Reschke, Hans 

Geburtsdatum/-ort: 22.03.1904; Posen
Sterbedatum/-ort: 17.10.1995;  Mannheim
Beruf/Funktion:
  • Verwaltungsjurist, Oberbürgermeister
Kurzbiografie: 1922-1927 Jurastudium in Heidelberg und Berlin, Promotion: „Die rechtliche Stellung der Reichseisenbahngesellschaft“
1926-1931 Regierungsreferendar und -assessor in mehreren preußischen Städten
1931-1932 Volontär bei der Preußischen Staatsbank
1932-1934 Regierungsassessor und stellvertretender Landrat in mehreren preußischen Städten
1933 Mitglied der NSDAP, in der Folgezeit dann auch verschiedener NSDAP-Unterorganisationen sowie der SS
1934-1945 Landrat zuerst des Kreises Höxter und seit 1939 des Kreises Recklinghausen
1945-1947 interniert
1947-1948 Sonderbeauftragter beim Evangelischen Hilfswerk Westfalen
1948-1951 Geschäftsführer des Instituts zur Förderung öffentlicher Angelegenheiten in Frankfurt am M.
1951-1954 Hauptgeschäftsführer der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft Rhein-Neckar (KAG)
1954-1956 Hauptgeschäftsführer der Internationalen Handelskammer Mannheim
1956-1972 Oberbürgermeister der Stadt Mannheim
1958-1961 und 1967-1972 Vorsitzender der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft Rhein-Neckar
1959-1972 Mitglied des Hauptausschusses des Deutschen Städtetags, seit 1964 auch Mitglied des Präsidiums und 1967-1969 Stellvertretender Präsident
1961-1967 Präsident des Städteverbands Baden-Württemberg
1964-1970 Vorsitzender des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland (1964), mit Stern (1972); Ehrenbürger der Stadt Mannheim (1972); Hermann-Heimerich-Plakette des Raumordnungsverbands Rhein-Neckar und Goldene Ehrennadel der Mannheimer Abendakademie und Volkshochschule (1972); Ehrenmitglied des Deutschen Städtetags, Dr. rer. pol. h. c. der Universität Mannheim, Dr. med. h. c. der Fakultät für Klinische Medizin Mannheim der Universität Heidelberg und Ehrenmitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften (1973); Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg und Bloomaul-Orden (1975)
Verheiratet: 1932 (Kirchlengern) Annette, geb. von Laer (1912-1999)
Eltern: Vater: Franz Hermann (1871-1934), Landrat
Mutter: Magdalene Josephine, geb. Wätjen (1879-1908)
Geschwister: Heinz-Otto (geb. 1902)
Kinder: 3:
Hans Hermann (geb. 1933)
Peter (geb. 1935)
Jörg (geb. 1938)
GND-ID: GND/117752924

Biografie: Andrea Hoffend (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 4 (2007), 290-293

Als langjähriger Oberbürgermeister der Stadt Mannheim hat der parteilose Reschke sich mit seiner konzilianten Art in der Bürgerschaft breiteste Akzeptanz zu verschaffen gewusst – ein Sachverhalt, der angesichts seiner Biographie sowie der näheren Umstände seiner Wahl nicht unbedingt vorauszusehen gewesen war.
Nach zunächst in Syke bei Bremen, dann in der Hansestadt selbst und schließlich in Berlin mutterlos verbrachter Kindheit und Jugend trat der Sohn eines Landrats in die Fußstapfen seines Vaters. Dem Jurastudium, der Promotion und der Referendarszeit schloss sich ein rascher beruflicher Aufstieg an. Begünstigt wurde Reschkes Karriere nicht nur durch den guten Ruf des mittlerweile zum Regierungspräsidenten aufgestiegenen Vaters, sondern auch durch während eines Volontariats erworbene volkswirtschaftliche Kenntnisse sowie nicht zuletzt durch Reschkes Beitritt zur NSDAP, zum Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen und zur SS. Bereits im Alter von 30 Jahren als Landrat eingesetzt, wusste er sich in der Folgezeit auch als Kreisfachberater für Kommunalpolitik sowie als Kreisschulungsbeauftragter der NS-Handwerks-, Handels- und Gewerbe-Organisation (NS-Hago) zu profilieren. Seine SS-Laufbahn mündete 1940 in den Rang eines Untersturmführers, darüber hinaus wurde er bis 1943 vom Sicherheitsdienst Reichsführer SS (SD) als ehrenamtlicher Mitarbeiter geführt.
