Mombert, Alfred Moritz 

Geburtsdatum/-ort: 06.02.1872;  Karlsruhe
Sterbedatum/-ort: 08.04.1942; Winterthur
Beruf/Funktion:
  • Dichter
Kurzbiografie: 1890 Abitur Karlsruhe
1891-1895 Jurastudium in Heidelberg, Leipzig, Berlin
1896-1899 Rechtspraktikant in Karlsruhe, Weinheim, Philippsburg, Kenzingen
1899-1906 Rechtsanwalt in Heidelberg, dann freier Schriftsteller ebenda
1915-1918 Kriegsdienst
1919 Mitglied des Kunst- und Kulturrates für Baden
1928 Berufung in die Preußische Akademie für Künste/Sektion für Dichtkunst
1933 Ausschluß aus „rassischen Gründen“
1940 Deportation in das Lager Gurs (Basses Pyrénées)
1941 Befreiung aus Gurs und Asyl bei Hans Reinhart in Winterthur
Weitere Angaben zur Person: Verheiratet: Unverheiratet
Eltern: Vater: Eduard Mombert, Kaufmann
Mutter: Helene, geb. Gompertz
Geschwister: 2
GND-ID: GND/118583417

Biografie: Ulrich Weber (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 1 (1982), 213-215

Aus einer Familie jüdischer Kaufleute, Ärzte, Gelehrten hervorgegangen, hat Mombert selbst sich vom Glauben der Väter gelöst, ist aber als Dichter einer „Welt ur-tiefer Bilder“ dem morgenländischen Erbe ebenso verpflichtet wie der kulturellen Tradition seiner geliebten deutschen Heimat.
Daß Deutschland ihn verstoßen, ja vernichten könnte und daß es ratsam wäre, beizeiten ein Schweizer Asyl-Angebot anzunehmen, davon ließ er sich auch nicht nach seinem Ausschluß aus der Dichterakademie, nicht einmal nach den antisemitischen Exzessen des 8. November 1938 überzeugen. Als dann das Schändliche doch geschah und die Geheime Staatspolizei am 22. Oktober 1940 den 69jährigen aus seiner Heidelberger Wohnung vertrieb und nach dem Lager Gurs deportierte, trug er mit Seelengröße das ihm Auferlegte. Sein Beispiel steht für die Tragödie manches anderen bewußten Deutschen jüdischer Abkunft.
Der Mensch Mombert und sein Schicksal sind uns näher als seine Dichtung, die den Zenit ihres Ruhms wohl bereits um 1900 überschritten hatte. Sie wandte sich nach den noch minder manierierten Erstlingen „Tag und Nacht“ (1894) und „Der Glühende“ (1896), die den meisten Beifall ernteten, immer mehr dem Kosmisch-Mythischen („Die Schöpfung“ 1897; „Der Sonne Geist“ 1905; „Sfaira der Alte“ 1936 bis 1942) und dem Allegorischen („Aeon“-Trilogie 1908-1911; „Aigla“-Dramen 1929-1931) zu und geriet in eine zuweilen gewollt abstruse Esoterik, die vielfach Ratlosigkeit hervorrief. Nicht zu übersehen ist der Einfluß von Nietzsches Aktivismus und Übermenschentum. Die Zarathustra-Sprache klingt in Momberts Poesie bis zum Ende nach, dem Zarathustra-Denken entsagt er ausdrücklich erst in seinem letzten Werk, dem der „Baracken-Winter-Finsternis“ des Internierungslagers abgerungenen zweiten Teil des Mythos von Sfaira dem Alten.
Die lebenskräftigsten unter Momberts Versen sind vielleicht die paar unprätentiösen, schlichten, sangbaren, zumal seiner Frühzeit, wie man sie später inmitten der pathetischen Symphonik von „Gedicht-Werken“ wie „Der Denker“ (1901), „Die Blüte des Chaos“ (1905), „Der Held der Erde“ (1919), „Atair“ (1925) nur noch sporadisch antrifft. Sie haben Alban Berg (im „Blauen Reiter“), Conrad Ansorge, Armin Knab, Herwarth Walden (im „Sturm“), Karel Szymanowski und Ladislav Vycpálek zu Vertonungen angeregt. Die beiden letzterwähnten Namen deuten darauf hin, daß Mombert, dank der Vermittlung des polnisch-deutschen Autors Stanislaw Przybyszewski und des Prager Literatur-Archivars und Übersetzers Emanuel Lešetický z Lešehradu, im westslawischen Bereich zeitweise mehr beachtet wurde als in Deutschland.
