Bittel, Kurt 

Geburtsdatum/-ort: 05.07.1907;  Heidenheim an der Brenz
Sterbedatum/-ort: 30.01.1991;  Heidenheim an der Brenz
Beruf/Funktion:
  • Prähistoriker, Vorderasiatischer Archäologe
Kurzbiografie: 1913-1926 Elementarschule und Realgymnasium in Heidenheim bis Abitur
1926-1930 Studium der Vor- und Frühgeschichte, Klassischen Archäologie, Alten Geschichte und Geologie in Heidelberg, Berlin, Wien und Marburg an der Lahn
1930 Promotion bei Gero von Merhart in Marburg: „Latène in Württemberg“, anschließend Wissenschaftlicher Hilfsarbeiter bei der Römisch-Germanischen Kommission des Archäologischen Instituts des Deutschen Reiches in Frankfurt a. M. (heute: Deutsches Archäologisches Institut)
1930-1931 Stipendiat des Deutschen Archäologischen Instituts verbunden mit der Teilnahme an Ausgrabungen in der Türkei und Ägypten
1931-1945 Wissenschaftlicher Hilfsarbeiter bei den Zweigstellen Kairo und Istanbul des Deutschen Archäologischen Instituts; jährliche Grabungen in Boðazköy-Hattuša bis 1939; 1933-1938 Referent an der Zweigstelle Istanbul des Deutschen Archäologischen Instituts, ab 1938 II. Sekretär beim Deutschen Archäologischen Institut, beauftragt mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Direktors bei der Zweigstelle Istanbul bis 1941, dann Direktor, 1942-1944 gleichzeitig Lektor für Vor- und Frühgeschichte an der Universität Istanbul, am 20. 4. 1944 Verleihung des Titels Professor durch die Reichsregierung
1944 10 Jul. Verleihung des akademischen Grades eines Dr. phil. habil. durch die Philosophische Fakultät der Philipps-Universität Marburg an der Lahn
1946-1950 außerordentlicher Professor für Vor- und Frühgeschichte und Leiter des Instituts für Vor- und Frühgeschichte an der Universität Tübingen, ab 11. 9. 1948 ordentlicher Professor, 1949-1950 Dekan der Philosophischen Fakultät
1950 Beginn der Ausgrabungen der Heuneburg bei Hundersingen, Landkreis Sigmaringen
1951-1960 ordentlicher Professor für europäische und vorderasiatische Frühgeschichte an der Universität Istanbul, Wiederaufnahme der jährlichen Grabungen in Boðazköy-Hattuša
1954-1960 I. Direktor der Abteilung Istanbul des Deutschen Archäologischen Instituts
1960-1972 Präsident des Deutschen Archäologischen Instituts in Berlin
1962-1972 Honorarprofessor für Vor- und Frühgeschichte Kleinasiens und für Klassische Archäologie an der Freien Universität Berlin
1971 Honorarprofessor an der Universität Tübingen, Vorlesungstätigkeit bis 1976
Seit 1973 Leitung der Kommission der Erforschung keltischer und frühgermanischer Denkmäler bei der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz
1979-1990 Mitarbeit an der Geländeaufnahme und Publikation der keltischen „Viereckschanzen” Südwestdeutschlands durch das Landesdenkmalamt Baden-Württemberg
Seit 1989 alle zwei Jahre Kurt-Bittel-Preis der Stadt Heidenheim für Süddeutsche Altertumskunde für herausragende Leistungen im Bereich der Vor- und Frühgeschichte Baden-Württembergs
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Ehrungen und Auszeichnungen: Korrespondierendes Mitglied des Archäologischen Instituts des Deutschen Reichs (1933); ordentliches Mitglied (1936); Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse (1943); Korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (1949); Korrespondierendes Mitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Urgeschichte und des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Schweiz, Basel (1951); Korrespondierendes Mitglied