Gurk, Franz 

Geburtsdatum/-ort: 09.02.1898;  Karlsruhe
Sterbedatum/-ort: 12.07.1984;  Karlsruhe, beigesetzt am 19.07.1984 auf dem Hauptfriedhof in Karlsruhe
Beruf/Funktion:
  • Kommunalbediensteter, Z/CDU-Politiker, Landtagspräsident
Kurzbiografie: vor 1913 Besuch der Bürger- und Realschule Karlsruhe, Abschluß der mittleren Reife
1913 Eintritt in den Dienst der Stadt Karlsruhe als Volontär für den gehobenen Kommunalverwaltungsdienst
1915-1918 Kriegsteilnehmer
1924 Inspektorenprüfung; anschließend weitere Verwendung in der Karlsruher Stadtverwaltung im Finanz- und Personalressort; leitender Berufsberater
1926 Wahl als Stadtverordneter für die Zentrumspartei
1932 Kreisrat und Fraktionsvorsitzender des Zentrums im Großkreis Karlsruhe-Bruchsal-Pforzheim; 1933 Verlust des Mandats aus politischen Gründen
1941 Begabtenabitur in Karlsruhe; danach Fortsetzung des schon vor dem 2. Weltkrieg begonnenen Selbststudiums der Wirtschaftswissenschaften
1942 Examen als Diplomvolkswirt; 1943 Promotion bei Walter Eucken in Freiburg zum Dr. rer. pol.
1945-1952 Stadtkämmerer in Karlsruhe
1951-1968 Landesvorsitzender der CDU-Nordbaden; seit 1968 Ehrenvorsitzender
1952 Mitglied der Verfassunggebenden Landesversammlung und des 1. Landtags von Baden-Württemberg für den Wahlkreis Karlsruhe-Stadt II; Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion bis 1953; 1956-1972 Abgeordneter für den Wahlkreis Bruchsal
1953-1963 Bürgermeister und Wirtschaftsdezernent in Karlsruhe
1960-1968 Präsident des Landtags von Baden-Württemberg
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Auszeichnungen: 1963 Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland; Großkreuz des Päpstlichen Gregoriusordens
1964 Großes Silbernes Ehrenzeichen der Republik Österreich
1965 Schaffung der Dr. Franz-Gurk-Plakette des Landesinnungsverbands der Bildhauer- und Steinmetzen von Baden
1966 Ehrenobermeister dieser Innung
1968 Verfassungsmedaille in Gold des Landes Baden-Württemberg; 1975 Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg
1981 Ehrenbürger der Stadt Karlsruhe
1982 Konradsplakette der Erzdiözese Freiburg
Verheiratet: 1935 Luise, geb. Hirschbrunn
Eltern: Vater: Bernhard Gurk (1860-1906), Bauunternehmer in Karlsruhe
Mutter: Maria, geb. Holzhauer, aus Steinegg bei Pforzheim (1869-1937)
Geschwister: keine
Kinder: 6 Kinder
4 Söhne: u.a. Bernhard (* 1936, Lektor), Heribert (1939-1941)
2 Töchter: Hildegard (* 1936, Grund- und Hauptschullehrerin), Mechthild (* 1942, Realschullehrerin)
GND-ID: GND/117757489

Biografie: Gerd Hepp (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 1 (1994), 122-125

Gurk gehört zu den profiliertesten politischen Persönlichkeiten der südwestdeutschen Nachkriegsgeschichte. Er hat sich nicht nur als Kommunalpolitiker um seine Heimatstadt Karlsruhe verdient gemacht, er hatte auch am Aufbau und an der Gestaltung des Landes Baden-Württemberg erheblichen Anteil.
Dem bäuerlich-handwerklichen Milieu seiner Vorfahren verdankt er eine Reihe von Eigenschaften, die auch sein späteres politisches Handeln prägten: Fleiß, Pflichtbewußtsein, einen gesunden Menschenverstand sowie Bescheidenheit. Hier lag auch die Wurzel für seine einfache, volksnahe Sprache und seinen steten politischen Einsatz für die Interessen des Handwerks und eines mittelständisch orientierten freien Unternehmertums.
