Reiß, Carl Friedrich 

Geburtsdatum/-ort: 15.02.1843;  Mannheim
Sterbedatum/-ort: 03.01.1914;  Mannheim
Beruf/Funktion:
  • Banken- und Industriegründer, MdL (I. und II. Kammer)-Nationalliberale Partei
Kurzbiografie: 1849 Volksschule in R 2
ab 1852 Höhere Bürgerschule, zeitweise Privatunterricht
1861–1864 Studien d. Rechts- u. Staatswissenschaften in Heidelberg
1864–1870 längere Auslandsaufenthalte in Italien, Frankreich u. England, auch Spanien u. Portugal
1869 Mitbegründer des Nationalliberalen Vereins in Mannheim
1870–1871 Kriegsteilnahme als Sanitäter bei d. freiwill. Krankenpflege im Kriegsfalle; Mitbegründer d. Rhein. Hypothekenbank
1872–1886 Aufsichtsratsmitglied, später Vorsitzender d. Rhein. Kreditbank; Aufsichtsratsmitglied u. a. d. BASF (1873) u. d. Benz&Co. (1883), Mitbegründer d. Mannheimer Versicherungsges. (1879), d. Continentalen Versicherungsges. (1884) u. d. Pfälzischen Hypothekenbank (1886)
1889–1891 MdL (II. Kammer)-NLP
1896–1914 Mannheimer Stadtverordneter
1903–1914 MdL (I. Kammer)-NLP
1913–1924 Verbindung Augusta-Anlage – Rennwiese „Carl-Reiß-Allee“
1924 „Carl-Reiß-Platz“ in d. Oststadt
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Orden u. Auszeichnungen (Auswahl): EK II, Orden vom Zähringer Löwen 2. Klasse u. Bayer. Sanitätsverdienstkreuz (1871); Türkischer Konsul (1875), später Generalkonsul; Orden vom Zähringer Löwen 1. Klasse (1891); Kommerzienrat (1900); Ehrenbürger d. Stadt Mannheim (1901); Geheimer Kommerzienrat (1905); Dr. phil. h. c. d. Univ. Heidelberg (1910)
Mitgliedschaften: zahlr. Ehrenmitgliedschaften, u. a. des Bad. Roten Kreuzes (1913)
Verheiratet: 1872 (Mannheim) Bertha, geb. Engelhorn (1851–1878), Tochter des BASF-Gründers Friedrich Engelhorn
Eltern: Vater: Gustav Friedrich (1802–1881), Großkaufmann, Oberbürgermeister von Mannheim 1849–1852
Mutter: Wilhelmine Friederike, geb. Reinhardt (1809–1868), Tochter des Bankiers Johann Wilhelm Reinhardt u. Enkelin des gleichnamigen Mannheimer Oberbürgermeisters
Geschwister: 2; Wilhelm (vgl. S. 319) u. Anna (vgl. S. 313)
Kinder: keine
GND-ID: GND/117522163

Biografie: Fred Ludwig Sepaintner (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 6 (2011), S. 314-319

Nur der Name Reiß blieb in seiner Vaterstadt präsent, bis in unsere Tage. Das ist unmittelbar auf die Lebensart des „hochherzigen Stifters“ (Großherzog Friedrich II.) zurückzuführen, der selbst in seiner Dankesrede anlässlich seines 70. Geburtstages formuliert hatte: „Meine Verwandtschaft ist die Stadt Mannheim“. Die Erinnerung an seine Person, sein Leben und Wirken, sind längst verblasst.
Reiß ist einer der typischen Vertreter des Mannheimer Großbürgertums, ja des Großherzogtums Baden während der Zeit des Kaiserreichs. Obwohl jüngster Nachkomme, war er der Haupterbe seines Vaters: als Familienoberhaupt, politisch und geschäftlich. Er wurde zwar nicht, wie der Vater, Oberhaupt der Heimatstadt, deren politisches Geschehen aber bestimmte er entscheidend mit, nicht allein als Mitglied der Stadtverordnetenversammlung. Mit dem Vater zusammen gründete er 1869 den Nationalliberalen Verein der Quadratestadt. Er wurde Mitglied der II. Kammer der bad. Landstände, später dann der I. Kammer, wo er in der Petitions- sowie Justiz- und Verwaltungskommission wirkte und war dort gleichermaßen Sachwalter der Interessen der „nationalen und liberalen“ Kammermajorität, seiner Vaterstadt und der durch ihn repräsentierten Institutionen. Entscheidend war das Vater-Sohn-Verhältnis endlich für Reiß‘ berufliche Laufbahn, Resultat eines Vorgangs, den der Vater vom Anbeginn an planvoll gesteuert, der Sohn aber erst nach einigem Kampf akzeptiert hatte.
