Rehbock, Theodor 

Geburtsdatum/-ort: 12.04.1864; Amsterdam/Niederlande
Sterbedatum/-ort: 17.08.1950;  Baden-Baden
Beruf/Funktion:
  • Wasserbau-Experte
Kurzbiografie: 1890 Abschluß als Dipl.-Ing. mit Auszeichnung an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg
1893 Erste große Auslandsreise Nord-Amerika
1894 Regierungs-Baumeister-Prüfung, eigenes Ingenieursbüro
1896/1897 Südafrika, Madagaskar, Ostafrika, Ägypten, Klein-Asien, Türkei, Griechenland
1899 Berufung auf den Lehrstuhl für Wasserbau der Technischen Hochschule Karlsruhe
1901 Einweihung des ersten Flußbaulaboratoriums
1907 Gesamtplan für den Ausbau der badischen Wasserkräfte
1907/1908 Rektor der Technischen Hochschule Karlsruhe und ebenso 1917/1918
1918 Ehrenpromotion, München
1921 Eröffnung des neuen Flußbaulaboratoriums
1925/1926 Rektor der Technischen Hochschule Karlsruhe
1929 Austausch-Prof. am Massachussetts Institute of Technology
1934 Pensionierung
1935 Gründung des internationalen Verbandes für wasserbauliches Versuchswesen
1940 Ehrenmitglied des Konigleiken Instituuts van Ingenieurs, den Haag, Auswärtiges Mitglied der Bauakademie, Berlin
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Eltern: Vater: Alexander Rehbock (1829-1914), Kaufmann
Mutter: Emma Catharina, geb. Schöffer (1842-1930)
GND-ID: GND/11752140X

Biografie: Peter Larsen (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 4 (1996), 224-227

Rehbock wurde in den Niederlanden geboren. Sein Vater, der aus Frankfurt/Main kam, hatte in Amsterdam seine Frau kennengelernt. Die Familie führte dort ein Leben, das von internationalen Kontakten stark geprägt wurde. Der Vater war Chef eines Handelshauses mit bedeutenden überseeischen Interessen und Präsident kolonialer Unternehmungen in Indien. Dieser Hintergrund hat sicherlich zu Rehbocks späterer, von Auslandsaufträgen geprägten Ingenieurtätigkeit beigetragen.
Seine Schulausbildung genoß Rehbock nach dem Besuch holländischer Vorschulen in Deutschland, zunächst am humanistischen Progymnasium in Boppart am Rhein und alsdann am Wöhler-Realgymnasium in Frankfurt/Main. Nach der Reifeprüfung studierte er Bauingenieurwesen in München und Berlin, wo er die Diplomprüfung mit Auszeichnung bestand. Ein Teil seiner Diplomarbeit wurde unter dem Titel „Beitrag zur Theorie versteifter Bogenbrücken“ im Jahre 1892 veröffentlicht.
Es folgte eine zweijährige praktische Arbeit als Konstrukteur am Wallot-Bau des Reichstages in Berlin, für den er fast alle Stahlkonstruktionen entwarf. Zwei weitere Jahre als Assistent des bekannten Wasserbauingenieurs, Oberbaudirektor Ludwig Franzius in Bremen lenkten ihn auf die Fachrichtung hin, die er so erfolgreich prägen sollte. Seine größte Aufgabe in dieser Zeit war der Entwurf für die „Lüderitzbrücke“ über die Weser in der Stadt Bremen. Es war die erste statisch bestimmt gelagerte Auslegerbrücke mit einem an neuartigen Gelenken aufgehängten Mittelteil. Für das System dieser Brücke wurde Rehbock bei einem Wettbewerb im Berliner Architekten-Verein preisgekrönt.
Von Bremen aus unternahm Rehbock seine erste Reise nach Nord-Amerika, wo die Weltausstellung in Chicago im Jahre 1893 stattfand. Dort wurde das von dem bekannten Wasserbauer Clemens Herchel konzipierte „3-fuß“-Venturimeter für Abflußmessungen ausgestellt. Dieses große Meßgerät, das bis in die siebziger Jahre im Flußbaulaboratorium „Alden Research Laboratory“, Massachussetts, Dienst leistete und heute den Eingang dieses Labors ziert, war sicher ein für Rehbock interessantes Studienobjekt. Die Reise, die auch in den Yellowstone-Park, nach New-Mexico und nach Kanada führte, veranlaßte den Aufsatz „Die Wasserstraße durch die Canadischen Seen und ihr Verkehr“.
Noch während seiner Assitentenzeit bei Franzius legte Rehbock die Regierungs-Baumeister-Prüfung ab, zog aber dann nach Berlin, wo er sein Ingenieurbüro eröffnete. Hier entfaltete er eine umfassende Tätigkeit als Wasserbauer mit dem Schwerpunkt auf ausländische Aufgaben. Als Beispiel stellte er in Argentinien Entwürfe für Verteidigungsanlagen an der Mündung des La-Plata-Stromes und in der Bucht von Bahia-Blanka auf. Im Zusammenhang mit dem Bau einer künstlichen Insel wurden Grundbohrungen bis zu 36 m unter dem Wasserspiegel durchgeführt, für die es damals keine Vorbilder gab. Die Lösung dieser Aufgabe hat Rehbock in einem Aufsatz „Die Ausführung von Grundbohrungen auf dem Meere“ (1900) ausführlich beschrieben.