der philosophisch-historischen Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien (1953); Wirkliches Mitglied des Österreichischen Archäologischen Instituts im Auslande (1953); Ehrenmitglied des Ýstanbul Enstitüsü (1955); Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland (1955); Honorary Corresponding Member of the Prehistoric Society of Great Britain, Oxford (1956); Ehrenmitglied der Türkischen Historischen Gesellschaft, Ankara, (1959); Korrespondierendes Mitglied der Philosophisch-historischen Klasse der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, München (1959); Ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (1960); Corresponding Fellow of the British Academy, London (1963); Honorary Member of the Royal Irish Academy Dublin (1965); Honorary Fellow of the Society of Antiquaries of London (1965); Membre d'honneur da la Société Archéologique de Yougoslavie, Belgrad (1966); Mitglied des Ordens Pour le mérite für Wissenschaften und Künste (1967), Ordenskanzler 1971-1979, 3. Vizekanzler 1979-1980, 2. Vizekanzler 1980-1984; Foreign Honorary Member of the Archaeological Institute of America, New York (1967); Goldmünze der Stadt Heidenheim anlässlich des 60. Geburtstages und Ehrenbürger (1967); Doctor h. c. der Universität Istanbul (1969); Ehrenmitglied der Deutsch-Türkischen Gesellschaft, Bonn (1970); Membre Associé de l'Insititut d'Egypte, Kairo (1971); Ehrenmitglied der Koldewey-Gesellschaft (1971); Ordentliches Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften (1972); Großes Verdienstkreuz mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland (1972); Medaille für Verdienste um das Römisch-Germanische Zentralmuseum in Mainz (1972); Ehrenvorsitzender des Heimat- und Altertumsvereins Heidenheim an der Brenz (1974); Emil-Vogt-Preis für europäische Urgeschichte, Zürich (1976); Ehrenmitglied des Sülchgauer Altertumsvereins, Rottenburg am Neckar (1977); Ehrenmitglied der Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichte in Württemberg und Hohenzollern (1977); Medaille für Verdienste um das Römisch-Germanische Zentralmuseum in Mainz (1977); Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst/Kurie für Wissenschaft (1978); Foreign Honorary Member of the American Academy of Arts and Sciences, Boston, Massachusetts (1980); Associé étranger de l'Academie des Inscriptions et Belles-Lettres/Institut de France, Paris (1981); Türkische „Plakette zum 100. Jahrestag“ anlässlich des 100. Geburtstag von Kemal Atatürk (1981); Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg (1982), Mitglied des Kuratoriums der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Darmstadt (1982); Ehrenmitglied des Deutschen Archäologischen Instituts (1982); Member of the American Philosophical Society, Philadelphia, Pennsylvania (1984); Großes Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland (1984); Honorary Degree of Doctor of History of Anadolu University Eskişehir, Türkei (1990)
Verheiratet: 1. 1933 (Giengen/Brenz) Ilse, geb. Haehnle (1907-1998), geschieden 1951
2. 1951 (Freiburg im Br.) Maria, geb. Riediger, Dr. med. (1915-1959)
3. 1960 (Berlin-Steglitz) Maria, geb. Siede (geb. 1918)
Eltern: Vater: Emil (1872-1947), Bankdirektor aus Darmstadt
Mutter: Berta, geb. Pfenning aus Heidenheim (1884-1974)
Geschwister: Heinz (1910-1980), Dr. phil. Dr. h. c. mult., ordentlicher Prof. der angewandten Physik
Kinder: 2 aus 2. Ehe:
Wolfgang (geb. 1951)
Christoph (geb. 1954), Dr. phil.