Den von der Schule keineswegs begeisterten, sehr interessierten, aber kränklichen Jungen, der mehrere Klassen der Höheren Bürgerschule repetieren musste und schließlich krankheitsbedingt Privatunterricht erhielt, zog es eigentlich zum Militär. Das scheiterte aber an seiner mangelnden Konstitution. Die Folgen einer Kniegelenkentzündung 1859/60 ließen ihn bei der Musterung 1863 nur als Sanitäter tauglich erscheinen. So leistete er dann als Freiwilliger Sanitätsdienst, ganz kurz beim deutsch-österreichischen Krieg 1866 bei Tauberbischofsheim – er hielt sich zufällig gerade auf Heimatbesuch von London zu Hause auf – und, gerade wieder von London zurückgekehrt, über sieben Monate lang beim deutsch-französischen Krieg 1870/71. Er war damals dem Johanniterritter Baron von Loen unterstellt und führte gleich zu Anfang eine norddeutsche Turnerkolonne. Stationen seines Einsatzes führten ihn von Weißenburg über Wörth und Fröschweiler nach Nancy und über Sedan ins besonders umkämpfte Le Bourget. Selbst im Januar 1871 ins Lazarett eingeliefert war er nach dem Waffenstillstand Delegierter der freiwilligen Krankenpflege in St. Denis. Am 1. März nahm Reiß am Einzug der deutschen Truppen in Paris teil. Auf das ihm in diesem Monat „von Kaiser Wilhelm“ verliehene EK II war er immer besonders stolz. Er wollte es in seinem Museum ausgestellt wissen.
Auch der diplomatische Dienst hätte Reiß anfangs begeistert, der Vater aber hatte ihn zum Nachfolger im Kaufmannsstand ausersehen. Die künftigen Bahnen ließen schon die Heidelberger Studien vom SS 1861 bis zum WS 1863/64 erkennen. Reiß hörte vor allem rechts- und staatswissenschaftliche Vorlesungen. Große Namen finden sich unter seinen Lehrern: mit Sicherheit der Staats- und Völkerrechtler Johann Caspar Bluntschli (1808–1881), wohl auch der Vater der modernen Volkswirtschaftslehre Heinrich Rau (1792–1870). Ob er tatsächlich aber auch, wie zeitgenössisch überliefert, die Naturwissenschaftler Hermann Helmholtz (1821–1894) und Robert Bunsen (1811–1899) und den Historiker Ludwig Häusser (1818–1867) hörte, lässt sich nicht mehr nachweisen; die Quästurakten dieser Professoren wie auch Reiß‘ Studentenakte sind nicht erhalten. Danach begann die konkrete Hinführung des jungen Mannes auf seine Kaufmannstätigkeit, das Kennenlernen der väterlichen Aktivitäten vor Ort, schließlich das Sammeln von Auslandserfahrungen: Parlermo, Bordeaux, Paris und dann London waren wichtige Aufenthaltsorte bis 1870, wobei Reiß auch seine Sprachkenntnisse vertiefen konnte.
Die Gründung der BASF 1865, an der der Vater führend beteiligt war, stellte sicherlich das erste wichtige Ereignis dieser frühen Jahre dar. Später war Reiß bereits aktiver beteiligt, an führender Stelle in der noch von seinem Vater mitgegründeten Rheinischen Creditbank und in der Rheinischen Hypothekenbank. Anfangs blieb der Vater als spiritus rector deutlich sichtbar, im Verlauf der 1870er Jahre aber zeichnete sich schon ab, dass der begabte Sohn nicht minder weitschauend und erfolgreich zu agieren verstand: bei der Gründung der Mannheimer Versicherungsgesellschaft 1879 und der Continentalen 1884, dann der Pfälzischen Hypothekenbank. Dieses Wirken, auf dessen Höhepunkt Reiß in mehr als 25 Aufsichtsräten und Direktionen von Banken, Industrieunternehmen und Versicherungen saß, währte bis zum Ende seines siebenten Lebensjahrzehnts.
