Schmidt, Arthur Benno 

Geburtsdatum/-ort: 20.05.1861; Leipzig
Sterbedatum/-ort: 14.04.1940;  Tübingen
Beruf/Funktion:
  • Jurist, Rektor in Tübingen
Kurzbiografie: 1880 Abitur am Nikolaigymnasium, Leipzig
1880–1884 Studium der Rechtswiss. in Leipzig; Abschluss mit sächsischem Referendarexamen in Dresden
1884 Promotion zum Dr. iur. in Leipzig mit dem Thema: Die Grundsätze über den Schadensersatz in den Volksrechten; Doktorvater Otto Stobbe
1884/85 Einjährig-Freiwilliger beim 8. Kgl. Sächsischen Infanterie-Regiment „Prinz Johann Georg“
1885–1888 angestellt am Kgl. Amts-/Landgericht Leipzig
1887 Habil. für die Fächer des Deutschen Rechts (später erweitert auf Kirchenrecht) in Leipzig (Die Echte Not) bei Otto Stobbe
1889–1913 o. Prof. für deutsche Rechtsgeschichte, Kirchenrecht, Völkerrecht und Rechtsenzyklopädie in Gießen (1893 erweitert auf deutsches Privat- und Handelsrecht)
1891 Ritterkreuz 1. Kl. Philipps-Orden
1897 Mitglied des ghzgl. Verwaltungsgerichtshofs in Darmstadt
1900 Geheimer Justizrat
1900/01 Rektor in Gießen
1907 Komturkreuz 2. Kl. Philipps-Orden
1913 o. Prof. für Deutsches Recht und Kirchenrecht in Tübingen
1914 Mitherausgeber „Archiv für die civilistische Praxis“
1914/16 Teilnahme am Ersten Weltkrieg als Oberleutnant der Reserve; Sächsische Landwehrverdienstauszeichnung 2. Kl.
1917/18 Rektor Univ. Tübingen; Ehrenkreuz des Ordens der Württ. Krone
1927 Dr. theol. h. c. (Univ. Gießen)
1931 Emeritierung
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1894 Marie, geb. Beneke (1873–1956)
Eltern: Vater: Benno Schmidt (1826–1896), Dr. med., Univ. Prof. der Chirurgie in Leipzig (vgl. BJ 1896, 160)
Mutter: Louise, geb. Berger
Geschwister: 2: Georg Benno (1860–1935), Dr. med., Prof. der Chirurgie in Heidelberg, Leiter der Kinderchirurgischen Abt. Luisenheilanstalt Heidelberg; Martin Benno (1863–1949), Dr. med., Prof. der Pathologie in Düsseldorf, Zürich, Marburg und Würzburg, 1913–1934 Leiter der Würzburger Pathologie, 1916/17 Rektor Würzburg
Kinder: 4: Wolfgang (* 1895); Gerhard (* 1896); Eva-Marie (* 1902); Arnold Arthur (* 1905)
GND-ID: GND/117501778

Biografie: Martin Otto (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 2 (2011), 248-250

Die Vorfahren von Schmidt waren über Generationen sächsische Pfarrer und Lehrer; der Vater war Chirurg und Universitätsprofessor in Leipzig, sein Onkel war der ebenfalls in Leipzig lehrende Professor für Sächsisches Zivilrecht, Bernhard Gottlob Schmidt (1822–1869), der Großvater war der Theologe und Kirchenrat in Leipzig Gottlob Christian Schmidt (1788–1853). Schmidt zeigte früh künstlerische und musische Neigungen, studierte auf Wunsch seines Vaters von 1880 bis 1884 Rechtswissenschaften an der Universität Leipzig, wo sein späterer Doktorvater Otto Stobbe, Emil Friedberg und Bernhard Windscheid seine Lehrer waren. Während des Studiums war er Mitglied der wissenschaftlichen Verbindung „Roter Löwe Leipzig.“ Sein Vetter war Richard Schmidt (1862–1944), der ebenfalls Rechtswissenschaften studierte und später Professor in Freiburg und Leipzig wurde. Von den ersten Veröffentlichungen her zunächst Germanist und Kirchenrechtler im weiteren Umfeld Gierkes, wurde Schmidt 1889 als Nachfolger von Heinrich Otto Lehmann auf ein Ordinariat an der kleinen hessischen Landesuniversität Gießen berufen. Schmidt wurde zu einem führenden Vertreter der Universität, versah 1900/01 das Rektorat, war wiederholt Dekan, vertrat ab 1887 die Universität in der Ersten Hessischen Kammer und war ab 1897 auch Mitglied des Verwaltungsgerichtshofes. Er vertrat die Universität 1901 bei der Grundsteinlegung des Praetoriums der Saalburg und 1901 bei der Enthüllung des Bismarck-Nationaldenkmals in Berlin und erteilte 1890/91 dem hessischen Erbgroßherzog Ernst Ludwig (1868–1937; 1892–1918 Großherzog von Hessen und bei Rhein) juristische Privatvorlesungen. Zu seinen Doktoranden gehörte der katholische Priester und Kirchenrechtler Karl Neundörfer (1889–1926). 1904 wurde ein Ruf nach Königsberg abgelehnt. 1913 wurde Schmidt als Nachfolger von Siegfried Rietschel auf das germanistische Ordinariat nach Tübingen berufen. Wie bereits in Gießen, bemühte sich Schmidt um Kontakte zu den Historikern (Haller). Im Jahre 1914 trat Schmidt daneben mit dem 111. Band in das Herausgebergremium des „Archivs für die civilistische Praxis“ ein, dessen Herausgeber damals noch überwiegend Tübinger Professoren waren. Am Ersten Weltkrieg nahm er zunächst als Reserveoffizier der Landwehr teil. Im Kriegsjahr 1916/17 versah er das Tübinger Rektorat. 1923 übernahm Schmidt als Herausgeber des AcP den neueingerichteten Besprechungsteil „Literatur“, den er 15 Jahre leitete.
