Bauer, Johannes Christian Ludwig August 

Geburtsdatum/-ort: 12.09.1860;  Wiesloch
Sterbedatum/-ort: 10.01.1933;  Heidelberg
Beruf/Funktion:
  • praktischer Theologe
Kurzbiografie: 1878 Abitur am Karls-Gymnasium Heilbronn
1879–1882 Studium d. ev. Theol. in Erlangen, Leipzig u. Basel
1882–1890 Vikar in Emmendingen, Heidelberg u. Freiburg, dort ab 1888 Pfarrer
1890–1892 Promotionsstudium in Marburg
1892–1905 Lic. theol. u. Privatdozent d. Prakt. Theologie in Marburg/Lahn, 1902 ao. Professor, 1904 D. theol.
1907–1910 o. Professor u. Geh. Konsistorialrat in Königsberg
1910–1930 o. Professor u. Direktor des praktisch-theolog. Seminars Heidelberg, Geh. Kirchenrat
1914 –1918 Mitglied d. Generalsynode d. Ev.-Protestantischen Kirche des Großherzogtums Baden
1915–1916 (Pro-)Rektor d. Univ. Heidelberg
1916 Ritterkreuz I. Klasse des Ordens vom Zähr. Löwen
1919–1932 Mitglied d. Landessynode u. des Landeskirchenrats d. bad. Ev. Landeskirche
1920 Korr. Mitglied d. Heidelberger Akad. d. Wissenschaften
1928 Gründung des Vereins für bad. Kirchengeschichte
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Ehrungen: Ritterkreuz I. Klasse des Ordens vom Zähr. Löwen (1916)
Mitgliedschaften: 1914-1918 Mitglied d. Generalsynode d. Ev.-Protestantischen Kirche des Großherzogtums Baden
1919–1932 Mitglied d. Landessynode u. des Landeskirchenrats d. bad. Ev. Landeskirche
1920 Korr. Mitglied d. Heidelberger Akad. d. Wissenschaften
Verheiratet: 1884 (Emmendingen) Wilhelmine (Mina), geb. Ringwald (1862–1928)
Eltern: Vater: Friedrich Karl (➝ I 29)
Mutter: Wilhelmine, geb. Pampel
Geschwister: 4; Wilhelm, Elisabeth, Emilie u. Luise
Kinder: 4; Hanns (* 1886), Theodor (* 1887), Gertrud (* 1889) u. Helene (* 1892)
GND-ID: GND/118653725

Biografie: Gustav Adolf Benrath (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 6 (2011), S. 16-18

Nach mehrjähriger Tätigkeit als Vikar und Pfarrer, zuletzt am Landesgefängnis in Freiburg, trat Bauer in das akademische Lehramt zur Ausbildung der Theologiestudenten und Pfarrkandidaten ein. Über die damals traditionellen Sparten der Praktischen Theologie, nämlich Homiletik, Katechetik, Poimenik (Amtsführung) und Liturgik hinaus, deren historische Voraussetzungen er grundsätzlich miteinbezog, behandelte er auch Themen der christlichen Kunst und des Kirchenbaus. Sein besonderes Interesse galt der Predigtlehre Schleiermachers und der liberalen Theologie seiner Nachfolger. Mit dem Neutestamentler Adolf Jülicher (1857–1938) befreundet und dem weltoffenen, kulturfreundlichen Kreis um Martin Rade (1857–1940) nahestehend begriff Bauer sein akademisches Amt, das er liebte, gleichwohl stets als Dienst an der Kirche und wirkte in allen seinen Wirkungsbereichen jeweils aktiv an entsprechenden kirchlichen Aufgaben mit. Das ihm 1909 angebotene Amt eines Prälaten der bad. Landeskirche schlug er aus.
