villinger bei Elisabeth Friedrichs, Die deutschsprachigen Schriftstellerinnen des 18. und 19. Jahrhunderts, Stuttgart 1981, 320 f. sowie im Handapparat „E. Friedrichs“ im Deutschen Literaturarchiv in Marbach/N.
Suche
Durchschnitt (0 Stimmen)