GND-ID: GND/118663569

Biografie: Andrea Bräuning (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 4 (2007), 17-22

Bittel war einer der namhaftesten deutschen Archäologen des 20. Jahrhunderts mit internationaler Ausstrahlung. Seine wissenschaftliche Laufbahn ist eng mit der Geschichte des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI), dem Aufbau des Faches der Prähistorischen Archäologie an der Universität von Istanbul und den bis heute fortgeführten Ausgrabungen in der ehemaligen hethitischen Hauptstadt Hattuša in Zentralanatolien (ca. 1600-1200 vor Christus) verknüpft. Er leitete 30 Kampagnen (1931-1939 und 1952-1978) in der Ruinenstätte bei dem heutigen türkischen Dorf Boðazköy bzw. Boðazkale. Die großen Verdienste, die Bittels internationales Ansehen begründet haben, liegen in der bahnbrechenden Erschließung der untergegangenen hethitischen und benachbarten anatolischen Kulturen sowie in der vorbildlichen Publikation der Ergebnisse seiner zahlreichen Grabungen in Vorderasien und Mitteleuropa. Bittel galt gleichermaßen als Experte für die Kelten in Mitteleuropa. Es gelang ihm stets, die zu erforschende Kultur geistig zu durchdringen und historisch einzuordnen, und er verband auf einzigartige Weise die Liebe zu seiner schwäbischen Heimat und zu seiner türkischen Wahlheimat mit historischem Weitblick.
Bittels Bibliographie verdeutlicht die Weite seines Wissens. Unter den eher nüchternen Titeln seiner anatolischen Arbeiten wie „Beobachtungen in Kappadokien“, „Funde aus der Türkei“ oder „Kleinasiatische Studien“ verbirgt sich eine Fülle von verarbeiteten Themen quer durch alle Epochen: von seldschukischen Grabmälern, römischen Meilensteinen, dem Stammbaum der ehemaligen hethitischen Großkönigsdynastie von Hattuša bis zu prähistorischen oder hethitischen Grabungsfunden. Dasselbe gilt auch für seine schwäbische Heimat. Hier spannt sich der Bogen von keltischen Grabhügeln, Viereckschanzen und Oppida, einem römischen Bad oder Kastell bis hin zu einer Darstellung seiner Heimatstadt Heidenheim während des Mittelalters. Gemeinsam ist allen Beiträgen die Erfassung der Geschichte als Ganzes.
Bittels Elternhaus lag innerhalb des römischen Kastells Aquileia/Heidenheim am rätischen Limes. Bereits als Jugendlicher wurde er bei der Erforschung der vorgeschichtlichen und römischen Denkmäler seiner Heimat durch seine Gymnasiallehrer Eugen Gaus (18501934), Gründer und Vorstand des Altertumsvereins und des Museums auf Schloss Hellenstein, und vor allem Friedrich Hertlein (1865-1929), Mitarbeiter des württembergischen Landesamtes Denkmalpflege und Mitverfasser des Standardwerks „Die Römer in Württemberg“ gefördert. Schon mit 13 Jahren grub er einen keltischen Grabhügel nördlich von Oggenhausen bei Heidenheim aus. Früh erkannten Peter Goessler (1872-1956), Direktor der Staatlichen Altertümersammlung, dessen Lebensbild Bittel verfasst hat, und sein Mitarbeiter Gerhard Bersu (1899-1964) Bittels Begabung für die archäologische Feldforschung.
