Scholz, Georg 

Geburtsdatum/-ort: 10.10.1890; Wolfenbüttel
Sterbedatum/-ort: 27.11.1945;  Waldkirch
Beruf/Funktion:
  • Maler und Graphiker
Kurzbiografie: 1908 Abitur
1908-1914 Studium an der Akademie der bildenden Künste in Karlsruhe
1915-1918 Teilnahme am 1. Weltkrieg in Rußland und Frankreich, zuletzt Vizefeldwebel
1919-1922 Freier Künstler in Grötzingen bei Karlsruhe
1923-1925 Assistent an der Badischen Landeskunstschule Karlsruhe
1925-1933 Prof. ebenda
1933 Aus politischen Gründen entlassen
1935 Übertritt vom evangelischen zum katholischen Glauben, Umzug nach Waldkirch
1945 15. 10. Durch die französische Besatzung als Bürgermeister von Waldkirch eingesetzt
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev./rk.
Verheiratet: 1914 Elisabeth, geb. Hildinger
Eltern: Vater: Karl Scholz, Privatlehrer
Mutter: Julie, geb. Lampe
Kinder: 1, Georg (1914-1975)
GND-ID: GND/118610368

Biografie: Michael Koch (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 2 (1987), 248-249

Schon in früher Kindheit Waise, erhielt Scholz im Hause seines Pflegevaters, des bekannten Physikers Julius Elster, eine gesicherte bürgerliche Erziehung und schloß 1908 den Besuch des humanistischen Gymnasiums mit dem Abitur ab. Im Oktober desselben Jahres begann er sein Studium an der Karlsruher Kunstakademie zunächst in der Lithographenklasse von Carl Langhein, ab 1909 im Figurenfach bei Ernst Schurth. Die frühen Zeichnungen und Steindrucke mit symbolisch-phantastischen Motiven bezeugen die rasche Beherrschung der vielfältigen graphischen Techniken und lassen die für das spätere gesellschaftskritische Werk typische Neigung des Künstlers zur sarkastischen, karikierenden Darstellungsweise erkennen (vgl. Die Liebe und der Suff, 1909). Die Hinwendung zu traditionellen Bildthemen unter dem Einfluß seiner akademischen Lehrer Ritter, Dill, Thoma und Trübner zwischen 1910 und 1914 blieb Episode. Entscheidend für sein künstlerisches Selbstverständnis wurde der intensive Gedankenaustausch mit den Kommilitonen Karl Hubbuch und Rudolf Schlichter, die nach 1918 neben Dix und Grosz zu den Exponenten einer politisch und sozialkritisch engagierten Kunst in Deutschland gehörten.
Die skeptische Weltanschauung des Karlsruher Künstlerkreises schlug sich bei Scholz in der Darstellung trostloser Vorstadtstraßen und Hinterhäuser nieder. Die zunehmend expressiv-düsteren Elemente seiner Formensprache dürften jedoch auch auf einen Studienaufenthalt bei Lovis Corinth in Berlin zurückzuführen sein (vgl. die Holzschnitte Mater dolorosa I und II, 1914).
Den 1. Weltkrieg erlebte Scholz als Infanterist in Rußland und Frankreich. Seine deprimierenden Erfahrungen legte er in tagebuchartigen Notizen nieder, die er 1920 in der Zeitschrift „Der Gegner“ unter dem Titel „Deutsche Dokumente“ auszugsweise publizierte. Weit weniger drastisch als in diesen Aufzeichnungen äußerte sich Scholz in seinen wenigen graphischen Arbeiten aus der Kriegszeit. Lithographien wie „Seuchenlazarett“ und „Landstürmer auf Transport“ (1916) tragen den Charakter sachlich-distanzierter Beobachtungen, die auf kritische Akzente ebenso verzichten wie auf zeittypische Heroisierungen.
1919 ließ sich Scholz mit seiner Familie in Grötzingen bei Karlsruhe nieder. Unter dem Eindruck der Kriegs- und Revolutionsereignisse politisch motiviert, wurde er im gleichen Jahr Mitglied der KPD und der „Novembergruppe“ dem Sammelbecken linksgerichteter bildender Künstler in der Frühphase der Weimarer Republik. Ebenfalls 1919 gründete Scholz mit seinen ehemaligen Studienkollegen Schlichter, Zabotin, Itta u. a. die Künstlergruppe „Rih“, deren Manifeste und Ausstellungen den bürgerlich-traditionellen Kulturbetrieb Karlsruhes irritierten. Die wenigen bekannten Ölbilder, Zeichnungen und druckgraphischen Blätter von Scholz aus der unmittelbaren Nachkriegszeit dokumentieren seine experimentierende Auseinandersetzung mit den Hauptströmungen der jüngsten europäischen Malerei: Verweisen die dramatischen, eckig gebrochenen Linienzüge des Holzschnitts „Gestalt mit Tod“ (1919) auf den Expressionismus der Dresdener „Brücke“, so läßt die durch facettenhafte Flächenzerlegung bewirkte Dynamisierung und Aufsplitterung der Bildräume in den Lithographien „Die Kurve“, „Glückliche Familie“ (1919) sowie dem Ölgemälde „Das Liebespaar“ (1920) deutliche Inspirationen durch Futurismus und Orphismus erkennen.
