Gross, Franz Heinrich 

Geburtsdatum/-ort: 14.02.1913; Leipzig
Sterbedatum/-ort: 26.03.1984; Binningen, CH
Beruf/Funktion:
  • Pharmakologe
Kurzbiografie: 1919–1923 Primärschule in Leipzig
1923–1932 Königin-Carola-Gymnasium in Leipzig bis Ende 1923, dann König-Georg-Gymnasium in Dresden bis Abitur
1932–1937 Studium d. Biologie, SS 1932 TH Dresden (Physik, Chemie, Zoologie, Botanik), dann Medizin, Univ. Leipzig, WS 1932/33-WS 1934/35, SS 1936-SS 1937; Univ. Berlin, SS 1935-WS 1935/36; 14. Okt. 1937 medizin. Staatsexamen in Leipzig, „sehr gut“
1938 I 28 Promotion in Leipzig „summa cum laude“ zum Dr. med.: „Über die Reduktionszeit des Blutes“
1939 IV–1940 I Volontärarzt an d. Universitätsklinik Leipzig
1940 I–1945 V Kriegsdienst als Arzt, ab April 1943 Stabsarzt d. Luftwaffe in Leipzig
1945 VIII–1946 VIII Assistent am Physiologischen Institut d. Univ. Bern, Schweiz
1946 VIII–1968 III Arbeit bei d. Ciba AG, Basel: Zunächst als „Biologe“, ab April 1951 Vizedirektor, ab Jan. 1953 Stellver. Direktor d. Klinischen Forschung des Pharma- Departements
1957 VI–1958 IX Habilitation für Physiologie an d. Univ. Bern: „Pathologische Veränderungen durch chronische Überdosierung von Corticoiden“ (MS, nicht publiziert); Probevorlesung Ende Juni 1958: „Die Steuerung d. Sekretion von Aldosteron“
1965 V Honorarprofessor d. Univ. Bern
1968 IV–1983 III ordentlicher Prof. d. Pharmakologie u. Direktor des Pharmakologischen Instituts an d. Univ. Heidelberg, SS 1981- WS 1982/83 Vertreter seines Lehrstuhls
1974 Gründung d. „Dt. Liga zur Bekämpfung des hohen Blutdruckes e.V.“, heute „Dt. Hochdruckliga e.V.“, bis 1983 Vorsitzender
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Ehrungen: Stouffer Award for Research in Hypertension (1969); Fellow American College of Physicians (1971); President of International Society of Hypertension (1970–1976); Mitglied d. Heidelberger Akad. d. Wiss. (1974); Leiter d. Symposien über „Clinical Pharmacological Evaluation in Drug Control“ d. Europ. Region d. World Health Organization (1972–1978); Generalsekretär d. Internat. Union d. Pharmakologie (1975–1981); Präsident d. Internat. Gesellschaft für Endokrinologie (1972–1976); Präsident d. Dt. Gesellschaft für Kreislaufforschung (1976–1977)
Verheiratet: 1941 Leipzig, Leopoldine Ida Margarete Liselotte, geb. Adomeit (1913–2008)
Eltern: Vater: Otto (1881–1916), Schauspieler
Mutter: Stella Maria, geb. David (1883–1950), Schauspielerin
Geschwister: keine
Kinder: 3;
Maria Stella (geboren 1942), verh. Sumser,
Franziska Elisabeth (geboren 1952), verh. Gross-Birbaumer,
Veronika Susanne (geboren 1954), verh. Gross-Spinosi
GND-ID: GND/118698087

Biografie: Alexander Kipnis (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 6 (2016), 149-154

Gross wurde in Leipzig geboren und in den ersten drei Jahrzehnten seines Lebens, bis 1945, war Sachsen seine Heimat, obwohl keiner seiner Vorfahren diesem Land entstammte. Seine Mutter, eine Schauspielerin, kam aus Leitmeritz in Österreichisch Böhmen. Sein Vater, geboren in Basel, studierte dort Zoologie, promovierte zum Dr. phil., wurde aber nicht Gymnasiallehrer, sondern auch Schauspieler und ging nach Deutschland. Er starb, als Gross erst drei Jahre alt war; Gross wuchs als einziges Kind bei seiner Mutter auf.