Dass ein „Topmanager“, wie man ihn heute wohl apostrophierte, zumal angesichts eines so früh deutlichen politischen Engagements bald auch in öffentliche Ämter finden würde, stand zu erwarten. Stationen waren der Bezirksrat (1884–1888), dann 1889 die II. Kammer der Bad. Landstände. Bei der nächsten, nach dem Landesreglement indirekt, d. h. über Wahlmänner erfolgten Wahl, unterlag er übrigens 1891 gegen den Sozialdemokraten August Dreesbach (1844–1906), wie auch ungleich deutlicher, aber nicht allein wegen des hierbei direkten Wahlverfahrens, bei der Reichstagswahl am 16. Juni 1903. Hier machte sich die veränderte politische Grundstimmung bemerkbar, auch eine Folge des sozialen Wandels in der Industriestadt. Landespolitisch wurde Reiß seit der Berufung durch Großherzog Friedrich I. dann die Ständekammer zur Wirkstätte, kommunalpolitisch engagierte er sich seit 1896, auch hier bis zum Lebensende, im Bürgerausschuss.
Allein im privaten Feld entwickelte sich offensichtlich nicht alles nach Plan. Reiß heiratete zwar, und die Ehe mit der Tochter des BASF-Gründers Friedrich Engelhorn (1821–1902) war allem Anschein nach ausnehmend glücklich, sie blieb aber kinderlos und bereits nach sechs Jahren verstarb die Ehefrau. Reiß betrauerte zeitlebens den Verlust und lebte fortan als Witwer.
Hier nun trat die Schwester sichtbar in die Familienverpflichtung und fungierte nicht allein in der Reiß‘schen Villa in E 7, 20, damals einem Mittelpunkt des Lebens der großen Gesellschaft, als die Herrin des Hauses an der Seite des Bruders. Die Industriellen August Röchling (vgl. S. 330) und Heinrich Lanz (BB VI 200) pflegten dort genauso freundschaftlichen Umgang wie der Bankier Carl Ladenburg (BB VI 163), der mit Reiß in der bad. Kammer saß, und der Heimatdichter Ludwig Ganghofer (1855–1920), der dem Freund zum 60. Geburtstag einen „Waidmannsgruß“ gewidmet hatte. Auch Wilhelm Graf von Moltke (1845–1905) und Großadmiral Heinrich Prinz von Preußen (1862–1929), der jüngere Bruder Kaiser Wilhelms II., finden sich in der langen Reihe der illustren Gäste der Geschwister Reiß, die natürlich auch engsten Kontakt zum Karlsruher Hof unterhielten. Die Schwester war längst Reiß‘ Lebensbegleiterin, nicht zuletzt auf ausgedehnten Reisen in alle Welt: nach Griechenland und Ägypten, Japan, China und Sri Lanka, und in den USA, wo Reiß 1880/81 weilte, besuchte er den alten Friedrich Hecker (BB IV 166).
Das gesellschaftliche Leben Mannheims sah die Geschwister Reiß gerne gemeinsam, beim Bad. Rennverein wie im Nationaltheater, und beide taten sich – wie schon der Vater – nicht nur „standesgemäß“ karitativ hervor, sie wurden zu wahrhaft beachtlichen Mäzenen der Mannheimer Stadtkultur. Reiß wirkte in fast allen namhaften Vereinen der Stadt mit, so seit 1860 im Altertumsverein, in der Liedertafel, selbst in der Fasnachtsgesellschaft „Feuerio“. Aufgeschlossenheit für neue Entwicklungen zeigte der an der Benz&Co Beteiligte, der Fabrik von Karl Benz (➝ I 40), nicht nur im Engagement beim Rheinischen Automobilclub, auch im Verein für Luftschifffahrt war er Mitglied, und seine Großzügigkeit beweisen einmal mehr die jährlichen Zuwendungen für den Verein für Naturkunde und dessen heimatkundliche Sammlung. Die alljährlichen Kinderfeste schließlich auf der „Fasanen-“, heute: „Reiß-Insel“, dem südlich der Stadt gelegenen Waldgebiet am Rhein, dessen alleiniger Besitzer Reiß seit 1885 war, gehörten gewiss zu seinen populärsten Aktivitäten. Ursprünglich hatte er zusammen mit einem Geschäftspartner auf dem ca. 100 ha großen Gelände eine Ziegelei errichten wollen; er ließ den Plan fallen, erwarb auch die andere Hälfte der Insel und machte sie zu seinem Jagd- und Erholungsgebiet, das er schließlich der Stadtbevölkerung öffnete, womit die Naturverbundenheit des alten Herrn ganz deutlich zum Ausdruck kommt: „Die Insel […] soll ein Waldpark bleiben, wie ihn Gott erschaffen hat“, hatte er 1911 vor den Stadtverordneten erklärt und entsprechende Vorkehrungen im Testament verfügt.
