Pfizer, Theodor Paul 

Geburtsdatum/-ort: 19.02.1904;  Stuttgart
Sterbedatum/-ort: 17.07.1992; München
Beruf/Funktion:
  • Kommunal- u. Kulturpolitiker
Kurzbiografie: 1923–1927 Studium d. Rechtswissenschaft u. Volkswirtschaft in Tübingen, München u. Berlin mit I. jurist. Examen
1927–1929 Geschäftsführer d. Tübinger Studentenhilfe (= Studentenwerk), anschl. Vorbereitungsdienst für II. jurist. Examen
1931 Assessorexamen, anschließend wiss. Hilfsreferent beim Landesarbeitsamt Südwestdeutschland in Stuttgart
1932 Übernahme in den Dienst d. Reichsbahn, Tätigkeit in Frankfurt am M., Ludwigshafen, Mainz, Wien, Dresden, Berlin u. Gleiwitz; zuletzt Verkehrsdezernent in Stuttgart
1946–1948 Ministerialrat im Verkehrsministerium Württemberg-Baden
1948–1972 Oberbürgermeister d. Stadt Ulm; Mitglied des Dt. Städtetages u. Vorsitzender des Schulausschusses, ab 1965 Stellvertr. Vorsitzender des Kulturausschusses, ab 1968 bis 1971 Vorsitzender des Städtetages Baden-Württemberg
1954–1965 Vorsitzender des Dt. Ausschusses für das Erziehungs- u. Bildungswesen
1955–1978 Präsident d. Hölderlin Gesellschaft
1955ff. Mitglied des Staatsgerichtshofs Baden-Württemberg
1966–1975 Mitglied im dt. Bildungsrat
1960–1981 Vorstandsvorsitzender d. Studienstiftung des Dt. Volkes
1972–1980 Vizepräsident d. Dt. Schillergesellschaft
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Ehrungen (Auswahl): Bundesverdienstkreuz I. Klasse (1952); Ehrensenator d. Univ. Freiburg (1957); Ehrensenator d. Univ. Tübingen (1958), Dr. h. c. d. phil. Fakultät d. Univ. Heidelberg (1960); Ehrenbürger d. Stadt Ulm (1972); Ehrensenator d. Univ. Ulm (1975); Professor des Landes Baden-Württemberg (1978); Ehrenpräsident d. Hölderlin-Gesellschaft (1978); Ehrenvorsitzender d. Ulmer Universitätsgesellschaft (1981); Ehrenpräsident d. Studienstiftung des Dt. Volkes (1981); Gründung d. Theodor-Pfizer-Stiftung zur Unterstützung d. Studienstiftung (1986); Theodor-Pfizer- Platz in Ulm (2004).
Verheiratet: 1945 (Stuttgart) Ursula, geb. Zaiss (geboren 1920)
Eltern: Vater: Karl (1872–1917), Landgerichtsrat in Stuttgart
Mutter: Erica, geb. Haagen (1882–1947)
Geschwister: Marie (geboren 1910)
Kinder: 2; Ricarda u. Ursula
GND-ID: GND/118593633

Biografie: Michael Kitzing (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 6 (2016), 364-369

Pfizer wurde in Stuttgart in eine Familie mit juristischer, literarischer und liberaler Tradition geboren. Sein Vater war dort Landgerichtsrat. Der Großvater Emil von Pfizer (1843–1920) war Landgerichtspräsident in Ulm, was bereits auf seinen späteren Wirkungsort hinweist.
Die Schulzeit schloss Pfizer 1923 mit dem Abitur am humanistischen Eberhard-Ludwig-Gymnasium ab. Bereits hier war er mit den Brüdern Alexander (1905–1964), Berthold (1905–1944) und Claus Graf Schenk von Stauffenberg (1907–1944) befreundet. 1923 bis 1927 studierte Pfizer Rechtswissenschaft und war anschließend zwei Jahre als Geschäftsführer des Tübinger Studentenwerks tätig. Das Rechtsreferendariat absolvierte er 1929 bis 1931 in Stuttgart, und wurde 1932 Referent für den Freiwilligen Arbeitsdienst beim Landesarbeitsamt Südwestdeutschland. Im Herbst 1932 wechselte er zur Reichsbahn, in deren Dienst er bis zu seiner Berufung ins Verkehrsministerium Württemberg-Baden im Juni 1946 blieb.