Nach der Grundschule erlebte Gross einen „schwierigen Beginn“ (Gross 1974, Antrittsrede, S. 120) am humanistischen Königin-Carola-Gymnasium in Leipzig, das als streng traditionell galt. Zu seinem Glück erhielt seine Mutter 1923 ein Engagement beim Staatstheater in Dresden, und Gross kam in das 1903 gegründete König-Georg-Gymnasium, die erste humanistische Reformschule Sachsens. „Ich verdanke dieser Schule und einzelnen ihrer Lehrer sehr viel, […, insbesondere die] Abwehr gegen den immer stärker vordrängenden nationalsozialistischen Ungeist“, erinnerte sich Gross (ebd., S. 121).
In der Schule erhielt er auch die Anregung zur Beschäftigung mit Biologie. Dieses Fach begann er nach dem Abitur an der TH Dresden zu studieren. An der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Abteilung hörte er neben Botanik und Zoologie auch Physik und Chemie. Aus praktischen Erwägungen heraus entschied sich Gross dann, Medizin zu studieren, und wechselte nach Leipzig, wo er sein Physikum ablegte. Nach den klinischen Semestern in Berlin und Leipzig bestand Gross Ende 1937 das medizinische Staatsexamen.
In die letzten Leipziger Studienjahre fällt die Begegnung Gross’ mit dem bedeutenden Internisten und Forscher Karl Matthes (1905–1962). Obwohl habilitiert, erhielt Matthes im „Dritten Reich“ wegen seiner „halbjüdischen“ Ehefrau keine Venia legendi und arbeitete im Laboratorium der Universitätsklinik. Matthes hatte Gross in die wissenschaftliche Arbeit eingeführt und wurde nicht nur sein tatsächlicher Doktorvater, sondern auch Vorbild als Wissenschaftler und Mensch. Nach der Promotion arbeitete Gross unter Anleitung von Matthes und führte gemeinsam mit ihm eine Reihe Untersuchungen durch, insbesondere in zahlreichen Selbstversuchen über den Einfluss von Medikamenten auf Atmung und Kreislauf. Die Ergebnisse wurden in 15 Artikeln publiziert. Die Freundschaft mit Matthes bewahrte Gross bis zu dessen Tod; an der Gedenk-Tagung der Medizinischen Fakultät Heidelberg zu Matthes’ 60. Geburtstag am 16. Januar 1963 nahm er als erster Vortragender teil.
Gross’ Pläne für eigene Forschungen in Leipzig wurden durch den Krieg zunichte gemacht, auch wenn er sich als Arzt der Luftwaffe bei den fliegerärztlichen Untersuchungsstellen meistens in Leipzig befand. Am Ende des Kriegs wurde Gross’ Haus in Dresden samt aller Habe zerstört. Als Leipzig nach Abzug der Amerikaner unter russische Besatzung kam, suchte Gross Zuflucht in der Schweiz; denn er hatte die Staatsangehörigkeit von seinem Vater geerbt.
Er fand Aufnahme bei Alexander von Muralt (1903–1990), einem hervorragenden Vertreter der experimentellen Physiologie, am sog. Hallerianum, d.h. am Physiologischen Institut der Universität Bern. Von Muralt erlernte Gross „die weltmännische Art, Wissenschaft gleichsam auf großem Fuße zu betreiben“ (Schäfer, 1985, 101). Gross musste Abschied von der klinischen Medizin nehmen und sich im neuen Fach und in der neuen Umgebung zurechtfinden, was ihm gelang. Bald fand er Interessantes über Hormone der Nebennierenrinde heraus, worauf später seine Habilitationsschrift basierte.