Wenn Reiß bei der volksfestartigen, für Mannheimer Verhältnisse geradezu gigantischen Feier seines 70. Geburtstages sagte: „Meine Verwandtschaft ist die Stadt Mannheim“, so klang damit der Leitgedanke des letzten Lebensabschnittes an. Alle drei Geschwister waren kinderlos geblieben. Das hatte die beiden in Mannheim lebenden damals bereits bewogen, ihre persönliche „Erinnerungskultur“ bewusst anzugehen. Schon 1901 war vom Bürgerausschuss publik gemacht worden, dass Reiß die Fasaneninsel der Stadt vermachen werde. Das brachte ihm die Ehrenbürgerwürde ein, ein Weg auf der Insel wurde nach dem Stifter benannt. Über den größeren Teil des Familienvermögens verfügten er wie seine Schwester dann inhaltlich übereinstimmend 1911 und mit abgeänderten Verfügungen 1913.
Mit den Hauptbestimmungen des Testaments in beiden Versionen wollten sie jeweils das Überleben ihres Namens verknüpfen: Die Fasaneninsel solle künftig „Reiß-Insel“ heißen. Sie sei „im jetzigen Zustand zu erhalten“ und der Bevölkerung der Vaterstadt dreimal wöchentlich unentgeltlich zu öffnen.
Die „Reiß-Villa“ samt Garten in E 7, 20, im Testament von 1911 noch „Haus Reiß“ genannt, sollte nach dem Ableben beider Stifter ausgebaut und künftig allein dem jeweiligen Oberbürgermeister der Stadt kostenlos zur Verfügung stehen.
Der Hauptteil des Vermögens aber sollte, gemäß der ersten Fassung des Testaments vom 7. November 1911, zur Errichtung eines „Reiß-Museums“ verwendet werden. Ein Prunkbau, „monumental und würdig“ und „möglichst genau“ nach den Plänen des Berliner Architekten Bruno Schmitz (1858–1916), der bereits den Rosengarten gebaut hatte, war auf dem Friedrichsplatz vorgesehen und an drei Wochentagen den Mannheimern kostenlos zugänglich zu machen. Hierfür veranschlagte Reiß damals 5 Mio. Mark, ohne Architektenhonorar!
Zu diesem Zeitpunkt dachte Reiß noch daran, „die der Stadt gehörigen und derselben […] zufallenden Gegenstände auf dem Gebiete der Kunst und Geschichte, des Gewerbes, der Naturwissenschaften, Sammlungen und dergleichen“ zusammen in seinem neuen Museum unterzubringen, also auch die früher im Schloss befindlichen natur- und völkerkundlichen Exponate des Altertumsvereins, außerdem eine neu zu schaffende stadtgeschichtliche Sammlung. In der 2. Version vom 10. Februar 1913 wich er von dieser umfassenden Konzeption weitgehend ab. Die Stadt hatte inzwischen ihre Absicht erklärt, Teile des von Reiß gestifteten Museums selbst auszuführen, und um dieses Vorhaben zu unterstützen setzte
Reiß nun 1,5 Mio. Mark in sein Testament ein. Außerdem war ihm von Oberbürgermeister Martin (➝ IV 198) wortreich in Aussicht gestellt, dass die biologische Sammlung voraussichtlich im Zeughaus untergebracht werde. Reiß bat nun nur noch darum, dem Altertums- und Naturkundeverein geeignete Räumlichkeiten zu verschaffen.
Damit schienen sich Ideen des 1911 gegründeten „Freien Bundes zur Einbürgerung der bildenden Kunst in Mannheim“ durchzusetzen, wie sie auch Oberbürgermeister und Stadtrat propagiert hatten: Der 1913 neu konzipierte Museums-Entwurf von Schmitz, wiederum auf dem Friedrichsplatz vorgesehen, nun aber unter stärkerer Berücksichtigung der 1907 fertiggestellten benachbarten Kunsthalle, sah einen klassizistischen Bau mit mächtiger zentraler Kuppel vor. Inhaltlich dachte Reiß nur aber noch an ein „Kunstsammlungsgebäude mit Vortragssälen“. 2,5 Mio. Mark sollte es kosten – zum Vergleich: für die Kunsthalle hatte die Stadt weit weniger als eine Million Mark veranschlagt gehabt!
Weiterhin sollte für 2 bis 2,5 Mio. Mark ein „Reiß-Haus“ gebaut werden, „in monumentaler und würdiger Weise erstellt, gediegen und künstlerisch vollendet ausgestaltet“. Dieses Volksheim auf dem Goetheplatz sollte der „Förderung von volksbildenden und kulturfördernden Zielen“ gewidmet sein, wobei dem Stifter wohl auch eine Aussöhnung sozialer Unterschiede und Gegensätze innerhalb der Mannheimer Bevölkerung vorschwebte.
