Frank, Bruno Sebald 

Geburtsdatum/-ort: 13.06.1887;  Stuttgart
Sterbedatum/-ort: 20.06.1945; Beverly Hills, Los Angeles
Beruf/Funktion:
  • Schriftsteller, Weggefährte Thomas Manns
Kurzbiografie: 1905 Abitur in Stuttgart nach Schulbesuch in Stuttgart und im Landerziehungsheim Haubinda/Thüringen, Aufnahme des Studiums der Rechtswiss. in Tübingen, fortgesetzt in München, Heidelberg und Freiburg; kein Abschluss
1911 Promotion zum Dr. phil. in Tübingen (Dissertation: Gustav Pfizers Dichtungen)
1914 Teilnahme am Krieg als Dolmetscher
Aug.–Dez. 1914 wegen Krankheit entlassen; Eisernes Kreuz
1918 Mitglied des revolutionären „Rats geistiger Arbeiter“ in München
1924 Eheschließung mit Elisabeth („Liesl“) Massary-Pallenberg (1903–1979), Tochter der Schauspielerin Fritzi Massary (1882–1969), Adoptivvater war deren Ehegatte, der Schauspieler Max Pallenberg (1877–1934)
1926 Wohnung im Münchener Herzogspark
28.2.1933 Emigration; Aufenthalte in Lugano, Sanary-sur-Mer, London, Salzburg
1937 Übersiedlung nach Los Angeles, Haus in Beverly Hills; in den ersten Jahren Verfasser von Drehbüchern für die Filmindustrie
1938 Entziehung der deutschen Staatsbürgerschaft
1942 Auftritt, zusammen mit Thomas Mann, vor dem Committee on Evacuation of Alien Enemies zugunsten der deutschen und italienischen Emigranten
1945 12. Januar Vereidigung als Staatsbürger der USA
Weitere Angaben zur Person: Religion: isr.
Verheiratet: 1924 Elisabeth, geb. Massary-Pallenberg
Eltern: Vater: Sigismund Frank, Bankier in Stuttgart (1848–1930)
Mutter: Lina, geb. Rothschild (1865–1960)
Geschwister: 3: Helmuth (* 1892); Lothar (* 1900); Ruth (* 1908)
GND-ID: GND/118702866

Biografie: Fritz Endemann (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 2 (2011), 64-67

Bruno Frank hat für die deutsche Literatur der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zweifache Bedeutung: zum einen mit seinem Werk als Schriftsteller, zum anderen als lebenslanger literarischer Weggefährte und Freund von Thomas Mann (1875–1955).
Die Laufbahn Bruno Franks als Schriftsteller lag ganz abseits der sozialen Stellung und Tradition seiner Familie, die dem assimilierten und begüterten jüdischen Bürgertum angehörte. Sein Vater hatte 1876, zusammen mit einem Kompagnon, die von den Gebrüdern Rosenfeld 1866 in Stuttgart gegründete Privatbank übernommen und führte diese erfolgreich bis zu seinem Tod 1930; der Betrieb der Bank wurde offenbar unter behördlichem Druck 1933 eingestellt, 1936 wurde sie im Handelsregister gelöscht. Bruno Franks Mutter stammte aus der Hanauer Kaufmannsfamilie Rothschild.
Schon der Schüler hatte Lyrisches zu Papier gebracht. Nach dem Abitur betrieb er die literarische Karriere sehr zielstrebig, im Unterschied zu dem aufgenommenen Jura-Studium, das er nicht abschloss. Daneben frönte der Student ausgiebig seinen Neigungen zu Frauen und Spiel, beides mit andauernden Schulden verbunden. Immerhin konnte er 1911 in Tübingen den philosophischen Doktor erlangen.
Die literarische Produktion war fruchtbar: Gedichte, Novellen, 1909 der erste Roman Nachtwache, 1916 das erste Bühnenstück Die treue Magd. Schon mit diesem begann der Erfolg als Bühnenautor, der in den 20er Jahren „rauschend“ (Golo Mann s. u.) wurde und ihm auch in den ersten Jahren der Emigration treu blieb. Bruno Frank hatte zweifellos Theaterinstinkt, die Komödie Sturm im Wasserglas (1930) war lange auch im Ausland sehr populär; sie ist auch heute noch vergnüglich zu lesen.
In den Prosawerken der mittleren 20er Jahre fand Bruno Frank seinen Stil nach seinem Vorbild Flaubert. „Einfach schreiben, präzise schreiben, wahr schreiben“ war die früh bekannte Maxime seines Schriftstellerlebens, um deren Verwirklichung er zeitlebens gekämpft hat.
