Löwith, Karl 

Geburtsdatum/-ort: 09.01.1897; München
Sterbedatum/-ort: 24.05.1973;  Heidelberg
Beruf/Funktion:
  • Philosoph
Kurzbiografie: 1914 Notabitur Realgymnasium München
1914-1917 Frontdienst; 1915-1917 Kriegsgefangener in Italien
1917-1923 Studium der Philosophie und Biologie in München und Freiburg i. Br.
1923 Promotion in München bei M. Geiger
1928 Habilitation in Marburg bei M. Heidegger
1928-1933 Privatdozent in Marburg
1934-1936 Aufenthalt in Rom
1936-1941 Lehrtätigkeit an der Universität von Sendai (Japan)
1941-1949 am Theologischen Seminar in Hartford (USA)
1949-1952 an der New School for Social Research in New York
1952-1964 Ordinarius in Heidelberg
1965 auswärtiges Mitglied der Italienischen Akademie der Wissenschaften in Rom, 1966 desgleichen der nationalen Akademie der moralischen und politischen Wissenschaft in Neapel
1969 Dr. h. c. Universität Bologna, Prof. h. c. des Instituts für europäisches Wissen in Urbino
Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Verheiratet: 1929 Berlin, Adelheid (gen. Ada) Elisabeth, geb. Kremma (1900-1989)
Eltern: Wilhelm Löwith, Kunstmaler
Kinder: keine
GND-ID: GND/118574043

Biografie: Hans Rainer Sepp (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 2 (1999), 306-307