Die drückenden materiellen Umstände veranlassten Gross jedoch, in die Industrie zu gehen. Ende Sommer 1946 trat er in die biologische Abteilung der Ciba AG, Chemische Industrie Basel, ein. Seine Aufgabengebiete waren experimentelle Pharmakologie und klinische Führung neuer Arzneimittel. Sein Vorgesetzter war bis Herbst 1960 der ideenreiche Kliniker und Pharmakologe Rolf Meier (1897–1966), Leiter der Biologischen Abteilung. Ihm verdankte Gross „zahllose Anregungen und Hinweise auf aktuelle Fragestellungen“ sowie „viele anregende Einblicke in ferner liegende Gebiete“ (Gross 1974, Antrittsrede, 123). Mehrere Arbeiten publizierten Meier und Gross zusammen. Gross beteiligte sich an der Entwicklung von vielen bekannten Arzneimitteln.
Es war eine besondere Periode: Die 1950er-Jahre sind als „Goldene Zeit“ in die Geschichte der Pharmaindustrie eingegangen. Analgetika, blutdrucksenkende Substanzen, insbesondere Hydralazin, Diuretika „und manche andere auch heute verwendete Arzneimittel gingen mit durch meine Hände“ (Gross, 1974, Antrittsrede, 122). Dank des Entgegenkommens seiner Firma konnte Gross auch eigene Forschungen durchführen und wissenschaftliche Kontakte mit Universitäten in der Schweiz, im Ausland und mit verschiedenen wissenschaftlichen Gesellschaften aufnehmen. Er nahm aktiv an Versammlungen und Tagungen teil und trug regelmäßig über seine Arbeiten im Schweizerischen Verein der Physiologen und Pharmakologen vor. Besonders enge Verbindungen hatte Gross zur Medizinischen Fakultät der Universität Bern. Im Juni 1957 stellte Gross dort sein Gesuch um Habilitation und legte das Manuskript „Pathologische Veränderungen durch chronische Überdosierung von Corticoiden“ vor. Sein Gesuch wurde durch von Muralt unterstützt. Er charakterisierte Gross als „intensiven ‚Schaffer‘, mit einer über das Mittelmaß ragenden scharfen Intelligenz und sehr raschen Auffassungsgabe und großer Begeisterung für wissenschaftliche Arbeit“. Das Verfahren dauerte länger als ein Jahr. Drei Gutachten wurden verlangt: von den Direktoren des Physiologischen, des Pharmazeutischen und des Medizinisch-chemischen Instituts. Alle drei waren durchaus positiv. Von Muralt betonte die „große klinische Bedeutung“, den sauberen methodischen Aufbau, „die Sorgfalt, die Gross darauf verwendet, reproduzierbare Ergebnisse zu gewinnen und die kritische Einstellung den eigenen und fremden Ergebnissen gegenüber“. Der Pharmazieprofessor Walther Wilbrandt (1907–1979) ergänzte dies durch den Hinweis auf interessante Interpretationen der Befunde. Der Biochemiker Hans Aebli (1923–1990) verwies auf das Niveau von Gross’ Schriften. Manuskript und Gutachten zirkulierten dann in der Fakultät; im Mai wurde Gross zur Probevorlesung zugelassen. Diese war erfolgreich: 18 „Ja“ gegen ein einziges „Nein“. Gross erhielt die „Venia legendi“. Seitdem fuhr er jede Woche nach Bern und las u.a. das Kapitel über innere Sekretion der großen Physiologie-Vorlesung. Im Februar 1964 stellte von Muralt den Antrag auf Beförderung Gross’ zum Honorarprofessor, da dessen Lehrtätigkeit „unentbehrlich“ sei. Wieder wurden drei Gutachten von denselben Professoren verlangt, bis Gross im Mai 1965 den Titel Honorarprofessor erhielt, wie aus den Akten im Universitätsarchiv Bern hervorgeht (vgl. Quellen).