Um die Mitte der 20er Jahre befasste sich Bruno Frank intensiv mit König Friedrich II. von Preußen. Ergebnisse waren die dreigliedrige Erzählung Tage des Königs (1924), der Roman Trenck (1926) und eine Anthologie von Briefen und Schriften des Königs (1926). Vor allem mit der Erzählung versucht Bruno Frank entgegen der Flötenkonzert-Idylle und entgegen dem nationalistischen Film-Kult um „Fridericus Rex“ ein realistisches Bild des Königs zu zeichnen und durch dieses preußische Ethik für die neue deutsche Republik wirksam zu machen. Das Unternehmen war widerspruchsvoll. Der alte König – und er spricht auch für den Autor selbst – steht der ihm bewussten Zeitenwende, die durch den bei der Parade anwesenden Freiheitskämpfer Lafayette verkörpert wird, ohne Glauben und Hoffnung gegenüber, doch mit unbeugsam tapferem Einsatz für das Wohl seiner Länder. Eine Lektion in Demokratie ist das freilich nicht, wie Golo Mann (s.u.) bemerkt. Im Trenck erzählt Bruno Frank die unglückliche Geschichte jenes Freiherrn, der, zunächst Günstling des Königs, von diesem unbarmherzig verfolgt wird, weil er sich in eine Liebschaft zu des Königs Schwester Amalie verloren hat. Die Historizität dieser Version ist zweifelhaft, doch kam es dem Autor nach eigenen Bekunden weniger auf die Figur des Trenck als auf die des Königs an, den er hier in seiner dämonischen Getriebenheit darstellen wollte.
Mit der Politischen Novelle (1928) wagt Bruno Frank den erzählerischen Sprung in die unmittelbare Gegenwart. Held der Geschichte ist der deutsche Politiker Carmer, der auch als überzeugter Republikaner das alte Preußen und seine Werte verkörpert. Er trifft an der Riviera den französischen Kollegen Dorval. Es geht um Europa und seinen Frieden, seine Stellung gegenüber der Sowjetunion und den USA. In entfernter Parallelität zu Stresemann/Briand wollen die beiden gegen die Ressentiments ihrer Völker das gemeinsame Erbteil retten. Aber zugleich ist da auch die Ahnung des Deutschen, dass er diese Zukunft nicht mehr erleben wird. Auf der Rückseite gerät Carmer im Hafenviertel von Marseille in einen rauschhaft-erotischen Taumel, in dem er das Opfer eines blonden Weißen wird. In dem Ende Carmers wird man eine hellsichtige Ahnung des Europa überflutenden Faschismus sehen dürfen. Über die erzählerischen Qualitäten der Novelle kann man streiten, sie bleibt aber ein getreuer Spiegel der politischen Ideen und Stimmungen im Mitteleuropa der 20er Jahre.
Der erste Roman in der Emigration war Cervantes (1934 bei Querido, Amsterdam). In ihm erzählt Bruno Frank das wechselvolle Leben des Miquel de Cervantes Saavedra (1547–1616) bis zur Beginn der Niederschrift des Don Quijote. Ein Zeitgemälde wird aufgebaut aus dicht und farbig geschilderten Szenen, Stationen dieses Lebens mit dem dramatischen Höhepunkt der Seeschlacht von Lepanto 1571. Als Gegenfigur zu Cervantes und dessen späterem Helden lässt Bruno Frank den König Philipp, Verkörperung einer lebensfeindlichen, todessüchtigen Glaubenswelt auftreten. Das Leitmotiv des irrenden Ritters als ironisch-tragischer Streiter für Humanität durchzieht diese biographische Erzählung, gewissermaßen die Vorgeschichte des großen spanischen Romanes.
Der letzte – vollendete – Roman Die Tochter (1943 El Libro Libre Mexico) ist ein Requiem für Galizien genannt worden. Die Heldin, Tochter einer ostjüdischen Sängerin und eines österreichischen adligen Offiziers, und die um sie gruppierten Personen stehen für das Schicksal dieses Landes, insbesondere für das Verhältnis von Christen und Juden von der K. u. K.-Zeit bis zur Besetzung Polens durch Hitlers Armee. Noch einmal versucht Bruno Frank, Geschichte in den verschränkten Lebensläufen weniger Personen wie auf einer Bühne vorzuführen, hier denn doch wohl auf Kosten ihrer individuellen Glaubwürdigkeit.