Der frühe Verlust des Vaters im Alter von acht Jahren hatte eine harte und entbehrungsreiche Jugend zur Folge. Auch eine höhere Schulbildung blieb ihm so versagt, und noch vor dem 1. Weltkrieg begann er eine berufsbezogene Ausbildung bei der Stadtverwaltung Karlsruhe. Erst später hat er unter großen persönlichen Opfern das Versäumte neben seiner beruflichen und politischen Tätigkeit nachgeholt. Nachdem er sich schon in der Zwischenkriegszeit als Autodidakt und Gasthörer an der TH Karlsruhe ein vorwiegend wirtschaftswissenschaftliches Wissen angeeignet hatte, absolvierte er als nun schon 43jähriger Vater von drei Kindern mitten in den Jahren des 2. Weltkrieges zunächst das Begabtenabitur, bevor er nur 2 Jahre später bei Walter Eucken zum Dr. rer. pol. promovierte.
Relativ früh dagegen fand er den Weg in die Politik, hier naturgemäß in die Kommunalpolitik. Erste Impulse zu einem politischen Engagement kamen jedoch von der Jugendbewegung, in der er sich schon vor dem 1. Weltkrieg betätigte. Die Kriegsjahre selbst hat er als junger Soldat, als einer der namenlosen Feldgrauen, die überzeugt waren, für eine gerechte Sache zu kämpfen, miterlebt. Danach hat der gläubige und zeit seines Lebens auch kirchentreue Katholik sich vor allem im katholischen Jungmännerverband Deutschlands als ehrenamtlicher Bezirksvorsitzender betätigt. Von dort führte sein Weg schon früh in die Zentrumspartei, für die er mit 28 Jahren in den Karlsruher Stadtrat gewählt wurde. Im letzten Jahr der Weimarer Republik avancierte er dann zum Kreisrat und Fraktionsvorsitzenden des Zentrums im Großkreis Karlsruhe-Bruchsal-Pforzheim.
Mit Beginn der NS-Ära wurde Gurks politische Karriere dann jäh unterbrochen. Schon vor 1933 war er als Mitglied der katholisch inspirierten Badenwacht in zahlreichen Versammlungen als Gegner der NSDAP aufgetreten. Nun verlor er nicht nur sein politisches Mandat, sondern mußte auch seine sonstigen ehrenamtlichen Funktionen (Vorstandsmitglied des badischen Jugendherbergverbandes, Mitglied des Badischen Landesausschusses für Leibesübungen und Jugendpflege sowie Vorstandsmitglied des Badischen Heimatwerkes) zwangsweise niederlegen. Hinzu kamen berufliche Nachteile. Denn als der Stadtoberinspektor Gurk 1934 an der Spitze der Fronleichnamsprozession in Karlsruhe einherschritt, wurde ihm dies als Provokation ausgelegt und Gurk vom städtischen Personalamt, in dem er in leitender Stellung tätig war, auf das Rechnungsprüfungsamt mit untergeordnetem Kompetenzbereich versetzt.
Nach dem Ende des 2. Weltkrieges rückte Gurk, der die erzwungene politische Abstinenz zwischenzeitlich zur Erlangung akademischer Würden genutzt hatte, rasch ins erste kommunalpolitische Glied. Zunächst als Stadtkämmerer und dann seit 1953 als Bürgermeister und Leiter eines umfangreichen Dezernats. In diesem zeichnete er nicht nur für die Gewerbe- und Wirtschaftsförderung, sondern u. a. auch für das Energie- und Nahverkehrswesen, die Rheinhäfen, die Krankenhausanstalten und das Friedhofswesen verantwortlich. In beiden Funktionen hatte er maßgeblichen Anteil an der Beseitigung der enormen Kriegsschäden wie auch an der Entwicklung und dem Aufstieg Karlsruhes zu einer modernen Industrie- und Wirtschaftsmetropole. Primär seinen Bemühungen war es zu verdanken, daß sowohl der Bundesgerichtshof wie auch das Bundesverfassungsgericht ihren Sitz in Karlsruhe nahmen, die alte Residenzstadt somit Residenz des Rechts wurde.