Eine Studienreise nach Süd-Afrika diente in erster Linie Untersuchungen für die Wassererschließung und die Besiedlung der niederschlagsarmen südwest-afrikanischen Küstengebiete, die er in einer 8000 km langen, im Ochsenwagen und auf Pferderücken zurückgelegten Durchquerung eingehend untersuchte. Die Ergebnisse der Reise durch das Herero- und Groß-Namaland und die aus ihnen gezogenen Schlüsse zur Wassererschließung in diesem ariden Land sind von Rehbock und seinem kapländischen Reisegefährten, dem Geologen J. G. Watermeyer, ausführlich dargestellt worden. Rehbock hat seinen Reisebericht in einem mit Bildern und Karten reich ausgestatteten umfangreichen Werk „Deutsch-Südwestafrika, seine wirtschaftliche Erschließung unter besonderer Berücksichtigung der Nutzbarmachung des Wassers“ (1898) niederlegt. Der große Geograph Ferdinand von Richthofen beglückwünschte 1899 nach Empfang der Rehbock'schen Arbeiten, darunter auch zahlreiche Beiträge in kolonialen Zeitschriften, das die Expedition finanzierende Syndikat und seine Leitung „... zu der Veranlassung und Ausführung der bewunderungswürdigen, gemeinnützigen Arbeit des Herrn Rehbock ... Der Hebel für das praktische Wohl des Landes erscheint hier an der richtigen Stelle angesetzt.“
Als Rehbock auf den Lehrstuhl für Wasserbau der Technischen Hochschule Karlsruhe berufen wurde, stand er vor der Ausreise nach China, wohin er zur Erstellung eines Entwurfs für die Regelung des Unterlaufes des Gelben Flußes berufen war. Er verzichtete auf diese Reise, aber nicht ohne Zögern: Er hat den Ruf erst angenommen, nachdem ihm die badische Unterrichtsverwaltung die Weiterführung seiner Tätigkeit als beratender Ingenieur zugebilligt und die Mittel für die Errichtung eines Flußbaulaboratoriums in Aussicht gestellt hatte.
Von seiner Übersiedlung nach Karlsruhe im Jahre 1899 bis zu seiner bei Erreichung der Altersgrenze 1934 erfolgten Entpflichtung, demnach 35 Jahre lang, hat dann Rehbock als ordentlicher Professor des Wasserbaus und Direktor des von ihm errichteten Flußbaulaboratoriums an der Fridericiana gewirkt. Das Laboratorium wurde bei seinem 75. Geburtstag nach ihm genannt.
Schon bald nach seinem Eintritt in die Technische Hochschule erweiterte er das Lehrgebiet des Wasserbaus durch Vorlesungen über die sich in schneller Entwicklung befindlichen Gebiete der Wasserkraftanlagen und des Talsperrenbaus. Dabei ist zu bedenken, daß damals das Gebiet Wasserbau alles das umfaßte, was heute an drei Lehrstühlen, sicherlich vertieft und erweitert, gelehrt wird. Rehbocks Unterricht, zum Teil auf wissenschaftlichen Erkenntnissen der Laboruntersuchungen aufbauend und mit praktischen Übungen im Labor ergänzt, verschaffte im Laufe der Zeit den Wasserbauabsolventen den besten Ruf in Deutschland.
Rehbock wurde wegen seiner Erfahrung und seiner Kapazität für die Verwaltungsaufgaben der Hochschule in Anspruch genommen. Dreimal während seiner Amtszeit wurde er zum Rektor der Hochschule gewählt, die er auch viele Jahre hindurch im Kuratorium der Jubiläumsstiftung der deutschen Industrie Und in der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft, vertreten hat. In die letzte seiner Amtszeiten als Rektor fiel die im großen Rahmen begangene Jahrhundertfeier der Technischen Hochschule, an der Beauftragte aus 20 Staaten teilgenommen haben und bei der fast sämtliche Universitäten und Hochschulen des Deutschen Reiches durch ihre Rektoren vertreten waren.
Nach der Emeritierung verlegte Rehbock seinen Wohnsitz nach Baden-Baden, wo er aber in der Ausübung seines Berufes sehr aktiv blieb. In dieser Zeit entstand, auf Initiative von Rehbock und anderen, eine internationale Vereinigung von Wasserbauingenieuren, die heute unter dem Namen „International Association for Hydraulic Research“ (IAHR), Mitglieder aus 80 Nationen zählt. Die Bedeutung Rehbocks für das Zustandekommen der IAHR ersieht man daraus, daß ihm die Mitgliedsnummer 1 zugeteilt wurde. Als Berater für wasserbauliche Projekte wurde er immer wieder gefragt, als Beispiel mag das Esla-Projekt in Spanien mit einer Dammhöhe von 90 m dienen. Zur Abwehr der Gefährdung des Dammes durch rückschreitende Erosion wurde von Rehbock ein geschickter Lösungsvorschlag mit Hilfe von Modellversuchen erstellt. Seinen letzten Arbeitsbesuch an der Baustelle unternahm Rehbock als 79jähriger 1943 während des 2. Weltkrieges.