Die Rolle Pfizers bei der Reichsbahn während des „Dritten Reichs“ war bereits bei seiner Kandidatur für das Amt des Ulmer Oberbürgermeisters 1948 Gegenstand von Auseinandersetzungen. Sie wurde erneut seit 2004 diskutiert, als anlässlich seines 100. Geburtstages eine Schule in Wiblingen nach Pfizer benannt werden sollte. Das Vorhaben scheiterte. Noch im gleichen Jahr erfolgte die Benennung eines Platzes in Ulm nach Pfizer.
In dieser Diskussion hat Andreas Lörcher die Rolle Pfizers auf der Grundlage der Spruchkammerakte nochmals eingehend untersucht: Im Rahmen eines ersten Verfahrens im März 1946 war Pfizer von der Spruchkammer als vom Befreiungsgesetz nicht betroffen eingestuft worden. Er hatte angegeben, weder NSDAP-Mitglied noch Anwärter gewesen zu sein. Im Zusammenhang mit seiner Ernennung zum Ministerialrat im Verkehrsministerium Württemberg-Baden waren jedoch von Seiten der Einheitsgewerkschaft der Eisenbahner Vorwürfe gegen Pfizer erhoben worden. Der Vorsitzende Karl Molt (1891–1978) hielt Pfizer vor, dass er noch 1944 als Propagandist von NS-Gedankengut hervortrat, unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Hitler, Goebbels und Albert Ganzenmüller (1905–1996), den Staatssekretär im Reichsverkehrsministerium. Er habe Durchhalteappelle in der Reichsbahnverwaltung verbreitet und sei regelmäßig mit führenden NS-Größen verkehrt. Obwohl er hierzu als höherer Beamter nicht verpflichtet war, habe er eine Uniform getragen, die der der SS geglichen habe.
Es kam zur Wiederaufnahme des Spruchkammerverfahrens gegen Pfizer und stellte sich heraus, dass er unvollständige Angaben gegenüber den US-Behörden gemacht hatte. Schon als 19-jähriger Student hatte er sich der Schwarzen Reichswehr, einem Kampfverband der extremen Rechten, angeschlossen. Auch wurde bekannt, dass Pfizer sich 1941 um eine Mitgliedschaft in der NSDAP beworben habe, jedoch abgelehnt worden sei. Pfizer stellte in seiner Rechtfertigung seine persönliche Nähe zu einer ganzen Reihe ausgewiesener Gegner des NS-Regimes heraus, so zu den Brüdern Stauffenberg. Graf Alexander sagte für ihn aus, genauso wie die Witwe des Widerstandskämpfers Friedrich Reck-Malleczewen (1884–1945). Pfizer habe sich mehrfach mit Nikolaus Graf von Üxküll-Gyllenband (1877–1944), einem Verwandten und Mitstreiter der Stauffenbergs, getroffen und über die Beseitigung des Regimes gesprochen. Eugen Gerstenmaier habe ihn über die Absichten des Kreisauer Kreises und die Pläne, die schließlich zum Attentat vom 20. Juli 1944 führten, unterrichtet. Aufgrund seiner Freundschaft zu den Brüdern Stauffenberg und zu Dietrich Bonhoeffer (1906–1945), so Pfizer, habe er mit seiner Verhaftung rechnen müssen. Die Bewerbung um eine Parteimitgliedschaft sei auf Anraten eines Vorgesetzten aus Karrieregründen erfolgt. Die ihm vorgeworfene Propagandatätigkeit rechtfertigte er als Anweisungen von Vorgesetzten, die er weiterzugeben hatte. Mit der beanstandeten Uniform habe er nur Solidarität mit unteren Dienstgraden ausgedrückt, die sie tragen mussten. Seine geistige Haltung hingegen spiegle seine Privatbibliothek, in der sich lediglich verbotene Literatur finde, keine NS-Schriften.
