Müller-Gögler, Maria 

Geburtsdatum/-ort: 28.05.1900;  Leutkirch
Sterbedatum/-ort: 23.09.1987;  Weingarten/Kreis Ravensburg
Beruf/Funktion:
  • Schriftstellerin
Kurzbiografie: 1914-1919 Schülerin Klösterliches Erziehungsinstitut Ravensburg
1919 Dorflehrerin in Steinhausen/Kreis Biberach
1920-1924 Lehrerin in Munderkingen/Donau
1924-1929 Studium an den Universitäten München und Tübingen Germanistik, Pädagogik und Philosophie
1927 Promotion in Tübingen mit dem Thema „Die pädagogischen Anschauungen der Marie von Ebner-Eschenbach“ bei Prof. Oswald Kroh
1929 Staatsexamen in Tübingen
1929-1965 Studienrätin in Schwäbisch Gmünd, Laupheim, Crailsheim, Ulm, Weingarten und Waldburg/Kreis Ravensburg (mit Unterbrechungen)
1975 Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg
1978 Kulturpreis der Städte Ravensburg und Weingarten (Laudatio: Martin Walser)
1980 Bundesverdienstkreuz
1986 Professorentitel des Landes Baden-Württemberg
Weitere Angaben zur Person: Religion: römisch-katholisch
Verheiratet: 1930 Beuron, Paul Müller, Studienprofessor (1903-1972)
Eltern: Adolf Gögler (1864-1946), Finanzbeamter
Melanie, geb. Bärnwick (1876-1906)
Geschwister: 2 Schwestern
Kinder: Vater: Paul (1931-1989), Richter
Mutter: Dr. Gisela Linder, Redakteurin (geb. 1932)
GND-ID: GND/118585320

Biografie: Hans-Georg Wehling (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 1 (1994), 247-248