Löwith entstammt einer aus Wien zugewanderten (der Vater wurde in Mähren geboren) und in München ansässig gewordenen jüdischen Familie. Bereits als Schüler liest Löwith die Werke Schopenhauers und vor allem Nietzsches. Diese Lektüre sowie der schulische Biologieunterricht sind ausschlaggebend, daß er nach dem Ersten Weltkrieg, an dem er als Kriegsfreiwilliger teilnimmt und schwer verwundet wird, in München mit dem Studium der Philosophie und Biologie beginnt. Die Unruhen der Münchener Räterepublik vertreiben ihn zur Fortsetzung seines Studiums nach Freiburg i. Br. Seine akademischen Lehrer sind vor allem die Phänomenologen A. Pfänder, M. Geiger (München), E. Husserl und M. Heidegger (Freiburg i. Br.) sowie die Biologen K. von Goebel (München) und H. Spemann (Freiburg i. Br.). Mit Blick auf die Freiburger Studienzeit schreibt Löwith später, daß „alles, wovon meine Generation auch heute noch geistig zehrt, [...] damals hervorgebracht“ wurde (ML 147). Vor allem die Begegnung mit Heidegger wird für Löwiths weiteres philosophisches Wirken ausschlaggebend: Zeit seines Lebens wird Löwith die bahnbrechende denkerische Leistung seines Lehrers zu würdigen wissen und doch zugleich ihm und seinem Werk kritisch gegenüberstehen. 1919 hört er in München den Vortrag „Wissenschaft als Beruf“ von Max Weber und wird von diesem, vor allem auch von seinem Ethos als Wissenschaftler, nachhaltig geprägt. Nach der Promotion mit einem Thema über Nietzsche bei Geiger in München übernimmt Löwith für kurze Zeit eine Hauslehrerstelle auf einem Gut in Mecklenburg. 1924 folgt er Heidegger nach Marburg, um sich bei ihm mit einer phänomenologischen Arbeit über „Das Individuum in der Rolle des Mitmenschen“ zu habilitieren. Nach erfolgter Habilitation wendet er sich zum einen einem „unmarxistischen Studium“ (ML 150) der Frühschriften von K. Marx zu, um die von Marx intendierte Verwandlung der Hegelschen und damit für Löwith aller Philosophie in Marxismus begreiflich zu machen; zum anderen sucht er das Verhältnis der Philosophie zur Theologie zu klären, indem er, ausgehend von R. Bultmanns Anknüpfung an die Heideggersche Daseinsanalytik, auf die von S. Kierkegaard wie von Marx gleicherweise dem tradierten Christentum gegenübergestellte praktische Existenz zurückfragt.
1934 wird Löwith wegen seiner jüdischen Abstammung von der Universität verwiesen. Er begibt sich, dank eines Rockefeller-Stipendiums finanziell unabhängig, nach Rom. Dort verfaßt er „Nietzsches Philosophie der ewigen Wiederkunft des Gleichen“ (1935) und eine Monographie über J. Burckhardt (1936). 1935, nach Erlaß der Nürnberger Gesetze, wird ihm die Marburger Lehrbefugnis entzogen. 1936 wird ihm eine Stelle an der Universität von Sendai in Japan angeboten, die ihm Gelegenheit gibt, den Themenkreis seiner Marburger Vorlesungen fortzusetzen. In Japan verfaßt er, als Summe seiner Beschäftigung mit Hegel, Marx und Kierkegaard, das Buch „Von Hegel zu Nietzsche“ (1941). Als nach dem deutschen Bündnis mit Japan seine Tätigkeit in Sendai gefährdet erscheint, nimmt er 1941 eine von P. Tillich und R. Niebuhr vermittelte Lehrstelle am Theologischen Seminar von Hartford in den USA an.
Aus einer Beschäftigung mit den Texten der Kirchenväter erwächst der Plan, nach den Wurzeln der geschichtsphilosophischen Entwürfe von G. B. Vico bis zu Hegel und Marx zu fahnden. Die daraus resultierende Erkenntnis, daß die Geschichtsphilosophie, die den griechischen Denkern unbekannt war, dem eschatologischen Denken der biblischen Geschichtstheologie entstammt, entwickelt Löwith in seinem 1949 zuerst auf englisch erscheinenden Buch „Meaning in History“ (deutsch „Weltgeschichte und Heilsgeschehen“, 1953). 1949 wird er an die renommierte New School for Social Research in New York berufen, an der viele bekannte Intellektuelle aus NS-Deutschland Zuflucht gefunden haben. 1952 erhält er durch die Vermittlung von H.-G. Gadamer einen Ruf auf ein Philosophisches Ordinariat an der Universität Heidelberg.
1953 erscheint das Buch „Heidegger: Denker in dürftiger Zeit“, mit dem Löwith „den Bann einer sterilen Imitation auf Seiten einer gefesselten Anhängerschaft“ brechen und „den Sinn für die Fragwürdigkeit von Heideggers seinsgeschichtlichem Denken“ wecken will (ML 148). Die These des Buches „Weltgeschichte und Heilsgeschehen“, nämlich die Unmöglichkeit einer Philosophie der Geschichte aufzuzeigen, grenzt Löwith in seiner 1956 erscheinenden Schrift „Wissen, Glaube und Skepsis“ gegen positiv-christliche Mißverständnisse ab. Altes und Neues Testament kennen für ihn nicht eine aus sich selbst bewegte Natur, wie sie der griechischen Kosmologie zugrunde liegt, aber auch nicht eine Geschichte im Sinn des modernen historischen Bewußtseins. Weder das christliche Heilsdenken noch die neuzeitlichen Geschichtsphilosophien von Hegel bis A. Comte und Marx, die in ihrer säkularisierten Form dem eschatologischen Konzept christlicher Theologie verpflichtet sind, haben für Löwith Wesen und Sinn der Geschichte philosophisch einsichtig gemacht; erst bei W. Dilthey und Nietzsche ist der Begriff einer ‚geschichtlichen Welt‘ selbst fragwürdig geworden: Die Frage nach dem Sinn der Geschichte wird damit wieder – gegen die Heilsgeschichte – auf die ‚Weltgeschichte‘ bezogen. Damit erwächst die Möglichkeit, die ‚Welt überhaupt‘, die als das Eine und Ganze des von Natur aus Seienden keine sie transzendierenden Zwecke kennt, zum philosophischen Thema zu machen, dem sich Löwith vor allem in den Jahren seiner Heidelberger Lehrtätigkeit widmet.
1964 wird Löwith emeritiert. Im Jahr darauf wird er zum Auswärtigen Mitglied der italienischen Akademie der Wissenschaften in Rom und 1966 der Nationalen Akademie der moralischen und politischen Wissenschaften in Neapel ernannt. 1969 verleihen ihm die Universität von Bologna das Ehrendoktorat und das Institut für Europäische Wissenschaft in Urbino die Ehrenprofessur.
1967, zu seinem 70. Geburtstag, erscheint das Buch „Gott, Mensch und Welt in der Metaphysik von Descartes bis zu Nietzsche“. In seinen letzten Lebensjahren, die er abwechselnd in Heidelberg und in Carona am Luganer See verbringt, entdeckt Löwith die Philosophie P. Valérys. Ihr gilt sein letztes Buch: „Paul Valéry. Grundzüge seines philosophischen Denkens“ (1971).
Quellen: Sämtliche Schriften, 9 Bde., 1981-1988; Mein Leben in Deutschland vor und nach 1933, 1986 (hier zitiert als ML)
Werke: B. Lutz (Hg.): Karl Löwith. Der Mensch inmitten der Geschichte. Philosophische Bilanz des 20. Jahrhunderts, 1990; W. Ries: Karl Löwith, 1992 (Sammlung Metzler Bd. 264), darin Bibliographie S. 136-143

Literatur: 9 Fotos in ML nach S. 80
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