Andererseits fällt auf, wie schnell Pfizer Karriere gemacht hatte: 1932 war er außerplanmäßiger Assessor, 1933 Reichsbahnassessor und im Jahr darauf schon als Reichsbahnrat Leiter des Reichsbahnverkehrsamts in Ludwigshafen, von wo aus er 1938 nach Mainz und 1939 zur obersten Bauleitung der Reichsautobahn nach Wien wechselte. 1940 endlich war er in die Reichsbahndirektion in Dresden aufgestiegen, 1941 in die Generalbetriebsleitung Ost-Berlin als Verbindungsmann zum Steinkohlesyndikat in Gleiwitz. Ein Jahr später wurde er nach Stuttgart als Reichsbahnoberrat versetzt und leitete das Dezernat Güterverkehr und zugleich die Pressearbeit. In dieser Funktion war er auch für Propagandafragen zuständig. In den Verantwortlichkeitsbereich des Güterverkehrs fiel schließlich die Verwaltung der Zwangsarbeiterlager in Ulm, Bietigheim und Plochingen, in denen mehrere hundert ausländische Kräfte wie Sklaven unter menschenunwürdigen Bedingungen gehalten wurden. In dieser Zeit wurden Gegner des NS-Regimes in sieben Güterzügen vom Stuttgarter Nordbahnhof aus in die Konzentrationslager im Osten deportiert. Es ist jedoch nicht bekannt, ob Pfizer an diesen Aktionen beteiligt war. Da schließlich keiner derjenigen, die bei der Eisenbahnergewerkschaft Klage geführt hatten, vor der Spruchkammer gegen Pfizer aussagte, wurde er Anfang 1947 erneut freigesprochen.
Die Bewertung seines Handelns in der Forschung fällt ambivalent aus. Von seiner geistigen Haltung her kann Pfizer nicht als Nationalsozialist betrachtet werden. Er bewegte sich im Umfeld von führenden Gegnern des Regimes, war sicherlich über deren Pläne informiert und hat sie gebilligt. Als Regimegegner kann er jedoch auch nicht angesehen werden. Er hat sich im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Reichsbahn durchaus in den Dienst des NS-Regimes gestellt, wobei sein Handeln einzig auf das berufliche Fortkommen ausgerichtet war. Das wurde besonders deutlich durch seine freiwillige Tätigkeit bei der NSDAP-Ortsgruppe Gleiwitz-Ring, die den Parteieintritt forcieren sollte.
Dennoch kandidierte er auf Anraten von Theodor Heuss am 11. April 1948 bei der Wahl des Oberbürgermeisters von Ulm. Bei der überaus scharf geführten Auseinandersetzung mit dem parteilosen Amtsinhaber Robert Scholl und dem Sozialdemokraten Wilhelm Schöneck (1902–1974) wurde er von CDU und FDP unterstützt. Der erste Wahlgang endete in einem Patt. Pfizer konnte 35,20 Prozent der Stimmen erhalten, Schöneck 33,1 Prozent, gefolgt von Scholl mit 31,7 Prozent, der bei der Stichwahl nicht mehr antrat. Nun setzte sich Pfizer deutlich mit 55 Prozent der abgegebenen Stimmen gegen Schöneck durch. Weit weniger umkämpft war seine Wiederwahl 1954; 1966 wurde er ein zweites Mal im Amt bestätigt.
