Schlunk, Martin Carl Albert 

Geburtsdatum/-ort: 06.10.1874; Calikut/Ostindien
Sterbedatum/-ort: 18.02.1958;  Tübingen
Beruf/Funktion:
  • Missionswissenschaftler
Kurzbiografie: 1884-1894 Gymnasium zu Brandenburg an der Havel
1894-1898 Studium der Theologie in Halle und Berlin
1898-1900 Hauslehrer in Kruckow, Pommern
1900-1901 Mitglied des Domkandidatenstifts zu Berlin
1901-1903 Senior des studentischen Konvikts Melanchthonhaus in Halle
1903-1908 Pfarrer in Bottschow, Diözese Sternberg II
1908-1927 Zweiter Inspektor, seit 1919 Leiter der Norddeutschen Missionsgesellschaft (NMG), seit 1925 mit der Dienstbezeichnung Direktor
1914-1928 Lic. theol. h. c; Lehrauftrag für Missionswissenschaft am Kolonialinstitut Hamburg, seit 1919 an der Philosophischen Fakultät der Universität Hamburg, seit 1927 auch an der Universität Kiel; 1922 Ehrendoktorwürde (Dr.) der Theologischen Fakultät der Universität Halle-Wittenberg; Missionsdirektor der hanseatischen Kirchen (1927-1928)
1928-1941 Professor für Missionswissenschaft in Tübingen
1921-1952 Sekretär, 1924-1948 Vorsitzender des Deutschen Evangelischen Missions-Ausschusses (seit 1933: Deutscher Evangelischer Missions-Rat, DEMA/DEMR), seit 1922 in dieser Eigenschaft Mitglied des leitenden Komitees des Internationalen Missions-Rates (IMR)
1924-1948 Vorsitzender des Deutschen Evangelischen Missions-Bundes (gegr. 1922, seit 1933: Deutscher Evangelischer Missions-Tag, DEMB/DEMT)
1918-1951 Schriftführer, seit 1929 Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Missionswissenschaft
1924-1939 Mitherausgeber, 1937-1939 Schriftleiter der Neuen Allgemeinen Missionszeitschrift (NAMZ), Herausgeber des „Missions-Bücherwarts“ der „Zentralstelle für Missionsliteratur“ (Beilage zum „Evangelischen Missionsmagazin“ und zur NAMZ)
Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Verheiratet: 1903 Charlottenburg, Eva-Margarete, geb. Berner (1883-1964)
Eltern: Carl Albert Franz (1841-1916), Kaufmann in Ostindien und Bremen, zuletzt Leiter einer Arbeiterkolonie
Bertha Magdalene, geb. Schlunk (1853-1927)
Kinder: 6
GND-ID: GND/117521086

Biografie: Johannes Michael Wischnath (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 3 (2002), 360-362

Schlunk entstammt einer über Generationen eng mit der Äußeren Mission verbundenen Familie aus Brandenburg a. d. H. Onkel und Vater waren Kaufleute in der Missionshandelsgesellschaft der Basler Mission in Ostindien, ein Großonkel jahrzehntelang Schatzmeister der Berliner Missionsgesellschaft, sein älterer Vetter Julius Richter wie er Inhaber eines missionswissenschaftlichen Lehrstuhls. Die früh geweckte Liebe zur Mission wurde für Schlunks Lebensweg bestimmend.
Bereits nach wenigen Jahren des Pfarrdienstes in einer neumärkischen Gemeinde, in denen er literarisch mit einer Biographie des französischen Westafrikamissionars Coillard und einem Pressedienst „Neueste Nachrichten aus der Heidenmission“ hervorgetreten war, wurde Schlunk zum zweiten Inspektor der kleinen Norddeutschen Missionsgesellschaft in Bremen berufen. Nach einer Visitationsreise auf das Missionsfeld im Hinterland von Togo und der Goldküste 1909/10 siedelte er bereits 1910 nach Hamburg über, um dort und im Umland die Betreuung der Missionsvereine und die Werbung für die Mission zu intensivieren.
