Fuchs, Eduard 

Geburtsdatum/-ort: 31.01.1870;  Göppingen
Sterbedatum/-ort: 26.01.1940; Paris
Beruf/Funktion:
  • Schriftsteller, Politiker, Kunsthistoriker und -sammler
Kurzbiografie: 1867 Abschluss der Kaufmannslehre
1890 Umzug nach München und Arbeit für SPD-Organe
1901 Umzug nach Berlin-Zehlendorf, weiter für die SPD publizistisch tätig
1909 Beginn des Erscheinens der ‚Illustrierten Sittengeschichte‘
1914 Austritt aus der SPD wegen der Bewilligung der Kriegskredite
1919 Eintritt in die KPD
1928 Wechsel zur KPD-Opposition
1933 Flucht nach Paris über die Schweiz
1937/38 Versteigerung von Fuchs' vom NS-Regime beschlagnahmter Kunstsammlung
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1. 4.4.1896 Frida Emilie, geb. Schön (1876–28.11.1956), Scheidung 1916
2. 14.1.1920 Grete, geb. Alsberg (1885–1953)
Eltern: Vater: Ferdinand August Fuchs (1838–1886), Kaufmann
Mutter: Mathilde Christine (1839–1888), geb. Mayer
Geschwister: 2: Rosa (1868–1926); Ferdinand August (1872–1925)
Kinder: 1: Gertraud (Traudl) (5.5.1897–19.5.1960)
GND-ID: GND/118693956

Biografie: Armin Schlechter (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 3 (2017), 71-73

Der aus einer einfachen Göppinger Kaufmannsfamilie stammende Fuchs besuchte die Real- und Oberrealschule in Stuttgart, musste diese nach dem Tod des Vaters 1886 verlassen und eine Kaufmannslehre beginnen. Danach arbeitete er als Buchhalter in einer Stuttgarter Druckerei und trat in die Sozialistische Arbeiterpartei ein. In der von ihm begründeten Druckerei E. Reinicke erschienen verschiedene politische Schriften. 1888 kam es zu erster gerichtlicher Verfolgung und Haft, 1889 entstand unter seiner Mitwirkung der gewerkschaftliche ‚Verein der Handlungsgehilfen‘. 1890 siedelte Fuchs nach München um und arbeitete für Presseorgane der SPD, seit 1892 war er verantwortlicher Redakteur des ‚Süddeutschen Postillons‘. Daneben beschäftigte er sich mehr und mehr mit Kultur und Kunstgeschichte aus sozialistischer Sicht und baute im Lauf der Zeit eine große Sammlung von Karikaturen und politischer Graphik als Grundlage seiner historischen und kunsthistorischen Arbeiten auf; später kamen Sammlungen chinesischer Kunst hinzu. Von München aus unternahm er mehrere Reisen zu Fuß durch Europa. 1893 lernte er den impressionistischen Maler Max Slevogt kennen, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband. Nach erneutem Prozess und Inhaftierung in Nürnberg 1898/99 verlor er 1900 seine Redakteursstelle; im gleichen Jahr lernte er in München möglicherweise Lenin kennen. 1901 übersiedelte er nach Berlin- Zehlendorf, wo er mit seiner Arbeit für den ‚Vorwärts‘, die ‚Sozialistischen Monatshefte‘ und die Mai-Zeitungen begann. 1902 organisierte er eine Ausstellung aus seiner großen Honoré Daumier-Sammlung. Mit seiner ab 1909 erscheinenden ‚Illustrierten Sittengeschichte‘ wurde Fuchs zum Erfolgsautor. Zusammen mit Slevogt und weiteren Freunden unternahm er 1914 eine Reise nach Italien und Ägypten. 