Neben seiner beruflichen Tätigkeit engagierte sich Gurk sehr bald auch wieder in der Parteipolitik. 1946 trat er der CDU bei, und 1947 wurde er Kreisvorsitzender von Karlsruhe. Sein Einstieg in die Landespolitik fiel zeitlich mit der härtesten Phase der Auseinandersetzungen um die Bildung des Südweststaates zusammen. Als die nordbadische CDU nach der Volksabstimmung vom 9. Dezember 1951 im innerparteilichen Streit zu zerreißen drohte, berief man Gurk, von dem es hieß, er sei ein Mann des Ausgleichs und zur Integration fähig, zum Landesvorsitzenden. Der gemäßigte Altbadener, der der badischen Heimat und Tradition auch mit dem Herzen zugetan war, hat als Mahner zu Vernunft und Sachlichkeit die parteiinternen Wogen einigermaßen zu glätten verstanden. Unvergessen ist sein wegweisendes Wort aus jenen Tagen, „daß die CDU Nordbaden im Südweststaat, der nun zu bilden sei, aufrichtig mitarbeiten werde, obwohl dem Staat, durch die Versagung der Durchzählung der Stimmen, ein Mangel anhafte“ und „daß im Sinne echter Staatsklugheit nun alles getan werde, um den nicht zu übersehenden großen Block der Staatsbürger, die sich für die Wiedereinrichtung eines selbständigen Badens ausgesprochen haben, nicht nur formell, sondern auch innerlich in den Staat zu führen“.
Konstruktive Mitarbeit bei gleichzeitigem Beharren auf der Wahrung der „berechtigten badischen Belange“, diese Maxime waren auch für die Tätigkeit Gurks als Abgeordneter im neugebildeten Bundesland richtungsweisend. Als Mitglied der Verfassunggebenden Landesversammlung hat er sich, wenn auch erfolglos, für die Einführung einer zweiten Kammer als beratender Körperschaft eingesetzt, in der Hoffnung, dadurch die badisch-föderalistische Komponente im neuen Staatswesen zu stärken. Mit ausschlaggebend war dann allerdings seine Rolle bei der Namensfindung für das neue Bundesland, wo er meinte, es gehöre sich für einen Kavalier wie Württemberg, der „badischen Dame“ den Vortritt zu lassen. Auch ansonsten hat er es nicht an „badischer Geradlinigkeit“ fehlen lassen. Ein Angebot Gebhard Müllers, in sein Kabinett einzutreten, hat er mit Rücksicht auf die eigene Partei abgelehnt und statt dessen den Fraktionsvorsitz übernommen. 1956 hat er sich in seinem Wahlkreis Bruchsal öffentlich in die Liste für ein badischen Volksbegehren eintragen und auch später immer wieder mit Nachdruck auf einer erneuten Volksabstimmung zur Baden-Frage bestanden. Daß er sich im Laufe der Jahre dann dennoch zu einem überzeugten Südweststaatler wandelte, hat er persönlich nie als Widerspruch empfunden. Sein 1962 anläßlich des 10jährigen Landesjubiläums gesprochenes Wort von „der Liebe, die nach der Heirat kommt“, zeigt zudem, daß der rationalen Bejahung auch die emotionale gefolgt ist.
Herausragendes parlamentarisches Profil hat Gurk aber auch durch die Mitarbeit an bedeutenden Gesetzgebungsarbeiten erworben. So war er etwa an der Erarbeitung der Gemeinde- und Kreisordnung, dem Finanzausgleichsgesetz und dem Landesverwaltungsgesetz federführend beteiligt. Seine reiche kommunalpolitische Erfahrung hat er zudem bei Fragen der Wirtschaftsförderung des Landes, bei seinem Einsatz im Jugendherbergswerk, in Baugenossenschaften oder zugunsten karitativer Organisationen zur Geltung bringen können. Daneben galt sein Interesse schwerpunktmäßig auch der Kulturpolitik, die er konsequent von christlichen Prinzipien geprägt sehen wollte. So setzte er sich beispielsweise nicht nur mit Nachdruck für den weiteren Ausbau der Hochschulen ein, sondern auch dafür, daß Religion an den Schulen des Landes wieder Prüfungsfach werden solle. Aufsehen erregte es auch, als er Ende der 50er Jahre in einem Schreiben an alle Bundestags- und Landtagsabgeordneten eine „Gesetzgebung zum Schutz der Jugend und gegen die öffentliche Unsittlichkeit, insbesondere gegen Schmutz und Schund“ anmahnte. Als engagierter Zeitkritiker meldete er sich immer dann zu Wort, wenn es um die geistige Orientierung seiner Epoche ging. Er sah diese mitten hineingestellt in einen „schicksalshaften Geisteskampf“, in dem er die Bundesrepublik am Scheideweg zwischen sozialistischer Diktatur und freiheitlicher Demokratie vermutete. Auch wurde er nicht müde, vor den Verirrungen des Zeitgeistes, den Utopien der Intellektuellen, der säkularisierten Wohlstandsgesellschaft, in der das Materielle mehr bedeute als das Geistige, immer wieder öffentlich zu warnen. Und auch der Bundes-CDU machte Gurk, im übrigen ein Bewunderer Adenauers, den Vorwurf, allzu pragmatisch sich vom christlichen Geist und der prinzipienstarken Haltung der Gründergeneration entfernt zu haben.
