Engelhorn, Friedrich Johann August 

Geburtsdatum/-ort: 23.11.1855;  Mannheim
Sterbedatum/-ort: 03.01.1911;  Mannheim
Beruf/Funktion:
  • Chemie-Unternehmer
Kurzbiografie: 1865-1873 Karl-Friedrich-Gymnasium Mannheim, ohne Abitur
1873-1879 Studium der Chemie an der Technischen Hochschule Karlsruhe bis 1876, dann an der Universität Straßburg, Promotion zum Dr. phil.
1879-1880 Einjährig Freiwilliger im 2. Ulanen-Regiment zu Berlin, 1891 Premier-Leutnant
1880 Okt. Chemiker bei der BASF, Ludwigshafen
1883 Nov. Eintritt in die Firma C. F. Boehringer&Soehne, Mannheim
1889 Einrichtung eines chemischen Hauptlaboratoriums
1892 Sep. Alleininhaber und Leiter der Firma
1901 Mitglied der Handelskammer Mannheim
1902 Stadtrat in Mannheim, Nationalliberale Partei
1902 Vorsitzender des Aufsichtsrats der Mannheimer Gummi-, Guttapercha- und Asbest-Fabrik AG
1903-1906 Organisation der Interessengemeinschaft der Firmen Boehringer&Soehne, Merck, Knoll und Gehe&Co
Ende 1906 Begründer und 1. Vorsitzender des „Allgemeinen Arbeitgeberverbands Mannheim-Ludwigshafen“ und des „Verbandes von Arbeitgebern der Chemischen Industrie Mannheim-Ludwigshafen“
1908 Vorstand des Allgemeinen Fabrikanten-Vereins, Verband Mannheim
1909 15. Mär. Ernennung zum Kommerzienrat
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1885 (Mannheim) Marie Friederika, geb. Joerger (1866-1953)
Eltern: Vater: Friedrich (1821-1902), Chemieindustrieller
Mutter: Marie, geb. Brüstling (1825-1902)
Geschwister: 2 Brüder und 7 Schwestern:
Maria Christina (1848-1936), verheiratete Schilling von Canstatt
Anna Maria Magdalena (1849-1915), verheiratete Ziegler
Margaretha Bertha (1851-1878), verheiratete Reiß
Caroline Elise Gabriele (1853-1920)
Emma Christine (1854-1911), verheiratete Hübsch
Hans Robert (1856-1944)
Martha (1858-1946), verheiratete Schmige
Ludwig (Louis, 1859-1930)
Marie Antoinette Laura (1861-1955), verheiratete von Hausmann
Kinder: 4:
Fritz Carl (1886-1956)
Hans Robert (1888-1960)
Curt Maria (1889-1958)
Rudolf Conrad Ernst (1892-1945)
GND-ID: GND/11750047X

Biografie: Alexander Kipnis (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 5 (2005), 66-67

Friedrich Engelhorn junior, der älteste Sohn des bekannten Mitbegründers der BASF, war zusammen mit neun Geschwistern unter den strengen Prinzipien des Pflichtgefühls und Arbeitsfleißes erzogen. Er musste das Gymnasium zu Mannheim besuchen, die klassische Bildung entsprach aber den Neigungen des Jungen offensichtlich nicht, wie Unterlagen einer Schulkonferenz erweisen: „Bei rühmlichem Fleiß sind die Leistungen kaum genügend“. Die Quinta repetierte Engelhorn – und so beendete er seine Schulbildung. Immerhin hatte er die Möglichkeit, sich an der Technischen Hochschule Karlsruhe zu immatrikulieren, um Chemie zu studieren. Nach einem Zeugnis des Chemieprofessors K. Birnbaum erzielte Engelhorn „Bei sehr regelmäßigem Fleiß und großer Ausdauer ... bei seinen Studien einen recht guten Erfolg“. Das Chemiestudium setzte Engelhorn an der Universität Straßburg fort, wo seit 1876 der begeisterte Organiker R. Fittig dozierte. Unter ihm erarbeitete er seine Dissertation über Metacryl- und einige andere ungesättigte Säuren, wobei er hier an den ersten Erforschungen der Polymerisation dieser Substanzen teilnahm. Engelhorn promovierte cum laude und publizierte einen Artikel über einen Teil seiner Dissertation; damit aber war seine wissenschaftliche Tätigkeit beendet.