Schmidt hat seine Rechtsgebiete gründlichst bearbeitet, dabei aber auch keine Scheu vor den Grenzgebieten der Rechtswissenschaften im Sinne einer Interdisziplinarität, bevor dieser Begriff eingeführt war. Das 1896 erschienene „Medizinisches aus deutschen Rechtsquellen“ behandelte so Grenzprobleme zwischen Medizin und Rechtswissenschaft in deutschen Rechtsquellen. In den von Hans Carl Nipperdey herausgegebenen „Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung“ bearbeitete Schmidt den Artikel 150 (Denkmalschutz), wobei ihm seine kunsthistorische Neigung (große private Kunstsammlung) und die Beschäftigung mit Aspekten des Denkmalschutzes im Kirchenrecht hilfreich war; eine rechtliche Fundierung des Denkmalschutzes im Sinne der Heimatschutzbewegung hatte Schmidt bereits 1914 in der Sohm-Festschrift skizziert; Denkmal- und Heimatschutz seien auch Aufgaben der Rechtsgeschichte, zu den „Zeugen unserer nationalen Vergangenheit“ gehörten auch die „Rechtsquellen unserer deutschen Rechtsgeschichte.“ Schmidts letzte Veröffentlichung behandelte das Verhältnis von Goethekreis und historischer Rechtsschule. Als Zivilrechtler behandelte Schmidt vornehmlich das BGB, insbesondere das Familienrecht, das er auch kommentierte. Methodologische Schriften verfasste Schmidt hingegen nicht; auch wenn er 1931, dem Jahr seiner Emeritierung, gemeinsam mit Heck und Rümelin, also den Hauptvertretern der „Tübinger Interessenjurisprudenz“, durch eine von Heinrich Stoll herausgegebene Festgabe geehrt wurde, hatte Schmidt doch zu den Fragestellungen der Interessenjurisprudenz nicht beigetragen. Im Familienrecht betonte Schmidt die Bedeutung der christlichen Familie. Schmidt war überzeugter lutherischer Christ, entsprechend geprägt waren seine kirchenrechtlichen Arbeiten, die ihren Schwerpunkt im Staatskirchenrecht Hessens (Quellenedition) und Württembergs hatten. In Tübingen war Schmidt engagiertes Mitglied im evangelischen Gemeindevorstand. Als sein wichtigster Schüler gilt Hermann Schultze von Lasaulx, der 1931 mit einer Arbeit zur Geschichte des Wertpapierrechts bei Schmidt habilitiert wurde. Ein Schatten fällt auf das Werk von Schmidt, berücksichtigt man seine letzten politischen Äußerungen. Von Hause aus nationalliberal und bei allem Germanentum immer das christliche Element betonend, stand er, bereits emeritiert, der politischen Entwicklung nach 1933 sehr positiv gegenüber. Bislang als überzeugter Reserveoffizier nur im Kriegerverein organisiert, wurde er nunmehr Mitglied im Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen und Mitglied der SA-Reserve II, wobei karrieristische Motive ausgeschlossen werden können. Der Tübinger Rektor Hoffmann bezeichnete Schmidt in diesem Sinne als einen „der sympathischsten Vertreter der älteren Generation.“ 1938 bedauerte der bereits von Krankheit gezeichnete Schmidt, infolge seines „hohen Alters im Falle einer kriegerischen Verwicklung anlässlich der Sudetenkrise sich nicht mehr der Wehrmacht zur Verfügung stellen zu können.“ Damit ist Schmidt allerdings kein Einzelfall, sondern typisch für eine konservativ-germanistisch geprägte Generation von Rechtshistorikern. In seinem Nachruf für das AcP würdigte sein Lehrstuhlnachfolger Hans Erich Feine, dass der „neugeprägte Ausdruck Rechtswahrer gerade“ auf Schmidt anzuwenden sei (211), bezeichnete ihn als „echten deutschen Mann“ (218), der „fest im Boden germanischen Blutes“ (213) verwurzelt sei. Letztlich verkörperte Schmidt eine mit dem Zusammenbruch der Monarchie in Deutschland geistig heimatlos gewordene Professorengeneration. Auch die letzte Veröffentlichung, die vom Goethebild des 19. Jahrhunderts diesen als Rechtsdenker zu verstehen sucht, kann keinesfalls als nationalsozialistisch konnotiert gesehen werden.