Mit der Berufung an die Univ. Heidelberg und damit in den Bereich seiner Heimatkirche erlangte der 50-jährige eine verantwortliche akademische und kirchliche Stellung, die ihn in höchstem Maße beanspruchen sollte. Als Nachfolger in der Professur seines Lehrers Heinrich Bassermann (1849–1909) war er auch Direktor des 1838 gegründeten Praktisch-theologischen Seminars, das nach Ansicht der bad. Regierung von Anfang an ein die Landeskirche zwar unterstützendes, aber von ihr weder unterstütztes noch gar geleitetes, vielmehr selbständiges Universitätsinstitut sein sollte. Dieser Zielsetzung, die seinen Vorstellungen entsprach, suchte Bauer mit zeitgemäßen methodischen Vorstellungen gerecht zu werden. So zog er, über den klassischen Kanon der Praktischen Theologie hinaus, geeignete Lehrkräfte zu bibelkundlichen, schulpädagogischen, hymnologischen und liturgischen Übungen heran. Seinen eigenen Unterricht ergänzte er durch Exkursionen mit den Studenten zu kirchlichen und diakonischen Einrichtungen sowie auch durch gemeinsame Museumsbesuche. Er fand damit Beifall unter den Pfarrkandidaten ebenso wie Anerkennung in dem kleinen Kreis seiner Fakultät, die damals aus nur sechs Ordinarien bestand. Im Kriegsjahr 1915/16 hielt Bauer als (Pro-)Rektor seine Antrittsrede „Über die Vorgeschichte der Union ‚der beiden ev. Konfessionenʻ in Baden“. Sie stand im Zusammenhang mit der vielverhandelten Frage nach dem Bekenntnisstand der Landeskirche. Die Situation nach dem katastrophalen Kriegsende spiegelte sich in neuartigen Vorlesungsthemen Bauers wie z. B. „Kirche und Staat“, „kirchliche Verfassung, Frauenwahlrecht“, „Unterrichtsfragen der Gegenwart“ und „Der sozialistische Staat und die Kirche“.
Universität und Universitätstheologie vermochten nach der Zäsur von 1918/19 an die Vorkriegszeit rascher anzuknüpfen als die Landeskirche, die bei ihren Reformvorhaben von Anfang an auch Bauer zur Mitarbeit heranzog. Zur Revision der älteren bad. Gottesdienstordnung von 1877 hatten zuletzt über 170 liberale ev. Pfarrer 1909 ein „zeitgemäßes“ neu formuliertes Glaubensbekenntnis gefordert, das bei Taufe und Konfirmation wahlweise anstelle des Apostolicums eingeführt werden sollte. Bauers umfassender, moderat liberaler Entwurf einer Agende (Kirchenbuch) von 1912 stieß in der Generalsynode auf den heftigen Widerstand der Minderheit der Kirchenpartei der „Positiven“, die mit der Unterstützung von Großherzog Friedrich II. rechnen konnten. In der Kriegszeit unterblieben jedoch alle weiterführenden Entscheidungen. Nach der Ablösung der Monarchie und ihres landesherrlichen Kirchenregiments (1918), die den wohl folgenreichsten äußeren Einschnitt in der Geschichte der Landeskirche mit sich brachte, vermehrten sich die kirchlichen Verpflichtungen für Bauer noch. Exponent der inzwischen in die Minderheit geratenen liberalen Kirchenpartei nahm er an sämtlichen Synoden von 1918 bis 1932 als Abgeordneter teil. Als Mitglied des Landeskirchenrats war er an der Kirchenregierung mitbeteiligt. Mit dem Sieg der „Positiven“ kamen unter Kirchenpräsident Nikolaus Wurth (➝ V 297) seit 1924 starke restaurative Tendenzen zum Zug. Weit davon entfernt, unter diesen Umständen zum liberalen Parteimann zu werden, beschwor Bauer in der Synode ebenso wie unter den Pfarrkandidaten und bei der Pfarrerschaft die Notwendigkeit des Zusammenwirkens der unterschiedlichen kirchlichen Richtungen zum Wohl der Kirche. Doch am Ende führte die fatale Entscheidung der „positiven“ Synodalen, den ungeliebten kirchlichen Parlamentarismus mit Hilfe der ev. Nationalsozialisten, der sog. „Deutschen Christen“, loszuwerden, zum Ausschluss der kirchlich-liberalen Vereinigung und der religiösen Sozialisten aus der Landessynode (1932).