An den Beginn seiner Amtstätigkeit setzte Pfizer eine umfassende Reform der noch provisorischen Nachkriegsverwaltung, die er durch ein auswärtiges Organisationsbüro überprüfen ließ. Am Ende dieses Verfahrens stand die Auflösung bzw. Zusammenlegung zahlreicher städtischer Ämter, wodurch bei der Währungsreform Einsparungen möglich wurden. Schlussendlich gliederte sich der Verwaltungsapparat in drei Hauptabteilungen: Verwaltung, Finanzen und Wirtschaft mit Bürgermeister, Stadtkämmerer und Stadtbaudirektor an der Spitze. Pfizer ließ einen Geschäftsverteilungsplan mit klar geregelten Zuständigkeiten der einzelnen Ämter ausarbeiten, eine neue Besoldungsordnung und eine neue Hauptsatzung, die die Kompetenzen zwischen Oberbürgermeister, Stadtrat und den kommunalen Ämtern klar festlegen sollte. Beachtung in der gesamten Bundesrepublik fand auch die von Pfizer erlassene Allgemeine Dienstordnung, deren erster Satz die Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung ausdrücklich zum Dienst am Bürger verpflichtete. Man pflegte während der Ära Pfizer vom „Ulmer Stil“ zu sprechen: Die Bürger sollten möglichst umfassend über die Tätigkeit von Oberbürgermeister und Gemeinderat informiert und auch in das Stadtgeschehen einbezogen werden. 1949 führte Pfizer die Tradition des Schwörmontages wieder ein. In der sogenannten Schwörrede griff Pfizer symbolisch auf die reichsstädtische Tradition zurück, zugleich blickte er in der Schwörrede auf die Ereignisse des abgelaufenen Jahres zurück. Nähe zum Bürger suchte Pfizer auch beim jährlichen Neujahrsempfang sowie auf regelmäßig abgehaltenen Bürgerversammlungen. In seiner Amtszeit fanden insgesamt 113 derartige Versammlungen statt, die er fast alle persönlich leitete. Bemerkenswert sind auch die Bürgerinnenversammlungen, auf denen sich Pfizer speziell den Sorgen des weiblichen Bevölkerungsteils zuwandte. Auch mit Hilfe einer ausgeprägten Festkultur suchte er die Identifikation der Bürger mit dem Gemeinwesen zu fördern. Die in der Phase des Wiederaufbaus zahlreichen Einweihungsfeiern und die 1100-Jahr-Feier der Stadt 1954 boten dazu reichlich Gelegenheit.
Der Wiederaufbau der zerstörten Stadt – 1,2 Mio. Kubikmeter Trümmer, 9000 zerstörte sowie 8500 schwer beschädigte Wohnungen – wurde durch mehrere Faktoren erschwert: Geographisch war Ulm eingeengt zwischen Schwäbischer Alb, Hochsträß und der Donau. Auf der anderen Donauseite war die bayerische Grenze. Die Stadt Ulm gehörte zum Land Württemberg-Baden in der amerikanischen Zone, Oberschwaben, ihr natürliches Hinterland aber war Teil des Landes Württemberg-Hohenzollern in der französischen Zone.
Es gelang schon während der ersten Amtszeit Pfizers., den Schutt zu mehr als 90 Prozent zu beseitigen und zu verwerten. Die Einwohnerzahl stieg von 58 000 im Jahr 1946 auf 85 000 im Jahr 1954. Mitte der 1950er-Jahre waren mehr als 50 000 Menschen in Ulm beschäftigt. Hierzu beigetragen hatten vor allem die Erschließung und der schrittweise Ausbau des südwestlich der Stadt gelegenen Industriegebiets im Donautal.
Als während des Koreakrieges militärische Anlagen erneut beansprucht wurden, die zuvor aufgelassen, als Schul- und Kindergärten oder zur Unterbringung von Flüchtlingen genutzt worden waren, hatte dies einen zusätzlichen Impuls für den Wohnungsbau zur Folge. Zwischen 1950 und 1957 wurden knapp 1000 Wohnungen jährlich gebaut; die Stadt begann sich auf die Schwäbische Alb hin auszudehnen. Insgesamt entstanden in der Amtszeit Pfizers 15 000 Wohnungen allein am Eselsberg, später kamen nochmals 9000 Wohneinheiten in Böfingen und 7000 in Wiblingen hinzu. Diese Zahlen wurden von der Presse beim Abschied Pfizers als Erfolg gewertet. Er war aber selbstkritisch genug, in seiner Abschiedsrede zu hinterfragen, ob „die neuen Siedlungen auch lebensgerecht seien“ (Südwestpresse, 23.7.1992). Knapp 200 km Straßen waren unter Pfizer neu entstanden, 30 kleinere Brücken, 40 Fußgängerunterführungen und 2000 Parkplätze. Eine Ost-West-Achse durchquerte nun die Altstadt, ein Ringstraßensystem umgab sie. Eine Grünzone war geschaffen worden, einschließlich eines durchgehenden Fußweges am Ufer der Donau, der alte Friedhof war in eine Parkanlage verwandelt worden, die Wallanlagen der ehemaligen Bundesfestung waren begrünt. Turnhallen und Sportstätten kamen der Jugend zugute, die „Aktion Sandfloh“ machte es sich zur Aufgabe, Kinderspielplätze anzulegen.