Das Studium der Vor- und Frühgeschichte bei den damaligen Größen des Faches führte Bittel nach Marburg, wo er 22-jährig mit einer von Goessler angeregten Arbeit über „Latène in Württemberg“ von Gero von Merhart (1866-1959), dem ersten Lehrstuhlinhaber für Vor- und Frühgeschichte in Deutschland, 1929 promoviert wurde. 1930 holte ihn Bersu, inzwischen Direktor der Römisch-Germanischen Kommission (RGK), als wissenschaftlichen Mitarbeiter nach Frankfurt für gemeinsame Forschungsgrabungen auf dem Donnersberg, einem spätkeltischen Oppidum in der Pfalz. Bei der RGK kam Bittel schon bald mit zahlreichen Koryphäen des Faches in Kontakt, zuletzt bei den Vorbereitungen des 100-jährigen Jubiläums des Archäologischen Instituts des Deutschen Reiches 1929. Ein Reisestipendium des Instituts führte Bittel 1930 – anders als sonst üblich – nicht nach Griechenland und Italien, sondern nach Ägypten und in die Türkei. In Ägypten nahm er an einer Erkundung prähistorischer Fundstellen im östlichen Nildelta, der sogenannten Ostdelta-Expedition, und an den Grabungen in Ma'adi, Merimde und Heliopolis teil. In der Türkei unterstützte er Hans Henning von der Osten auf dem Alişar Hüyük bei Grabungen des Oriental Institute der Universität Chicago. Bald darauf begann Bittel selbst – einer Jahre zuvor gegebenen Anregung des Althistorikers Eduard Meyer folgend – mit Grabungen in Boðazköy. Dem großen Althistoriker lag an der Weiterführung der Forschungen von Hugo Winckler und Theodor Makridi, die 1907 und 1912 in dem zentralanatolischen Dorf ein bedeutendes Tontafelarchiv der ehemaligen hethitischen Hauptstadt Hattuša entdeckt hatten. Das DAI suchte fähige Ausgräber und Forschungspersönlichkeiten zur Fortsetzung der deutschen Forschungsgrabungen in der Türkei, in Boðazköy und Troja. Die veränderte Situation nach 1923 mit der Etablierung der türkischen Republik unter Kemal Atatürk bot im Jahr darauf mit der Wiedereröffnung der Station der Berliner Museen in Istanbul und 1929 mit Gründung der Abteilung Istanbul des DAI neue Forschungsmöglichkeiten.
Obwohl Bittel zu diesem Zeitpunkt kaum umfangreiche Kenntnisse der vorderasiatischen Archäologie besaß, überzeugte er durch seine Leistungen als technisch versierter Ausgräber. Während die US-Amerikaner unter Charles W. Blegen die Grabungen in Troja übernahmen, wurde der erst 24-jährige Bittel noch während seiner Stipendiatenreise mit der Grabungsleitung in Boðazköy betraut. Das Unternehmen zielte darauf, zunächst mit einer Kontroll- und Suchgrabung die zu Anfang des 20. Jahrhunderts freigelegten Monumentalbauten in eine gesicherte Abfolge von archäologischen Sachkulturen einzuordnen. Der 1931 angelegte Suchgraben durch die Akropolis (Büyükkale) brachte wider Erwarten erste Tontafeln zum Vorschein, und der spektakuläre Fund weiterer 800 Tafeln 1932 in originaler Lage verschaffte Bittel trotz der schwierigen wirtschaftlichen Situation in Deutschland die notwendigen Forschungsmittel. Bittel erhielt eine feste Anstellung als Referent an der Istanbuler Zweigstelle des Instituts und trat 1938, als Martin Schede als Präsident nach Berlin berufen wurde, dessen Nachfolge als Direktor am Bosporus an. Für die Bearbeitung der freigelegten Architekturreste und der Bodenfunde in Boðazköy gewann Bittel bald ein Spezialistenteam, dem u.a. die Hethitologen Hans Gustav Güterbock und Heinrich Otten sowie der Bauforscher Rudolf Naumann angehörten. Mit Naumann (1910-1996) und Güterbock (1908-2000), letzterer jüdischer Bankierssohn und späterer Emigrant, verband ihn eine lebenslange Freundschaft. Im Sommer 1933 gelang Bittel der Fund sogenannter Siegelbullen, Tonplomben mit Siegelabdrücken der Mitglieder des Königshauses und hoher Beamter. Die einzigartigen Siegeltexte enthielten Namen und genealogische Angaben sowohl in Keil- als auch in Hieroglyphenschrift, sogenannte Bilinguen. Bittels Entdeckungen und Forschungen fanden unmittelbar Eingang in vielbeachteten Publikationen.
In der Türkei führte die Hochschulreform der jungen Republik zur Reorganisation der Universitätslandschaft. Abteilungen für Archäologie, Sumerologie/Assyriologie, Hethitologie und Klassische Philologie entstanden an den neu gegründeten Universitäten in Istanbul 1933 und in Ankara 1935. Zahlreiche ausländische Gelehrte, darunter auch Emigranten aus Deutschland, wurden dorthin berufen. Bittel, der fließend Türkisch sprach, lehrte in den Jahren 1942 bis 1944 an der Universität von Istanbul am Lehrstuhl von Prof. Arif Müfid Mansel, mit dem ihn eine enge Freundschaft verband. Dort bildete er eine erste Generation von Prähistorikern aus.