1913 nahm Fuchs seine 1909 vorerst beendete politische Tätigkeit wieder auf. Nach Kriegsbeginn trat er aus Protest gegen die Bewilligung der Kriegskredite aus der SPD aus, war 1914 Mitbegründer des pazifistischen ‚Bundes Neues Vaterland‘ und nahm 1915 an der ersten Zimmerwalder Konferenz teil, die die sozialistische Internationale wiederbegründen wollte. Nach seinem Eintritt in die USPD reiste er 1917 zu einem Treffen zur dritten Zimmerwalder Konferenz nach Stockholm. Die Sowjetregierung ernannte ihn zum Generalbevollmächtigten für die russische Kriegs- und Zivilgefangenenfürsorge in Deutschland. In dieser Funktion kümmerte er sich mit Erfolg auch um deutsche Kriegsgefangene in Russland. Bis zum Beginn der 1920er Jahre unterstützte Fuchs im Gegensatz zu seinen Freundinnen Clara Zetkin und Rosa Luxemburg die russische Revolution vorbehaltlos, kritisierte sie dann aber zunehmend. Nach dem Tod des sozialistischen Historikers Franz Mehring im Januar 1919 bestimmte ihn dessen Witwe zum Nachlassverwalter. Im gleichen Jahr trat er dem ‚Bund für proletarische Kultur‘ sowie der KPD bei. 1924 wurde Fuchs Leiter eines sozialwissenschaftlichen Archivs im Frankfurter Institut für Sozialforschung, das bereits 1925 wegen Verstrickungen mit der KPD aufgelöst werden musste. 1926 engagierte er sich für die Fürstenenteignung in Deutschland. Zwei Jahre später trat er aus der KDP aus und schloss sich der KPD-Opposition an. Fuchs‘ Plan, seine 1918 erworbene Zehlendorfer Villa in Abgrenzung von den traditionellen, seiner Meinung nach zu Unrecht nur auf Spitzenstücke fixierten Einrichtungen dieser Art zu einem Kunstmuseum umzubauen, zerschlugen sich spätestens mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Wahrscheinlich in der ersten Märzwoche 1933 gelang ihm die Flucht in die Schweiz; Mitte Juni reiste er nach Paris weiter, wo er sich niederließ. Zeitgleich wurde ein großer Teil seines Werks verboten. Seine bedeutende Zehlendorfer Kunstsammlung wurde beschlagnahmt und 1937/38 in mehreren Tranchen versteigert. Eine geplante Übersiedelung nach New York kam nicht mehr zustande. Der Internierung von Deutschen in Frankreich nach dem Überfall auf Polen entging Fuchs, der lange Jahre an Augenkrankheiten litt, aufgrund seines Alters und seiner Gesundheit. Fuchs starb am 26.1.1940 und wurde auf dem Friedhof Père Lachaise bestattet. Seiner in der Folge in Gurs internierten zweiten Frau Grete gelang noch 1940 unter Mitnahme eines Teilnachlasses von Fuchs die Emigration nach New York. Die Tochter Gertraud scheiterte nach 1945 mit Wiedergutmachungsanträgen; aus heutiger Sicht handelte es sich bei Fuchs‘ beschlagnahmtem Besitz eindeutig um NS-Raubgut.
In Fuchs‘ Leben dominierte phasenweise das politische Engagement für SPD, USPD und KPD sowie für die russische Revolution. Als Kunstsammler mit dem Schwerpunkt Graphik trug der Autodidakt überaus seltenes und von der Historiographie seiner Zeit weitgehend unbeachtetes Quellenmaterial für die politische und soziale Geschichte vor allem Deutschlands und Frankreichs zusammen, das in der NS-Zeit zerstreut wurde. Er wertete es auf der Grundlage seiner politischen Überzeugungen aus und wurde im Kaiserreich und in der Weimarer Republik zu einem Erfolgsautor, insbesondere mit seiner ‚Illustrierten Sittengeschichte‘.
Quellen: BA NL Eduard Fuchs N 2085; LBZ/PLB Speyer, NL Max Slevogt N 100; Landesmuseum Mainz, Tagebuch der Ägyptenreise; Stanford University, Hoover Institution, Collection Boris I. Nicolaevsky, Box/Folder 617-622.