Mit Eifer erfüllte er seinen Militärdienst, wobei er eine besondere Neigung entfaltete und 1891 den Rang eines Premier-Leutnants der Reserve erhielt. Später war er Mitglied des Krieger-Vereins zu Mannheim, dessen erster Zweck die „Erhaltung der Erinnerung an die für Deutschland ewig denkwürdigen Jahre 1866 und 1870/71“ war. 1880 trat Engelhorn als Chemiker in das väterliche Unternehmen ein. Wie im Vertrag stand, sollte er nur bei der Schwefelproduktion arbeiten, später aber, ohne Zweifel durch seines Vaters Unterstützung, „lernte [er]der Reihe nach die verschiedensten Fabrikationen kennen“. Als Engelhorn 1883 in England war und eine Weltreise beabsichtigte, rief ihn der Vater zurück: Die Firma „C. F. Boehringer&Soehne“ brauchte dringend einen Industriechemiker, der dem Firmeninhaber Kaufmann Ernst Boehringer zur Seite stehen konnte. Engelhorn senior hatte 1 Millionen Mark für den Sohn eingezahlt, um ihn zum gleichberechtigten Mitbesitzer der Firma zu machen.
Ende 1883 begann Engelhorns unternehmerische Tätigkeit. Er hatte erkannt, dass die bisher nur auf Chinin spezialisierte Produktion wesentlich erweitert werden müsse und dass dies allein durch gezielte chemische Forschungen möglich würde. Also richtete er ein Zentrales Forschungslaboratorium ein, zunächst mit wenigen Chemikern. Nach dem unerwarteten Tod von Ernst Boehringer wurde Engelhorn zum Alleininhaber und Leiter der Firma. Er konzentrierte sich fortan ausschließlich auf organisatorische Aufgaben und setzte leistungsfähige Mitarbeiter in verantwortungsvollen Positionen ein, einen Stab von interessierten Fachleuten, von denen er viel verlangen konnte. Einen besonderen Erfolg krönte die Arbeit von Fr. und L. Ach, Schüler Emil Fischers: ihnen gelang die industrielle Herstellung synthetischen Coffeins.
Engelhorn organisierte auch die pharmakologische Prüfung neuer Mittel, was dank seiner Kontakte zum Altmeister dieses Fachs, Professor O. Schmiedeberg in Straßburg, möglich wurde. Gleichzeitig begann Ed. Köbner, einer der bedeutendsten Mitarbeiter Engelhorns, „ein sehr gescheidter ... und obwohl Jud’ ein in jeder Beziehung respektabler Mensch“, wie Engelhorn an seine Frau schrieb, die Fortschritte der Forschungen den Ärzten zu vermitteln. Unter Engelhorns Leitung prosperierte die Firma, wurde zu einem der bedeutendsten Forschungsunternehmen seiner Zeit und Arzneimittelhersteller mit mehr als 700 Patenten im In- und Ausland.
Als Leiter hatte Engelhorn ausführliche Regeln für das ganze „Leben“ des Unternehmens ausgearbeitet, einschließlich der Arbeitsdisziplin und –zeit: von 6 bis 18 Uhr mit Pausen von 8 bis 8.30 und von 12 bis 13 Uhr. Er legte die Sicherungsmaßnahmen fest, insbesondere für die Apparate, welche höherem Druck ausgesetzt waren, die Registrierung des Verbrauchs aller Substanzen und Materialien, aber auch die Regeln über das kostenlose Waschen der Mitarbeiter und ihrer Familien mit heißem Wasser. Während einer Grippeepidemie wurde Chininlösung kostenlos verteilt, selbstverständlich nach entsprechender Instruktion. Engelhorn verlangte pedantisch, dass alle Regeln pünktlich durchgeführt werden sollen. Zielstrebig und konsequent kam er morgens als erster in die Fabrik, und als letzter verließ er sie abends. Bezüglich seiner Firma hatte er eine paternalische Einstellung und konnte nicht verstehen und akzeptieren, wie der Staat in den Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer intervenieren konnte.