Die Lehraufgaben, die zu Schlunks Hamburger Pflichtenkreis gehörten, kamen seinen wissenschaftlichen Neigungen besonders entgegen: 1914 erhielt er einen ständigen Lehrauftrag für Missionswissenschaft am Kolonialinstitut, das seit 1909 wechselnde Gastdozenten zu missionswissenschaftlichen Vorlesungen herangezogen hatte. Daneben beteiligte sich Schlunk am „Allgemeinen Vorlesungswesen“ der Hansestadt und unterrichtete am Christlich-Sozialen Frauenseminar sowie im Missionarsheim „Grüne Tanne“, das die NMG 1911-1917 für Missionare unterhielt, die sich zu sprach- und missionswissenschaftlichen Studien am Kolonialinstitut in Hamburg aufhielten.
1927 gab Schlunk die Leitung der NMG ab und wurde Missionsdirektor der hanseatischen Kirchen (Bremen, Hamburg, Lübeck). Das Amt verpflichtete ihn vor allem zu missionswissenschaftlicher Arbeit und war eigens geschaffen worden, um seine Wegberufung auf einen theologischen Lehrstuhl zu verhindern. Ein Jahr später übernahm Schlunk dann doch als persönlicher Ordinarius das neugeschaffene Tübinger Extraordinariat, den vierten Lehrstuhl dieser Art in Deutschland nach Berlin, Halle und Leipzig. Nach seiner Emeritierung 1941 zunächst der Philosophischen Fakultät zugewiesen, wurde der Lehrstuhl 1945 für die Berufung Helmut Thielickes verwendet und erst 1948 wieder mit einem Missionswissenschaftler besetzt. Bis dahin führte Schlunk seine Lehrtätigkeit weiter, die von ihm mit besonderer Liebe gepflegten und bei den Hörern beliebten bibelkundlichen Übungen sogar bis 1952.
Seit Ende des I. Weltkrieges wuchsen Schlunk neben der Leitung der NMG mit dem Vorsitz in DEMA und DEMB, dem 1922 gebildeten Zusammenschluß der deutschen Missionsgesellschaften zur Vertretung ihrer Interessen gegenüber der Regierung und für die Pflege internationaler Beziehungen, sowie der Mitgliedschaft im 1921 eingerichteten IMR Führungsämter auch auf nationaler und internationaler Ebene zu. Schlunk, zwischen 1926 und 1938 auch Vorsitzer der Kontinentalen Missionskonferenzen in Bremen, konnte wesentlich dazu beitragen, die deutsche Missionsarbeit aus der Isolierung herauszuführen, in die sie mit dem I. Weltkrieg geraten war. Schon 1910 Teilnehmer an der Weltmissionskonferenz in Edingburgh leitete er bei der 2. und 3. Weltmissionskonferenz des IMR 1928 in Jerusalem und 1938 in Tambaram/Südindien die deutsche Delegation.
1933 gelang es unter Schlunks Leitung, deutschchristliche Gleichschaltungsversuche abzuwehren und die politische und kirchenpolitische Unabhängigkeit der Missionsgesellschaften zu wahren. Deren engerer Zusammenschluß durch Umwandlung des DEMB zum DEMT und des DEMA zum DEMR hatte auch nach 1945 Bestand. Die prinzipiell staatsloyale Haltung und die kirchenpolitische Position Schlunks wie der Äußeren Mission überhaupt – an der Seite, aber nicht unter der Leitung der Bekennenden Kirche – haben auch Kritik erfahren. Das gilt besonders für das deutsche „Sondervotum“ in Tambaram, obwohl die von Schlunk verantwortete Konferenzberichterstattung zum Verbot der NAMZ führte.
Schlunk hat bis ins hohe Alter unermüdlich publiziert, doch waren nur einige seiner früheren Veröffentlichungen – die Arbeit über das Schulwesen in den deutschen Kolonien ist bis heute in ihrer Art aktuell – Forschungsbeiträge im engeren Sinn. Seit Beginn der 1920er Jahre ging es ihm zunehmend darum, die Ergebnisse der Missions- und Religionswissenschaft im Sinne einer missionarischen Apologetik wissenschaftlich zuverlässig in zusammenfassenden Darstellungen einem breiten Leserkreis in verständlicher Sprache zu vermitteln. Für diese häufig aus dem akademischen Unterricht erwachsenen Arbeiten stand dem „Anwendungsgenie“ Schlunk eine einzigartige Personal-, Sach- und Literaturkenntnis zu Gebote, die er neben seiner praktischen Tätigkeit in rastloser bibliographischer, Rezensions- und Herausgebertätigkeit erworben hatte.