Gross’ eigentliche wissenschaftliche Tätigkeit konzentrierte sich auf Forschungen über die Nebennierenrinde, besonders das 1953 in den USA gefundene Hormon Aldosteron, das natriumkonservierende Funktion hat. Gross entdeckte die Zusammenhänge zwischen Aldosteron und dem Renin-Angiotensin-System der Niere, d.h. die stimulierende Wirkung des Angiotensins auf die Sekretion des Aldosteron, wohl sein bedeutendstes wissenschaftliches Ergebnis. Seine Idee, dass das Renin-Angiotensin-System für die Regulation der Sekretion des Aldosterons verantwortlich sei, hat er 1958 im berühmt gewordenen Artikel „Renin und Hypertension, physiologische oder pathologische Wirkstoffe?“ publiziert. Um die erkannten Zusammenhänge darzustellen, ersann Gross ein scharfsinniges Schema, sie graphisch zu veranschaulichen. Sein Artikel bildete „weltweit den Stimulus für viele Untersuchungen zur Blutdruckregulation und zur Pathogenese der renovaskulären Hypertonie, sowie die Natriumkonservierung“ (Ziegler, 2013, 37). Diese Arbeit Gross’ ging bereits in den 1970er-Jahren in die Literatur über die Geschichte der Pharmakologie ein. In der Schweizer Zeit hat Gross etwa 180 Beiträge veröffentlicht.
Schließlich wurde die Tätigkeit in der Industrie zu aufreibend. Gross musste sich viel mit Betriebs-Routine beschäftigen, so dass seine Arbeit immer wissenschaftsferner wurde. Trotz guten Einkommens erwog er bereits, Ciba zu verlassen. 1967 wurde der Lehrstuhl für Pharmakologie an der Universität Heidelberg vakant. In der Liste der Berufungskommission stand der international anerkannte Basler Forscher, Autor von fast 200 Veröffentlichungen, an erster Stelle. Die Fakultät betonte, dass Gross „über alle Voraussetzungen verfügt, die klassische, zum Teil von der Klinik etwas ferne Pharmakologie in eine mehr kliniknahe, der gegenwärtigen Entwicklung der Medizin besser angepasste Pharmakologie zu überführen.“ (UA Heidelberg H-III-582/2). Fast gleichzeitig erhielt er einen Ruf an das Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin in Göttingen. Obwohl die materielle Ausstattung dort viel günstiger war – und ist – als an der Universität, entschied sich Gross für Heidelberg: Ihm erschien es interessant und reizvoll, Nachwuchs heranzuziehen. Die Berufungsverhandlungen nutzte er aber, wenigstens eine neue Einrichtung für das seit der Gründung 1890 fast unveränderte Pharmakologische Institut zu fordern.
Sogleich erarbeitete Gross auch einen Plan zur Umstrukturierung des Instituts. Er wollte vier Abteilungen stufenweise aufbauen – Toxikologie, Biochemische Pharmakologie, Pharmakologie körpereigener Wirkstoffe und Experimentelle Therapie –, wobei die Reihenfolge sich „nach personellen Gegebenheiten“ richten sollte. Bald begann die Planung des Neubaus im Neuenheimer Feld. Das Institut zog 1974 dorthin um.
Gross las „Allgemeine Pharmakologie“ und gab spezielle Kurse für Fortgeschrittene; zusammen mit Ellen Weber führte er auch den Kurs über Klinische Pharmakologie ein. Das Zentrum aber bildete die wissenschaftliche Arbeit, vor allem die Biochemie und Pharmakologie des Bluthochdruckes, sein in Basel erschlossener Bereich. Das Institut wuchs von 8 Mitarbeitern auf 40 bis Gross emeritiert wurde und gehörte bald zu den weltweit anerkannten Forschungszentren auf dem Gebiet der Hochdruckpharmakologie und -biochemie. Als Chef war Gross eher schwierig, er duldete kein Mittelmaß, verlangte selbstständige Leistungen, forderte Fleiß, konnte aber auch großzügig sein und war für unkonventionelle Wege immer aufgeschlossen. 16 seiner Mitarbeiter habilitierten sich, 12 wurden Professoren. Gross profitierte in seiner organisatorischen Tätigkeit aus den Erfahrungen, die er in der Industrie erworben hatte. Dazu gehörte die jeweils flexible, von der Aufgabe her bestimmte Zusammensetzung der Arbeitsgruppen, frei von Hierarchien. Solch moderne Organisationskultur war für die Fakultät neu, so dass sie nicht immer auf Verständnis traf. „Spezialisierung ist notwendig, es ist aber sinnvoll, wenn Zusammenhänge zwischen den einzelnen Fachrichtungen gewahrt bleiben und Gewähr für enge wissenschaftliche Beziehungen geboten ist“ (UA Heidelberg, H-III-582/2), so hieß die Maxime Gross’ und darum strebte er nach enger Kooperation von Fachdisziplinen, in Heidelberg und in nationalen und internationalen Gremien der Weltgesundheitsorganisation (WHO), wo er entscheidenden Einfluss in pharmakologischen Fragen hatte.