Bittel war konservativ-liberal, diplomatisch und weltoffen. Obwohl eine illegale Ortsgruppe der NSDAP die deutschen Landsleute in Istanbul bespitzelte, hielt Bittel nicht nur den Kontakt zu den emigrierten deutschen Fachkollegen, sondern auch zu den deutschen Türkei-Emigranten, an deren „Privatakademie“ unter Leitung des Wirtschaftswissenschaftlers Alexander Rüstow und des Juristen Andreas Schwarz er als Nicht-Emigrant teilnahm.
Infolge der Beteiligung Bittels an einer prähistorischen Ausstellung 1937 anlässlich des 2. türkischen Geschichtskongresses mit Funden aus türkischen Ausgrabungen ergaben sich Kontakte zu Hasan Cemil Çambel, dem damaligen Präsidenten der Türkischen Historischen Gesellschaft (TTK). Jahrzehnte darauf wurde dessen Tochter Halet Çambel Nachfolgerin Bittels auf dem Lehrstuhl für Ur- und Frühgeschichte in Istanbul (1960-1984).
Mit Beginn des II. Weltkrieges wurden die Ausgrabungen in Boðazköy eingestellt. Der Abbruch der deutsch-türkischen diplomatischen Beziehungen im August 1944 führte zur Beschlagnahmung des Instituts und zu Bittels Rückkehr nach Deutschland. In kürzester Zeit brachte Bittel in Heidenheim das Manuskript „Grundzüge der Vor- und Frühgeschichte Kleinasiens“ zum Druck und unmittelbar darauf eine Darstellung seiner Tätigkeiten im Ausland, die wohl infolge seiner Berufung an die Universität Tübingen 1946 Fragment blieb und erst 1998 postum veröffentlicht wurde. Als „Unbelasteter“ brachte er das vor- und frühgeschichtliche Institut der Eberhard-Karls-Universität wieder in Gang und startete kurz darauf mit den ersten Ausgrabungen auf der Heuneburg bei Hundersingen an der oberen Donau (Kreis Sigmaringen), deren Ergebnisse ähnlich ertragreich wie Bittels Grabungen auf der Burg in Hattuša waren. Bittels besonderes Interesse an den Kelten, also der Hallstatt- und Latènezeit, waren ausschlaggebend für die Wahl des Grabungsortes. Bereits bei der ersten Kampagne 1950 wurde die Heuneburg als frühkeltischer Fürstensitz des 6.-5. Jahrhunderts erkannt. Bittel legte die Reste einer Befestigungsanlage frei, die aus luftgetrockneten Lehmziegeln nach mediterranem Vorbild bestand, ein Befund, der in seiner Konstruktion wie Architektur bis heute nördlich der Alpen einzigartig ist. Die 1950 von Bittel groß angelegten und initiierten Grabungen auf der Heuneburg wurden von der Universität Tübingen bis 1979 fortgeführt und publiziert. Aus den Heuneburg-Grabungen sind Generationen von Prähistorikern hervorgegangen.
Ein Ruf an die Universität Istanbul führte Bittel zurück in die Türkei. Von 1952 an wurden die Grabungen in Boðazköy – zunächst mit der „alten Garde“ Güterbock, Naumann und Otten, später auch mit dem Bauforscher Peter Neve – fortgeführt. Als 1953 die beschlagnahmte Abteilung Istanbul des DAI in völlig unversehrtem Zustand zurückgegeben wurde, übernahm Bittel erneut deren Leitung; Kurator in der Interimszeit war der alte Weggefährte Prof. Arif Müfid Mansel gewesen.