Im Verlauf des II. Weltkriegs allerdings waren dem gläubigen Protestanten Reschke zunehmend Zweifel am NS-System gekommen, 1944 lehnte er eine Beförderung aus politischen Gründen ab. Vor einer Internierung durch die britische Besatzungsmacht freilich bewahrte ihn die späte innere Distanzierung nicht: Wie viele höhere Verwaltungsbeamte sollte auch er nach Kriegsende mehr als zwei Jahre in Lagerhaft verbringen. 1947 entlassen, kam er aufgrund seiner alten Kontakte zunächst beim Evangelischen Hilfswerk Westfalen unter, für das er die Ansiedlung von Flüchtlingsbetrieben in der britischen Zone organisierte.
Auch als Reschke Ende 1948 zum ständigen Geschäftsführer des neu aufzubauenden Instituts zur Förderung öffentlicher Angelegenheiten in Frankfurt am Main berufen wurde, mögen ihm frühere Verbindungen von Nutzen gewesen sein: Denn die der Lichtung eines durch NS- und Besatzungsrecht schier undurchdringlich gewordenen Paragraphendschungels verschriebene Einrichtung war maßgeblich vom Deutschen Städtetag und anderen öffentlichen Verbänden getragen. Als Vorsitzender des Instituts erkannte der Mannheimer Oberbürgermeister Hermann Heimerich rasch Reschkes Potenzial und holte ihn deshalb 1951 als Geschäftsführer der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft Rhein-Neckar (KAG) nach Mannheim, mittels derer die Gemeinden und Landkreise im Kerngebiet um die Neckarmündung die Nachteile dreifacher Grenzlage zu mildern suchten. Als die Existenz der KAG jedoch schon nach wenigen Jahren wieder in Frage gestellt war, brachte Heimerich Reschke flugs bei der Mannheimer Industrie- und Handelskammer unter – dies bereits mit dem Hintergedanken, den parteilosen Verwaltungsspezialisten vielleicht als seinen Nachfolger im Amt des Mannheimer Stadtoberhaupts aufbauen zu können.
Heimerichs Rechnung sollte aufgehen: Bei der Oberbürgermeisterwahl im September 1955 wurde der parteilose Reschke von einem „Mannheimer Wählerblock“ aus CDU, FDP, rechtskonservativer Deutscher Partei (DP) sowie dem Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) als Kandidat nominiert und obsiegte mit einem Stimmenanteil von 51,1 % auch tatsächlich gegen seinen Gegenspieler von der SPD. Indes sollte es noch 15 Monate dauern, bis er sein neues Amt antreten konnte: Denn nachdem unterdessen Details seines politischen Engagements während der NS-Zeit ruchbar geworden waren, erhob sich aus der Mannheimer Bürgerschaft heraus Einspruch gegen seine Wahl, sodass erst über verschiedene Instanzen hinweg deren Rechtmäßigkeit zu klären war.
Auf diese Weise erst Ende 1956 zum Stadtoberhaupt ernannt, wusste sich der hoch gebildete und doch stets nahbar wirkende Reschke in dieser Position binnen Kurzem große Sympathie und breiteste Akzeptanz zu erwerben: Als ihm 1962 der Posten des Hauptgeschäftsführers des Deutschen Städtetags angetragen wurde, suchten ihn tausende von Mannheimern mit einem Fackelzug zum Bleiben zu bewegen – mit Erfolg. Bei der Oberbürgermeisterwahl des Jahres 1964 sodann wurde Reschke nun auch von der SPD unterstützt und deshalb ohne Gegenkandidatur mit einem Stimmenanteil von 99,8 % für weitere zwölf Jahre im Amt bestätigt.
Auch und vor allem die Mannheimer Sozialdemokraten nämlich hatten längst begriffen, dass sie mehr als gut mit Reschke fuhren: In sozialen Fragen stimmte der im Fürsorgebereich selber höchst engagierte Oberbürgermeister in der Regel mit der SPD, zugleich aber sicherte er der städtischen Politik aufgrund seiner Persönlichkeit Akzeptanz in „bürgerlichen“ Kreisen. Darüber hinaus verstand Reschke seine Rolle eher als die eines Moderators denn als die eines Entscheiders und ließ seinen Dezernenten größte Freiheiten – allen voran dem Ersten Bürgermeister Jakob Trumpfheller und dessen Nachfolger Ludwig Ratzel, die unter seiner Ägide wichtige Weichenstellungen vor allem im Wohnungsbau und in der Energieversorgung vorantreiben konnten. So wuchs noch in den 1950er Jahren die Wohnsiedlung Waldhof-Ost, in den 1960er Jahren dann der neue Stadtteil Vogelstang empor, und ein effizientes Fernwärmenetz trug schon früh entscheidend zur Emissionsminderung im einstigen „Luftsumpf“ Mannheim bei. Auch die bundesweit einmalige Etablierung einer Medizinischen Fakultät am Städtischen Krankenhaus im Jahre 1964 sowie der von Kulturbürgermeister Walter Krause auch auf Landesebene betriebene Ausbau der Mannheimer Wirtschaftshochschule zur Universität im Jahr 1967 fanden im Stadtoberhaupt einen äußerst geschickten Mentor. Ohnehin war die Kulturpolitik derjenige Bereich, in dem der weitsichtige Denker und glänzende Redner Reschke sich besonders heimisch fühlte. Seine besondere Aufmerksamkeit galt hier dem neu gebauten Nationaltheater, das er Anfang 1957 als erste größere Amtshandlung hatte einweihen können, aber auch die Ende der 1950er Jahre eingegangenen Städtepartnerschaften mit dem walisischen Swansea und dem französischen Toulon begriff der Mannheimer Oberbürgermeister als Chance zu aktivem interkulturellem Austausch.