Um seine Familie ernähren zu können, illustrierte Scholz für den Leipziger Verlag Abel&Müller mehrere Ausgaben von Weltliteratur – u. a. von Defoes „Robinson Crusoe“ (1920) –, in denen er sein Talent für phantastische und satirische Stoffe einem breiteren Publikum erfolgreich nahebrachte.
Seit 1919 unterhielt Scholz enge Verbindungen zur Berliner Gruppe politischer Dadaisten um George Grosz und John Heartfield, deren aggressive Bildsprache ihn zur Aufgabe seiner futuristisch-kubistischen Formexperimente zugunsten gegenständlicher Ausdrucksmittel im Sinne des „Verismus“ anregte. Mit dem Gemälde „Industriebauern“ (1920, Von-der-Heydt-Museum Wuppertal) begann eine Serie provozierender Bilder, in denen Scholz das saturierte Kleinbürgertum und die politische Reaktion der Weimarer Republik heftig attackierte. Durch Überzeichnung und Verzerrung menschlicher Physiognomien versuchte der Künstler die Stupidität, Habgier und verlogene Moral bestimmter sozialer Gruppen ebenso zu entlarven wie die realen politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse durch konkrete ikonographische Hinweise (vgl. Hakenkreuzritter, 1921; Zeitungsträger - Arbeit schändet, 1921/1922; Die Herren der Welt, 1922).
1923 wurde Scholz als Assistent an die Badische Landeskunstschule berufen, zwei Jahre später folgte die Ernennung zum Professor. In dieser Zeit reduzierte der Künstler die Schärfe seiner Ausdrucksmittel zusehends auf formale Aspekte und knüpfte an die herkömmliche Gattungsmalerei an. Im neusachlichen Stil datailgetreu konstruierter Bildgefüge thematisieren seine Porträts, Landschaften und Stilleben die Vereinsamung des Menschen in einer ihm entfremdeten Umwelt (Bahnwärterhaus, 1924, Kunstmuseum Düsseldorf), die baukastenförmige Struktur menschenleerer Dorflandschaften (Ansicht von Grötzingen, 1925, Städtische Kunsthalle Mannheim) oder den Eigenwert der alltäglichen Dinge (Kakteenstilleben, um 1925).
Neben seiner freien künstlerischen Arbeit hatte Scholz seit etwa 1920 Reklamezeichnungen für Industrie- und Handwerksbetriebe angefertigt. Sein Interesse für die ästhetische Gestaltung handwerklicher Produkte brachte ihm Aufträge von Seiten dieses Gewerbezweiges ein, z. B. die Ausstattung eines Saales auf der Ausstellung „Das Bayerische Handwerk“ in München 1927. Im selben Jahr wurde Scholz Mitglied im Verwaltungsrat des Karlsruher Instituts für Handwerkswirtschaft.
Im Zuge der allgemeinen Beruhigung der Neuen Sachlichkeit nach 1925 wandte sich Scholz traditionellen Formproblemen der Malerei zu. Unter dem Eindruck der „klassischen“ Periode Picassos und Derains trat die weibliche Aktfigur motivisch in den Vordergrund, ersetzte die plastisch-monumentalisierte Körperdarstellung in raumschaffenden Licht-Schatten-Kontrasten den collageartigen Stil der sozialkritischen Werke. Obgleich Scholz dem politischen Verismus längst entsagt und nur noch harmlose Satiren für den „Simplicissimus“ gezeichnet hatte, wurde er im Sommer 1933 von den Nationalsozialisten aus seinem Lehramt entlassen. Während des Dritten Reichs lebte er von Gelegenheitsaufträgen, die ihm Freunde und Gönner verschafften. 1934 besuchte er das Kloster Beuron zu Studienzwecken und konvertierte ein Jahr später zum katholischen Glauben. Nachdem Scholz 1935 mit seiner Familie nach Waldkirch umgezogen war, widmete er sich seinen letzten großen künstlerischen Aufgaben: der Ausstattung von St. Urban in Freiburg-Herdern mit Wandbildern und der Freskierung des Dragoner-Häuschens in Müllheim mit Szenen aus der Geschichte des 3. Badischen Dragoner-Regiments Prinz Karl (1937). Wie vielen bildenden Künstlern blieb Scholz nicht erspart, daß die Nationalsozialisten 1937 zahlreiche seiner Werke als „entartet“ aus öffentlichen Kunstsammlungen entfernten und teilweise der Vernichtung preisgaben. Seine auch unter dem Druck dieser Ereignisse integre politische Haltung trug mit dazu bei, daß er im Oktober 1945 – kurz vor seinem Tod – von der französischen Militärregierung zum Bürgermeister von Waldkirch eingesetzt wurde.
Nachweis: Bildnachweise: Foto StAF, Bildnissammlung.

Literatur: AKat. G. Scholz. Ein Beitrag zur Diskussion realistischer Kunst. Bad. Kunstverein, Karlsruhe 1975 (mit ausführlicher Bibliographie); AKat. Kunst in Karlsruhe 1900-1950, Staatl. Kunsthalle und Bad. Kunstverein, Karlsruhe 1981, 46 ff., 171, Nr. 281-292; AKat. G. Scholz. Das druckgraphische Werk, Künstlerhaus-Galerie, Karlsruhe 1982; Wolfram Wette, Maler-Professor G. Scholz brauchte nicht „wegzutauschen“, in: Bad. Zeitung Nr. 69 vom 24. 3. 1986.
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