Unvollendet blieb ein Vorhaben, von dem Thomas Mann meinte, dass Bruno Frank mit ihm sein Höchstes, Geistiges, Vortrefflichstes erreicht hätte: die fiktive Autobiographie des französischen Schriftstellers Sébastien Roch Nicolas genannt Chamfort (1741–1794). Das eindrucksvolle Fragment unter dem Titel Chamfort erzählt seinen Tod widmete der Autor Thomas Mann. Chamfort sei der Mann zweier Sphären gewesen, der versinkenden Kultur der alten Welt und der Einsicht in die neue Epoche, mit dieser Doppelseele sei er unser „Schicksalsgefährte“.
Das Verhältnis zwischen Bruno Frank und Thomas Mann gehört wesentlich zur literarischen Biographie beider, freilich mehr zu der des jüngeren. Als Freund- und Kameradschaft hat Thomas Mann in seinen Gedenkworten von 1955 (s.u.) die Beziehung zu Bruno Frank bezeichnet. Zwischen den Familien, auch zu den älteren Mann-Kindern, war die Freundschaft problemlos und beglückend, was wohl vor allem der gewinnenden Wesensart Bruno Franks zu danken war. Die Freundschaft zwischen den Kollegen war komplizierter und von beiden Seiten nicht unkritisch, sie waren wohl weniger „Kameraden“ als Weggefährten, allerdings nicht immer auf denselben Wegen und zu denselben Zielen.
Bruno Frank hatte schon als Schüler den Autor der Buddenbrooks zu seinem verehrten Vorbild erkoren; der Bewunderung blieb er zeitlebens treu. Thomas Mann schätzte den Menschen Bruno Frank, „seinen heiteren, klugen, zuverlässigen Freundesbeistand“; sein Lob der Werke fällt dagegen oft nur wohlwollend aus.
Zur ersten Begegnung kam es 1910 anlässlich eines Novellen-Wettbewerbs, in dem Thomas Mann Preisrichter war und Bruno Frank einen Preis gewann. 1913 verfasste Bruno Frank einen schönen und von tiefem Verständnis geprägten Aufsatz über den Tod in Venedig. 1921 übernahm er es, für den entstehenden Zauberberg den hochartifiziellen, doch auch rührenden französischen Dialog der Liebenden im Kapitel Walpurgisnacht sprachlich zu überarbeiten.
Die freundschaftlichen Beziehungen zu den Manns intensivierten sich, als die Franks sich 1926 im Münchener Herzogpark in der Nähe der Mann-Villa niederließen. Mit der literarischen Kommunikation der Kollegen wuchs auch die politische Gleichgestimmtheit. Ein schönes Zeugnis dafür ist Thomas Manns Aufsatz über die Politische Novelle. Was als engagierte Verteidigung gegen ungerechte Kritik von links beginnt, wird zur umfassenden und tieflotenden Würdigung der poetisch-politischen Existenz Bruno Franks. Offenbar gehörte zu dieser auch seine Herkunft: Thomas Mann nennt ihn den „schwäbischen Humanisten“.
In den ersten Jahren der Emigration mussten die Begegnungen spärlicher sein. Erst als die Manns sich 1941 ständig in Los Angeles niederließen, erreichte der Kontakt wieder die Intensität von München, insbesondere las man sich wechselseitig aus den entstehenden Werken vor. Thomas Mann und Bruno Frank beide nunmehr führende Repräsentanten der deutschen Emigration, berieten und verständigten sich in exilpolitischen Fragen, insbesondere über das Verhältnis zum Kommunismus und zur Sowjetunion.
Im April 1944 erlitt Bruno Frank einen ersten Herzinfarkt. Thomas Mann berichtete darüber sorgenvoll der Washingtoner Freundin Agnes Meyer. Bruno Frank erholte sich wider Erwarten schnell. Doch im Mai 1945 warf ihn eine Lungenentzündung erneut nieder. Thomas Mann sprach ihm Mut zu, gern hätte er ihm seinen bedeutenden Vortrag für Washington Deutschland und die Deutschen vorgelesen.
Am 20. Juni 1945 erwachte Bruno Frank nicht mehr aus seinem Mittagschlaf. Er wurde auf dem Forest Lawn Memorial Park Cemetery im Norden von Los Angeles begraben. Thomas Mann war zu dieser Zeit unterwegs. Einige Wochen später versammelten sich etwa zwanzig Gäste im Hause Thomas Manns zum Gedenken an Bruno Frank. Thomas Mann las eine Erzählung und einige Gedichte des Verstorbenen.