Als Bittel als erster Prähistoriker einstimmig zum Präsidenten des DAI gewählt wurde, kam nach fast 30 Jahren die Trennung von Istanbul und der Türkei. Dank Bittels Schaffenskraft und Weltoffenheit erweiterte das DAI dann seine Ausgrabungsaktivitäten auf Zypern und Nordafrika. Während seiner Amtszeit erfolgte die Gründung einer Abteilung in Teheran (1962), der Beitritt der Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik in München (1968) und die Eröffnung einer Station der Abteilung Madrid in Lissabon. In Ägypten erforderte der Bau des Assuanhochdamms die Umsetzung zahlreicher Baudenkmäler Nubiens. Die Tempel von Philae und Kalabscha wurden mit deutscher Hilfe unter maßgeblicher Beteiligung des DAI erforscht und versetzt. Als Präsident betreute Bittel die Ausgrabungen in der Türkei wissenschaftlich weiter, wobei sein Augenmerk in Hattuša auf der Stadtbebauung lag, d.h. der eigentlichen Königsburg auf dem Büyükkale und dem Bereich der Unterstadt mit dem großen Tempel. Parallel dazu wurde das Heiligtum Yazιlιkaya, das sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur Stadt befindet, untersucht, erneut freigelegt und abschließend publiziert.
Den Pensionär Bittel, der den Ruhestand in seiner Heimatstadt verbrachte, führten weitere Studien wieder mehr zu seinen anfänglichen Forschungen der Kelten und ihres Fortbestehens im Römischen Reich zurück, so dass Heidenheim bald zum „Epizentrum archäologischer Forschung in Südwestdeutschland“ wurde (Kimmig). Seine Honorarprofessur an der Universität Tübingen und das von ihm selbst initiierte Archäologie-Kolloquium in Heidenheim, welches die Stadt ihrem Ehrenbürger ausrichtete, waren und sind diesen Themen gewidmet. Dazu zählen auch die Arbeiten am Katalog- und Planwerk zu den keltischen Viereckschanzen in Baden-Württemberg, dessen Erscheinen er noch kurz vor seinem Tod erlebte. Im Ruhestand unterstützte Bittel nachdrücklich die Ausgrabung und Teilrekonstruktion des zentralen gallo-römischen Tempels des Apollo Grannus im ehemaligen römischen Kastell Phoebiana-Faimingen (Bayerisch Schwaben) sowie die Untersuchungen des spätkeltischen Oppodiums auf dem Donnersberg in der Pfalz. Als Mitglied der Kommission zur Erforschung der frühalamannischen Altertumskunde bei der Akademie der Wissenschaften in Heidelberg begleitete Bittel die Grabungen und Forschungen des alamannischen Herrschersitzes auf dem Runden Berg bei Bad Urach. Doch auch Bittels Interesse an Ägypten hat nie nachgelassen. Selbst den über 80-jährigen führten noch Reisen in die Sahara, und den Grabungen sowie dem Istanbuler Institut galten regelmäßige Besuche in der Türkei, zuletzt 1988.
Bittel wird als Patriarch mit einem entsprechendem Führungsstil beschrieben. Zeitlebens war er geprägt durch das evangelisch-württembergische Elternhaus und ein damit verbundenes hohes Arbeitsethos. Ihn zeichneten aber auch eine nicht gering zu veranschlagende Fürsorge für seine Mitarbeiter und eine süddeutsch-liberale Haltung aus.
Quellen: Umfangr. Nachlass im DAI Berlin; Familienakten Bittel; Reisen u. Ausgrabungen in Ägypten, Kleinasien, Bulgarien u. Griechenland 1930-1934, hg. v. d. Akad. d. Wiss. u. d. Literatur Mainz, H. 5, 1998 (510 S.).