Der Rest des Familienvermögens schließlich war in eine „Carl und Anna Reiß-Stiftung“ zusammengefasst. Aus deren Zinsen sollten jährlich Kinderfeste auf der Reiß-Insel finanziert werden.
Ende des gleichen Jahres erkrankte der 70-jährige an einer schweren Lungenentzündung. Er schien sich zwar wieder zu erholen, dann aber trat ein Kräfteverfall ein, dem er schnell erlag. Eine wahre Flut von Trauerkundgebungen aus ganz Deutschland erreichten die Schwester, allen voran stand das großherzogliche Paar, gefolgt von Prinz Max von Baden, damals Präsident der I. Kammer, und der gesamten bad. Regierung. Auch Prinz Heinrich von Preußen bekundete seine Trauer. Alle namhaften deutschen Zeitungen brachten z. T. mehrere Nachrufe. Wie später die Schwester wurde Reiß im Familiengrab auf dem Mannheimer Hauptfriedhof bestattet. Nur ein geringer Teil der ursprünglich beschlossenen zahlreichen Ehrungen – darunter während des I. Weltkrieges ein „Carl-Reiß-Denkmal“ – wurden überhaupt ausgeführt oder überdauerten. Ganz anders als intendiert, wenngleich nicht untypisch für die heraufziehende Zeit der beiden Weltkriege, trug sich aber auch das weitere Geschehen um den Nachlass Reiß zu. Kriegszeiten, Inflation und Weltwirtschaftskrise verzögerten erst die Realisierung vieler Bestimmungen aus Reißens Testament. Die „Reiß-Villa“ wurde im II. Weltkrieg zerstört. An das „Reiß-Haus“ wurde bald nicht mehr gedacht, und als unter Verwendung von Resten des Reiß-Vermögens 1957 das seit dem II. Weltkrieg bis auf die Fassade zerstörte ehemalige Zeughaus in C 5 wiederaufgebaut und als „Reiß-Museum“ neu eröffnet wurde, war von den Ideen des „Stifters“ kaum mehr als der Name geblieben.
Das Reiß-Museum ist jüngst aufgegangen in den heutigen „Reiß-Engelhorn-Museen“, die sich nun mit ca. 6000 m2 Ausstellungsfläche über die Quadrate C 5 und D 5 erstrecken.
Quellen: StadtA Mannheim Nachlässe, Zug. 32, 1968, Nachlass Carl u. Anna Reiß, u. Urkunden u. Verträge 48/1970, 45, Testamente von Carl u. Anna Reiß (Kopien von 1943, dort mit Schreibweise: Karl Reiß); GLA Karlsruhe 276–2, Mannheim IV, Nr. 26651, Testamente von Carl u. Anna Reiß (Originale); Auskunft des UA Heidelberg vom August 2008, Tagebuch Nr. 1391/08, Studium Carl Reiß; Reiß-Engelhorn-Museen Mannheim, Dokumente u. Exponate.
Werke: Zahlreiche Reden im Nachlass u. in den Parlamentsprotokollen.
Nachweis: Bildnachweise: Bronzebüste von Adolf von Hildebrand (1847–1921), Ölgemälde von Louis Coblitz von 1849 u. von Otto Propheter (1875–1927) von 1906, beide in: Reiß-Engelhorn-Museen, Mannheim; StadtA Mannheim, Bildsammlung; Die höchste Auszeichnung d. Stadt, 2002, 59–63 (vgl. Literatur).

Literatur: Die Reiß-Insel als Naturschutzgebiet, in: BH 14, 1927, 65 ff.; Th. Kinzig, Aus der Gesch. d. Mannheimer Naturkundl. Sammlungen, in: Verein für Naturkunde Mannheim, FS zur 100-Jahrfeier, 1933, 33–45; Ludwig W. Böhm, Carl u. Anna Reiß, in: Mannh. Hefte 1954, 16–20; Jugendstil, Architektur im 19. Jh. in Mannheim, 1985 [Kat. d. Ausstellung d. BAKOLA vom 17.9. – 3.11.1985]; Friedrich Teutsch, Carl Reiß – Finanzmann, Mäzen, Naturfreund, in: Mannheimer Geschichtsbll. NF 4, 1997, 495–502; Anja Gillen, Carl Reiß, in: Die höchste Auszeichnung d. Stadt, 42 Mannheimer Ehrenbürger im Porträt, Kl. Schriften des StadtA Mannheim 18, 2002, 59 ff.; dies. in: Geschichte d. Stadt Mannheim, Bd. 2, 2007.
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