Werke: Ein königliches Mahl. Ein Lied aus der Gegenwart, 1893; Aus dem Klassenkampf. Soziale Gedichte (Hg.), 1894; Wilhelm Weitling, Das Evangelium eines armen Sünders (Vorwort), 1894; 1848. Achtzehnhundert und achtundvierzig in der Carikatur, 1898; (mit Ernst Kreowski) Kulturleben der Strasse. Vom Anfang bis zur großen Revolution, ca. 1900; Die Karikatur der europäischen Völker, Bd. 1: Vom Altertum bis zur Neuzeit; Bd. 2: Vom Jahre 1848 bis zur Gegenwart, Bd. 3: Das erotische Element in der Karikatur, 1902 – 1904; Honoré Daumier, Die ollen Griechen. Bilder zur Sage und Geschichte der Alten (Einleitung), 1902; Ein vormärzliches Tanzidyll. Lola Montez in der Karikatur, 1904; L’élément érotique dans la caricature, 1906; Die Frau in der Karikatur, 1906; (mit Ernst Kreowski) Richard Wagner in der Karikatur, 1907; Geschichte der erotischen Kunst. Erweiterung und Neubearbeitung des Werkes „Das erotische Element in der Karikatur“ mit Einschluß der ernsten Kunst, Bd. 1: Das zeitgeschichtliche Problem, 1908; Illustrierte Sittengeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart, 1909 – 1912, 6 Teilbde.; (mit Ernst Kreowski) Die Strasse. Vom Urwald bis zur Eisenbahn, 1910; Die Weiberherrschaft in der Geschichte der Menschheit, 3 Bde., 1913 – 1914; Honoré Daumier als Zeichner. Eine Auswahl von 300 Steinzeichnungen der Sammlung des Herrn Eduard Fuchs in Zehlendorf bei Berlin. Ausstellung Juni – Sept. 1914 Kupferstichkabinett Berlin, 1914; Der Weltkrieg in der Karikatur, Bd. 1: Bis zum Vorabend des Weltkrieges, 1916; Honoré Daumier, Werke, 4 Bde., 1918 – 1922; Franz Mehring, Karl Marx, Geschichte seines Lebens (Vorwort), 1919; Die Juden in der Karikatur. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte, 1921; Geschichte der erotischen Literatur in Einzeldarstellungen, Bd. 1: Das zeitgeschichtliche Problem, Bd. 2: Das individuelle Problem, 1923 – 1926; Tang-Plastik. Chinesische Grabkeramik des VII. bis X. Jahrhunderts, 1924; Dachreiter und verwandte chinesische Keramik des 15. bis 18. Jahrhunderts, 1924; Gavarni. Mit 80 in Originalgröße wiedergegebenen Lithographien (Hg.), 1925; (mit Paul Heiland) Die deutsche Fayence-Kultur. Einhundertfünfzig der schönsten deutschen Fayencen, 1925; Der Maler Daumier, 2 Bde., 1927 – 1930; (mit Franz Schultz) Thomas Murners deutsche Schriften, Bd. 1,1: Von den fier ketzeren, Badenfahrt, Bd. 5: Die Geuchmat, 1927 und 1931; Franz Mehring, Gesammelte Schriften und Aufsätze in Einzelausgaben, Bd. 1 – 6, 12 (Hg.), 1929 – 1933; Die großen Meister der Erotik. Ein Beitrag zum Problem des Schöpferischen in der Kunst. Malerei und Plastik, 1930.
Nachweis: Bildnachweise: Porträt von Max Slevogt, 1905, Staatsgalerie Stuttgart (Hans-Jürgen Imiela, Max Slevogt, 1968, 97); s. auch Ulrich Weitz, Mann im Schatten (s. Literatur) mit vielen Fotographien und Karikaturen von Fuchs.

Literatur: (Auswahl) Thomas Huonker, Revolution, Moral&Kunst. Eduard Fuchs: Leben und Werk, 1985 (mit Verzeichnis älterer Literatur); Hartmut Pätzke, Eduard Fuchs 1870 – 1940. Skizze zu Leben und Werk, in: Marginalien 1987, 9-46; Ulrich Weitz, Salonkultur und Proletariat. Eduard Fuchs – Sammler, Sittengeschichtler, Sozialist, 1991; Liliane Weissberg, Eduard Fuchs und die Ökonomie der Karikatur, in: Babylon 20 (2002), 113-128; Heiner Jestrabek, Eduard Fuchs – Kunstsammler und Zeitkritiker. Eine biographisch- politische Skizze, 2012; Ulrich Weitz, Der Mann im Schatten. Eduard Fuchs. Sitten-Fuchs, Sozialist, Konspirateur, Sammler, Mäzen, 2014 (mit Verzeichnis älterer Literatur); Ulrich E. Bach, Sittengeschichten der Weimarer Republik als kulturgeschichtliche Sammlung. Eduard Fuchs, Leo Schidrowitz und Magnus Hirschfeld, in: Aus dem Antiquariat N. F. 12 (2014), 148-155; Harald Kretzschmar, Eduard Fuchs – Lichtbringer und Schattenmann, in: Marginalien 2015, 27-35; Micha Brumlik, „Menschenfeindliches Zerrbild oder Satire?“ Eduard Fuchs und die Juden in der Karikatur, in: Der jüdische Witz, 2015, 117-128; Killy Literaturlexikon 4, 65 f.; http://www.lostart.de/Webs/DE/Datenbank/InstitutionVerlust.html?cms_param=INST_ID%3D1019%-26menu%3Dinfo (mit Beschreibung der Sammlung und Verzeichnis der Auktionskataloge 1937/38).
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