Die praktische Ausrichtung dieser Schriften bedingt aber auch ihre Zeitgebundenheit. Außer seiner „Religions- und Missionskarte der Erde“ hat nach Schlunks Tod nur die „Bibelkunde“ noch Neuauflagen erfahren, zuletzt 1983. Zudem mußte der missionstheologische Ansatz Schlunks, den sein Nachfolger Gerhard Rosenkranz als einen der letzten Missionstheologen aus der Schule Gustav Warnecks bezeichnete, nach der Rezeption der Dialektischen Theologie und der Überwindung des maßgeblich von Warneck bestimmten „Sonderweges“ der deutschen Missionstheologie als überholt scheinen, auch wenn Schlunk diese theologische Entwicklung in seinen Schriften keineswegs ignorierte.
Als Vertreter der deutschen Mission, als akademischer Lehrer wie als Kollege war Schlunk wegen seiner liebenswürdigen, auf Ausgleich gerichteten Sachlichkeit, seiner umfassenden Übersicht über die Arbeitszweige und Probleme der Weltmission wie wegen seiner Einsatzbereitschaft hochgeachtet. Er versagte sich keinem Dienst, zu dem er gerufen wurde, und hat neben einer lebenslangen, umfangreichen Predigttätigkeit in reichem Maße auch geistliche Betrachtungen, Kalenderzettel und andere erbauliche Schriften veröffentlicht. Tübingen, wo er fast drei Jahrzehnte dem Vorstand des Deutschen Instituts für ärztliche Mission angehörte, und Württemberg war er auch über die Familie seiner Frau, einer Enkelin des Mineralogen Friedrich August Quenstedt (1809-1889), verbunden.
Quellen: Evangelisches Zentralarchiv in Berlin: Kirchliches Außenamt (EZA 5/280); StA Bremen: Norddeutsche Missionsgesellschaft; Archiv des Evangelischen Missionswerks in Deutschland, Hamburg: Akten des DEMA/DEMB und des DEMR/DEMT; UA Tübingen: Personal- und Lehrstuhlakten (UAT 126/593, 162/44, 205/8), Nachlaß (UAT 552). Schriftenverzeichnis und Nachweis weiterer Quellen im Nachlaßrepertorium
Werke: (Auswahl) Francois Coillard und die Mission am oberen Sambesi, 1904; Die Norddeutsche Mission in Togo, 2 Bde., 1910-1912; Die Schulen für Eingeborene in den deutschen Schutzgebieten am 1. Juni 1911. Auf Grund einer statistischen Erhebung der Zentralstelle des Hamburgischen Kolonialinstituts dargestellt von Martin Schlunk (Abhandlungen des Hamburgischen Kolonialinstituts Bd. XVIII. Reihe A: Rechts- und Staatswissenschaften Bd. 4), 1914; Das Schulwesen in den deutschen Schutzgebieten, 1914; Die Weltanschauung im Wandel der Zeit. Eine Einführung für Suchende, 2 Bde., 1921; (Hg.) Von den Höhen des Ölbergs. Bericht der deutschen Abordnung über die Missionstagung in Jerusalem, 1929; Die Weltreligionen und das Christentum. Eine Auseinandersetzung vom Christentum aus, 1932; (Hg.) Das Wunder der Kirche unter den Völkern. Bericht über die Weltmissions-Konferenz in Tambaram (Südindien) 1938, 1939; Die Weltmission der Kirche Christi. Ein Gang durch neunzehn Jahrhunderte. Neue Ausgabe, gründlich durchgesehen und bis zur Gegenwart fortgeführt, 1951; Bibelkunde. 11., durchgesehene Aufl. in 1 Bd., 1983
Nachweis: Bildnachweise: Foto im UA Tübingen

Literatur: Rainer Hering, Die Missionswissenschaft in Hamburg 1909-1959. In: Ders., Theologische Wissenschaft und „Drittes Reich“. Studien zur Hamburger Wissenschafts- und Kirchengeschichte im 20. Jahrhundert, 1990 (= Reihe Geschichtswissenschaft 20), 35-86; Arno Lehmann, Die deutsche Evangelische Mission in der Zeit des Kirchenkampfes. In: Evangelische Missions-Zeitschrift 31 (1974) 53-93 und 105-128; Gerhard Rosenkranz, Martin Schlunk. In: Missionsmagazin 103 (1959), 17-32
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