von Hayek, Friedrich August
Geburtsdatum/-ort: | 1899-05-08; Wien |
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Sterbedatum/-ort: | 1992-03-23; Freiburg im Br., begraben in Wien, Friedhof Neustift am Walde |
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Kurzbiografie: | 1917 Matura am Elisabeth Gymnasium in Wien 1917–1918 Kriegsdienst als Fernmeldeoffizier d. k.u.k. Armee an d. Italienfront; Leutnant 1918–1921 Studium d. Rechts- u. Staatswissenschaften in Wien 1919–1920 Praktikant bei Prof. Constantin von Monakow im Hirnanatomischen Institut d. Univ. Zürich 1921 Promotion zum Dr. jur. in Wien 1921–1926 Rechtsberatungstätigkeit im Abrechnungsamt für Österr. Kriegsschulden in Wien 1923 Promotion zum Dr. rer. pol. bei Othmar Spann und Hans Kelsen in Wien: „Zur Problemstellung d. Zurechnungslehre“ 1923–1924 Forschungsassistent an d. New York University bei Prof. Jeremiah W. Jenks 1927–1931 Gründungsdirektor des Österr. Instituts für Konjunkturforschung, Wien 1929 Habilitation für das Fach Nationalökonomie u. Statistik in Wien: „Geldtheorie u. Konjunkturtheorie“; Privatdozent 1931–1949 Tooke Professor of Economic Science and Statistics an d. London School of Economics and Political Science (LSE) 1938 Britische Staatsbürgerschaft 1940 Wirtschaftswiss. Doktorgrad D. sc. econ. d. Univ. London 1947–1961 Gründungspräsident, ab 1961 Ehrenpräsident d. „Mont Pèlerin Society“ 1949–1950 Gastprofessor d. University of Arkansas, Fayetville, USA 1950–1962 Professor of Social and Moral Science d. Univ. Chicago, USA 1962–1967 o. Professor für Volkswirtschaftslehre d. Univ. Freiburg 1964–1970 Vorstandsmitglied des Walter Eucken Instituts 1967 Emeritierung 1967–1968 Lehrstuhlvertretung an d. Univ. Freiburg 1970–1974 Gastprofessor an d. Univ. Salzburg u. Übersiedelung nach Salzburg 1974 Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften 1977 Rückkehr nach Freiburg im Br. 1978 Ehrenpräsident des Walter Eucken Instituts |
Weitere Angaben zur Person: | Religion: rk. Auszeichnungen: Ehrungen: Dr. h.c. d. Univ. Rikkyo, Tokio (1964), Salzburg (1974), Dallas, Texas (1975), Buenos Aires (1977), Santa Maria, Valparaiso, Chile (1977), Marroquin, Guatemala (1977), Gießen (1982); Fellow d. British Academy (1944), Korrespond. Mitglied d. Österr. Akademie d. Wissenschaften (1970), Ehrensenator d. Univ. Wien (1971), Honorary Fellow d. London School of Economics (1972), Verdienstkreuz für Wissenschaft u. Forschung d. Republik Österreich (1975), Mitglied des Ordens Pour le Mérite für Wissenschaften u. Künste (1977), Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg (1981), Hanns Martin Schleyer-Preis (1984), Companion of Honour (1984), Presidential Medal of Freedom des Präsidenten d. USA (1991). Verheiratet: I. 1926 (Wien) Helene Berta Maria (Hella), geb. von Fritsch (1901–1960) II. 1950 (Wien) Helene Anna Elisabeth, geb. Bitterlich, verw. Warhanek (1900–1996) Eltern: Vater: August (1871–1928), außerordentlicher Professor für Botanik an d. Univ. Wien Mutter: Felicitas, geb. von Juraschek (1875–1967) Geschwister: 2; Heinrich (1900–1969), Professor für Anatomie an d. Univ. Wien, u. Erich (1904–1986), Professor für Chemie an d. Univ. Innsbruck Kinder: 2 aus I.; Christine Maria Felicitas (geboren 1929), Dr., Entomologin am British Museum of Natural History, London, Laurence Joseph Heinrich (1934–2004), Dr., Arzt u. Pathologe, Torbay Hospital, UK. |
GND-ID: | GND/118547364 |
Biografie