Ein ungelöstes Problem der Ära Pfizer bildete die Grenze zum bayrischen Neu-Ulm. Deren Überwindung stelle, so Pfizer, eine politische Tat dar. Sein gesamtes Wirken war geprägt durch die Suche nach Lösungen für grenzüberschreitende Planungen, war aber von wechselndem Erfolg gekennzeichnet. Bevor es zur Einrichtung des Gewerbegebiets im Donautal kam, war der Versuch, ein grenzüberschreitendes Industriegebiet zu schaffen, an bayrischen Behörden gescheitert. Dagegen gelang es, gemeinsam mit Neu-Ulm eine Kläranlage zu betreiben, auch richteten beide Gemeinden einen gemeinsamen Schlacht- und Viehhof im Donautal ein. Die Schaffung eines gemeinsamen Flächennutzungsplanes gelang jedoch nicht. 1954 besuchte schließlich der Neugliederungsausschuss des Bundestages Ulm. In seinem Gutachten wurde die Vereinigung von Ulm und Neu-Ulm befürwortet, was jedoch an der bayerischen Befürchtung scheiterte, Neu- Ulm werde zur Vorstadt herabsinken und an Bedenken einer höheren steuerlichen Belastung. So blieb das Gutachten des Neugliederungsausschusses letztlich lediglich Papier. Neue Kooperationsmöglichkeiten schuf erst Ende der 1960er- Jahre die Schaffung der Planungsgemeinschaft Donau-Iller. Auch der 1971 geschlossene Städtevertrag zwischen Ulm und Neu-Ulm verbesserte die Kooperation zwischen beiden Städten. Schließlich schufen die Eingemeindung von Jungingen, Mähringen und Unterweiler neue Entwicklungsmöglichkeiten und -richtungen am Ende der Amtszeit Pfizers.
Politisch erstrebte Pfizer eine Stadt „im Geiste unserer Zeit“: bewohnt und geprägt von einer mündigen Bürgerschaft (Schwäb. Ztg., 24.7.1992). Darum legte er einen Schwerpunkt seiner Politik auf Bildungsfragen. Er förderte die von Inge Aicher-Scholl (1917–1998) 1946 gegründete Volkshochschule, deren Ziel es war, „aus den Ruinen und der Orientierungslosigkeit der Nachkriegszeit eine neue Gesellschaft zu bauen und humanistische Bildungsinhalte und demokratische Grundwerte zu vermitteln“ (Michael Wettengel, Theodor Pfizer als Bildungspolitiker, 2004, S. 2). 1968 wurde der Volkshochschule im Einstein-Haus ein geräumiges Domizil geschaffen. Seine Verbundenheit mit dieser Institution blieb über das Ende seiner Amtszeit hinaus bestehen, er saß weiter in deren Kuratorium.
Auch der Schulhausneubau wurde unter Pfizer vorangetrieben, so dass am Ende die massiven Verluste des II. Weltkrieges ausgeglichen waren. Seit den 1950er-Jahren entstanden fast 30 neue Schulen. Auch hier fällt auf, wie Pfizer über seine engeren Aufgaben hinausblickte. Er setzte sich für Reformen im Schulwesen ein. Persönlich zwar der humanistischen Bildung verpflichtet wurde mit dem Schuljahr 1970 das „zweite Ulmer Modell“ eingeführt, ein „mathematisch-naturwissenschaftliches Gymnasiums mit Koedukation, europäischer Orientierung und Kurssystem mit differenzierten Fachunterricht“ (ebd.).
Gleichzeitig geschah der Ausbau als Hochschulstandort. 1960 wurde die Staatliche Ingenieursschule gegründet, die 1972 Fachhochschule wurde. 1967 war der Aufstieg zur Universitätsstadt geschafft. Dafür hatte Pfizer seit 1960 als Vorsitzender des Arbeitskreises Universität gewirkt. Nach der Universitätsgründung setzte der Arbeitskreis seine Tätigkeit als Ulmer Universitätsgesellschaft fort, ein Gremium, dem Pfizer weiter verbunden blieb. Schließlich fand auch die 1953 von Max Bill (1908–1994) und Otl Aicher (1922–1991) gegründete Hochschule für Gestaltung in Pfizer bis zum Ende ihres Bestehens 1968 einen zuverlässigen Förderer.
