Oesterle, Wilhelm
Geburtsdatum/-ort: | 22.03.1876; Wagenstadt im Breisgau |
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Sterbedatum/-ort: | 27.08.1928; Berlin-Charlottenburg |
Beruf/Funktion: |
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Kurzbiografie: | 1890-1893 Lehre bei dem Kirchen- und Dekorationsmaler Karl Weis, Kenzingen, Berufliche Fortbildungsschule Kenzingen 1897-1901 II. Handwerkerschule Berlin 1902-1905 Großherzogliche Kunstgewerbeschule Karlsruhe 1906-1912 Studium bei Lovis Corinth in Lewin Funkes Studienatelier, Berlin 1915-1918 Kriegsdienst 1919 Berufung an die Kunstschule Reimann, Berlin 1926 Mitglied der Deputation für das Kunst- und Bildungswesen des Bezirks Amt Charlottenburg |
Weitere Angaben zur Person: | Religion: ev. Verheiratet: 1909 Marie, geb. Gross aus Zürich Eltern: Vater: Georg Jakob Oesterle, Landwirt und Gemeinderechner Mutter: Maria Magdalena, geb. Schmidt Geschwister: 4 |
GND-ID: | GND/117593303 |
Biografie
Biografie: | Helmut Reiner (Autor) Aus: Badische Biographien NF 3 (1990), 206-207 Die in den zwanziger Jahren einsetzende Bewegung gehört zu den wichtigsten Kräften in der Kunst dieses Jahrhunderts. Ihre künstlerische Antwort auf die Herausforderung der Zeit war eine Existenzmalerei, die man heute als expressiven Realismus bezeichnet. In dieses künstlerisch-soziale Umfeld ist Oesterle einzuordnen. Er durchlebte eine schwere Kindheit und Jugend. Mit 14 Jahren Vollwaise, gehörten Krankheit, Not und Tod zu seinen frühen Erfahrungen. Sein schon in jungen Jahren erwachsenes geistiges und politisches Bewußtsein, von Freiheitsdrang, Gemeinsinn und Demokratieverständnis bewegt, wurde wesentlich von dem Nacherlebnis zeitgeschichtlicher Ereignisse seiner unmittelbaren badischen Heimat bestimmt. Auch aus seinem Geburtsort wurden junge Männer in Ketten abgeführt nach der Niederwerfung des Volksaufstandes 1848/49. Die von seinem Großvater Jakob übermittelten Vorgänge dokumentieren sich in Oesterles frühen Radierungen „Volksaufstand“, „Zug der Flüchtlinge“, „Hinrichtung“, „Auswanderer“. Steigernd wirken noch die eigenen Kriegs- und Nachkriegserlebnisse. Im Umgang mit Hans Baluschek, Georg Tappert, Heinrich Zille und Käthe Kollwitz fand er sich auch in seiner sozial-humanen Einstellung bestätigt und künstlerisch angeregt. Schon 1910 machte Oesterle sich öffentlich bemerkbar. Sein Denken und Gestalten kreist immerfort um die zentralen Menschheitsthemen: Liebe-Tod-Flucht-Klage. Man begegnet seinen Arbeiten bei den „Juryfreien“ und auf fast allen Ausstellungen der „Secession“, des „Deutschen Künstlerbundes“ und in der „Akademie der Künste“. Die tonangebenden Berliner Galerien Cassirer, Gurlitt, Neumann und Margules nahmen seine Graphiken in ihr Ausstellungs- und Verlagsprogramm auf. Zum Radieren hatte ihn sein Freund Hermann Struck angeregt. Die Bildungsarbeit in den Verbänden der freien Gewerkschaften und seine Mitarbeit beim „Vorwärts“ hinderten ihn nicht sein sozialpolitisches Engagement in ein allgemein menschliches einzubringen. Der Gedanke der mitmenschlichen Zuwendung dominiert in den figürlichen Darstellungen. Es ist die Sehnsucht nach Gemeinschaft, nach Sozialität und Solidarität im Lebensalltag. Anregungen von Edvard Munch und Ferdinand Hodler sind in sein Schaffen eingeflossen. Zahlreiche ländliche und figürliche Motive weisen auf die Auseinandersetzung mit dem Werk des Franzosen J. F. Millet. Mit der reinen Strich-Aquatintaätzung und dem Radieren mit der kalten Nadel und dem Grabstichel realisierte er seine Bildideen. Künstlerische Selbstverwirklichung und unbestrittenes Format erreichte er zweifellos in der Griffelkunst. Nachhaltig inspirierte ihn die ihm ans Herz gewachsene Berliner Wahlheimat, die Flußlandschaft an der Spree und Havel. Es sind seine lyrisch-melancholischen Psychogramme. „Ausgehend von der prägnanten Strichtechnik und den starken Helldunkelkontrasten seines Lehrers Lovis Corinth entwickelte Oesterle in der Ölmalerei einen großflächigen Figuralstil in schlichten, linear betonten Kompositionen.“ (Herder, Große Enzyklopädie der Malerei, 6, 1977, 2063) Für seine lautere Selbsteinschätzung und seinen kritischen Kunstverstand spricht, daß er von seiner Malerei nicht befriedigt war. Aus der Distanz können wir dies bestätigen und möchten den Graphiker und Aquarellisten höher bewerten. In seiner ästhetischen Grundhaltung blieb Oesterle immer Traditionalist. Seit dreißig Jahren bemüht sich ein Freundeskreis, den seit 1933 ins Abseits geratenen Künstler und sein Werk der interessierten Öffentlichkeit nahe zu bringen. Ein Schritt in diese Richtung war u. a. die von der Stadt Herbolzheim und dem Freundeskreis im Rahmen der Feiern zu „400 Jahre Marktrechte“ im Mai 1989 veranstaltete Ausstellung von Oesterles Werk. |
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Werke: | 234 Gemälde, 85 Aquarelle, 20 Monotypien, 30 Lithographien, 50 Holz- und Linolschnitte, etwa 1 000 Radierungen, 278 Handzeichnungen. Bemalte Vasen und figürliche Terrakotten, Exponate in öffentlichem Besitz: Berlinische Galerie, Martin-Gropius-Bau, Berlin; Nationalgalerie Berlin-Ost; Bundestag Bonn; Museum für Neue Kunst, Freiburg/Brsg.; Altonaer Museum in Hamburg; Kunsthalle Karlsruhe; Albertina Wien. |
Nachweis: | Bildnachweise: Foto StAF, Bildnissammlung. |
Literatur + Links
Literatur: | Georg Tappert, Der Radierer W. Oesterle, in: Farbe u. Form 8/1925, Berlin; ThB 25,1931, 574; W. G. Oschilewski, W. Oesterle in Berlin, in: Der Bär von Berlin, 1976; Bettina Klank, Der Maler-Radierer W. Oesterle, Zulassungsarbeit, Freibg. 1990; Helmut Reiner (Hg.), W. Oesterle Beiträge zur Biographie, Kenzingen, 1984; Akat.: Gedenkausstellung W. Oesterle Verein Berliner Künstler, Berlin, 1976; W. Oesterle, Volkshochschule Herbolzheim, 1976. |
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