Bei aller Festigkeit in den Grundpositionen galt Gurk im parlamentarischen Alltag aber auch als ein Mann, der bereit war, die eigene politische Position zu überdenken, der Kompromißbereitschaft, tolerante Menschlichkeit und Respekt vor der Meinung des Andersdenkenden an den Tag legte. Diese Eigenschaften prädestinierten ihn neben anderen geradezu für das Amt des Landtagspräsidenten, das er seit 1960 für zwei Legislaturperioden bekleidete. In dieser Funktion hat er durch sein gütiges, verständiges und stets auf Ausgleich bedachtes Wesen sich auch die Wertschätzung des politischen Gegners erworben. Er war kein gestrenger, sich an die Geschäftsordnung klammernder Zuchtmeister des Landtags, vielmehr glaubte er an die Wirkung des vernünftigen und vermittelnden Worts. Die Zuspitzung einer Situation versuchte er hin und wieder auch durch einen väterlich oder pastoral klingenden Zuspruch oder durch eine humorvolle Bemerkung zu verhindern. So kann man es mit als sein größtes Verdienst ansehen, daß es in seiner ganzen Amtszeit im Landtag nie zu feindseligen oder gar tumultartigen Auseinandersetzungen gekommen ist. Gurk hat darüber hinaus während seiner Präsidentschaft aber auch für das Selbstverständnis und die Rolle des Parlaments bleibende Akzente gesetzt. Eine stärkere Bürgernähe der Abgeordneten, eine Verbesserung der Regierungs- und Verwaltungskontrolle wie auch eine größere Öffentlichkeit und Transparenz der parlamentarischen Beratung und Beschlußfassung waren seine besonderen Anliegen. Einige Neuerungen der von ihm tatkräftig geförderten Parlamentsreform, wie z. B. die Einführung der Fragestunde oder die Einführung der Aktuellen Stunde, sind primär seiner Initiative zuzuschreiben.
Quellen: GLA, Nr. N/Gurk; PrivatA Dr. Gurk.
Werke: Die Kameralistik nach der Deutschen Gemeindeordnung und den neueren Reformbestrebungen. Diplomarbeit, 1942; Die wirtschaftliche Konzentration und der Staat unter besonderer Berücksichtigung der Steuerpolitik. Dissertation 1943; zahlreiche Artikel und Aufsätze in Zeitungen seines Wahlkreises sowie in: Jahrbuch des Bildhauer- und Steinmetzhandwerkes Baden.
Nachweis: Bildnachweise: Fotos im LandtagsA von B-W Stuttgart sowie im StAF, Bildnissammlung; Porträtrelief (Gedenkmünze des Bildhauer- u. Steinmetzhandwerks Baden) 1965.

Literatur: Paul-Ludwig Weinacht (Hg.), Die CDU in Baden-Württemberg und ihre Geschichte (SpLBW 2) Stuttgart 1978; Gerd Hepp, Der badische Landesteil in Baden-Württemberg, in: Badische Geschichte vom Großherzogtum bis zur Gegenwart, hg. von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, Stuttgart 1979, 1987 (2. Aufl.), 258-282; Paul-Ludwig Weinacht, Tilman Mayer (Hg.), Ursprung und Entfaltung christlicher Demokratie in Südbaden, Sigmaringen 1982.
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