Beispielhaft war auch die Arbeit Gross’ in der Schutzkommission beim Bundesinnenminister. Zunächst Mitglied und Vorsitzender des Fachausschusses „Pharmakologie, Toxikologie und Körperschutz“ wirkte Gross als Vorsitzender der gesamten Schutzkommission während zweier Amtsperioden, 1977 bis 1983. Acht Ausschüsse mit 80 Mitgliedern führten unter Gross vierzig Projekte zum Zivilschutz. Seine stetige Sorge war es, durch flexible Verbindungen der verschiedenen Ausschüsse, trotz beschränkter Mittel die Aufgaben zu lösen. Höhepunkt der organisatorischen Tätigkeit Gross’ in seinem Kerngebiet, Bluthochdruck, wurde die Gründung der „Deutschen Liga zur Bekämpfung des hohen Blutdruckes e.V.“
Gross war auch als Herausgeber aktiv. Allein oder zusammen mit Kollegen gab er zwölf Sammelbände über Hypertonie-Therapie heraus. Seit der Gründung im Jahr 1968 bis zum Lebensende wirkte Gross als geschäftsführender Herausgeber der internationalen Zeitschrift „European Journal of Clinical Pharmacology“. Seine häufigen, elegant formulierten einleitenden Artikel fallen auf; Gross gehörte zuletzt neun Redaktionen von Fachzeitschriften an.
Offensichtlich war es wissenschaftsorganisatorischer Impetus, der Gross veranlasste, sich seit den 1970er-Jahren den übergeordneten, allgemeineren Fragestellungen zuzuwenden. Dazu gehörten die Regeln der Arzneimittelforschung, die Ethik des Experiments in der Pharmakologie, Aufgaben der Pharmaindustrie. Gross wurde nie müde, in Wort und Tat seine Grundforderung zu wiederholen: „Die Ärzteschaft, die Gesundheitsbehörden und die pharmazeutische Industrie können den vielseitigen Aufgaben, die ihnen gestellt sind, nur dann gerecht werden, wenn sie zusammenarbeiten und sich gegenseitig unterstützen“ (Gross, 1976, Die Arzneimittelherausforderung, 832). Die als ungeliebt apostrophierte pharmazeutische Industrie sollte die Ärzteschaft sachlich informieren. Ihre Pflicht sei es, „alles zu tun, um den Verbraucher vor Schädigungen zu bewahren“. (Gross, 1980, Die ungeliebte Industrie, 29). Bis zuletzt blieb Gross mit der Firma Ciba, in der er mehr als zwei Jahrzehnte tätig gewesen war, in regem Kontakt und beteiligte sich an Entwicklungen neuer Heilmittel.
Gross konnte zuweilen auch sehr direkt sein, wenn es um die Situation seiner Disziplin ging. Folgendermaßen endet seine Übersicht über die ausländische Anwendung von sog. Beta-Blockern zur Verhütung des plötzlichen Herztodes: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein steiniger Boden für derartige randomisierte, kontrollierte, multizentrische Studien, und wir können die Ergebnisse aus Skandinavien, England oder den Vereinigten Staaten von Amerika nur mit Anerkennung und Achtung aufnehmen und unser Handeln danach richten. Die Gründe für diese Situation liegen im Wesentlichen in der unzureichenden Stellung und Pflege der Epidemiologie in unserem Lande“ (Gross, 1982, Läßt sich…, 31).