Pfizers Arbeit hat bis in die bundesdeutsche Bildungspolitik hineingewirkt. Als Mitglied des Kulturausschusses des Deutschen Städtetags und Vorsitzender des Schulausschusses und des Deutschen Ausschusses für das Erziehungs- und Bildungswesen, als Mitglied auch des Deutschen Bildungsrates sprach er mit. Dem Auswahlausschuss der Studienstiftung des Deutschen Volkes gehörte Pfizer seit 1956 an, vier Jahre später trat er als Vorsitzender des Stiftungsvorstandes an die Spitze des größten politisch, weltanschaulich und konfessionell unabhängigen deutschen Begabtenförderungswerkes, eine Tätigkeit, die er 21 Jahre fortführte.
Privat galten die Interessen Pfizers in erster Linie der Literatur. Über Jahrzehnte baute er seine 10 000 Bände umfassende Bibliothek auf, die ein breites Spektrum abdeckte. So finden sich unter den von Pfizer gesammelten Werken Gesamtausgaben wie die 147 Bände umfassende Sophien-Ausgabe Johann Wolfgang von Goethes (1748–1832). Hinzu kamen Schriften über Landeskunde, Politik und Geschichte sowie Pfizers eigene Veröffentlichungen. Unterstützt durch die Universitätsgesellschaft wurde diese Bibliothek 1995 von Stadt und Universität Ulm erworben. Sie ist heute in der Villa Eberhardt untergebracht.
Schon bei seiner Verabschiedung aus dem Amt, erneut bei seinem Tod wurde Pfizers Wirken für Ulm eingehend und kritisch gewürdigt. Dabei klingt auch an, dass Pfizer in Ulm mit seiner Nähe zum barocken Oberschwaben als ein nüchterner, kühler, altwürttembergischer Pietist und Puritaner gesehen wurde. So kam eine Tageszeitung zum Schluss, dass er mit der Stadt nicht auf Du und Du gelebt habe. Es bleibe dahingestellt, ob das Urteil Person und Sache gerecht würdigt.
Quellen: StadtA Ulm, Nachlass Theodor Pfizer; G 2 (Personengeschichtliche Dokumentation Theodor Pfizer); Michael Wettengel, Theodor Pfizer als Bildungspolitiker. Notiz für OB Ivo Gönner vom 23.3.2004, in: StadtA Ulm, G 02.
Werke: Bibliographie: Heidrun Schleyer, Bibliographie Theodor Pfizer, in: Hans Eugen Specker (Hg.), Tradition u. Wagnis. Ulm 1948–1972, 1974, 262-292. – Einzelwerke (Auswahl): Neubau d. Stadt: Die Ulmer Schwörreden von 1949–1958, 1959; Aufgaben d. Volksbildung in unserer Zeit, 1959; Ansprache bei d. Einstein-Feier in Ulm, 1960; Hg. zus. mit Ewald Lissberger u. Bernhard Zeller, In libro humanitatis, 1962; (zus. mit Georg Sigmund Graf Adelmann), Baden-Württemberg – Staat, Wirtschaft, Kultur, 1963; Hg. von: Gemeinde u. Erwachsenenbildung 1964; Ausbau d. Stadt: Die Ulmer Schwörreden von 1959–1968, 1969; Ulmer Theater: Neubau 1969, 1969; Ulm 1970, Schwörrede des Oberbürgermeisters am 20. Juli 1970; Ulm 1971, Schwörrede des Oberbürgermeisters am 19. Juli 1971; Hg. von: Der Bürger im Staat, Politische Bildung im Wandel, 1971; Kommunalpolitik, Praxis d. Selbstverwaltung, 1973; Verantwortung für Stadt u. Bürger, 1979; Im Schatten d. Zeit: 1904–1948, 1979; Reden u. Aufsätze zur Kultur u. Kommunalpolitik, hg. v. Hans-Eugen Specker u. Herbert Wiegand, 1984; Albrecht Herzog von Württemberg 1865–1939, in: Robert Uhland/Willi A. Boelcke (Hgg.), 900 Jahre Haus Württemberg, 1984, 363-378; Reden u. Aufsätze zur Kultur. Kommunalpolitik aus den Jahren 1950–1979, 1984.