Biografie: | Wendula Gräfin von Klinckowstroem (Autor) Aus: Baden-Württembergische Biographien 5 (2013), 149-154 Hayek ist einer der herausragenden und innovativsten Sozialphilosophen und Ökonomen des 20. Jahrhunderts. Zentrales Thema seines sich über sechs Jahrzehnte erstreckenden wissenschaftlichen Lebenswerks ist die Frage, wie Menschen ihr Zusammenleben in einer für alle Beteiligten möglichst wünschenswerten Weise ordnen können. Angesichts der unvermeidlichen Begrenztheit des Wissens, auf das sie sich bei diesem Bemühen stützen können, ist die Ordnung der Gesellschaft laut Hayek die entscheidende Herausforderung der Moderne. In einem Zeitalter zunehmender wissenschaftlicher Spezialisierung hat Hayek einen Ansatz für die sozialwissenschaftliche Analyse entwickelt, der Einsichten aus der Ökonomik, der Rechts- und Politikwissenschaft, der Philosophie, der Psychologie und der Evolutionstheorie zu einer zusammenhängenden Sicht auf die Grundlegung und Evolution von sozialer Ordnung vereint und so einen wichtigen Beitrag zu einer theoretisch integrierten Sozialwissenschaft leistet. Ausgehend von einer an der individuellen Freiheit orientierten liberalen Sichtweise galt Hayeks lebenslange Kritik jenen gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Konzeptionen, für die er den Namen „konstruktivistischer Rationalismus“ geprägt hat, von den umfassenden Vorstellungen sozialistischer Gesellschaftsplanung bis hin zu verschiedenen moderateren Konzepten von Wirtschaftssteuerung: Angefangen mit der Wirtschaftsrechnungsdebatte in den 1930er-Jahren, über sein weltweit bekannt gewordenes Buch „Der Weg zur Knechtschaft“ (1944) bis zu seinem letzten, 1988 zunächst in englischer Sprache publizierten Werk „Die verhängnisvolle Anmaßung. Die Irrtümer des Sozialismus“. Hayek war überzeugt, dass es die Macht der Ideen ist, die letztlich die Welt bewegt, und er machte es sich daher zur Lebensaufgabe, die Grundprinzipien einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung zu verteidigen. Den Zusammenbruch sozialistischer Regimes in Europa Ende der 1980er-Jahre erlebte er als Bestätigung seiner Kritik. Hayek wurde zu einer Symbolfigur für die moderne Renaissance klassisch-liberalen Denkens. Die Freiburger Zeit ab 1962 trat Hayek mit der Absicht an, in seiner Arbeit die wissenschaftliche Überlieferung aufnehmen und fortführen zu wollen, die von Walter Eucken und seinem Kreis – der Freiburger Schule der Nationalökonomie – geschaffen worden war. In Freiburg entstanden u.a. Hayeks Argumente zur universellen Bedeutung von „Wettbewerb als Entdeckungsverfahren“, als dem wichtigsten Instrument, das Menschen zur Verfügung steht, um in den verschiedensten Bereichen aus Erfahrung Wissen zu schöpfen und zu Problemlösungen zu gelangen. Dass Wettbewerb dabei immer in eine geeignete Rahmenordnung eingebunden sein muss, wenn er seine wünschenswerten Wirkungen entfalten soll, war für Hayek ebenso selbstverständlich wie für die Vertreter der Freiburger Schule, auch wenn er diesen Aspekt nicht immer so nachdrücklich wie jene betonte. Mit seinem Vorschlag für eine „Entnationalisierung des Geldes“ plädierte Hayek für die Abschaffung des Geldmonopols des Staates, denn stabiles Geld könne nur erzeugt werden, wenn die Bürger in der Wahl der Währungen frei seien. In seinem großen Alterswerk „Recht, Gesetz und Freiheit“ legte er seine Überlegungen zu den Grundlagen sozialer Ordnung sowie insbesondere seine Analyse zeitgenössischer Demokratie und der von ihr ausgehenden Gefahren für die institutionellen Grundlagen einer freien Gesellschaft dar. Mit dem „Zweikammermodell“ präsentierte er darin einen Vorschlag für die Institutionalisierung seines Ideals der „Regierung unter dem Gesetz“. Im Unterschied zu heutigen Parlamenten obliegt seiner „gesetzgebenden Versammlung“ allein die Findung allgemeiner, zweckunabhängiger „Regeln gerechten Verhaltens“. Diese