Mit den meisten der genannten Persönlichkeiten und mit vielen anderen stand Mombert in einer Korrespondenz, die nicht nur in das letztlich doch sympathisch unkompliziert gebliebene Humanum des Dichters, sondern darüber hinaus in die Mentalität einer ganzen Epoche Einblick gibt.
Bemerkenswert sind insonderheit seine Briefe an Richard Dehmel, der ihn in die Literaturszene der Neunzigerjahre einführte, und an dessen Frau Isi, geschiedene Auerbach, geborene Coblenz, der Mombert erst leidenschaftlich, dann ein Leben lang in wohltemperierter Freundschaft verbunden war; an Hans Reinhart, den Winterthurer Mäzen, der Momberts freies Schaffen stetig gefördert und, in Gemeinschaft mit anderen Freunden, 1941 unter unendlichen Mühen erwirkt hat, daß der Dichter aus Gurs loskam und für die letzten Monate seines Lebens in der Schweiz Zuflucht fand; an den Dresdner Schriftsteller und Komponisten Friedrich Kurt Benndorf, den autorisierten Interpreten Mombertscher Dichtung; an den Volksbuch- und Legendenherausgeber Richard Benz, der 1919 mit Mombert und anderen zusammen den „Kunst- und Kulturrat für Baden“ gründete (nachmals „Gemeinschaft der Pforte“) und 1940 dafür sorgte, daß die Bibliothek des Dichters erhalten blieb; an die Maler Emil Rudolf Weiß und Gustav Wolf, die zur künstlerischen Ausstattung seiner Bücher beitrugen; an Carl Hofer; an Martin Buber; an Alexander von Bernus; an Hans Carossa; und nicht zuletzt an Vasanta, die ihn romantisch verehrende Musikerin, in deren Sommerhaus inmitten der Hiddenseer Künstlerkolonie Mombert an seinem Gedicht-Werk „Atair“ schrieb.
Von Heidelberg, wo er vierzig Jahre hindurch ansässig war, brach Mombert zu Reisen in die Schweiz, in fast alle Mittelmeerländer, nach Portugal, nach Norwegen, nach Prag und Paris auf. Bisweilen vertauschte er auch die süddeutsche Provinz mit der Metropole Berlin, wo er in der Donnerstagsgesellschaft der Hauptmann, Heimann, Loerke, Rathenau verkehrte und zwischen 1928 und 1933 regelmäßig an den Sitzungen der Preußischen Akademie der Künste/Sektion Dichtkunst teilnahm.
Der Hauptteil von Momberts Nachlaß, namentlich die kostbare Büchersammlung, aus der sein Schaffen immer wieder Impulse empfing, befindet sich in der Badischen Landesbibliothek zu Karlsruhe. Die Ausstellung, die man dort 1967 zu seinem 25. Todestag veranstaltet hat, war einer der vielen erfolglosen Versuche, einen Dichter wiederzuvergegenwärtigen, in dessen Werk sich romantische, symbolistische, realistische, expressionistische, ja surrealistische Züge und etwas, das ich poetischen Jugendstil nennen möchte, zu einer einzigartigen, aber bei weitem nicht immer harmonischen Verbindung zusammenfinden, so daß jede Klassifikation unmöglich wird, es wäre denn, man reihte ihn ein unter die, denen das Europa der Jahrhundertwende unbedingt eines neuen Rhythmus bedürftig schien.
Werke: Dichtungen. Gesamtausg. in drei Bänden. Hrsg. v. E. Herberg, München 1963; Briefe 1893-1942. Hrsg. v. B. J. Morse, Darmstadt/Heidelberg 1961; Briefe an Richard und Ida Dehmel. Hrsg. v. H. Wolffheim, Mainz 1955; Briefe an Vasanta 1922-1937. Hrsg. v. B. J. Morse, Heidelberg 1965; Briefe an Friedrich Kurt Benndorf 1900-1940. Hrsg. v. P. Kersten, Heidelberg 1975.
Nachweis: Bildnachweise: s. Lit.

Literatur: Umfassendes biographisches Material samt Bildnissen u. Biographie in: Ulrich Weber: A. Mombert (Katalog der) Ausstellung zum 25. Todestag. Badische Landesbibliothek Karlsruhe 1967.
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