Als energischer und erfolgreicher Unternehmer wurde Engelhorn zum Anfang des 20. Jahrhunderts eine sehr einflussreiche Persönlichkeit in der Stadt Mannheim, besonders nach dem Tod seines Vaters, dessen Erbe er steuern und zwischen zahlreichen Nachkommen verteilen musste. Er baute für seine Familie eine prachtvolle Villa in der Mannheimer Oststadt (1903-1904) und nahm aktiv teil am wirtschaftlichen Leben der Stadt, insbesondere als Vorsitzender oder Mitglied des Aufsichtsrats von zehn Unternehmen. Sein klarer Blick für die wirtschaftlichen Verhältnisse war allgemein geschätzt. Als Mitglied der Nationalliberalen Partei war er Sprecher seiner Partei in allen Fragen der Wirtschaft im Stadtrat und im Mannheimer Bürgerausschuss. Er war ein erklärter Feind der Sozialdemokratie, „ein offener, ehrlicher Gegner“, so die sozialdemokratische „Volksstimme“ bei seinem Tod, und zur Verteidigung der Interessen seines Standes gründete er zwei Arbeitgeberverbände, an deren Spitze er bis zu seinem Tod stand.
Im Jahre 1897 erfuhr Engelhorn, dass er an einer ernsten Herzkrankheit litt, arbeitete aber ebenso intensiv wie früher und schrieb seitdem an seine Frau rührende Briefe: Testamentsverfügungen bezüglich des Geschäfts, der Erziehung der Söhne, die er anfeuerte: „Strebt vorwärts, vorwärts! dass der Name Engelhorn noch einen hohen edlen Klang bekomme, den ich im Jenseits wohl befriedigt und erfreut hören werde.“ Seine letzten Verfügungen datieren vom 29. November 1910, bald darauf erlag er einem Herzinfarkt.
Quellen: StadtA Mannheim 12/1982, Nr.65, 4/77, Nr. 55, 68, 69, 70; S1/4799; UnternehmensA d. BASF, W1-Engelhorn; C-623; UnternehmensA Boehringer-Mannheim, Materialien des Engelhorn-Museums u. v. Egon Dietz.
Werke: Beiträge zur Kenntnis ungesättigter Säuren, (Diss. phil. Straßburg), 1879; Zur Kenntnis d. Methakrylsäure, Liebigs Ann. 1880, Bd. 200, 65-74.
Nachweis: Bildnachweise: Portrait (Öl) von Otto Propheter, 1908, bei d. Verwaltung d. Firma Boehringer-Mannheim; Fotos im Engelhorn-Museum u. bei E. Köbner, 1934, F. W. Euler, 1986 u. E. P. Fischer, 1991 (vgl. Lit.).

Literatur: Kommerzienrat Dr. Engelhorn †, Generalanzeiger (Mannheim) vom 3. 1. 1911; Volksstimme vom 5. 1. 1911; C. Liebermann, F. Engelhorn †, Ber. d. Dt. Chem. Ges. Bd. 44, 1911, 170; E. Köbner, F. Engelhorn †, Zs. für angew. Chem. Jg. 24, 1911, 229-231; Florian Waldeck, Alte Mannheimer Familien, 6. Teil, 1925, 54 f.; NN (Eduard Köbner), C. F. Boehringer&Soehne GmbH Mannheim-Waldhof: 1859-1934, 1934, 8-23; Friedrich Wilh. Euler, Die Familie Engelhorn in Mannheim: Vorfahren u. Nachkommen des Gründers d. BASF: Kommerzienrat F. Engelhorn (1821-1902), 1986; Ernst Peter Fischer, Wissenschaft für den Markt: Die Geschichte des forschenden Unternehmens Boehringer Mannheim, 1991, 74-87.
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