Im Baden-Württembergischen Städteverband ebenso wie im Deutschen Städtetag war Reschke an vorderster Stelle aktiv, und als Vorsitzender einer im Frühjahr 1969 vom baden-württembergischen Staatsministerium bestellten Kommission für die Erneuerung der staatlichen Verwaltung („Reschke-Kommission“) begleitete er die vom Landesinnenministerium vorangetriebene Verwaltungsreform mit Vorschlägen vor allem zur Verfahrensvereinfachung, zu Zuständigkeitszuschnitten sowie zu Aus- und Fortbildungsvorschriften für den öffentlichen Dienst. Auch der 1970 vom Bundesinnenministerium eingesetzten Sachverständigen-Kommission für die Neugliederung des Bundesgebiets gehörte Reschke an; in ihr suchte er nicht zuletzt die Grenzproblematik des „Dreiländerecks“ an Rhein und Neckar herauszustellen, die dem ehemaligen KAG-Geschäftsführer auch während seiner Tätigkeit als Stadtoberhaupt deutlich vor Augen stand.
Im Alter von 68 Jahren trat Reschke 1972 vorzeitig vom Amt des Stadtoberhaupts zurück – vermutlich, um dem mittlerweile 57-jährigen Sozialdemokraten Ratzel den Weg auf den Oberbürgermeistersessel zu ebnen. Mangelndem Elan jedenfalls war der Schritt keineswegs geschuldet, wie Reschkes ungebrochenes politisch-gesellschaftliches Engagement in den Folgejahren erweisen sollte: So fungierte er unter anderem jeweils mehrere Jahre lang als Präsident der Deutschen Sektion des Internationalen Instituts für Verwaltungswissenschaften, als Vizepräsident der Humboldt-Gesellschaft für Wissenschaft, Kunst und Bildung sowie als Vorsitzender der Gesellschaft der Freunde Mannheims und der Kurpfalz. Noch in hohem Alter rege und rüstig, starb Reschke 91-jährig. Eine Straße am Mannheimer Neckarufer erinnert seit 1996 an ihn.
Quellen: BundesA, Berlin Document Center, List of SS-Officers; StadtA Mannheim, Nachlass H. Reschke (2,19 lfm 1947-1975) sowie v. a. städt. Bestände.
Werke: Das Problem d. Mittelstufe d. Verwaltung, in: Das Problem d. Mittelstufe d. Verwaltung, 1952, 3-25; Möglichkeiten u. Grenzen zwischengemeindl. Zusammenarbeit, in: Mannh. Hefte H. 4, 1954, 23-27; (mit Rudolf Hillebrecht), Wesen u. Bedeutung d. Großstadt, 1962; Wer verwaltet uns wirklich? 1969; Mannheimer Perspektiven. Aufsätze – Vorträge – Reden, 1974; Die Verwaltbarkeit von Städten u. Gemeinden, in: Bernhard Kirchgässner u. Jörg Schadt (Hgg.), Kommunale Selbstverwaltung – Idee u. Wirklichkeit, 1983, 9-29.
Nachweis: Bildnachweise: StadtA Mannheim.

Literatur: Christian Peters, „Glücklicherweise bilden wir eine Ausnahme“. Mannheim in den fünfziger Jahren, 2002, bes 138-178; Walter Spannagel, „Sich gegenseitig anhören zu können, ist unerlässlich für das Zusammenwirken“ – H. Reschke, in: Die höchste Auszeichnung d. Stadt, 2002, 153-156; Ernst Klee, Das Personenlexikon zum Dritten Reich, 2003.
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