Müller-Gögler gehört, zusammen mit der Lyrikerin Maria Menz (geb. 1903) und der Erzählerin Maria Beig (geb. 1920), zu den bedeutendsten Dichtern Oberschwabens im 20. Jahrhundert. Sie hat ein umfangreiches Lebenswerk hinterlassen: Lyrik, 10 Romane, zahlreiche Erzählungen, eine Biographie, Jugenderinnerungen. Bis in ihr hohes Alter ist sie literarisch fruchtbar geblieben, ihr letzter Roman erschien 1987 kurz vor ihrem Tode.
Als Frau hat Müller-Gögler einen ungewöhnlichen Lebensweg zurückgelegt, hat willensstark ihre Lebensvorstellungen von Anfang an auch gegen unüberwindbar scheinende Hindernisse der Zeit und des Milieus durchgesetzt. Sie war ihrer Zeit voraus. So konnte sie sich im Alter mühelos mit jungen Frauen verständigen. Ihre Jugenderinnerungen legen von einem Teil ihres Lebens beredtes Zeugnis ab, sie stellen zugleich ein faszinierendes Stück württembergischer Schulgeschichte dar. Müller-Gögler war die erste Frau, der es – trickreich – gelang, zu heiraten und dennoch im Schuldienst zu bleiben (zu ihrer Zeit galt ein „Zölibat“ für Lehrerinnen). Die Schwangerschaft stellte die Verwaltung vor ein Problem: Hatten auch Beamtinnen Anspruch auf Schwangerschaftsurlaub? (Eigentlich konnte es das ja nicht geben). Wenn nein: Würden die Kinder durch eine sichtbar schwangere Lehrerin nicht sittlich gefährdet?
Schon als Kind dichtete Müller-Gögler. Ihren ersten Roman schrieb sie neben der Dissertation. Ihr Erfolg stellte sich aber erst – und auch da nur schleppend – nach dem 2. Weltkrieg ein. Winfried Wild hält – leider allzu zutreffend – die Gründe fest: „Für die überregionalen Verlage in der Landeshauptstadt Stuttgart war die aus der oberschwäbischen Provinz stammende Jung-Autorin damals zum Teil schon wegen ihrer katholischen Konfession suspekt. Um von ihrer Kirche protegiert zu werden, war sie aber zu selbständig, zu wenig linientreu.“
Im Mittelpunkt aller ihrer Romane stehen Schicksale von Frauen, die gegen vielfältige Widerstände zu sich selbst zu finden suchen. Die Festlegungen, die ihnen Umwelt und Erziehung aufzwingen wollen, akzeptieren sie nicht fraglos. Mit den Fremddefinitionen ihrer Persönlichkeit versuchen sie fertig zu werden – Definitionen durch ihre äußere Gestalt, durch ihre Rolle als Ehefrau und Mutter. Viele dieser Frauen zeichnet ein ausgeprägter Aufstiegswille aus: aus einengenden Verhältnissen zu „Höherem“. Im Idealfall entdecken sie, daß das „Höhere“ nicht im sozialen Aufstieg liegt – vermittelt durch den Ehemann oder die Kinder, für die man sich aufopfert –, sondern in der eigenen inneren Souveränität – beispielhaft in einem Roman, der nicht zufällig „Hanna und das Höhere“ heißt (1984): mit ihm ist Müller-Gögler der seltene Fall eines weiblichen Entwicklungsromans gelungen.
Immer auch sind die Romane Müller-Göglers ein Stück Auseinandersetzung mit einer Welt, die von Männern geprägt ist. Doch ideologisiert sie nicht, propagiert keine eigene – genau so einseitige – Frauenwelt. Vielmehr will sie behutsam Anstöße geben, die eigenen Vorprägungen zu überdenken. Im Blick hat sie ein gemeinsames Humanum: als Mann und als Frau. So sind Müller-Göglers Romane Frauenromane im besten Sinne des Wortes und von hohem literarischen Rang. Sexualität ist für Müller-Gögler etwas, das zum menschlichen Dasein gehört, entsprechend selbstverständlich spricht sie sie aus, was u. a. dazu geführt hat, daß der damalige Ravensburger Oberbürgermeister den Roman „Täubchen, ihr Täubchen ...“ (1963, er handelt von der allzu großen Liebe eines Lehrers zu seinen Schülerinnen) aus der Stadtbücherei entfernte.
Mit „Der Pavillon“ (1980) ist Müller-Gögler einer der seltenen Romane gelungen, in denen Alter und Altern, Lebensbilanz und Aussicht auf den nahen Tod mutig thematisiert werden. Die Welt der Romane Müller-Göglers ist Oberschwaben, in Gegenwart wie Vergangenheit. Hier leben ihre Menschen und sind von hier geprägt. Insofern sind ihre Romane auch Heimatromane, aber ohne Heimattümelei. Das katholische Milieu zu charakterisieren, ist ihr besonders treffend in „Hanna und das Höhere“ gelungen.
Werke: Werkausgabe in neun Bänden. Mit einem Beiheft, Sigmaringen 1980; Athalie, Sigmaringen 1983; Hanna und das Höhere, Sigmaringen 1984; Sieben Schwerter, Sigmaringen 1987
Nachweis: Bildnachweise: Im Beiheft (vgl. Werke), auf Schutzumschlägen von Einzelausgaben, in: Der Bürger im Staat 35, 1985, 190

Literatur: Maria Müller-Gögler. Die Autorin und ihr Werk. Einführung – Stimmen der Freunde (Beiheft der Werkausgabe, siehe oben, mit Beiträgen u. a. von Martin Walser, Winfried Wild, Peter Hamm, Thaddäus Troll, Siegfried Unseld); Helmut Voith, Maria Müller-Gögler: Menschwerdung der Frau, in: Bodensee-Hefte, 38 (1987) 12, 30-35; ders., Zum Tode von Maria Müller-Gögler, in: Das schöne Allgäu, 50 (1987) 21, 20; Hans-Georg Wehling, Maria Müller-Gögler. Frauenromane aus Oberschwaben, in: Frauen im deutschen Südwesten, hg. von Birgit Knorr und Rosemarie Wehling (= SpLBW Band 20), Stuttgart 1993, 105-110
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