beiden Vorschläge zur Geldpolitik und zur parlamentarischen Demokratie, die Hayek als seine beiden wissenschaftlichen „Erfindungen“ bezeichnete, haben sich bisher politisch nicht durchgesetzt und auch in der akademischen Diskussion wenig Resonanz gefunden. Demgegenüber sind Hayeks als „Freiburger Studien“ publizierte Beiträge zur Theorie spontaner Ordnungen, mit denen er im Anschluss an die schottischen Moralphilosophen David Hume, Adam Smith und Adam Ferguson die Theorie der kulturellen Evolution, der Wissensteilung und der spontanen Ordnung entwickelte und systematisch zu einem ordnungsökonomischen Forschungsprogramm ausbaute, noch heute eine Inspiration für die Neue Institutionenökonomik, die evolutorische Ökonomik und die Marktprozesstheorie der „Austrian Economics“. Zentral ist in diesem Zusammenhang, dass Hayek anstelle des methodischen Unterschieds von Natur- und Geisteswissenschaften nun den Gegensatz zwischen Wissenschaften von einfachen Phänomenen, wie z.B. der klassischen Mechanik, und Wissenschaften von komplexen Phänomen, wie der Ökonomie, Biologie oder Psychologie, betonte und darlegte, dass von einer Theorie komplexer Phänomene vernünftigerweise lediglich Erklärungen des Prinzips und Mustervoraussagen erwartet werden können, nicht jedoch die Erklärung oder Voraussage von konkreten Ereignissen. Die Anfänge von Hayeks wissenschaftlichem Weg sind geprägt von seinen Wiener Lehrern der Volkswirtschaftslehre, Friedrich von Wieser, Othmar Spann und vor allem Ludwig von Mises. Bereits als Student der Rechts- und Staatswissenschaften interessierte sich Hayek aber auch für Philosophie und Psychologie, studierte die Werke von Ernst Mach und Moritz Schlick und verfasste 1920 unter dem Titel „Beiträge zur Theorie der Entwicklung des Bewußtseins“ eine längere Abhandlung zur theoretischen Psychologie, die er erst 1952 in veränderter und erweiterter englischer Fassung als „The Sensory Order. An Inquiry into the Foundations of Theoretical Psychology“ veröffentlichte. Diese Theorie der Erkenntnisleistung des Gehirns stellt eine Grundlage für Hayeks Verständnis der Marktprozesse dar und hat inzwischen von führenden modernen Neurowissenschaftlern Anerkennung erfahren. Während seiner Forschungsassistenz in New York besuchte Hayek Lehrveranstaltungen von Wesley C.Mitchell und John B. Clark und lernte im Zuge einer dort begonnenen Analyse verschiedener Strategien der Geldwertstabilisierung auch die in Europa damals noch kaum verbreiteten Methoden der Konjunkturforschung kennen. Mit seiner Habilitationsschrift „Geldtheorie und Konjunkturtheorie“ (1929) legte Hayek kurz vor Ausbruch der großen Weltwirtschaftskrise eine Theorie monetär induzierter Über- und Fehlinvestitionen vor, die in deutlichen Gegensatz zu den von John Maynard Keynes propagierten Unterkonsumtionstheorien trat. Auf Initiative von Lionel Robbins wurde Hayek 1931 an die London School of Economics berufen, wo er sich in den 1930er-Jahren als Kritiker von Keynes und der Cambridge Schule internationale Bekanntheit erwarb. Bei aller wissenschaftlichen Rivalität in der berühmten Hayek-Keynes-Kontroverse hatten beide persönlich ein von großer Achtung geprägtes und in den Kriegsjahren, als Hayek und die LSE nach Cambridge evakuiert wurden, fast freundschaftliches Verhältnis. Während der 1930er-Jahre standen für Hayek wirtschaftstheoretische Fragestellungen im Mittelpunkt. Es entstanden sein Buch „Preise und Produktion“ (1931), zahlreiche Aufsätze zur Kapital- und Investitionstheorie, zur Theorie des Sparens und mit seinem Buch „The Pure Theory of Capital“ (1941) die Entwicklung einer dreidimensionalen Vorstellung von Kapital und die