Kleinschmidt, Paul 

Geburtsdatum/-ort: 31.07.1883; Bublitz/Pommern
Sterbedatum/-ort: 02.08.1949; Bensheim
Beruf/Funktion:
  • Maler
Kurzbiografie: 1902–1903 Studium an der Berliner Akademie bei dem Historienmaler Anton von Werner
1904 Studium an der Akademie in München bei Peter Halm (Lithographie und Radierung) und Heinrich von Zügel (Malerei)
1905 wieder in Berlin
1909/1911 Beteiligung an Ausstellungen der Berliner Sezession
1914/15 Kriegsdienst (suspendiert wegen schwerer Gasvergiftung)
1915–1919 verschiedene Erwerbsarbeiten (Zeichenlehrer und Maschinenzeichner)
1927 Reisen nach Amsterdam und an den Bodensee
1927/28 Beginn der langjährigen mäzenatischen Beziehung zu den Gebrüdern Martin und Wilhelm Bilger, Ulm bzw. zu Erich Cohn, New York
1929 Reisen nach Süddeutschland und in die Provence
1931 Reise in die Provence
1932 Umzug nach Ulm
1933–1934 Ausstellung im Art Institute in Chicago und im Museum of Art in Philadelphia
1935/36 Emigration in die Schweiz, nach Holland und von dort nach Frankreich
1937 Arbeiten von Kleinschmidt werden in München in der Ausstellung „Entartete Kunst“ gezeigt; Werke aus öffentlichen Museen werden vernichtet bzw. ins Ausland verkauft
1938/39 in Südfrankreich (Toulon) und La Varenne bei Paris
1940 in einem französischen Internierungslager, nach der Freilassung unter deutscher Polizeiaufsicht; Malverbot
1943 zwangsweise durch den deutschen Sicherheitsdienst repatriiert; seither in Bensheim ansässig. Das Malverbot bleibt bestehen.
1944 Bei einem Bombenangriff in Ulm verbrennen 14 eingelagerte Werke,
1945 bei einem Bombenangriff in Bensheim werden Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen und Radierplatten zerstört.
Weitere Angaben zur Person: Verheiratet: 1915 Margarete, geb. Treichel
Eltern: Vater: Julius Kleinschmidt, Theaterdirektor
Mutter: Rosa, geb. Härting, Schauspielerin
Kinder: 2: Maria (* 1915); Reglindis (* 1926)
GND-ID: GND/118563041

Biografie: Monika Spiller (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 2 (2011), 153-155