Dies war auch ein Grund dafür, warum Gross es bevorzugte, häufig auf internationaler Ebene zu wirken, was ihm im Ausland auch mehr Anerkennung als in Deutschland einbrachte. Außerordentlich vital, ein glänzender Redner, der neben Deutsch Englisch, Französisch und Italienisch sprechen konnte, wenn es sein musste auch Spanisch und Japanisch, war Gross ein weltweit sehr gefragter Teilnehmer von Symposien und Tagungen, bis der rastlose Arbeiter plötzlich und ganz unerwartet in seinem Haus in der Nähe von Basel verstarb. Die Feuerbestattung fand in Basel statt.
Manche seiner insgesamt 650 Publikationen erschienen postum, ebenso sein letzter Vortrag – die Zusammenfassung der Ergebnisse des Symposiums über Bekämpfung von Herzkrankheiten, das Gross geleitet hatte. Die Pharmakologie ist „das Fach, das neben scharfer Beobachtung quantitatives Denken, aber auch Phantasie erfordert“ (Gross, 1969, Erinnerungen …, 2029). Genau dies entsprach Gross’ vielfältiger Begabung.
Quellen: StadtA Leipzig, 20031, Polizeipräsidium Leipzig PP-M 312, Meldekarte Gross; UA Leipzig, Quästurkartei, Gross, Med. Fak. Prom. Buch, Bd. 19, Gross; StA Bern, UA, Personaldossier Gross; UA Heidelberg, PA 7898 Personalakte Gross, HAW189, Wahl Gross’ in die Heidelberger Akad. d. Wiss., H-III-582/2, Lehrstuhl für Pharmakologie; Auskünfte des UA Dresden vom 18.6.2013, des FirmenA Novartis AG, Basel, vom 17.6.2013, des UA Basel vom 28.6.2013, des Státní oblastní archiv v Litoměřicích (Leimeritz), Tschechien, vom 8.7.2013, des Instituts für Medizingeschichte d. Univ. Bern vom 12.7.2013, des StA Basel-Stadt vom 15.7.2013, d. Einwohnerdienste Bottmingen vom 26. u. 29.7.2013, des Zivilstandsamts Basel-Stadt vom 2.8.2013 u. des StadtA Dresden vom 5.8.2013.
Werke: Über die Reduktionszeit des Blutes, Diss. med. Leipzig 1938, in: Zs. für die gesamte experimentelle Medizin 109, 1938, 766-777; (mit K. Matthes) Untersuchungen über die Absorption von rotem u. ultrarotem Licht durch kohlenoxydgesättigtes, sauerstoffgesättigtes u. reduziertes Blut, in: Archiv für experimentelle Pathologie u. Pharmakologie 191, 1939, 369-380; (mit dems.) Untersuchungen über das Wirkungsbild gefäßaktiver Pharmaka bei Menschen, ebd. 203, 1944, 206-224, 204, 1947, 57-66; Der Einfluss von Desoxycorticosteron auf die Azetylcholinwirkung am isolierten Froschherz, in: Experientia 2, 1946, 191f.; Kombinierte Wasser- u. Kochsalzbelastungen an normalen u. nebennierenlosen Hunden, in: Helvetica physiologica et pharmakologica acta 6, 1948, 406-425, 426-452; (mit J. Dauey u. R. Meier) Eine neue Gruppe blutdrucksenkender Substanzen von besonderem Wirkungscharakter, in: Experientia 6, 1950, 19-21; (mit R. Meier) Versuch zur Differenzierung d. Wirkungen verschiedener Nebennierenrinden- Steroide auf Wasser- u. Elektrolytstoffwechsel, in: Schweizerische medizin. Wochenschrift 81, 1951, 1013-1018; Die Bedeutung d. experimentellen Analyse für therapeutische Anwendung blutdrucksenkender Pharmaka, in: Klinische Wochenschr. 