Erarbeitung der güterwirtschaftlichen Grundlagen der Zinsbildung. Mitte der 1930er-Jahre formulierte er in seinem Aufsatz „Wirtschaftstheorie und Wissen“ erstmals die Erkenntnis, von der er später als der „einen Entdeckung“ sprechen sollte, die ihm in seinem Gelehrtenleben gelungen sei: „dass das Preissystem ein System von Signalen ist, das den Menschen in die Lage versetzt, sich an Umstände anzupassen, von denen er nichts weiß“. Auf diese Entdeckung gründeten sich später sein Konzept der Wissensteilung, seine Theorie der spontanen Ordnung und der kulturellen Evolution. Mitte der 1930er-Jahre begann sich mit Hayeks Engagement in der Debatte um die Frage rationaler Wirtschaftsrechnung mit Gegnern wie Oskar Lange und anderen eine Verlagerung seiner Interessen hin zu allgemeinen Fragestellungen sozialer und politischer Philosophie abzuzeichnen, was schließlich dazu führte, dass er sich aus dem Diskurs der Ökonomen mehr und mehr zurückzog. Hayeks Interesse richtete sich auf eine fundamentale Kritik der erkenntnistheoretischen Grundlagen und der politischen Implikationen von sozialistischen Doktrinen. Die Bedrohung durch den Nationalsozialismus in Deutschland und Erfahrungen mit starken sozialistischen Tendenzen in Großbritannien während der Kriegsjahre gaben den Ausschlag zu Hayeks politischstem Buch „The Road to Serfdom“ (1944), das in zwölf Sprachen übersetzt wurde und Hayek weltweiten Ruhm einbrachte, aber unter seinen ökonomischen Fachkollegen auf beträchtliche Ablehnung stieß. Viele von ihnen waren in jener Zeit eher interventionistischen Ansichten zugeneigt; um so mehr schockierte Hayeks Warnung, auch Sozialdemokratie und interventionistischer Wohlfahrtsstaat – „new deal“ in den USA, „Beveridge-Plan“ in Großbritannien – führten, wenn auch unbeabsichtigt, in den Totalitarismus. Die Bedrohung der individuellen Freiheit durch Kollektivismus von rechts oder links nahm Hayek 1947 zum Anlass, die wenigen verbliebenen, gleichgesinnten liberalen Intellektuellen – Ökonomen, Historiker, Sozialphilosophen und Publizisten – zu einer Diskussion über Inhalt und Zukunft des Liberalismus einzuladen. Seiner Einladung in das Hotel du Parc auf dem Mont Pèlerin oberhalb von Vevey am Genfer See folgte eine Gruppe von rund vierzig Teilnehmern aus zehn Ländern, darunter noch heute bekannte Namen wie Milton Friedman, Bertrand de Jouvenel, Frank Knight, Fritz Machlup, Ludwig von Mises, Michael Polanyi, Karl R. Popper, Lionel Robbins, Wilhelm Röpke, George Stigler und als Einziger, der aus Deutschland anreiste, Walter Eucken. Dieses Zusammentreffen wurde zur Gründungsversammlung der „Mont Pèlerin Society“, die es sich zur Aufgabe macht, die politischen, wirtschaftlichen, historischen, ethischen und philosophischen Aspekte der Zivilisation zu analysieren und wissenschaftliche Arbeiten zu fördern, die die institutionellen Rahmenbedingungen einer freien Gesellschaft untersuchen. Hayek traf in den frühen 1950er-Jahren an der Universität Chicago im Rahmen des interdisziplinär konzipierten „Committee on Social Thought“ auf ein für ihn geistig äußerst anregendes Umfeld. So gehörten zu den Teilnehmern seiner ersten Seminare über Methodenfragen in den Sozial- und Naturwissenschaften u.a. auch Kollegen, wie die Physiker Enrico Fermi und Leo Szilard, der Evolutionsbiologe und Genetiker Sewall Wright, der Altphilologe David Grene, der politische Philosoph Yves Simon, der Soziologe David Riesman, der Anthropologe Robert Redfield, der Wirtschaftshistoriker John Nef und die Ökonomen Frank Knight, Milton Friedman und Abba Lerner. In der Politik der 1950er und 1960er-Jahre nahm der Keynesianismus seinen Aufstieg, und es setzte sich