Bauer verlor damals Sitz und Stimme in der Kirchenregierung. Vergeblich verurteilte er am 5. Oktober 1932 diesen Anschlag auf die Kirchenverfassung als völligen Bruch mit der bad. Tradition seit den Tagen der Kirchenunion 1821.
Obwohl er sich der seit dem I. Weltkrieg dahingeschwundenen Anziehungskraft des theologischen Liberalismus bewusst war, wünschte sich Bauer, der sich als Hüter der nahezu 100-jährigen Tradition des Heidelberger Predigerseminars verstand, 1930 einen liberalen Nachfolger im Amt; sein Wunsch erfüllte sich jedoch nicht. Berufungsverhandlungen zogen sich in die Länge, weil es einerseits den NS-Studenten gelang, die Berufung des religiösen Sozialisten Günther Dehn (1882–1940) zu sabotieren, während andererseits der ev. Kirchenpräsident ein Recht auf Mitwirkung bei der Stellenbesetzung beanspruchte, wie sie der kath. Kirche in den Vorverhandlungen über das Konkordat des bad. Staates mit dem Vatikan 1931 eingeräumt worden war. Vergeblich berief sich Bauer auf die Unabhängigkeit seines Lehramtes und des Leiters des Praktisch- theologischen Seminars.
Dass man hier wie dort über die freiheitlichen Grundsätze rücksichtslos hinwegschritt, beunruhigte Bauer bis in seine letzten Lebenstage. Die NS-Diktatur und ihre Auswirkungen erlebte er nicht mehr. Es war ihm aber eine Genugtuung, dass große Teile seiner Vorarbeiten von 1912 zur Agende ins bad. Kirchenbuch von 1930 übernommen wurden. Das Andenken an den Praktischen Theologen Bauer blieb unter den ev. Pfarrern Badens bis weit in die 1960er Jahre hinein lebendig.
Quellen: UA Heidelberg, Personalakten Bauer; UB Heidelberg, Heid. Hs. 3785, Teilnachlass; LkA Karlsruhe, Personalakten Bauer; UB Marburg Ms. 696, Nachlass A. Jülicher.
Werke: Bibliographie in: Fritz Hauß u. Erich Roth, 1960, 44 –47 (vgl. Literatur). – Auswahl: Predigten über Worte Jesu, 1903; Schleiermacher als patriotischer Prediger, 1908; Fr. D. E. Schleiermacher, Predigten über den christlichen Hausstand, 1910; Die Agendenreform d. Gegenwart, 1911; Zur Geschichte des Bekenntnisstandes d. Vereinigten ev.-protestantischen Kirche im Großherzogtum Baden, 1915; Die Union 1821, Die Eigenart d. Ev. Kirche in Baden, in: Kirche u. Heimat, 21931, 49–71.
Nachweis: Bildnachweise: UA Heidelberg, Bildarchiv.

Literatur: Süddt. Blätter für Kirche u. freies Christentum, Jan. 1933, 2–4; Hundert Jahre Praktisch-theologisches Seminar d. Univ. Heidelberg, 1938; Johannes Bauer, in: NDB 1, 1953, 640 f.; Fritz Hauß u. Erich Roth, Ein Leben für die Kirche, 1960; Renatus Hupfeld, Zum Gedächtnis an Johannes Bauer, in: Ruperto-Carola XII. Jg., Bd. 28, Dez. 1960, 7–9 ; Karl-Heinz Fix, Universitätstheologie u. Politik, 1994; G. A. Benrath, 75 Jahre Verein für Kirchengeschichte in d. Ev. Landeskirche in Baden, in: ZGO 152, 2004, 491-501; Helmut Barié, Prof. Johannes Bauer in Heidelberg (1860–1933) als Erzieher einer ganzen Generation bad. Pfarrer, in: BH, H. 4, 2010, 960–967.
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