33, 1955, 1113-1118; Nebennierenrinde u. Wasser-Salzstoffwechsel unter bes. Berücksichtigung von Aldosteron, ebd. 34, 1956, 929-941; Experimentelle Methoden zur Beurteilung blutdrucksenkender Pharmaka, in: Archiv für experimentelle Pathologie u. Pharmakologie 232, 1957/1958, 161-197; Renin u. Hypertensin, physiologische oder pathologische Wirkstoffe?, in: Klinische Wochenschr. 36, 1958, 693-706; Die Steuerung d. Aldosteronsekretion, in: Schweizerische mediz. Wochenschrift 89, 1959,1-24; Pathologische Physiologie des Hochdruckes, in: Nauheimer Fortbildungs-Lehrgänge 25, 1960, 34-52; Extrarenale Wirkungen von Aldosteron, in: Dt. medizin. Wochenschrift 86, 1961, 1989-1995; Zur Pathophysiologie des experimentellen renalen Hochdruckes, in: W. H. Hauss, H. Losse (Hgg.) Hypertonie, 1962, 75-89; Angiotensin, in: Archiv für experimentelle Pathologie u. Pharmakologie 245, 1963, 196-229; (Hg.) Iron metabolism, an international symposium, 1964; Renin-Angiotensin-System u. Hochdruck, in: Wiener klinische Wochenschrift 77, 1965, 609-614; Experimentell renaler Hochdruck u. experimenteller Hochdruck mit Nierenveränderungen, in: H. Schwiegk (Hg.) Handb. d. Inneren Medizin Bd. VIII, Teil 2, 1968, 1-34; Physiologie u. Pathologie des Renin/Angiotensin-Systems, ebd. 35-168; Arzneimittelforschung im Wandel d. Medizin, in: FS zur 75. Tagung d. Dt. Ges. für Innere Medizin, 1969, 49-95, auch in: Die Medizin. Welt, 1969, Nr. 35, 1858-1968, Nr. 36, 1929-1938; Erinnerungen an Ludwig Lendle, in: Arzneimittel-Forschung 19, 1969, 2029f.; Klinische Pharmakologie –Vorstellungen u. Realitäten, in: Arzneimittel-Forschung 21, 1971, 1525-1528; Niere u. Hochdruck, In: Klinische Wochenschr. 50, 1972, 621-635; Future drug research -drugs of the future, in: Clinical Pharmacology and Therapeutics 14, 1973, 1-11; Zur Pathogenese des Hochdruckes -Hypothesen u. Tatsachen, in: Verhandll. d. Dt. Ges. für Innere Medizin 80, 1974, 21-36; Erinnerungen an Karl Matthes, in: Die Medizin. Welt 26, 1975, 735-739; Die Arzneimittelherausforderung, ebd., 27, 1976, 823-833; (mit D. Ganten) Angiotensin-Antagonisten zur Diagnostik u. Behandlung des reninabhängigen Hochdrucks, in: Medizin. Klinik 71, 1976, 2043-2050; (Hg. u. Mitautor) Antypertensive Agents, Handbook of Experimental Pharmakologie, Vol. 39, 1977; Vom Nutzen u. Schaden d. Arzneimittel, 1977; Homo Pharmaceuticus, in: Sitzungsberr. d. Heidelberger Akad. d. Wiss., Math.-naturwiss. Kl., 1977, Abh. 2, 1-30; Pharmacology: preclinical models, survey of their uses and limitations of their predictive value, in: A. F. De Schaepdryver, F. H. Gross L. Lasagna, D. R. Laurence (Hgg.), The scientific Basis of official regulation of drug research and development, 1978, 17-23, 148-151; The thorny path of clinical pharmacology, in: Clinical Pharmacology and Therapeutics 24, 1978, 383-393; (Hg. mit F. Strasser) Mild hypertension: natural history and management, 1979; Notwendigkeit u. Ethik klinisch-therapeutischer Prüfungen von Arzneimitteln, 1979; Die ungeliebte Industrie, Vortrag anlässlich d. Ordentlichen Hauptversammlung des Bundesverbandes d. Pharmazeutischen Industrie, 1980; Emil Schlitter zum Gedenken, in: Ruperto Carola 64, 1980, 112f.; (Hg.) International Experience with nalodol, a long-acting ß-blocking agent, 1981; Die Ethik des Experimentes, in: Wissenschaft u. Ethik, Studium Generale an d. Univ. Heidelberg, Vorträge im SS 1981, 1-20; Lässt sich d. plötzliche Herztod verhüten?, in: Münchener medizin. Wochenschr. 