zunehmend die Überzeugung durch, Wirtschaftsprozesse seien in weitreichendem Maße durch staatliche Eingriffe im Wege einer „Globalsteuerung“ zu lenken, während Hayeks Werk in Vergessenheit geriet. Als im Jahr 1960 Hayeks in den Chicagoer Jahren erarbeitetes Buch „Die Verfassung der Freiheit“ erschien, mit dem er seine Neuformulierung der Prinzipien des klassischen Liberalismus vorlegte, wurde es zunächst selbst bei Wohlmeinenden als veraltet und nicht konform mit damals modernem ökonomischem und politischem Denken angesehen. Erst mit der Verleihung des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften 1974 an Hayek gemeinsam mit dem schwedischen Wohlfahrtsökonomen Gunnar Myrdal, setzte ein Wiedererwachen des Interesses an klassisch-liberalem Denken im Allgemeinen und an Hayeks Werk im Besonderen ein, das Ende der 1970er-Jahre erheblich anstieg; zum einen infolge einer wachsenden Desillusionierung mit Keynesianischer Wirtschaftspolitik, die zu Inflation und Stagnation geführt hatte, zum anderen als Reaktion auf sich mehrende Anzeichen eines Fehlschlagens des „realen Sozialismus“. Die späten 1970er und frühen 1980er-Jahre waren für Hayek nochmals Jahre produktiver Forschung, und sie brachten ihm nun weltweite Anerkennung. Von Freiburg aus reiste er zu zahlreichen Vorträgen und Konferenzen nicht nur in die europäischen Nachbarländer und die USA, sondern auch in Länder wie Island, Argentinien, Chile, Guatemala, Venezuela, Peru, Brasilien, Südkorea, Hongkong, Japan und Südafrika. Im Dezember 1980 gehörte Hayek zu einer Gruppe katholischer Nobelpreisträger unterschiedlicher Fachdisziplinen, die Papst Johannes Paul II. zu einer Diskussion über das Verhältnis von Katholizismus und Wissenschaft und über die dringlichsten Menschheitsfragen nach Rom geladen hatte. Hayeks Ideen beeinflussten Politiker wie Margaret Thatcher und Ronald Reagan, und seine Veröffentlichungen stießen auf wachsendes Interesse unter Dissidenten und Reformern in den Ländern des zerbrechenden kommunistischen Blocks. Den Nobelpreis erhielt Hayek für seine „bahnbrechende Arbeit auf dem Gebiet der Geld- und Konjunkturtheorie“ und seine „scharfsinnige Untersuchung der Interdependenz ökonomischer, sozialer und institutioneller Erscheinungen“, wobei als einer seiner wichtigsten Beiträge die Analyse der Wirkungsweise unterschiedlicher ökonomischer Systeme angesehen wurde. Ferner nahm das Nobelpreiskomitee in seiner Begründung ausdrücklich darauf Bezug, dass Hayek als einer von wenigen Wirtschaftstheoretikern bereits im Voraus vor der im Herbst 1929 einsetzenden großen Weltwirtschaftskrise gewarnt hatte. Achtzig Jahre danach, in der gegenwärtigen weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise, kommt der Grundidee von Hayeks Krisentheorie neue Aktualität zu, wonach falsche Zinssignale zu übermäßiger Geld- und Kreditschöpfung und deshalb zu Blasen der Über- und Fehlinvestition führen, die entweder unter Inkaufnahme mittelfristig schmerzhafter Reinigungskrisen korrigiert werden müssen oder durch Inflation und Verschuldung in die nächste, heftigere Krise führen. Hayeks Alterswerk führte weit über das hinaus, was mit der Nobelpreisverleihung gewürdigt worden war: Er behandelte umfassend die Frage, welche konstitutionellen Vorkehrungen für den Schutz der individuellen Freiheit am förderlichsten sind, und analysierte die Prozesse wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und kultureller Evolution. Mit seinem letzten Werk „Die verhängnisvolle Anmaßung: Die Irrtümer des Sozialismus“ (1988) zog Hayek die Summe seines staats- und wirtschaftsphilosophischen Denkens. Es ging ihm darum, in detaillierter Argumentation