In das Milieu des Theaters hineingeboren, dem beide Eltern angehörten, beeinflusste dessen Atmosphäre lebenslang die Themenwahl und Sujets des Malers Paul Kleinschmidt. Der vielfach musisch begabte junge Mann verspürte zwar zunächst auch eine starke Neigung zur Musik, entschied sich dann jedoch für die Malerei. Besondere Verehrung brachte er Adolf von Menzel entgegen; gemeinsam mit einem Jugendfreund stattete er dem bewunderten Meister gar unter einem Vorwand einen Besuch ab; von da an stand für ihn fest: er wolle Maler werden. 1902 begann er an der Berliner Akademie zu studieren; unzufrieden mit dem autoritären Unterrichtsstil des Historienmalers Anton von Werner, wechselte er 1904 zur Vervollkommnung seiner künstlerischen Ausbildung an die Münchner Akademie.
Nach Berlin zurückgekehrt, bewegte sich Kleinschmidt im Milieu der künstlerischen Avantgarde, war befreundet mit dem Dichter Ludwig Meidner, pflegte den Kontakt zu Künstlerkollegen wie Ewald Matare, Leo von König, Karl Schmidt-Rottluff, Max Beckmann und Georg Grosz; nachhaltig war auch der Einfluss von Lovis Corinth, den er 1903 persönlich kennengelernt hatte. Nach schwierigen Jahren mit Kriegsdienst und verschiedenen Tätigkeiten zur Sicherung des Lebensunterhalts brachten die 20er Jahre langsam auch die verdiente Anerkennung seiner künstlerischen Arbeit: Ausstellungen in renommierten Galerien wie 1925 in der Kunsthandlung Fritz Gurlitt oder 1928 in der Galerie von Alfred Flechtheim, für die der bedeutende Kunstkritiker Julius Meier-Graefe die Katalog-Vorworte schrieb. Mit dem Weggang aus Berlin 1932 begann ein langer, schmerzhafter Weg in die Emigration. In Ulm steht Paul Kleinschmidt im Kontakt mit den Künstlerkollegen Wilhelm Geyer, Hans Gassebner, Leo Kahn und Albert Unseld. Gestützt durch zwei Sammler und Mäzene, die Gebrüder Bilger in Ulm und Erich Cohn in New York, konnte er trotz Malverbots durch die Nazis seine Arbeit fortführen.
Im Zentrum seiner Malerei steht die Welt des Theaters, des Zirkus und der Varietés. Geradezu obsessiv widmet er sich dabei der Darstellung üppiger weiblicher Körper, in Einzeldarstellungen, zu denen nicht selten seine Ehefrau Modell stand, wie auch in den großen Bildkompositionen, z. B. „Damenkapelle“, fünfteilig, 1937/38, oder „Bar“, neunteilig, 1938/40. Stets erscheinen die dargestellten Figuren in einer Nahsicht von nahezu überwältigender Präsenz. Dabei bleibt die Grenze zwischen figürlicher Darstellung und Porträt eher fließend; individuelle und idealtypische Züge verschmelzen zur Einheit. Bemerkenswert und charakteristisch ist die Einbeziehung von stilllebenhaften Bildelementen ins Figurenbild, z. B. in „Zwei Frauen in der Garderobe“, 1925, oder „Drei Bardamen“, 1933. In all seinen Arbeiten erweist sich Paul Kleinschmidt als ausgesprochener Kolorist. Neben den Figurenbildern entstanden Selbstporträts und Doppelporträts mit seiner Frau Margarete, Porträts der Töchter sowie Bildnisse aus den Familien der beiden Mäzene Bilger und Cohn. Daneben stehen zahlreiche kraftvolle Landschaftsdarstellungen (Süddeutschland, Bodensee, Südfrankreich), Stadtansichten (New York), Stillleben (üppige Kompositionen mit Delikatessen und Konditoreiwaren) sowie Blumenstücke.
Werke: Barbara Lipps-Kant, Catalogue raisonné der Ölbilder, Aquarelle und Zeichnungen, Bd. II der Phil. Diss. Tübingen, 1978; Buchillustrationen: „Don Quixote“, acht Kaltnadel-Radierungen, 1920; „Die Abenteuer des Lazarillo von Tormes“ von Diego Hurtado di Mendoza (Lith.,), 1923; Werke von Paul Kleinschmidt befinden sich in den Städtischen Galerien von Stuttgart und Frankfurt am Main.
Nachweis: Bildnachweise: Zwei Selbstbildnisse von 1931 und 1932 in Ulmer Privatbesitz; Abb. in: Katalog Paul Kleinschmidt, Ausstellung Tübingen 1997.

Literatur: ThB XX, 1927; Julius Meier-Graefe, Neue Künstler: Paul Kleinschmidt, in: Cicerone 17 (1925), 909 ff.; ders. Paul Kleinschmidt, in: Der Querschnitt (1928) H. 3, 175 f.; ders. Paul Kleinschmidt, in: Parnassus 6 (1934,1), 3 ff.; Vollmer, 1956; Barbara Lipps-Kant, Paul Kleinschmidt 1883–1949. Monographie und Catalogue raisonné der Ölbilder, Aquarelle und Zeichnungen, 1977 (Bd. 1), 1978 (Bd. 2); dies., Zur Geschichte des Frauenbades im Œuvre Paul Kleinschmidts, in: FS für Georg Scheja zum 70. Geb., 1975, 230 ff.; Lothar Lang, Expressionistische Buchillustration in Deutschland 1907–1927, 1975, 222; Ernst Schremmer, … und zwingt sie schön zu sein, in: Ausstellungskatalog Stuttgart 1983, 31–63; Günther Wirth, Paul Kleinschmidt oder die Pracht der Materie, in: Ausstellungskatalog Grafenau 1988; ders., Der Maler Paul Kleinschmidt. Mit einer Biographie von Maria Salzmann-Kleinschmidt, 1988; Reglindis Cuonz-Kleinschmidt, Strandgut der Zeit: Meinem Vater Paul Kleinschmidt zum Gedächtnis, o. J.; Barbara Lipps-Kant, Paul Kleinschmidt. Die Ulmer Zeit 1927–1936, in: Katalog zur Ausstellung im Landratsamt Ulm, 1994, 15–49; dies., Paul Kleinschmidt – Gedanken zu seiner künstlerischen Entwicklung, in: Paul Kleinschmidt. Ausstellungskatalog Kunsthalle Tübingen, 1997, 120–157; Andreas Hünecke, Kunstbolschewismus? Kleinschmidts Werke als „entartete“ Kunst, in: Paul Kleinschmidt. Gemälde aus der Sammlung Deyhle, Ausstellungskatalog Tübingen 1997, 34–40; Klaus Gallwitz, Notizen zu den Bildern von Paul Kleinschmidt, in: Ausstellungskatalog Tübingen 1997, 8–27.
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