Nachweis: Bildnachweise: Foto (o. J.), in: Baden-Württembergische Biographien 6, S. 354, StadtA Ulm. – Specker, 1974, 8 (vgl. Literatur).

Literatur: Fünf Jahre „Ära Theodor Pfizer“, in: Schwäb. Donauztg. vom 30.5.1953; Zehn Jahre Ära Pfizer in Ulm, ebd. von 11.4.1958; Karl Wieder, Loyalität u. Liberalität, ebd. vom 19.2.1964; Dr. h. c. Theodor Pfizer seit 20 Jahren Oberbürgermeister in Ulm, in: Südwest Presse vom 31.5.1968; Die nächste Schwörrede hält ein neuer Oberbürgermeister, in: Schwäb. Ztg. vom 30.7.1971; Keine Laudatio für Dr. Pfizer, in: Neu-Ulmer Ztg. vom 15.12.1971; Mit Ulm nicht auf du u. du, in: Südwest Presse vom 19.2.1972; Wilhelm Hoffmann, Theodor Pfizer. Persönlichkeit u. Werk, in: Südwest Presse vom 22.7.1972; Ein Vierteljahrhundert Neubau d. Stadt, ebd.; Eugen Specker (Hg.), Tradition u. Wagnis. Ulm 1948–1972, 1974; Wilhelm Hofmann, Theodor Pfizer. Lebenswege u. Amtsführung, ebd., 9-23; Gerd Albers, Planung u. Aufbau, ebd., 24-48; Hans Eugen Specker, Grundlinien d. wirtschaftlichen Entwicklung, ebd., 49-91; Herbert Wiegandt, Das kulturelle Geschehen, ebd., 92-136; Theodor Pfizer wurde nach Stichwahl Oberbürgermeister, in: Südwest Presse vom 23.3.1978; Studienstiftung des Deutschen Volkes (Hg.), Theodor Pfizer zu Ehren, 1983; Schöpfer des „Ulmer Stils“: Skeptisch – auch gegen sich, in: Südwest Presse vom 23.7.1992; Prof. Dr. h. c. Theodor Pfizer, geb. 19.2. 1904, gest. 17.7.1992, Oberbürgermeister von 1948 bis 1972 u. Ehrenbürger d. Stadt Ulm, 1992; Wolfram Enge (Hg.), Leser, Sammler, Kommunalpolitiker, 1994; Bücher prägen Weg des Theodor Pfizer, in: Südwest Presse vom 7.1.1995; Hans-Eugen Specker (Hg.), Die Ulmer Bürgerschaft auf dem Weg zur Demokratie, 1997; Theodor Pfizer wird OB von Ulm, in: Südwest Presse vom 11.4.1998; Eugen Specker, Pfizer, Theodor Paul, in: NDB 20, 2001, 344f.; Nazi-Verdacht vorgebracht, in: Südwest Presse vom 2.4.2004;; Keine Schule mit Pfizers Namen, in: Neu-Ulmer Zeitung 7.4.2004; Ulm hat jetzt einen Theodor-Pfizer-Platz, in: Schwäb. Ztg. vom 17.7.2004; Tausende wussten von den Todeszügen, in: Südwest Presse vom 1.10.2004; Als Ulm u. Neu-Ulm die „Vernunftehe“ schlossen, in: Neu-Ulmer Ztg. vom 18.1.2006; Ulmer Stadtgeschichte von 854 bis heute, 2009, 40-45; Frank Raberg, Biografisches Lexikon für Ulm u. Neu-Ulm 1802–2009, 2010, 310-312; Andreas Lörcher, Die biografische Lücke, in: Südwestpresse vom 22.3.2012; ders., Pflichterfüllung statt Zivilcourage. Theodor Pfizer, in: Wolfgang Proske (Hg.), Täter, Helfer, Trittbrettfahrer. NS-Belastete aus dem Raum Ulm/Neu-Ulm, 2013, 141-149.
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