Werke: Insges. 386 Titel, von röm. u. prähist. Forschungen in Deutschland, ausgehend von seiner Heimat Schwaben, bis zu noch heute grundlegenden Werken zur vorderasiatischen Archäologie u. zur Hethitologie, ferner zahlr. Biographien, persönl. Widmungen, Nekrologe u. Selbstzeugnisse. – Bibliographien: R. M. Boehmer u. H. Hauptmann, Bibliographie (1925-1983), in: R. M. Boehmer/H. Hauptmann (Hgg.), Beitrr. zur Altertumskunde Kleinasiens. FS K. Bittel Bd. 1: Text, 1983, 537-553; C V K. Bittel, von C. Bittel sowie Bibliographie K. Bittel von R. M. Boehmer/H. Hauptmann/C. Bittel, in: Eberhard-Karls-Univ. Tübingen (Hg.), K. Bittel zum Gedächtnis. 5. 7. 1907-30. 1. 1991, 1992, 41-108 (384 Titel); R.M. Boehmer/C. Bittel, Bibliographie K. Bittel – Ergänzungen u. Nachträge, in: Heimat- u. Altertumsverein Heidenheim an d. Brenz, Jb. 1997/98, 303-308 (2 weitere Titel, sowie ausführl. Bibliographie über K. Bittel, 51 Titel). – Auswahl: Die Kelten in Württemberg, Diss. phil. Marburg/Lahn, Römisch-German. Forschungen Bd. 8, 1934; Die Felsbilder von Yazιlιkaya, 1934; Prähistor. Forschung in Kleinasien, 1934; (mit H. G. Güterbock), Boðazköy, Neue Untersuchungen in d. hethitischen Hauptstadt, 1935; Die Ruinen von Boðazköy, 1937; Kleinasiatische Studien, 1942; Grundzüge d. Vor- u. Frühgeschichte Kleinasiens, 1945, 21950; (mit A. Rieth), Die Heuneburg an d. oberen Donau, ein frühkelt. Fürstensitz. Vorläuf. Bericht, 1951; (mit R. Naumann), Boðazköy-Hattuša, Ergebnisse d. Ausgrabungen des DAI u. d. Dt. Orient-Gesellschaft in den Jahren 1931-39. I: Architektur, Topographie, Landeskunde u. Siedlungsgeschichte, 1952; (mit R. Naumann, Th. Beran, R. Hachmann u. G. Kurth), Boðazköy III. Funde aus den Grabungen 1952-1955, 1957; (mit W. Herre, H. Otten, M. Röhrs u. J. Schaeuble), Die hethitischen Grabfunde von Osmankayasι, Boðazköy-Hattuša II, 1958; (Hg.) Boðazköy-Hattuša. Monogr. Reihe Bde. III, 1963, -XIV, 1987; (mit W. Kimmig u. S. Schiek, Hgg.), Die Kelten in B-W, 1981; (mit S. Schiek u. D. Müller), Die kelt. Viereckschanzen. Atlas archäolog. Geländedenkmäler in B-W Bd. 1, hg. vom Landesdenkmalamt B-W, 1990; Vorderasien u. Ägypten – außerdem zahlr. Abhandll. in Fachzss., darunter zus. mit E. Sprockhoff u. W. Unverzagt (Hgg.) FS Gero v. Merhart, Prähist. Zs. 24/25, 1949/50.
Nachweis: Bildnachweise: In den FS (vgl. Lit.).

Literatur: Fundberichte aus Schwaben, hgg. von d. Ges. für Vor- u. Frühgeschichte in Württ. u. Hohenzollern, NF 18/1, FS zum 60. Geburtstag, 1967; Istanbuler Mitteilungen, Bd. 17, hg. vom DAI Abt. Istanbul, zum 60. Geburtstag, 1967; Archäolog. Mitteilungen aus Iran NF Bd. 10, hg. vom DAI Abt. Teheran, FS zum 70. Geburtstag, 1977; Beitrr. zur Altertumskunde Kleinasiens, FS K. Bittel, hg. von R. M. Boehmer/H. Hauptmann 1983. – insges. 29 Nachrufe u. Gedenkworte zusammengest. in: R.M. Boehmer/C. Bittel, Bibliographie K. Bittel – Ergänzungen u. Nachträge, in: Heimat- u. Altertumsverein Heidenheim an d. Brenz, Jb. 1997/98, 303-308.
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