Schmidt bewohnte in Tübingen ein gastfreundliches Haus in der Gartenstraße 18. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Tübinger Stadtfriedhof.
Quellen: PA UA Gießen und Tübingen.
Werke: Die Grundsätze über den Schadensersatz in den Volksrechten, 1885; Das Recht des Überhangs und Überfalls. Eine rechtsgeschichtliche und rechtsvergleichende Studie aus dem Gebiete der Nachbarrechte, 1886; Echte Not: ein Beitrag zur deutschen Rechtsgeschichte, 1888; Kirchenrechtliche Quellen des Großherzogtums Hessen. Eine Quellensammlung zur Stellung von Staat und Kirche und zum kirchlichen Verfassungsrecht, 1891–1895 (2 Bde.); Die geschichtlichen Grundlagen des bürgerlichen Rechts im Großherzogtum Hessen, 1893; Der Austritt aus der Kirche: eine kirchenrechtliche und kirchenpolitische Abhandlung, 1893; Medizinisches aus deutschen Rechtsquellen, 1896; FS für Prof. Dr. med Benno Schmidt, 1896 (zus. mit Georg Benno und Martin Benno Schmidt); Ehescheidung und richterliches Ermessen, in: Giessener FS Dernburg, 1900; das Bürgerliche Gesetzbuch als Erzieher unseres Volkes, 1901; Die bürgerliche Ehe (§§ 1297–1588 BGB), in: Eduard Hödler (Hg.), Kommentar zum BGB, Bd 4, Hbbd. 1, 1907; Neue Beiträge zum Austritt aus der Kirche, in: FS Emil Friedberg, 1908, 73–114; Otto Stobbe, in: DJZ 1909, 987–990; Zur Frage der Schenkungen aus Gesamtgut, 1909; Studien zum kleinen Kaiserrecht, in: FS Gierke, 1911, 421–453; Rechtsfragen des deutschen Denkmalschutzes, in: FS Rudolf Sohm, 1914, 146–197; Frankfurter Zunfturkunden bis zum Jahre 1612 (2 Bde.), 1914 (ND 1968); Eigentumserwerb unter Kriegsrecht, 1918; Der Verfassungsneubau der ev. Kirche Württembergs, 1919; Kirchengemeinde und Diözesanverband. Wünsche und Vorstellungen für eine kirchengesetzliche Neuregelung in Württemberg, in: Kirchlicher Anzeiger für Württemberg 30 (1921); Kirchliche Simultanverhältnisse in Württemberg, in: FS Karl Müller, 1922, 301 –321; Karl Heinrich Franz Gareis, in: DBJ 5 (1923), 92–100; Die Stellung der unehelichen Kinder und der Gesetzentwurf vom 22. Mai 1925, in: AcP 117 (1927), 210–231; Zur Geschichte der Tübinger Juristenfakultät: Die Professorenfamilie Harpprecht, in: Schwäbischer Merkur 1927; Privatrechtliche Reichsgesetze und Verordnungen außerhalb des BGB, 5. Aufl. 1930; Artikel 150: Denkmalschutz, in: Hans Carl Nipperdey (Hg.), Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, 3, 1930, 100–124; Nebengesetze zum BGB, 8. Aufl. 1934; Goethekreis und deutsche Rechtsgeschichte, 1935; Handelsgesetzbuch, Wechselgesetz, Scheckgesetz mit den wichtigsten Ergänzungsgesetzen mit Anmerkungen und Sachverzeichnis, 25. Aufl. 1936.
Nachweis: Bildnachweise: Ölgemälde von H. Lietzmann (1927), Univ. Tübingen.

Literatur: H. E. Feine, Arthur Benno Schmidt †, in: AcP 146 (1940), 211–218; ders., in: ZSRG Germ. LXX (1941), 496–499; W. Krawietz, Interessenjurisprudenz, in: Historisches Wörterbuch Philosophie, 4, 1976, 494–515 (498); H.-B. Kim/W. Marschall von Bieberstein, Zivilrechtslehrer deutscher Sprache, 1988, 524; W. Speitkamp, Die Verwaltung der Geschichte. Denkmalschutz und Denkmalpflege in Deutschland, 1996, 379; A. Hollerbach, Der Mainzer Priester Dr. iur. Karl Neundörfer (1885–1926). Aspekte seines Lebens und Wirkens, in: FS Karl Lehmann, 2001, 313–326 (314–316, 325); G. Köbler, Deutsche Rechtshistoriker, 2006, 210 f.; Zur Familie: Thomas Duve, 17 f.
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