123, 1981, Nr. 1, 27-31; Medizinische Forschung: Qualität u. Leistung statt Klassenbildung, ebd., Nr. 18, 710-713; Captopril: Profil eines neuen Antihypertensivums, ebd., Nr. 47, 1803-1809; Leichter Hochdruck – das Problem, in: Münchener medizin. Wochenschr. 124, 1982, Nr. 47, 20-22; 25 Jahre Hochdruck-Therapie mit Diuretika, ebd., 1036-1042; Unerwünschte u. unerwartete Wirkungen von Medikamenten, ebd., Nr. 48, 1089-1093; Placebo – das universelle Medikament? In: Placebo – das universelle Medikament? 1984, 9-23; (mit W. Rascher u. H. Meffle), Hemodynamic effects of argirine vasopressin in conscious water-deprived rats, in: American Journal of Physiology 249, 1985, H 29-H 33.
Nachweis: Bildnachweise: UA Heidelberg PA 7898, Pos I 01106, Pos I 07744; Münchener medizin. Wochenschr. 124, 1982, Nr. 47, 20 u. 105 (vgl. Literatur).

Literatur: DBE Bd. 4, 2. Aufl. 2006, 175; D. Ganten, Franz Gross zum 65. Geburtstag, in: Ruperto Carola 61, 1978, 115f.; G.W. Liddle, An appreciation of Professor Franz Gross on the twentieth anniversary of the publication of his concept of the interrelationships between aldosterone and renin, in: Klinische Wochenschr. 56, 1978, Suppl. 1, 3f.; FS für Franz Gross zum 70. Geburtstag am 14. Februar 1983, Zivilschutz-Forschung Bd. 15, 1983 (mit Bildnachweis, 44); D. Ganten, In Memoriam Prof. Dr. Franz Gross, in: Arzneimittel-Forschung 34, 1984, 643f. (mit Bildnachweis); ders., Franz Gross †, in: Trends in Pharmacological Sciences 5, 1984, 368f.(mit Bildnachweis);H. J. Dengler, In Memoriam Franz Gross, in: European Journal of clinical Pharmacology 26, 1984, 411 (mit Bildnachweis); H. P. Wolff, Franz Gross †, in: Dt. Ärzteblatt, Ausg. B, 81, 1984, H. 17, 1388 (mit Bildnachweis); J. Thesing, H. Kleinsorge, In Memoriam Franz Gross, in: Placebo – das universelle Medikament? 1984, 5f.; J. I. S. Robertson, Obituary Notice: Franz Gross, in: Journal of Hypertension 2, 1984, 221f. (mit Bildnachweis); F. R. Bühler, In Memoriam Franz Gross, in: Journal of Cardiovascular Pharmacology 6, 1984, Supplement 1, I–II (mit Bildnachweis); Hans Schaefer, Nachruf Franz Heinrich Gross, in: Jb. d. Heidelberger Akad. d. Wiss. für 1985, 100-104 (mit Bildnachweis); D. Ganten, The Franz Gross Hypertension Symposium Series, in: Journal of Cardiovascular Pharmacology 20, 1992, Supplement 1, V–VI; J. Lindner, H. Lüllmann, Pharmakologische Institute u. Biographien ihrer Leiter. Zeittafeln zur Geschichte d. Pharmakologie im Dt. Sprachraum von Anbeginn bis 1995, 1996, 82, 196, 285; Schweizer Lexikon 5, 1999, 212; D. Drüll, Heidelberger Gelehrtenlexikon 1933–1986, 2009, 237f.; M. Ziegler, In Memoriam Prof. Dr. Franz Gross 1913–1984, in: Der Kardiologe 7, 2013, 37f. (mit Bildnachweis).
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