Zum 10. Todestag schrieb Thomas Mann bewegende Zeilen der Erinnerung. Er zeichnete das Wesensbild des Freundes „in seiner Redlichkeit und seinem Ringen, seiner Sonntagskindlichkeit und seiner Melancholie, der vollkommenen Zivilisiertheit seines Geistes und Herzens …“ Für Bruno Franks Werk fand Thomas Mann gute würdigende Worte, doch die Erinnerung galt vor allem dem Menschen, dem Leben „eines wahrhaft Wohlwollenden, wahrhaft Menschenfreundlichen.“
Dem 20. Todestag widmete ihm Golo Mann einen Aufsatz. Es ist eines jener von kritischer Sympathie getragenen Porträts, in denen der Historiker Meister war. „Die schwäbische Herkunft merkte man ihm an; Bayern war seine Wahlheimat; Preußen seine besondere Liebe“. Und weiter: „Weil er es gut mit den Menschen meinte, ohne ihren Instinkten zu trauen, liebte er die Kultur und die alten Ordnungen. Am liebsten, gestand er, hätte er um 1860 in Baden-Baden gelebt. So war sein Deutschtum nach dem alten Europa, nach der alten deutschen Vielfalt ausgerichtet“. Das Ende war traurig. Golo Mann: „Über die Enttäuschung, die ihm die Heimat bereitet hatte, kam er nicht hinweg. Der ehedem so viel lebensvergnügte Energie ausgestrahlt hatte, erschien nun melancholisch, ja düster“.
Quellen: (ungedruckt) Briefe Bruno Franks, hauptsächlich im DLA und in der Monacensia, Literaturarchiv und Bibliothek, München.
Werke: (Auswahl) Gedichte: Aus der goldenen Schale, 1905/1907; Die Schatten der Dinge, 1912; Requiem, 1913; Die Kelter. Gesammelte Gedichte,1919.
Prosa: Im dunklen Zimmer. Novelle,1906; Die Nachtwache. Roman, 1909; Flüchtlinge. Novellen,1911; Die Fürstin. Roman, 1915; Der Himmel der Enttäuschten. Novellen, 1916; Gesichter. Gesammelte Novellen, 1920; Bigram. Neue Erzählungen, 1921; Tage des Königs. Erzählungen, 1924; Trenck. Roman eines Günstlings, 1926; Ein Konzert. Novellen, 1927; Politische Novelle, 1928; Der Magier. Novelle, 1929; Cervantes. Ein Roman, 1934; Aus vielen Jahren. Novellen und Gedichte, 1937; Der Reisepass. Roman, 1937; Sechstausend Francs. Erzählung, 1940; Die Tochter. Roman, 1943; Chamfort erzählt seinen Tod. Romanfragment, 1945.
Schauspiele: Die Trösterin, 1919; Das Weib auf dem Tiere, 1922; Henne im Korb, 1922; Zwölftausend, 1927; Perlenkomödie, 1929; Sturm im Wasserglas, 1930; Nina, 1940.
Ausgewählte Werke. Prosa. Gedichte. Schauspiele. Mit Gedenkworten von Thomas Mann als Einleitung, 1957; Die Hauptprosawerke wurden von 1975 bis 1985 von Martin Gregor-Dellin in der Nymphenburger Verlagsanstalt München neu herausgegeben (Lizenzausgaben für die DDR im Verlag Der Morgen, Berlin).

Literatur: Thomas Mann, „Politische Novelle“, in: Das Tage-Buch 9 (1928); abgedr. in: Altes und Neues. Kleine Prosa aus fünf Jahrzehnten. Stockholmer Gesamtausgabe, 1953; Thomas Mann, In memoriam Bruno Frank, in: Die Welt, 18.6.1955; abgedr. in: Nachlese. Prosa 1951–1955; Stockholmer Gesamtausgabe, 1956; Golo Mann, Zum 20. Todestag Bruno Frank, in: Neue Rundschau 1965, 3. Heft, 533; Ulrich Müller, Schreiben gegen Hitler. Vom historischen zum politischen Roman. Untersuchungen zum Prosawerk Bruno Franks, 1994; Sascha Kirchner, Der Bürger als Künstler. Bruno Frank (1887–1945) Leben und Werk, 2009; Hans-Rudolf Vaget, Von München nach Weimar am Pazifik. Leben und Werk des deutschen Schriftstellers Bruno Frank. Kurzrezension zu dem Buch von Sascha Kirchner, in: IASLonline (22.10.2009).
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