Rehbocks Tätigkeit im Bereich des Wasserbaus ist von weltweiter Bedeutung gewesen. Er hat einen maßgeblichen Beitrag zur Modellversuchstechnik geleistet, die zum unverzichtbaren Werkzeug für jeden Versuchsingenieur im Wasserbau geworden ist. In der Sprache hat sich dieses in Begriffen wie Rehbockgerinne, Rehbockwehr, rehbocksche Zahnschwellen u. a. niedergeschlagen.
Unzählige Wasserbauprojekte wurden weltweit von ihm geprägt: Die Anzahl der Länder für die Rehbock Arbeiten ausgeführt hat, übersteigt ein halbes Hundert. Als einziges Beispiel seien stellvertretend die Modellversuche für die Schließung der Zuiderzee erwähnt, eine Aufgabe, die ihm von Ministerie van Waterstaat im Haag 1927 übertragen wurde. Für den rund 30 km' langen Abschlußdeich waren umfangreiche Modellversuche zur Klärung verschiedener Abflußerscheinungen notwendig. Sie wurden im Flußbaulaboratorium ausgeführt und ermöglichten u. a. die Einsparung von fünf der dreißig vorgesehenen Entwässerungsschleusen. Die im Zusammenhang mit diesen Arbeiten durchgeführten Naturmessungen bestätigten die aus den Modellversuchen vorhergesagten Werte mit erstaunlicher Genauigkeit. Diese Ergebnisse trugen wesentlich dazu bei, das Vertrauen in Modellversuchen, nicht nur bei den Leitern der Zuiderzeewerke sondern darüber hinaus in weiten Ingenieurkreisen, zu stärken. Anläßlich dieser, für die Niederlande vorteilhaften Ergebnisse, wurde beschlossen, ein landeseigenes Wasserbaulaboratorium zu errichten, Delft Hydraulics Laboratory, das weltweit größte dieser Art.
Für das heimische Gebiet, Baden, war Rehbocks Interesse an der Erschließung der Wasserkräfte für Elektrizitätsproduktion von großer und dauerhafter Bedeutung. Schon im Jahre 1907 hatte er einen Gesamtplan für die badische Wasserkraftnutzung aufgestellt. Im Laufe der Jahre wurde dieser Plan in seinen Hauptbestandsteilen ausgeführt, z. B. durch Errichtung der dreistufigen Kraftwerkskette Schluchseewerk, von der die letzte Stufe im Jahre 1951 in Betrieb genommen wurde. Die lange Zeitspanne zwischen Rehbocks Vorlage seines Plans und der Fertigstellung dieser Anlage, vermittelt deutlich wie voraussehend er in seiner Planung war. Sie ist aber auch ein Ausdruck dafür, daß es damals, wie auch heute, nicht möglich war, ein Großprojekt ohne Widerstand durchzuführen: Bei dem Konzessionsgesuch für die obere Stufe im Jahre 1924 wurden über 400 Einsprachen eingereicht! Heute lassen sich diese Anlagen nicht mehr aus dem badischen Wirtschaftsleben fortdenken.
Quellen: Nachlaß in UA Karlsruhe.
Werke: (Auswahl) Beitrag z. Theorie versteifter Bogenbrücken. Berlin, 1892; Deutsch Südwestafrika. Seine wirtschaftl. Erschließung unter bes. Berücksichtigung der Nutzbarmachung d. Wassers. Berlin, 1898; Deutsch Südwestafrika. 96 Lichtdrucke nach Photographien aus dem Herero- und Nama-Lande. Berlin, 1898; Das Flußbaulaboratorium d. Großherzogl. TH „Fridericiana“ in Karlsruhe. Berlin 1903; Entwürfe. Wasserkraftwerkes im Gebiet der Murg oberhalb Forbach. Leipzig 1910; Abfluß, Stau u. Walzenbildung bei fließenden Gewässern. Berlin 1917; Die Wasserbaulaboratorien Europas. Hg. De Thierry, G.&C. Matschoss, Berlin 1926; Hydraulic Laboratory Practice. Ed. John Rehbock Freeman. New York: ASME. 1929; Wasserbauliche Modellversuche z. Klärung d. Abflußerscheinungen beim Abschluß der Zuiderzee. Rapporten No. 3. 'S-Gravenhage. 1931.
Nachweis: Bildnachweise: Ölporträt von Oskar H. Hagemann (1929) im Inst. f. Wasserbau u. Kulturtechnik d. Univ. Karlsruhe.

Literatur: Heinrich Wittmann, Tulla, Honsell, Rehbock Lebensbilder dreier Wasserbauingenieure am Oberrhein. Berlin. 1949. 52 S.; P. Larsen, H. Bernhart, T. Rehbock, in: Hydraulics and Hydraulic Research, a Historical Review. Ed. G. Garbrecht. A. A. Balkema. 1987.
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