nachzuweisen, dass der Sozialismus ein intellektueller Irrtum sei, der auf empirisch nicht haltbaren theoretischen Annahmen und logischen Widersprüchen beruht. Als Irrtum sah Hayek es u.a. an, aus der Beobachtung, dass die Menschen im Laufe der Geschichte in der Lage waren, ein Regelsystem herauszubilden, das ihre individuellen Anstrengungen wirksam koordiniert, die Unterstellung zu folgern, sie seien auch fähig, planmäßig ein noch besseres System zu entwerfen. Für Hayek sind demgegenüber die produktive Koordination, Wissens- und Arbeitsteilung, die in einer modernen Großgesellschaft zu beobachten sind, zu einem großen Teil nicht Ergebnis absichtlicher Planung und bewussten Entwurfs, sondern verdanken sich Kräften einer spontanen wechselseitigen Anpassung und der Evolution von Regeln und Institutionen, die sich im Wettbewerb mit anderen als erfolgreich erwiesen haben. Dies führte ihn letztlich zu der Erkenntnis, dass die Fähigkeit der Menschen zu einer Verbesserung ihrer sozialen Bedingungen im Wege absichtsvoller Konstruktion begrenzt ist. Eindringlich warnte Hayek deshalb vor einer „Anmaßung von Wissen“ und forderte eine Sozialwissenschaft, die gerade die Grenzen des Wissens und der Vernunft ernst nimmt, die Erklärungen für die ungeplante, evolutorische Herausbildung vernünftiger Praktiken sucht und der es gelingt, Mustervoraussagen über die Wirkungsweise alter - nativer Regeln und Institutionen zu treffen, ohne einer „Hybris der Vernunft“ zu unterliegen. |
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Quellen: | Nachlass in: Hoover Institution Archives, Stanford, USA. |
Werke: | Gesammelte Schriften in deutscher Sprache (GS), Tübingen 2001ff. – Collected Works of F.A. Hayek, Chicago 1988ff. – Auswahl: Geldtheorie u. Konjunkturtheorie 1929 (GS A8, in Vorbereitung); Preise u. Produktion 1931 (GS A8, in Vorbereitung); Monetärer Nationalismus u. Internationale Stabilität, 1937 (GS A3, in Vorbereitung); Die reine Theorie des Kapitals 1941 (GS B6 2006); Der Weg zur Knechtschaft 1944 (GS B1 2004); Die sensorische Ordnung 1952 (GS B5 2006); Mißbrauch u. Verfall d. Vernunft 1959 (GS B2 2004); Die Verfassung d. Freiheit 1960 (GS B3 2005); Die Entnationalisierung des Geldes 1976 (GS A3, in Vorbereitung); Recht, Gesetz u. Freiheit 1973–1979 (GS B4 2003); Die verhängnisvolle Anmaßung: Die Irrtümer des Sozialismus 1988 (GS B7, in Vorbereitung) |
Nachweis: | Bildnachweise: Walter Eucken Institut, Freiburg im Br.; John Raybold (ed.), A Commemorative Album, 1998. |
Literatur + Links
Literatur: | Fritz Machlup, Würdigung d. Werke von Friedrich August von Hayek, 1977; Erich Hoppmann (Hg.), Friedrich August von Hayek, 1980; Kurt R. Leube, Friedrich August von Hayek. Eine Würdigung von Leben u. Werk, in: Schweizer Monatshefte 92, H. 5a, 1992, 7-23; Stephen Kresge u. Leif Wenar (Hgg.), Hayek on Hayek. An Autobiographical Dialogue, 1994; Viktor Vanberg (Hg.), Freiheit, Wettbewerb u. Wirtschaftsordnung. Hommage zum 100. Geburtstag von Friedrich August von Hayek, 1999; Hans Jörg Hennecke, Friedrich August von Hayek. Die Tradition d. Freiheit, 2000; Viktor Vanberg, Hayek, Friedrich August von (1899–1992), in: Neil J. Smelser u Paul B. Baltes (Hgg.), International Encyclopedia of the Social&Behavioral Sciences, 2001, 6482-6486; Alan Ebenstein, Friedrich August Hayek Biography, 2001; Bruce Caldwell, Hayeks Challenge. An Intellectual Biography of Friedrich August Hayek, 2004; Michael Wohlgemuth, Zur Einführung: Friedrich August von Hayek (1899–1992), in: Nils Goldschmidt u Michael Wohlgemuth (Hgg.), Grundtexte d. Freiburger Ordnungsökonomik, 2008, 615-624. |
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